VwGH Ra 2021/05/0126

VwGHRa 2021/05/012613.10.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache der M B in W, vertreten durch Mag. Stefan Lichtenegger, LL.M., Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelder Straße 39/DG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 22. April 2021, LVwG‑AV‑617/001‑2021, betreffend Abweisung eines Bauansuchens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde Z; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauRallg
ROG NÖ 1976 §19 Abs4
ROG NÖ 2014 §20 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050126.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (in der Folge: LVwG) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Z. vom 3. Februar 2021, mit welchem ein Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung der nachträglichen Bewilligung zur Errichtung näher bezeichneter Bauwerke auf einem näher genannten Grundstück der KG K. abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen (1.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei (2.).

2 Begründend führte das LVwG dazu auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die Revisionswerberin sei Pächterin des als „Grünland‑Grüngürtel‑Uferbegleitgrün“ gewidmeten Grundstückes, auf welchem von ihr bereits im Jahr 2013 zwei näher beschriebene Gebäude und ein Steg errichtet worden seien. Versuche, unter anderem dieses Grundstück umzuwidmen, seien aufgrund negativer Beurteilungen mehrmals erfolglos verlaufen. Das Grundstück grenze an einen als Sportfischteich mit Badenutzung für maximal 150 Personen wasserrechtlich bewilligten Grundwasserteich. Die (mit Zustimmung des Grundeigentümers) nunmehr beantragten Bauwerke würden dem Zweck dienen, den Bereich und insbesondere den Teich in der Freizeit zu Badezwecken und sonstiger Erholung zu nutzen und darin Sanitärräume unterzubringen. In den Pachtverträgen sei ausdrücklich festgehalten worden, dass die Nutzung der gepachteten Grundstücksflächen ausschließlich zu Freizeitzwecken erfolgen würde.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das LVwG mit näherer Begründung aus, die beantragten Objekte seien gemäß § 4 Z 6,7 und 15 iVm § 14 Z 1 und 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) bewilligungspflichtig. Ein Bauvorhaben auf Grundflächen im Grünland, deren Nutzung nur als hobbymäßig betriebene Sportfischerei sowie für Bade‑ und Erholungszwecke beabsichtigt sei, sei nicht als erforderlich im Sinne des § 20 Abs. 4 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 2014 (NÖ ROG 2014) zu beurteilen (Verweis auf VwGH 10.12.1991, 91/05/0063). Nichts anderes könne für den hier vorliegenden Fall einer Grünlandfläche gelten, deren Widmung nicht auf die Badenutzung der angrenzenden Wasserfläche ausgerichtet sei. Die Festlegung eines Grüngürtels könne drei näher dargestellte Zwecke (Anmerkung: gemäß § 20 Abs. 2 Z 2 NÖ ROG 2014) haben; die von der Revisionswerberin dargelegte und festgestellte Nutzung der Bauvorhaben, die ausschließlich der Freizeitgestaltung diene, stelle keinen derartigen Zweck dar. Die verfahrensgegenständliche Fläche diene (unverändert) dem Erhalt des Grüngürtels, wozu keine Bauwerke erforderlich seien, weshalb die Revisionswerberin eine Erforderlichkeit gemäß § 20 Abs. 4 NÖ ROG 2014 nicht nachweisen habe können. Die ins Treffen geführte wasserrechtliche Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft T. zur Nutzung des Sees als Sportfischteich ändere daran nichts.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst Verfahrensmängel sowie ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zu den Fragen, „ob im Sinne des § 20 Abs. 4 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 eine Erforderlichkeitsprüfung bei bestimmten Widmungsarten immer negativ beschieden ist“ sowie „ob bei der Erforderlichkeitsprüfung der Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist und ob bei der Erforderlichkeitsprüfung eine Gesamtschau der örtlichen Gegebenheiten vorzunehmen ist“, geltend macht.

5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. für viele etwa VwGH 2.3.2021, Ra 2019/06/0022, oder auch 13.1.2021, Ra 2020/05/0239, jeweils mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 26.11.2020, Ra 2020/06/0189, oder auch 31.8.2020, Ra 2020/05/0118, jeweils mwN).

10 Zu den in der Revision geltend gemachten Verfahrensmängeln (Ermittlungsmängel und Feststellungsmängel) ist zunächst festzuhalten, dass die Zulässigkeit einer Revision unter Berufung auf einen Verfahrensmangel voraussetzt, dass auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass es abstrakt möglich sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen ‑ für den Revisionswerber günstigeren ‑ Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. für viele etwa VwGH 7.10.2020, Ra 2020/05/0187, mwN). Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision nicht, weil sie nicht ansatzweise aufzeigt, welche Ergebnisse bei der Durchführung weiterer Ermittlungen durch das LVwG zu erwarten gewesen wären und inwieweit diese das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses beeinflusst hätten (vgl. dazu etwa VwGH 23.3.2020, Ra 2019/06/0249 bis 0253 oder auch 29.3.2021, Ra 2019/06/0004, jeweils mwN).

