Normen
AuslBG §12b Z1
AuslBG §12b Z1 idF 2018/I/094
AuslBG §4 Abs1 idF 2018/I/056
AuslBG §4 idF 2018/I/056
AuslBG §4b Abs1 idF 2002/I/126
AuslBG §4b Abs1 idF 2017/I/066
AuslBG §4b idF 2002/I/126
AuslBG §4b idF 2017/I/066
AVG §56
VwGG §41
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §28 Abs2
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090130.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit Antrag vom 13. Februar 2020 begehrte die Zweitmitbeteiligte, eine belarussische Staatsangehörige, die Erteilung einer „Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) als sonstige Schlüsselkraft nach § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für eine Tätigkeit bei der erstmitbeteiligten Partei als Dolmetscherin, der folgende Tätigkeitsbeschreibung zugrunde lag:
„Korrespondenz mit Geschäftspartnern in Belarus u. England Übersetzen von Verträgen in Deutsch, Englisch u. Russisch Kenntnis von Arbeitsweisen und Verwaltungssystem in Belarus Vertragsverhandlungen führen“.
2 Die gemäß § 20d Abs. 1 AuslBG örtlich zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde, nun revisionswerbende Partei) versagte mit Bescheid vom 29. Juni 2020 die Zulassung als Schlüsselkraft nach § 12b Z 1 AuslBG im Wesentlichen mit der Begründung, dass eine im Ersatzkraftverfahren vermittelte Arbeitskraft aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht eingestellt worden sei.
3 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien unter Hinweis darauf, dass die vorgeschlagene Arbeitskraft mittlerweile nicht mehr am Arbeitsmarkt verfügbar sei, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
4 Gegen die die Beschwerde abweisende Beschwerdevorentscheidung vom 13. Oktober 2020 stellten die mitbeteiligten Parteien einen Vorlageantrag.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt und bestätigte gegenüber der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde, dass die Zweitmitbeteiligte die Voraussetzungen für die Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG iVm § 20d Abs. 1 Z 3 AuslBG und § 41 Abs. 2 Z 2 NAG für die Beschäftigung bei der erstmitbeteiligten Partei erfülle.
Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.
6 Das Bundesverwaltungsgericht ging dabei von folgenden Feststellungen aus (Schreibweise im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„[Die Zweitmitbeteiligte], geboren am 07.07.1980, ist Staatsbürgerin von Belarus. Sie hat das Studium der deutschen und englischen Sprache in Belarus abgeschlossen (2002). Sie hat ein Jahr als Sekretärin und Dolmetscherin gearbeitet. Anschließend hat sie von 2003 bis 2020 als Lektorin an einer Universität in Belarus Deutsch unterrichtet. Sie ist ehrenamtlich als Vorstandsmitglied u.a. bei der Österreichisch-Belarussisch-Gesellschaft tätig; in diesem Rahmen organisiert sie Reisen für kulturelle und wirtschaftliche Delegationen nach Belarus und organisiert Treffen mit staatlichen Behörden.
Sie hat für die [erstmitbeteiligte Partei] bereits fallweise als Dolmetscherin zur Unterstützung des Geschäftsführers bei Geschäftsbesuchen in Belarus gearbeitet.
Herr F ist Geschäftsführer der [erstmitbeteiligten Partei]. 100%ige Gesellschafterin der [erstmitbeteiligten Partei] ist die G GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer Herr F ist.
Die [erstmitbeteiligte Partei] verfügt über eine Gewerbeberechtigung ‚Holzbaugewerbetreibender eingeschränkt auf auszuführenden Tätigkeiten wie Zimmerei, Zuschnitt und Montage von Bausystemen und Fertigteilen‘ und eine solche für Handelsgewerbe, eingeschränkt auf den Handel mit Baumaterialien.
