VwGH 94/09/0387

VwGH94/09/03876.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der E-GmbH in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des AMS Wien vom 11. November 1994, Zl. IIc/6702 B/16838, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z2 litc idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z3 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z2 litc idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z3 idF 1990/450;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 26. August 1994 den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den mazedonischen Staatsangehörigen S. für die vorgesehene berufliche Tätigkeit als "Elektroinstallateur-Helfer".

Mit Bescheid vom 20. September 1994 lehnte die Arbeitsmarktbehörde erster Instanz die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer "für die berufliche Tätigkeit als Elektroinstallateur" gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Nach Zitierung der erwähnten Gesetzesbestimmung wird in der Begründung des Bescheides ausgeführt, der Regionalbeirat habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung brachte die beschwerdeführende Partei vor, daß die Behörde eine Überprüfung der Lage auf dem "relevanten Teilarbeitsmarkt der Elektroinstallateure" nicht vorgenommen habe. Ein Hinweis auf eine abstrakt bestehende Arbeitslosensituation genüge nicht, sondern es müsse konkret durch Zuweisungen die Möglichkeit geboten werden, aus dem "Ersatzkraftpotential allenfalls adäquate Ersatzkräfte auszuwählen". Weiters müsse die Arbeitskraft bereit und fähig sein, den angebotenen Arbeitsplatz anzunehmen, und die entsprechende fachliche Qualifikation aufweisen. Alle diese Kriterien träfen auf S. zu. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 AuslBG seien erfüllt. Aufgrund der Integration des S. sei davon auszugehen, daß dieser das in Österreich verdiente Geld hier auch wieder ausgeben werde und damit mittelfristig zur Belebung der Wirtschaft beitragen könne. Es sprächen daher "wirtschaftliche" Interessen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Außerdem werde S. als dringender Ersatz für einen ausgeschiedenen ausländischen Arbeitnehmer benötigt, sodaß auch § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG erfüllt sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird die Rechtslage zu § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 (hier auch die Überschreitung der für das Kalenderjahr 1994 mit der Verordnung BGBl. Nr. 794/1993 festgesetzten Landeshöchstzahl) dargestellt. Sodann wird ausgeführt, S. sei für die Beschäftigung "als Elektroinstallateur" beantragt worden. Entgegen den Berufungsbehauptungen habe eine Überprüfung der Lage auf dem relevanten Arbeitsmarkt stattgefunden und ergeben, daß derzeit für die "konkret beantragte Beschäftigung" eine Ersatzkraftstellung mit geeigneten Personen nicht als aussichtslos betrachtet werden könne. Da von der beschwerdeführenden Partei kein "adäquater Vermittlungsauftrag" vorgelegen sei, sei angesichts dieser Situation auf dem "verfahrensrelevanten Teilarbeitsmarkt" seitens des Arbeitsamtes mit Schreiben vom 13. Oktober 1994 das Ersuchen um Bekanntgabe gestellt worden, ob die beschwerdeführende Partei an der Einstellung von "vordergründig in den Arbeitsprozeß zu integrierender Personen anstelle der beantragten ausländischen Arbeitskraft" interessiert sei. Auf dieses Schreiben habe die beschwerdeführende Partei keine Reaktion gezeigt. Durch dieses Desinteresse an der angebotenen Ersatzkraftstellung habe sich die beschwerdeführende Partei die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Es spreche somit § 4 Abs. 1 AuslBG gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Außerdem sei kein Nachweis über die Qualifikation des beantragten Ausländers erbracht worden. Der "Beurteilung und Entscheidung ist daher im gegenständlichen Verfahren nicht die Eignung von Herrn S. für die von Ihnen beantragte Tätigkeit, für die in Österreich die Berufsausbildung im Lehrberuf Elektroinstallateur in der Dauer von 3,5 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist, zugrundezulegen". Weiters sei wegen der Überschreitung der Landeshöchstzahl zu prüfen, ob die Voraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d AuslBG erfüllt seien. Wenn in der Berufung augeführt werde, S. könnte mittelfristig zur Belebung der österreichischen Wirtschaft beitragen, so komme diesem Umstand keineswegs die Bedeutung eines gesamtwirtschaftlichen Interesses im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG zu. Zur Behauptung, S. werde als dringender Ersatz für einen ausgeschiedenen ausländischen Arbeitnehmer benötigt (weshalb § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG erfüllt sei), sei zu sagen, daß ein besonders wichtiger Grund nur dann vorliege, wenn an der Beschäftigung des Ausländers ein qualifiziertes Interesse, welches über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Abdeckung des dringenden Arbeitskräftebedarfes hinausgehe, bestehe. Durch die beabsichtigte Beschäftigung von S., dessen Qualifikation für die vorgesehene Verwendung "Elektroinstallateur" nicht belegt worden sei, werde diese Voraussetzung nicht erfüllt, zumal, wie erwähnt, die Abdeckung des Arbeitskräftebedarfes im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage durchaus realisierbar erscheine.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Bereits das Zutreffen eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen und gesamtwirtschaftliche Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 1993, 93/09/0139, und vom 7. Mai 1996, 95/09/0005).

