VwGH Ra 2020/05/0157

VwGHRa 2020/05/01574.12.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart‑Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des J R F in K, vertreten durch die Hintermeier Pfleger Brandstätter Rechtsanwälte GesbR in 3100 St. Pölten, Andreas‑Hofer Straße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 26. Mai 2020, LVwG‑AV‑1090/001‑2019, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde Z; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §28
MRK Art6
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020050157.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Marktgemeinde Z hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 8. Jänner 2019 suchte der Revisionswerber um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Kleinwindkraftanlage mit 10 kW samt 15 m Turm auf einem näher bezeichneten Grundstück an.

2 Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde Z. vom 1. April 2019 gemäß § 20 in Verbindung mit § 14 NÖ Bauordnung 2014 (im Folgenden: BO) abgewiesen.

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung, welche mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Z. vom 1. Juli 2019 abgewiesen wurde.

4 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Windkraftanlage diene keiner öffentlichen beziehungsweise kommunalen oder genossenschaftlichen Energie‑ und Wasserversorgung. Darüber hinaus sei die Windkraftanlage gemäß § 20 Abs. 4 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 (im Folgenden: ROG) in der Widmung Grünland‑Gärtnereien entsprechend der Stellungnahme des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. März 2019 nicht zulässig.

5 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht). Darin führte er im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Erforderlichkeit des Bauvorhabens gemäß § 20 Abs. 4 ROG sei keine ordnungsgemäße Prüfung durchgeführt worden. Ein näher beschriebenes Projekt von 32 Gartenanlagen erfordere eine entsprechende Stromversorgung, welche anderweitig in diesem Bereich nicht gewährleistet werden könne. Zum Betrieb dieser Gartenanlage im Grünland‑Gärtnereien sei eine solche Stromerzeugung als gemeinschaftliche Erzeugungsanlage gemäß § 16a Elektrizitätswirtschafts‑ und ‑organisationsgesetz 2010 (im Folgenden: ElWOG 2010) die einzig mögliche Alternative.

6 Die Fläche, auf der die Windkraftanlage errichtet werden solle, sei eine Teilfläche eines näher genannten Grundstückes mit einer Gesamtfläche von rund 165.000 m2, auf welchem sich ein Badesee mit 33 kleinen Badehäusern befinde. Die Teilflächen, auf denen die Badehäuser stünden, hätten die Nutzer vom Revisionswerber gepachtet. Sämtliche Pächter hätten sich im Gartenverein Z. zusammengeschlossen. Dieses Areal, das der Naherholung der hierzu Berechtigten diene, liege weit außerhalb des nächsten Ortsgebietes, und dadurch sei die Energieversorgung durch das Ortsnetz nicht gewährleistet. Es sei also erforderlich, dass die Liegenschaften rund um den Badesee autark mit Energie versorgt werden könnten.

7 Die 33 Badeparzellen seien vom Revisionswerber als leere Grundstücksteile verpachtet und die darauf errichteten Badehütten und Gebäude von den Pächtern selbst errichtet worden. Es sei nicht die gesamte Fläche mit etwa 17 ha als Grünland‑Gärtnereien gewidmet, sondern nur jener Teil, auf welchem die Windkraftanlage errichtet werden solle. Das Südostufer sei der Sportfischerei gewidmet und am Nordwestufer seien die Badepächter laut Wasserrechtsbescheid situiert. Überdies sei angedacht, auch die Teilfläche der jetzigen Grünland‑Gärtnereien‑Widmung zu parzellieren und als gärtnerische Flächen zu verpachten. Bei der Windkraftanlage handle es sich zweifellos um eine kommunale Energieversorgungsanlage gemäß § 20 Abs. 6 ROG (wird näher ausgeführt). Das geplante Bauprojekt dürfe als Gemeinschaftsanlage auf jeder Grünlandfläche errichtet werden.