Geschäftsbereiche der [erstmitbeteiligten Partei] sind der Baustoffhandel, der Aufbau von Fertigteilhäuser und das Anbieten von Massivholz-Blockhäusern in traditioneller Bauweise, die von den Kunden beim Bestellvorgang im Betrieb der [erstmitbeteiligten Partei] individuell gestaltet und bestellt werden. Diese Holzhäuser in Blockbauweise werden in Belarus gefertigt, die Aufgabe der Zweitmitbeteiligten ist u.a die Kommunikation der konkreten Wünsche der Kunden und der Beschaffenheit des Holzhauses an die Geschäftspartner in Belarus.
Die [erstmitbeteiligte Partei] hat seit Jahren umfassende Geschäftsbeziehungen zu Belarus, es werden neben Holz als Rohstoff auch Fertigteilhäuser und Leimhölzer importiert, es bestehen Rahmenverträge mit Unternehmen aus Belarus. Es bestehen auch Geschäftsbeziehungen nach England.
Der Geschäftsführer der [erstmitbeteiligten Partei], Herr F, unternimmt viele Geschäftsreisen nach Belarus zu den Geschäftspartnern; dafür werden Dolmetscher vor Ort engagiert. Für die laufende Kommunikation von Gmünd aus werden ebenfalls Dolmetscher engagiert, wobei die Kommunikation mit den Auftraggebern in Belarus in den meisten Fällen über Email läuft.
Die Tätigkeit der [Zweitmitbeteiligten] für die [erstmitbeteiligte Partei] soll sich wie folgt gestalten: Kommunikation der Aufträge nach Belarus, im Besonderen in Zusammenhang mit der Bestellung von handgefertigten Blockhäusern; dafür ist bereits die Teilnahme an Kundengespräche zur Erfassung der Kundenwünsche notwendig; zur Tätigkeit der [Zweitmitbeteiligten] soll auch die weitere Betreuung des jeweiligen Auftrages bei Rückfragen aus Belarus und Unklarheiten bzw. bei weiterem Gesprächsbedarf seitens der Besteller der Häuser gehören. Weiters ist die laufende Betreuung der Geschäftsbeziehungen zu den Geschäftspartnern in Belarus geplant, die Teilnahme an Vertragsverhandlungen mit belarussischen Geschäftspartnern, die Recherche zu weiteren potentiellen Geschäftspartnern in Belarus. Ein Teil der Beschäftigung werden Übersetzungsdienste für Englisch und Russisch wie Weißrussisch und Begleitung bei Geschäftsreisen sein. Auch für die Geschäftsbeziehungen zu England wird die [Zweitmitbeteiligte] eingesetzt werden. Es wird sich um eine Vollzeitbeschäftigung handeln. Es ist ein Gehalt von € 3.330,-- (Wert 2021) zugesagt.
Die [erstmitbeteiligte Partei] hat im Ersatzkraftverfahren nach Aufforderung des AMS als Basis für den Vermittlungsauftrag vom 11.02.2020 folgendes Anforderungsprofil bekanntgegeben:
Berufsbezeichnung: Dolmetscherin
Detaillierte Tätigkeitsbeschreibung: Korrespondenz (und Geschäftsabwicklungen schriftlich und telefonisch*) mit Geschäftspartnern** in Belarus und England, Übersetzen von Verträgen in Deutsch, Englisch und Russisch, Kenntnis von Arbeitsweisen und Verwaltungssystem in Belarus, Vertragsverhandlungen führen.
Anmerkungen: *-Formulierung nur in AMS-Inserat, **-Formulierung nur in Anforderungsprofil. Die beiden Varianten sind nach Auffassung des Gerichts trotz der Unterschiede in der Wortwahl inhaltlich gleich.