Die belangte Behörde ist bei ihrer Ablehnung nach § 4 Abs. 1 AuslBG von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen: Zwar trifft es zu, daß sich die Prüfung der Arbeitsmarktlage nach ständiger Rechtsprechung dann erübrigt, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, 92/09/0312). Eine solche Ablehnung kann der beschwerdeführenden Partei aufgrund des im angefochtenen Bescheides vorgeworfenen Verhaltens (fehlende Reaktion auf ein Schreiben vom 13. Oktober 1994 betreffend Bekundung eines Interesses an der Stellung von Ersatzkräften) aber nicht unterstellt werden. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde bedarf es zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung keines "aktuellen Vermittlungsauftrages" mehr, weil das Ziel der Arbeitsvermittlung von Amts wegen durch das Arbeitsamt - nunmehr vom Arbeitsmarktservice - anzustreben ist (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1991, 91/09/0009, vom 26. September 1991, 91/09/0090, sowie vom 18. Februar 1993, 92/09/0312).

Es wäre daher ungeachtet der fehlenden Reaktion der beschwerdeführenden Partei auf die Aufforderung vom 13. Oktober 1994 die belangte Behörde verhalten gewesen, der beschwerdeführenden Partei jene ihrer Meinung nach als bevorzugt zu behandelnden Arbeitssuchenden, die fähig und bereit seien, den von der beschwerdeführenden Partei zu besetzenden Arbeitsplatz zu den angebotenen Bedingungen auszufüllen, namhaft zu machen. Erst danach kann rechtlich einwandfrei beurteilt werden, ob die beschwerdeführende Partei tatsächlich kein Interesse an einer solchen Vermittlung hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, 92/09/0397).

Zur Frage der Qualifikation der beantragten ausländischen Arbeitskraft wird in der Beschwerde zutreffend darauf hingewiesen, daß S. laut Antrag als "Elektroinstallateur-Helfer" beschäftigt werden sollte. Die Zugrundelegung eines "Lehrberufes Elektroinstallateur" mit einer Ausbildungsdauer von 3,5 Jahren laut Begründung des angefochtenen Bescheides findet in der Aktenlage keine Deckung und durfte auch nicht - ohne weitere Ermittlungen - allein aus der in der Berufung enthaltenen Bezugnahme auf den "relevanten Teilarbeitsmarkt der Elektroinstallateure" angenommen werden. Darüber können auch in der Gegenschrift angestellte Vermutungen, daß das Arbeitsamt "erfahrungsgemäß" bei ungenau determinierten Angaben (die Bezeichnung "Elektroinstallateur-Helfer" sei eine solche gewesen) die tatsächlich beabsichtigte Verwendung mit dem Antragsteller abkläre (Abweisung im erstinstanzlichen Bescheid für eine Beschäftigung des S. als "Elektroinstallateur"), nicht hinweghelfen.

§ 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall geltenden Fassung (Z. 1 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 314/1994, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die beschwerdeführende Partei hat die Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG (insbesondere das Überschreiten der Landeshöchstzahl 1994) nicht bestritten. Ihrer Ansicht nach sei aber der besonders wichtige Grund nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG erfüllt, weil S. als dringender Ersatz für einen ausgeschiedenen ausländischen Arbeitnehmer benötigt werde.

Ohne diesem Vorbringen inhaltlich entgegenzutreten, hat die belangte Behörde den geltend gemachten Grund bereits deshalb als unzureichend erachtet, weil sie die Ansicht vertrat, es bedürfe auch bei Vorliegen der Tatbestände nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d AuslBG eines "qualifizierten Interesses" an der Beschäftigung des Ausländers. Dies entspricht allerdings nicht der Rechtslage. Liegt nämlich einer der im § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG als "besonders wichtig" demonstrativ aufgezählten Gründe vor, dann bedarf es darüber hinaus keines "qualifizierten Interesses" des Arbeitgebers an der Einstellung des in seinem Antrag auf Beschäftigungsbewilligung genannten Ausländers mehr (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1994, 94/09/0173, und 24. Mai 1995, 93/09/0437).

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG aufzukommen.

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