8 Unrichtig sei die Beurteilung im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung des § 20 Abs. 4 ROG, wonach eine Erforderlichkeit im Sinne § 20 Abs. 2 Z 6 ROG nicht gegeben sei. Nähere Ausführungen hierzu würden fehlen, und es werde lediglich auf ein Schreiben des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung verwiesen. Die Widmungsart Grünland‑Gärtnereien sehe eine gewerbliche Nutzung vor, welche aber auch in der Verpachtung von einzelnen Gartenparzellen (im Rahmen eines Gärtnereibetriebes) an die Mitglieder des Vereins Z. gegeben sein könne. Das Gesamtprojekt ziele nämlich auch darauf ab, dass diese Pächter (abgesehen von der Nutzung des Badesees, welche den Vereinsmitgliedern dort freistehe) die einzelnen Gartenparzellen pflegen und bepflanzen würden, auch derart, dass dort Gemüse und Zierpflanzen, Sträucher und dergleichen angepflanzt würden. Die Verpachtung erfolge im Rahmen der gewerblichen Nutzung des Gärtnereibetriebes des Revisionswerbers. Eine dementsprechende gewerbliche gärtnerische Nutzung wäre daher auch in diesem Fall gegeben, selbst wenn die Anwendung des § 20 Abs. 6 ROG verneint werde. Für diese Nutzung der einzelnen Gärten sei eine dementsprechende Wasserversorgung zur Bewässerung und hierfür auch eine Stromversorgung unumgänglich.

9 Bei der Erforderlichkeitsprüfung sei nicht generell nur von dem als Gärtnerei gewidmeten Teilstück auszugehen. Es liege dort im Eigentum des Revisionswerbers ein rund 17 ha großes Gebiet vor, das für diverse Zwecke genutzt werde und auch unterschiedlich gewidmet, in sich aber geschlossen und keiner sonstigen ausreichenden Energieversorgung zugänglich sei. Dieses gesamte Gebiet sei möglichst umweltfreundlich und ökonomisch zu versorgen. Zu bedenken sei auch die Notwendigkeit der Versorgung der Badepächter, deren Gäste, der Sportfischer und der künftigen Pächter der zu parzellierenden Gärtnereiflächen. Wenngleich die Windkraftanlage nur auf dem Teilgrundstück mit der Gärtnerei‑Widmung errichtet werde, seien auch diese Umstände zu berücksichtigen.

10 Beantragt werde schließlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 1.). Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt 2.).

12 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Baugrundstück stehe im Alleineigentum des Revisionswerbers und weise in jenem Bereich, in dem die Windkraftanlage errichtet werden solle, die Widmung Grünland‑Gärtnereien auf. Auf dem Baugrundstück befinde sich unter anderem auch ein Teich mit der Widmung Grünland‑Wasserfläche, welcher zur Fischerei und zu Badezwecken von einem eingeschränkten Personenkreis genutzt werden könne. Jener Grundstücksbereich, der unmittelbar an die als Grünland‑Gärtnereien gewidmete Grundstücksfläche angrenze, sei als Grünland‑Sportstätten (Fischerei) gewidmet. Die Widmung Grünland-Windkraftanlagen sei auf keinem Teil des Baugrundstückes vorherrschend.

13 Das Baugrundstück weise unter anderem zumindest 30 an Dritte verpachtete Kleinflächen (Gartenparzellen) auf, die teilweise bebaut seien. Betreffend die auf den Pachtflächen errichteten Gebäude und baulichen Anlagen seien seitens der Baubehörde erster Instanz (mangels baubehördlicher Bewilligungen) Abbruchaufträge erlassen worden, die teilweise in Rechtskraft erwachsen seien.

14 Der Revisionswerber beabsichtige in dem als Grünland-Gärtnereien gewidmeten Grundstücksteil des Baugrundstückes eine Windkraftanlage mit 10 kW Engpassleistung und einen 15 m hohen Turm zu errichten. Das Fundament der Windkraftanlage solle ebenfalls auf dem als Grünland-Gärtnereien gewidmeten Grundstücksteil des Baugrundstückes zu liegen kommen. Eine Stromversorgung der an Dritte verpachteten Kleinflächen des Baugrundstückes und der dort befindlichen Baulichkeiten durch externe Stromversorger sei derzeit nicht gewährleistet, sondern diese erfolge durch die von den Pächtern genutzten Notstromaggregate. Die Pächter der Kleinflächen auf dem Baugrundstück und der Revisionswerber hätten sich zum Gartenverein Z. zusammengeschlossen.