Dieses Anforderungsprofil wurde als Stellenangebot an drei arbeitslos gemeldete Personen übermittelt bzw. in den Medien des AMS veröffentlicht. Eine davon hat dem AMS Gmünd mitgeteilt, dass sie sich nicht als ausreichend qualifiziert erachtet. Eine weitere Person hat sich wegen der fehlenden weißrussischen Sprachkenntnisse als für ungeeignet erklärt. Beide Einschätzungen wurden von der belangten Behörde akzeptiert. Weiters hat sich Herr H beworben, die seitens der [erstmitbeteiligten Partei] abgelehnt wurde, mit der Begründung, dass dieser hauptsächlich im Marketing und Analysen von Markt und Projekten im Export tätig war. Bei der [erstmitbeteiligten Partei] seien die Bereiche vielmehr im Bereich des Imports von speziellen Holzbauweisen und Produkten, sowie die Zusammenarbeit mit bestehenden Firmenkontakten. Die von der [erstmitbeteiligten Partei] vorgeschlagene Arbeitskraft habe sich mittlerweile Kenntnisse angeeignet.
Herr H hat sich in der Zwischenzeit bei der belangten Behörde als Arbeitssuchender abgemeldet und steht daher für die gegenständliche Beschäftigung nicht mehr zur Verfügung.“
7 Rechtlich führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe maßgeblicher Gesetzesbestimmungen und von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallbezogen zusammengefasst aus, dass die Zweitmitbeteiligte die nach Anlage C des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erforderliche Punkteanzahl von 55 nachweisen könne und das in Aussicht gestellte Gehalt den Voraussetzungen des § 12b Z 1 AuslBG entspreche. Sie erfülle die im Anforderungsprofil genannten Voraussetzungen des Arbeitgebers, wobei das von der erstmitbeteiligten Partei der belangten Behörde bekanntgegebene Anforderungsprofil auch mit den betrieblichen Notwendigkeiten in Einklang zu bringen sei.
8 Zum Einwand der belangten Behörde habe der Vertreter der erstmitbeteiligten Partei nachvollziehbar ausgeführt, dass kein Fachwissen über Holzbau notwendig, sondern nur eine gewisse Vorerfahrung im Geschäftsbereich der erstmitbeteiligten Partei erwünscht sei. Die wesentliche Voraussetzung sei die Kenntnis der kulturellen Besonderheiten in den Geschäftsbeziehungen und neben den umfassenden Sprachkenntnissen das Wissen über die Besonderheiten des Verwaltungsgeschehens in Belarus. Hinsichtlich des Kriteriums des Führens von Vertragsverhandlungen habe in der mündlichen Verhandlung geklärt werden können, dass solche Verhandlungen in Zusammenhang mit dem bestehenden Geschäftsbereich und den Rahmenverträgen gemeint seien, die betrieblich bedingt seien und zu denen die Zweitmitbeteiligte nach den Feststellungen auch befähigt sei. Im Bereich der Erweiterung der Geschäftskontakte solle die Zweitmitbeteiligte mögliche Geschäftspartner recherchieren und die Vertragsanbahnungen begleiten. Auch diese Aufgabe könne die Zweitmitbeteiligte erfüllen.
9 Im Übrigen hätte die belangte Behörde bei Zweifel an der betrieblichen Notwendigkeit einzelner Kriterien sowie bei Unklarheiten und sonstigen Einwänden gegen das Anforderungsprofil diese vor der Ersatzkraftsuche mit der erstmitbeteiligten Partei zu klären gehabt.
10 Als Ergebnis der durchgeführten Arbeitsmarktprüfung nach § 4b AuslBG stehe jedenfalls fest, dass von den nach Auffassung der belangten Behörde in Frage kommenden Bewerbern und Bewerberinnen zwei unbestritten nicht geeignet gewesen seien. Die dritte Person, Herr H, dessen Eignung strittig sei, habe der belangten Behörde gemeldet, dass er nicht mehr arbeitssuchend sei. Im Zuge des Verfahrens habe sich daher herausgestellt, dass er zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehe, weshalb auf die Frage seiner Eignung nicht mehr einzugehen sei.
11 Der erstmitbeteiligten Partei könne nicht vorgeworfen werden, die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt zu haben. Er habe am Ersatzkraftverfahren auch angemessen mitgewirkt.