11 Zur weiters geltend gemachten Rechtsfrage, „ob im Sinne des § 20 Abs. 4 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 eine Erforderlichkeitsprüfung bei bestimmten Widmungsarten immer negativ beschieden ist“, ist zum einen auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zu verweisen, in welcher das LVwG fallbezogen zu dem Ergebnis kam, dass die verfahrensgegenständlichen Objekte, wie von der Revisionswerberin beantragt, zur Nutzung des Grundstückes mit der dafür festgelegten Widmung „Grünland‑Grüngürtel‑Uferbegleitgrün“ nicht erforderlich sind. Dieser Beurteilung tritt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen in der Sache nicht entgegen und legt insbesondere nicht dar, inwiefern diese unvertretbar sein solle und eine Erforderlichkeit der in Rede stehenden Bauwerke für die Nutzung eines Grundstückes mit der gegenständlich vorliegenden Widmung gemäß § 20 Abs. 4 NÖ ROG 2014 gegeben sein sollte. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass der Gemeinde für die Ausweisung einer unbebaubaren Fläche unter anderem die Widmung „Grünland‑Grüngürtel“ zur Verfügung steht (vgl. VwGH 3.7.2007, 2006/05/0068). Auch insofern ist die Beurteilung im angefochtenen Erkenntnis, für die zweckentsprechende Verwendung des Grundstückes als Grüngürtel seien die beantragten Objekte nicht erforderlich, nicht als unvertretbar anzusehen; aus der zur Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1991, 91/05/0063, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 19 Abs. 4 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 außerdem wiederholt ausgesprochen, dass bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Bauwerken im Grünland ein strenger Maßstab anzulegen ist, um die Umgehung der Bestimmungen über die Flächenwidmung zu verhindern (vgl. etwa VwGH 8.4.2014, 2011/05/0124 oder auch 29.3.2017, Ro 2014/05/0007, jeweils mwN).

12 Zum Zulässigkeitsvorbringen, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „ob bei der Erforderlichkeitsprüfung der Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist und ob bei der Erforderlichkeitsprüfung eine Gesamtschau der örtlichen Gegebenheiten vorzunehmen ist“, abgewichen, ist zunächst festzuhalten, dass sich die Auffassung, das LVwG habe die Prüfung der Übereinstimmung mit den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen nicht anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorgenommen, auf dem Boden der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses als unzutreffend erweist. Das LVwG hat vielmehr ausgeführt, dass seit Gutachtenserstellung (Anmerkung: zur Frage der Erforderlichkeit im Jahr 2013, siehe aE S. 4) keine maßgebliche Änderung der Sach‑ und Rechtslage eingetreten ist (aE S. 15), und hat damit als maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt offenkundig jenen der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses herangezogen. Dass sich die Sach- und Rechtslage entgegen dieser Beurteilung des LVwG zwischenzeitlich entscheidungswesentlich geändert hätte, bringt die Revision nicht vor; auch aus dem im Zulässigkeitsvorbringen genannten und im Übrigen zu einem anderen Sachverhalt als vorliegend ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 2007, 2005/05/0113, ist entgegen der Auffassung der Revisionswerberin gegenständlich nicht die Verpflichtung zur Einholung eines (neuen) Sachverständigengutachtens abzuleiten. Wenn die Revisionswerberin weiters behauptet, zur Erforderlichkeitsprüfung sei eine „Gesamtschau der örtlichen Gegebenheiten“ vorzunehmen, und sich dabei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2020, Ra 2020/05/0157 (betreffend die Errichtung einer Kleinwindkraftanlage), beruft, ist zum einen nicht zu erkennen, inwiefern dieses Argument der Revision im Hinblick auf die hier gegenständlichen Objekte zum Erfolg verhelfen könnte, und verkennt sie damit zum anderen den Inhalt der genannten Entscheidung, in der diese Frage nur am Rande in der Wiedergabe des Beschwerdevorbringens an das Verwaltungsgericht, nicht aber entscheidungswesentlich für das Erkenntnis angesprochen wurde.

13 Soweit zur Zulässigkeit der Revision weiters eine wasserrechtliche Bewilligung des angrenzenden Teiches zur Nutzung als Sportfischteich mit Badenutzung aus dem Jahr 2005 angeführt wird, genügt es, auf das von der Revisionswerberin selbst genannte (und auch vom LVwG zutreffend herangezogene) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1991, 91/05/0063, zu verweisen, welches zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt damit gerade nicht vor; die dort zugrundeliegende Bestimmung des § 19 Abs. 4 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 ist im hier entscheidungswesentlichen Punkt der Erforderlichkeitsprüfung mit der vorliegend angewendeten Bestimmung des § 20 Abs. 4 NÖ ROG 2014 vergleichbar.

14 Wenn zur Revisionszulässigkeit schließlich mit einem Verstoß gegen die Verhandlungspflicht argumentiert wird, ist dazu festzuhalten, dass die Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren die hier entscheidungsrelevanten Tatsachenannahmen nicht bestritten und keinen neuen maßgeblichen Sachverhalt behauptet hat; insbesondere wurde auch kein sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet, das geeignet gewesen wäre, hinsichtlich der Frage der Erforderlichkeit der in Rede stehenden Objekte gemäß § 20 Abs. 4 NÖ ROG 2014 zu einer anderen Beurteilung als die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht zu gelangen. Fragen der Beweiswürdigung sind daher für das LVwG insoweit nicht aufgetreten und es hat auch keine neuen Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Es ist daher nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem LVwG eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Der EGMR hat mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn ‑ wie hier ‑ keine Fragen der (maßgeblichen) Beweiswürdigung auftreten oder die (maßgeblichen) Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. VwGH 11.12.2020, Ra 2018/06/0247, 29.4.2019, Ra 2017/05/0042, 25.9.2018, Ra 2018/05/0229, oder auch 29.3.2017, Ra 2017/05/0036, jeweils mwN).

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Oktober 2021

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