15 Der Revisionswerber beabsichtige durch die Errichtung der beantragten Windkraftanlage (in Kombination mit einer Photovoltaikanlage) eine Stromversorgung auf den verpachteten Grundstücksflächen sowie auf einem von ihm genutzten, näher bezeichneten Grundstück zu gewährleisten. Weiters beabsichtige er durch die Windkraftanlage die Gewährleistung eines elektrischen Antriebes für eine Bewässerungspumpe, um eine Bewässerung der verpachteten Liegenschaftsanteile herzustellen (Tröpfchenbewässerung), und es sei angedacht, künftig noch weitere Kleinflächen als Gärten zu verpachten. Als Betreiber der Windkraftanlage (im Zusammenspiel mit einer Photovoltaikanlage) solle der Gartenverein Z. auftreten.

16 Nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften führte das Verwaltungsgericht weiter aus, die Errichtung der Windkraftanlage bedürfe keiner Genehmigung nach dem NÖ Elektrizitätswesengesetz 2005 (im Folgenden: ElWG), da sie lediglich über eine Engpassleistung von 10 kW verfüge und § 5 Abs. 2, 3, 4 oder 7 ElWG daher nicht anwendbar sei. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Z 4 BO sei sohin nicht erfüllt. Auf das Vorhaben sei damit die BO anzuwenden.

17 Die projektierte Windkraftanlage bedürfe gemäß § 14 Z 7 BO einer Baubewilligung. Gemäß § 20 Abs. 1 BO habe die Baubehörde bei Anträgen nach § 14 BO insbesondere vorerst zu prüfen (Vorprüfung), ob dem Bauvorhaben die Bestimmungen des ROG entgegenstünden. Das im Grünland projektierte Bauvorhaben sei folglich nach § 20 ROG zu beurteilen.

18 Gemäß § 20 Abs. 2 Z 19 ROG seien Flächen für Anlagen zur Gewinnung elektrischer Energie aus Windkraft mit einer Engpassleistung von mehr als 20 kW als Grünland‑Windkraftanlagen zu widmen, wobei es ausreiche, wenn die für das Fundament einer Windkraftanlage erforderliche Fläche so gewidmet sei. Da die projektierte Windkraftanlage lediglich über eine Engpassleistung von 10 kW verfüge, bedürfe es einer derartigen Sonderwidmung nicht. Kleinere Windkraftanlagen mit einer Engpassleistung bis zu 20 kW, wie die gegenständliche Anlage, seien daher auch in anderen Grünlandwidmungsarten zulässig.

19 § 20 Abs. 6 ROG sehe darüber hinaus als Sonderregelung für die Energie‑ und Wasserversorgung vor, dass die Errichtung von Betriebsbauwerken für diese öffentliche beziehungsweise kommunale oder genossenschaftliche Versorgung in allen Grünlandwidmungsarten bewilligt werden dürfe. Die Fundamente der Windkraftanlagen dürften jedoch auch in diesen Fällen nur auf solchen Flächen errichtet werden, die im Flächenwidmungsplan als Grünland‑Windkraftanlagen ausgewiesen seien. Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen, wonach auf Grund der vorliegenden Einreichunterlagen unzweifelhaft feststehe, dass das Fundament der projektierten Windkraftanlage in dem als Grünland‑Gärtnereien gewidmeten Teil des Baugrundstückes zu liegen kommen solle, sei die in § 20 Abs. 6 ROG normierte Sonderregelung betreffend die Errichtung von Betriebsbauwerken für die öffentliche beziehungsweise kommunale oder genossenschaftliche Energie‑ und Wasserversorgung auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar. Mangels Erfüllung dieser in § 20 Abs. 6 ROG vorgesehenen Tatbestandvoraussetzung sei auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen. Es sei auf keinem Teil des Baugrundstückes die Widmung Grünland‑Windkraftanlagen gegeben.

20 Das projektierte Bauvorhaben sei daher anhand der allgemeinen Regelung in § 20 Abs. 4 ROG zu beurteilen, wonach ein bewilligungspflichtiges oder anzeigepflichtiges Bauvorhaben im Grünland nur dann und nur in jenem Umfang zulässig sei, als dies für eine Nutzung gemäß § 20 Abs. 2 ROG erforderlich sei. Es sei daher zu prüfen, ob die projektierte Windkraftanlage für eine Nutzung gemäß § 20 Abs. 2 Z 6 ROG (gewerbliche gärtnerische Nutzung) erforderlich sei.