12 Zusammenfassend ‑ so resümierte das Verwaltungsgericht ‑ sei ein Ersatzkraftverfahren auf Basis eines die betrieblichen Notwendigkeiten abbildenden Anforderungsprofils durchgeführt worden und nachweislich keine geeignete Ersatzkraft gefunden worden. Da die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und § 4b AuslBG sowie die sonstigen Voraussetzungen nach § 12b Z 1 AuslBG daher vorlägen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
13 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Wesentlichen infolge einheitlicher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und eindeutiger Gesetzesbestimmungen.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.
15 Die revisionswerbende Partei sieht die Zulässigkeit der Revision vor allem darin gelegen, dass mit Ablehnung der Ersatzkraft das Ersatzkraftverfahren abgeschlossen sei und es deshalb irrelevant sei, ob die in Frage kommende Ersatzkraft nach dem beendeten Ersatzkraftverfahren weithin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Die Durchführung eines Ersatzkraftverfahrens liege in der alleinigen Zuständigkeit des Arbeitsmarktservice. Sehe es das Bundesverwaltungsgericht als notwendig an, ein zeitnahes Ersatzkraftverfahren (erneut) durchzuführen, hätte es die Sache zurückzuverweisen gehabt. Wenn der Beschwerde stattgegeben werde, weil die Ersatzkraft im Entscheidungszeitpunkt des Beschwerdeverfahrens nicht mehr arbeitssuchend gemeldet sei, sei das Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet.
16 Zudem erachtet die revisionswerbende Partei das angefochtene Erkenntnis mit näheren Ausführungen deshalb für rechtswidrig, weil das Anforderungsprofil im Rahmen des Rechtsmittelverfahren „abgeflacht“ worden sei, dieses teilweise in den betrieblichen Notwendigkeiten keine Deckung finde, es von der Zweitmitbeteiligten selbst nicht erfüllt werde und für eine Vollzeitstelle nicht ausreichend wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
18 Die relevanten Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AusBG), BGBl. Nr. 218/1975, § 4 in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 4b in der Fassung BGBl. I Nr. 66/2017, § 12b in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018, lauten (auszugsweise):
„Beschäftigungsbewilligung
Voraussetzungen
§ 4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und
...
Prüfung der Arbeitsmarktlage
§ 4b. (1) Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.
...
Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen
§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie
1.die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder
2. ...
und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. ...“
19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezweckt ein Verfahren zur Vermittlung von Ersatzkräften nach § 4b Abs. 1 AuslBG den Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung sicher zu stellen. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluss auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein. Zugleich dient ein solches Verfahren dem vom Gesetz gewünschten Ergebnis, dass die freie Stelle besetzt und der Bedarf des Arbeitgebers nach seinem Anforderungsprofil entsprechenden Arbeitskräften befriedigt wird (vgl. etwa VwGH 24.1.2014, 2013/09/0070, mwN). Das Ausländerbeschäftigungsgesetz eröffnet dem Arbeitgeber dabei grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung der Bewilligung für den individuell von ihm gewünschten Ausländer, solange die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung aus gegenüber diesem gemäß § 4b AuslBG bevorzugt zu behandelnden Arbeitskräften besteht (siehe VwGH 15.9.2011, 2009/09/0149).
20 Die Prüfung der Arbeitsmarktlage erübrigt sich indes dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft begründungslos abgelehnt wird (vgl. auch dazu VwGH 15.9.2011, 2009/09/0149). Einer begründungslosen Ablehnung der Ersatzkraftstellung ist gleichzuhalten, wenn eine Ersatzkraftstellung unter Bedingungen zugelassen wird, die nicht dem objektiven Geschäftserfordernis entspricht (so etwa VwGH 20.11.2001, 99/09/0242), wobei ein vorzeitiger oder unbegründeter Abbruch eines bereits begonnenen Ersatzkraftstellungsverfahrens von der Rechtsprechung ebenfalls bereits als unbegründete Ablehnung von Ersatzkräften beurteilt wurde (siehe VwGH 27.4.1994, 94/09/0018).
21 Die revisionswerbende Partei vermeint nun, dass ein „Ersatzkraftverfahren“ nur von ihr, also von der Verwaltungsbehörde, durchgeführt werden dürfe. Sie untermauert dieses Argument mit dem Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach dieses „keine Befugnis zur Arbeitsvermittlung“ habe (Hinweis auf BVwG 16.12.2015, W209 2118170‑1).
