VwGH 2013/09/0070

VwGH2013/09/007024.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des EA in W, vertreten durch Mag. Michael Nierla, Rechtsanwalt, in 1010 Wien, Annagasse 5/2/15, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 20. März 2013, LGS NÖ/RAG/08114/3578159/2013, betreffend Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §12b Z1;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §12b Z1;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, beantragte beim Landeshauptmann von Wien als zuständige Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Diesem Antrag war die Arbeitgebererklärung des Abbruch- und Tiefbauunternehmens Ing. EM (in der Folge kurz: Arbeitgeber) vom 13. April 2012 angeschlossen, wonach der Beschwerdeführer als Pflasterer beschäftigt werden solle.

Mit Bescheid vom 21. September 2012 wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt, der der Antrag zur Überprüfung auf das Vorliegen der für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels maßgeblichen Kriterien im Sinn des § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) - sonstige Schlüsselkräfte - übermittelt worden war, den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot - Karte für eine Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG ab. Dies begründete sie damit, dass dem Beschwerdeführer statt der gemäß § 12b Z 1 AuslBG erforderlichen Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C des AuslBG angeführten Kriterien von 50 nur 30 angerechnet werden könnten.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG, § 20 Abs. 3 iVm § 12b Z 1 AuslBG keine Folge.

Begründend führte die belangte Behörde dazu - nach Darstellung des Verfahrensgangs und Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen - zusammengefasst aus, dass sich der Arbeitgeber in der Arbeitgebererklärung vom 13. April 2012 mit der Vermittlung von Ersatzkräften einverstanden erklärt habe. Ob geeignete Ersatzkräfte anstelle des Beschwerdeführers zur Verfügung gestanden oder ein den Anforderungen des Arbeitgebers entsprechender Vermittlungsauftrag beim Arbeitsmarktservice gemeldet gewesen wäre, sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht geprüft worden. Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass der Arbeitgeber beim Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt bis dato noch nie den Bedarf an einem Pflasterer gemeldet habe. Dieser Umstand sei dem Arbeitgeber und dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. Jänner 2013 zur Kenntnis gebracht worden. Auch in der Folge habe der Arbeitgeber keinen Bedarf an einem Pflasterer beim Arbeitsmarktservice gemeldet.

In rechtlicher Hinsicht erwog die belangte Behörde, dass zwingende Voraussetzung für die Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot - Karte für sonstige Schlüsselkräfte - neben der Erfüllung der allgemeinen Kriterien für sonstige Schlüsselkräfte - u.a. die Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 4b AuslBG sei. Grundvoraussetzung hiefür sei die Bereitschaft des potenziellen Arbeitgebers zur Einstellung von Ersatzkräften. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Arbeitgeber trotz hinreichender Rechtsaufklärung keinen Bedarf an einem Pflasterer dem Arbeitsmarktservice gemeldet habe, sodass diesem keine Möglichkeit zur Prüfung gegeben worden sei, ob hinreichend geeignete Ersatzkräfte zur Verfügung stünden. Ohne einen dem Arbeitsmarktservice erteilten Vermittlungsauftrag könne keinesfalls davon ausgegangen werden, dass sich unter den beim Arbeitsamt gemeldeten Arbeitssuchenden keine für den antragstellenden Betrieb gewillte und geeignete Arbeitskraft befunden hätte. Die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG seien im gegenständlichen Fall daher nicht erfüllt. Auf die Erfüllung der Kriterien gemäß Anlage C des AuslBG sei daher nicht mehr einzugehen. Auch eine allfällige Erfüllung derselben könne keine andere Entscheidung herbeiführen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - aus dem Grunde des § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am 31. Dezember 2013 in Kraft gestandener Fassung.

Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, dass der Arbeitgeber in der Arbeitgebererklärung vom 13. April 2012 ausdrücklich angegeben habe, die Vermittlung von Ersatzkräften zu wünschen. Dieser habe damit das Interesse an der Einstellung einer qualifizierten Ersatzkraft bekundet, womit es keines gesonderten Vermittlungsauftrags mehr bedurft habe. Das Arbeitsmarktservice habe prüfen können und müssen, ob hinreichend geeignete Ersatzkräfte zur Verfügung gestanden wären.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Nach § 12b Z 1 AuslBG werden Ausländer zu einer Beschäftigung als sonstige Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten habe, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG mit Ausnahme dessen Z 1 erfüllt sind.

Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn (u.a.) die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung) und wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach § 4b Abs. 1 AuslBG lässt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts (§ 4 Abs. 1) die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer und türkische Assoziationsarbeitnehmer, Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang und Inhaber eines Befreiungsscheins oder einer Arbeitserlaubnis zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikation hat der Arbeitgeber zu erbringen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezweckt ein Verfahren zur Vermittlung von Ersatzkräften nach § 4b Abs. 1 AuslBG, den Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung sicher zu stellen. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluss auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein. Zugleich dient ein solches Verfahren dem vom Gesetz gewünschten Ergebnis, dass die freie Stelle besetzt und der Bedarf des Arbeitgebers nach seinem Anforderungsprofil entsprechenden Arbeitskräften befriedigt wird (vgl. das Erkenntnis vom 9. November 2010, Zl. 2007/09/0199, mwN).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde eine Arbeitsmarktprüfung nicht durchgeführt und dies damit begründet, dass der Arbeitgeber einen Vermittlungsauftrag an das Arbeitsmarktservice nicht erteilt habe.

Diese Rechtsansicht ist aus folgenden Gründen unzutreffend:

Zwar trifft es zu, dass sich die Prüfung der Arbeitsmarktlage nach ständiger Rechtsprechung dann erübrigt, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird. Eine solche Ablehnung kann dem Arbeitgeber im vorliegenden Fall jedoch nicht vorgeworfen werden, gab er in der Arbeitgebererklärung vom 13. April 2012 doch unzweifelhaft an, die Vermittlung von Ersatzkräften zu wünschen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde bedarf es zusätzlich keines weiteren Vermittlungsauftrags mehr, weil das Ziel der Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsmarktservice von Amts wegen anzustreben ist (vgl. zum Ganzen das - zu einer Beschäftigungsbewilligung ergangene - Erkenntnis vom 6. März 1997, Zl. 94/09/0387, mwN).

Die belangte Behörde hätte daher ungeachtet des trotz Aufforderung durch die belangte Behörde nicht erteilten Vermittlungsauftrags eine Prüfung der Arbeitsmarktlage durchführen und gegebenenfalls dem Arbeitgeber die ihrer Meinung nach als bevorzugt zu behandelnden Arbeitssuchenden, die fähig und bereit wären, den vom Arbeitgeber zu besetzenden Arbeitsplatz zu den angebotenen Bedingungen auszufüllen, namhaft zu machen gehabt. Erst dann hätte rechtlich einwandfrei beurteilt werden können, ob der Arbeitgeber des Beschwerdeführers tatsächlich kein Interesse an einer solchen Vermittlung hat (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom 6. März 1997, Zl. 94/09/0387, mwN).

Dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0115) lag hingegen insoweit ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde, als der Arbeitgeber in jenem Fall die Ersatzkraftstellung ohne ausreichende Begründung abgelehnt hatte. Davon kann jedoch im vorliegenden Fall - wie ausgeführt - nicht die Rede sein.

Sofern die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, dass die genauen Anforderungen an die zu vermittelnde Ersatzkraft nur anhand eines Vermittlungsauftrags zu ermitteln wären, ist dem zu entgegnen, dass auch in der Arbeitgebererklärung neben der Anführung der beruflichen Tätigkeit (hier: Pflasterer) Raum für eine "genaue Beschreibung der Tätigkeit" (hier: "Pflasterungen aller Art") vorhanden ist. Zudem ist gemäß § 4b Abs. 1 AuslBG der Prüfung der Arbeitsmarktlage das im Antrag angegebene Anforderungsprofil nur insoweit zu Grunde zu legen, als es in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung findet.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift als "Ablehnungsgründe außerhalb des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens" noch ausführt, dass der Beschwerdeführer insgesamt nur 35 Punkte und somit nicht die in Anlage C des AuslBG definierte Mindestpunktezahl von 50 erreicht hätte, ist diese in der Gegenschrift nachgetragene Überlegung nicht geeignet, eine fehlende Bescheidbegründung zu ersetzen (vgl. das Erkenntnis vom 5. Juli 2006, Zl. 2005/12/0224, mwN). Im angefochtenen Bescheid stützte sich die belangte Behörde aber gerade nicht darauf, dass die Mindestpunkteanzahl vom Beschwerdeführer nicht erreicht worden wäre, sondern ließ diesen Punkt ausdrücklich offen.

Indem die belangte Behörde daher trotz der erklärten Bereitschaft zur Vermittlung von Ersatzkräften eine Prüfung der Lage des Arbeitsmarkts unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.

Wien, am 24. Jänner 2014

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