21 Auf Grundlage des vom Revisionswerber dargelegten Betriebskonzeptes sei eine Stellungnahme des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung eingeholt worden, nach der die projektierte Windkraftanlage weder im Hinblick auf die als Grünland‑Gärtnereien noch im Hinblick auf die als Grünland‑Sportstätten (Fischerei) gewidmeten Grundstücksflächen erforderlich sei. Eine gegenteilige (fachliche) Stellungnahme sei vom Revisionswerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegt worden.

22 Dem Wortsinn nach sei „Gärtnerei“ ein Unternehmen, das gewerbsmäßig Gartenbau betreibe (besonders Anbau von Zierpflanzen, von Pflanzen für den Bedarf des Gärtners, von Obst und Gemüse). Unter „Gartenbau“ sei der (intensive) Pflanzenbau (in Gärten, Baumschulen, etc.), besonders der Anbau von Gemüse, Obst und Blumen zu verstehen. Darüber hinaus biete auch die Gewerbeordnung 1994, welche grundsätzlich alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten regle, eine Auslegungshilfe dafür, was unter einer gewerblichen gärtnerischen Nutzung im Sinne des § 20 Abs. 1 (gemeint wohl: Abs. 2) Z 6 in Verbindung mit § 20 Abs. 4 ROG zu verstehen sei (wird näher ausgeführt).

23 Auch aus raumordnungsrechtlicher Sicht seien in der Widmung Grünland‑Gärtnereien, die eine gewerbliche gärtnerische Nutzung erlaube, jedenfalls nur solche Bauvorhaben im Sinne des § 20 Abs. 4 ROG als erforderlich anzusehen, die einer unmittelbaren gewerblichen gärtnerischen Nutzung dieser Fläche dienlich seien. Hierzu würden ‑ im Hinblick auf die dargelegte Auslegung des Begriffes „Gärtnerei“ ‑ jedenfalls beispielsweise Glashäuser, für eine gärtnerische Nutzung erforderliche Betriebsgebäude sowie Materiallagergebäude zählen. Gärtnereien seien aus raumordnungsrechtlicher Sicht einerseits Produktionsbetriebe (Züchtung von Pflanzen, etc.), andererseits auch Handelseinrichtungen, sofern Produkte direkt verkauft würden (wird näher ausgeführt).

24 Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte reine Verpachtung von Grundstücksflächen an Dritte, wenn auch zur Freizeitgestaltung, Erholung, Bepflanzung und Bebauung durch die Pächter selbst, falle nicht unter den Begriff gewerbliche gärtnerische Nutzung, erfolge diese doch außerhalb eines allfällig vorliegenden gewerblichen Gärtnereibetriebes. Darüber hinaus habe der Revisionswerber zu keiner Zeit vorgebracht, dass er die verpachteten bzw. die künftig zu verpachtenden Kleinflächen des Baugrundstückes selbst bepflanzen und hegen würde oder dass er die von den Pächtern darauf selbst gezüchteten Blumen und Pflanzen im Rahmen eines Gärtnereibetriebes zu veräußern beabsichtige. Weiters habe der Revisionswerber nicht dargelegt, dass er aus der Bepflanzung und gärtnerischen Gestaltung der verpachteten bzw. künftig zu verpachtenden Kleinflächen in welcher Art und Weise immer einen Gewinn erzielen wolle. Eine solche Gewinnerzielungsabsicht sei augenscheinlich nur auf das Lukrieren der jeweiligen Pachtentgelte gerichtet. Dies allein begründe allerdings, selbst bei Vorliegen von bepflanzten und gärtnerisch gestalteten Pachtflächen, keinen gewerblichen gärtnerischen Betrieb.