22 Diese Ansicht hat weder den Gesetzeswortlaut, noch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich:
23 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Ersatzkraftverfahren bzw. Ersatzkraftstellungsverfahren“ im Ausländerbeschäftigungsgesetz selbst nicht verwendet wird, wenn auch etwa in den Materialien zu § 4b AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 (RV 1172 BlgNR 21. GP 46) die „so genannte Ersatzkraftprüfung“ angesprochen wird. Inhaltlich geht es darum, dass vor der Erteilung der beantragten Bewilligung die Arbeitsmarktlage ‑ wie in § 4 AuslBG vorgesehen und in § 4b AuslBG näher ausgeführt ‑ zu prüfen ist.
24 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) und die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt ist „in der Sache selbst“ zu entscheiden. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht über den Inhalt der vor der Verwaltungsbehörde behandelten Rechtssache abspricht, wobei sie entweder die Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid abweist oder dieser durch seine Entscheidung Rechnung trägt. Das Verwaltungsgericht hat somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, über die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (VwGH 25.9.2019, Ra 2018/09/0211, mwN).
25 Es ist die Zielsetzung des § 28 VwGVG, dass angesichts des in dieser Bestimmung insgesamt verankerten Systems die bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis verlangt das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, u.a., mit Hinweis auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
26 So hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits in einem Verfahren nach § 12b Z 1 AuslBG judiziert, dass eine Aufhebung und Zurückverweisung zur genaueren Ermittlung des Anforderungsprofils rechtswidrig ist und das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden hat (VwGH 10.9.2015, Ro 2015/09/0011). Bei gänzlichem Unterlassen der Durchführung eines „Ersatzkraftstellungsverfahrens“ durch die Verwaltungsbehörde wurde eine Zurückverweisung vom Verwaltungsgerichtshof hingegen nicht als rechtswidrig beurteilt (VwGH 23.2.2017, Ra 2016/09/0103).
27 Im vorliegenden Fall wurde von der revisionswerbenden Partei eine Prüfung der Arbeitsmarktlage durchgeführt. Ebenso hatte das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren den Bestimmungen des § 4 und § 4b AuslBG folgend bei seiner Entscheidung die Lage des Arbeitsmarktes zu beurteilen. Hat das Verwaltungsgericht aber in der Sache selbst zu entscheiden, so hat es dabei seine Entscheidungen an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage auszurichten (VwGH 24.6.2021, Ro 2021/09/0004; 17.3.2021, Ra 2021/03/0035). Auch für die Prüfung des Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts durch den Verwaltungsgerichtshof ist stets die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich (vgl. VwGH 11.11.2016, Ro 2016/12/0010, u.a., mit Hinweis auf VwGH 21.4.2015, Ra 2014/09/0040).
28 Für die hier zu beurteilende Sache ist daher festzuhalten, dass nach Prüfung der Lage des Arbeitsmarktes zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Ersatzarbeitskraft vorhanden war, die das Anforderungsprofil erfüllt hätte. Dies wird auch von der revisionswerbenden Partei nicht in Zweifel gezogen. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht ausgehend von der Sachlage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die Arbeitsmarktlage dahingehend beurteilte, dass keine bevorzugt einzustellende Person vorhanden war.
29 Soweit die revisionswerbende Partei im Übrigen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu dem seiner Entscheidung zugrunde gelegten Anforderungsprofil kritisiert, wird eine relevante Mangelhaftigkeit des angefochtenen Erkenntnisses ebenfalls nicht aufgezeigt:
30 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es grundsätzlich Sache des Beschäftigers, das Anforderungsprofil hinsichtlich des zu besetzenden Arbeitsplatzes und der konkreten von der Arbeitskraft zu leistenden Tätigkeiten auf abstrakte Weise festzulegen. Der Beschäftiger hat zwar nach § 4b Abs. 1 letzter Satz AuslBG den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen der gewünschten Arbeitskraft zu erbringen. Die Behörde ist in diesem Rahmen aber grundsätzlich an das von der antragstellenden Partei formulierte Anforderungsprofil gebunden (VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0141, u.a.).