25 Damit habe der Revisionswerber insgesamt nicht aufgezeigt, dass durch die Verwirklichung des Bauvorhabens eine Nutzung nach § 20 Abs. 2 Z 6 ROG, demnach eine solche zur gewerblichen Gärtnerei, vorliege oder erfolgen werde, und er habe damit überdies nicht dargelegt, dass die Windkraftanlage für eine solche Nutzung des Baugrundstückes im Sinne des § 20 Abs. 4 ROG erforderlich wäre.

26 Von einer mündlichen Verhandlung habe ungeachtet des Parteienantrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 MRK noch Art. 47 GRC entgegenstünden.

27 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es kostenpflichtig aufzuheben.

28 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

29 Die Revision ist in Anbetracht der Frage der Rechtmäßigkeit des Unterlassens einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zulässig.

30 In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, § 24 Abs. 1 VwGVG normiere, dass das Verwaltungsgericht auf Antrag oder auch von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen habe. Dass von Gesetzes wegen nicht vorgesehen sei von Amts wegen immer eine mündliche Verhandlung durchzuführen, erscheine aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzinteresses der Rechtsunterworfenen durchaus problematisch (wird näher ausgeführt). Bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung gehe auch der Gesetzgeber davon aus, dass für gewöhnlich eine mündliche Verhandlung durchzuführen sei, welche dann den zentralen Teil des Verfahrens bilde. Der Entfall der mündlichen Verhandlung sei lediglich als Ausnahmebestimmung konstruiert, welcher jedoch keinesfalls den Regelfall darstellen solle und dürfe. Dies müsse umso mehr gelten, wenn, wie hier, nicht nur die mündliche Verhandlung ausdrücklich beantragt worden sei, sondern auch andere Beweisanträge offengeblieben seien, denen nur in einer mündlichen Verhandlung nachgekommen hätte werden können. Beispielsweise sei dies der Antrag auf weitere Vorlage von Urkunden, aber auch der Antrag auf Vernehmung von zwei Zeugen gewesen, die zur Notwendigkeit der Windkraftanlage für den widmungsgemäßen Gebrauch der Liegenschaft eigene Wahrnehmungen hätten darlegen können.

31 Das Verwaltungsgericht habe es offensichtlich für notwendig erachtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da dem Revisionswerber eine Ladung zu einer solchen zugegangen sei. Aufgrund der allseits bekannten Einschränkungen durch die COVID‑19 Pandemie sei diese Verhandlung kurzfristig abberaumt worden. Der Revisionswerber sei daher davon ausgegangen, dass diese ‑ wie auch im Rahmen so gut wie aller anderen gerichtlichen Verfahren üblich ‑ nach Abklingen der unmittelbaren Gefährdung nachgeholt werde. Dem sei jedoch nicht so gewesen. Der Revisionswerber sei der Möglichkeit beraubt worden, die Sachlage im Rahmen einer mündlichen Verhandlung umfassend darzulegen. Es liege daher jedenfalls ein erheblicher Verfahrensmangel vor, welcher auch erheblichen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens gehabt habe. Wie das Gericht selbst ausführe, lägen noch Unklarheiten vor, welche im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätten aufgeklärt werden können. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum diese ersatzlos entfallen sei.

32 Wenn das Verwaltungsgericht ausführe, dass der bisherige Akt erkennen lasse, dass eine mündliche Erörterung der Rechtssache keine weitere Klärung erwarten lasse, handle es sich dabei um eine vorgreifende Beweiswürdigung, ohne die Beweise überhaupt aufgenommen zu haben. Der Entfall der mündlichen Verhandlung und die vorgreifende Beweiswürdigung würden daher jedenfalls gegen das Verfahrensrecht im Verwaltungsverfahren beziehungsweise verwaltungsgerichtlichen Verfahren verstoßen.

33 Weiters komme das Gericht zu der Ansicht, dass ein Fundament für eine Windkraftanlage nur auf einer als Grünland‑Windkraftanlage gewidmeten Grundfläche gebaut werden dürfe, selbst wenn die Leistung der Anlage unter 20 kW betrage. Diese Ansicht entspreche jedoch nicht der Intention des Gesetzgebers bei der Schaffung der einschlägigen Normen (wird näher ausgeführt). Die Bestimmung bezüglich Betriebsbauwerke in § 20 Abs. 6 ROG sei daher im gegenständlichen Fall sehr wohl anwendbar, da genau ein solches Betriebsbauwerk für die kommunale oder genossenschaftliche Energieversorgung vorliege. Das Verwaltungsgericht hätte daher auch Feststellungen bezüglich der kommunalen Energieversorgung zu treffen gehabt.

34 Zu § 20 Abs. 4 ROG wird im Wesentlichen ausgeführt, der Revisionswerber habe im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ein Betriebskonzept vorgelegt. Dieses Betriebskonzept lege die Erforderlichkeit für die Energieversorgung des vom Revisionswerber in Aussicht genommenen Projektes dar und gehe auch ergänzend darauf ein, dass die Energieversorgung möglichst umweltschonend erfolgen solle. Im Rahmen der durchzuführenden mündlichen Verhandlung hätte dieses Betriebskonzept noch näher ausgeführt beziehungsweise damit verbundene Unklarheiten beseitigt werden können. Das Verwaltungsgericht habe die Erforderlichkeit jedoch nicht am Maßstab des Betriebskonzeptes des Revisionswerbers geprüft, sondern habe sehr generell geprüft, ob eine derartige Anlage für den Betrieb einer Gärtnerei im Allgemeinen erforderlich sei (wird näher ausgeführt). Das Wort „erforderlich“ verwende der Gesetzgeber aber in dem Zusammenhang, dass die erzeugte Energie auf dem gegenständlichen Grundstück auch verbraucht werde. Sowohl für das Vorhaben des Revisionswerbers, welches er im Rahmen seines Betriebskonzeptes dargelegt habe, als auch für die Nutzung im Rahmen einer klassischen Gärtnerei, wie sie das Verwaltungsgericht vor Augen habe (und dabei lediglich auf die Auslegung nach dem Wortsinn verweise), sei jedoch eine Windkraftanlage sinnvoll und daher nach der Diktion des Gesetzgebers erforderlich. Darüber hinaus habe der Revisionswerber auch dargelegt, dass für die von ihm angestrebte Nutzung die Windkraftanlage die einzige Möglichkeit sei, für elektrische Energie zu sorgen.

35 Die Nutzung als alternative und moderne Gärtnerei im Rahmen der Verpachtung von Grundflächen zur Bewirtschaftung betrachte das Verwaltungsgericht nicht als Gärtnereibetrieb im Sinne des ROG. Wenn es dabei auf die Bestimmungen der Gewerbeordnung verweise, so sei auszuführen, dass die Gewerbeordnung tatsächlich das Konzept des Revisionswerbers einer Gärtnerei nicht kenne. Jedoch sei sich der Gesetzgeber bewusst, dass es der Lauf der Zeit mit sich bringe, dass sich Betriebskonzepte ändern und den modernen Gegebenheiten anpassen würden. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch das Konzept des Revisionswerbers zu betrachten (wird näher ausgeführt).

36 § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, lautet auszugsweise:

Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes‑ oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

...“

37 Zu § 24 Abs. 4 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass der Gesetzgeber als Zweck der mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen gehabt hat. Ferner kommt eine ergänzende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung in Frage. Bei sachverhaltsbezogenem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien ist ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dies sogar dann, wenn kein Antrag auf eine solche gestellt worden ist (vgl. etwa VwGH 29.1.2020, Ra 2019/05/0232, mwN).

38 Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde sachverhaltsbezogenes Vorbringen ‑ insbesondere zu einer gewerblichen gärtnerischen Nutzung und der Erforderlichkeit des beantragten Bauvorhabens hierfür ‑ erstattet, welches vom Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung der Erforderlichkeit der Kleinwindkraftanlage gemäß § 20 Abs. 4 ROG auch gewürdigt wurde. Schon angesichts dessen wäre eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

39 Die Entscheidung über den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung einer Baubewilligung betrifft einen zivilrechtlichen Anspruch im Sinn des Art. 6 EMRK („civil right“), weshalb eine Prüfung der Relevanz der Unterlassung einer mündlichen Verhandlung nicht vorzunehmen ist (vgl. erneut VwGH 29.1.2020, Ra 2019/05/0232, mwN).

40 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigt, auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen.

41 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abzusehen.

42 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 4. Dezember 2020

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