31 Zwar ist gemäß § 4b Abs. 1 dritter Satz AuslBG der Prüfung der Arbeitsmarktlage das im Antrag angegebene Anforderungsprofil nur insoweit zu Grunde zu legen, als es in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung findet (siehe auch dazu VwGH 24.1.2014, 2013/09/0070) und dürfen betriebsspezifische Kenntnisse, die nur der beantragte Ausländer nur durch seine Vortätigkeit für den antragstellenden Arbeitgeber erwerben konnte (wie z.B. die Kenntnisse der ausländischen Geschäftspartner sowie der besonderen Bedürfnisse des Arbeitgebers), ‑ anders als das Erfordernis allgemeiner unternehmensbezogener Kenntnisse (wie z.B. die Beherrschung von für die Geschäftsabwicklung notwendiger Sprachen) ‑ zulässigerweise nicht zum Anforderungsprofil für diesen Arbeitsplatz erhoben werden (VwGH 23.2.1994, 93/09/0424), daraus ist für die revisionswerbende Partei hier jedoch nichts zu gewinnen.
32 So hat die revisionswerbende Partei zunächst das Anforderungsprofil selbst ihrer Prüfung der Arbeitsmarktlage zugrunde gelegt, sodass ihr nunmehriger Einwand, dass auch die Zweitmitbeteiligte dieses nicht erfülle, oder keine Vollzeitbeschäftigung darstelle, schon deshalb unberechtigt ist, weil sich in diesem Fall die Durchführung eines Ersatzkraftstellungsverfahrens erübrigt hätte (siehe auch dazu VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0141, u.a.).
33 Dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlungen Unklarheiten hinsichtlich der Arbeitgebererklärung ausräumte, ist keineswegs rechtswidrig und hätte dies bereits - wie auch das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausführte - die revisionswerbende Partei im Verwaltungsverfahren durchzuführen gehabt (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2017/09/0040).
34 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits zum Ausdruck gebracht, dass einer in vertretbarer Weise vorgenommenen, einzelfallbezogenen Auslegung einer Parteienerklärung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (siehe aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 7.3.2022, Ra 2020/12/0048; 1.6.2021, Ra 2020/12/0081).
35 Eine solche vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit wird in der Revision hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht im Einzelfall begründet vorgenommenen Beurteilung, dass das Anforderungsprofil durch die erstmitbeteiligte Partei bloß klargestellt und nicht wesentlich verändert wurde, sowie hinsichtlich der grundsätzlichen Bereitschaft der erstmitbeteiligten Partei auch geeignete Ersatzkräfte einzustellen, nicht aufgezeigt.
36 Auch die den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegende Beweiswürdigung unterliegt als Denkprozess nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. etwa VwGH 24.6.2021, Ra 2021/09/0094, mwN).
37 Die Revisionsausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der vom Verwaltungsgericht dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.
38 Das Bundesverwaltungsgericht hat aufgrund einer nicht als rechtswidrig zu erkennenden Begründung ferner das Anforderungsprofil als von betrieblichen Notwendigkeiten gedeckt beurteilt und ist aufgrund unbedenklicher Feststellungen zum Ergebnis gelangt, dass dieses auch von der Zweitmitbeteiligten erfüllt wird. Da somit im vorliegenden Fall schon ausgehend vom ursprünglichen, auch von der revisionswerbenden Partei zur Arbeitsmarktprüfung herangezogenen Anforderungsprofil, im relevanten Entscheidungszeitpunkt keine bevorzugt einzustellende Person vorhanden war, wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis daher gegenüber der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde zu Recht ausgesprochen, dass die Zweitmitbeteiligte die Voraussetzungen für die Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG für die Beschäftigung bei der erstmitbeteiligten Partei erfülle.
39 Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 1. September 2022
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