VwGH Ra 2018/09/0204

VwGHRa 2018/09/020425.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der E W in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 30. August 2018, 405‑10/373/1/19‑2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau),

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 idF 2016/I/118
GSpG 1989 §52 Abs2
GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2016/I/118
VStG §19
VStG §44a
VStG §44a Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090204.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Landesverwaltungsgericht Salzburg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Abweisung der Beschwerde die Revisionswerberin als handelsrechtliche Geschäftsführerin einer näher bezeichneten Gesellschaft zweier Übertretungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 1 Abs. 1, §§ 2, 3 und 4 Abs. 2 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig und verhängte über sie dafür unter Anwendung des zweiten Strafrahmens des § 52 Abs. 2 GSpG zwei Geldstrafen von je 4 000 Euro (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 48 Stunden). Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.

2 Die Anwendung des zweiten Strafrahmens des § 52 Abs. 2 GSpG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die Revisionswerberin eine Übertretung mit zwei Glücksspielgeräten zu verantworten habe und zum Tatzeitpunkt eine einschlägige Vormerkung vorgelegen sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Liegen ‑ wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe ‑ trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0141, mwN).

7 Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C‑347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C‑390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C‑464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C‑3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C‑79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser ‑ weiterhin maßgeblichen ‑ Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung im Revisionsfall im Ergebnis nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C‑390/12.

8 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C‑685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C‑3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff).

9 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018 zu verweisen.

10 Mit dem Vorbringen, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018, Ra 2017/17/0052, bezüglich (unzulässiger) Werbepraktiken ein entsprechendes Beweisverfahren durchzuführen und entsprechende Feststellungen zu treffen gehabt hätte, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan; außerdem liegen der gegenständlichen Entscheidung andere Feststellungen bezüglich der Werbetätigkeit der Konzessionäre zugrunde als jener Entscheidung, auf welche sich die Revision stützt (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0175).

11 Wenn die Revisionswerberin des Weiteren vorbringt, es fehlten Feststellungen die auf das Vorliegen von Glücksspielen schließen ließen, übersieht sie die Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts, dass mit den betriebsbereit aufgestellten Geräten ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängende virtuelle Walzenspiele durchgeführt werden konnten (siehe zur Qualifikation virtueller Walzenspiele als Glücksspiele aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 25.10.2018, Ra 2018/09/0087). Bei der Frage, ob ausreichende Beweisergebnisse dafür vorhanden waren, Rückschlüsse auf den tatsächlichen Spielverlauf beider Geräte zu ziehen, handelt es sich jedoch um eine Frage der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof als reine Rechtsinstanz im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt in diesem Zusammenhang lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/09/0188, mwN). Dies wird hier jedoch nicht aufgezeigt.

12 Soweit die Revisionswerberin überdies rügt, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG, unterlässt sie es konkret darzulegen, dass die Tatumschreibung nicht so präzise gewesen wäre, dass sie ihre Verteidigungsrechte nicht hätte wahren können oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0175).

13 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

14 Die Revisionswerberin ist jedoch im Recht, wenn sie sich gegen die Anwendung des zweiten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG wendet und meint, dass das Landesverwaltungsgericht den ersten Strafrahmen dieser Sanktionsnorm heranzuziehen gehabt hätte. Die Revision ist in diesem Umfang auch begründet.

15 § 52 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 118/2016, lautet (auszugsweise):

„Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;

...

(2) Bei Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.

...“

16 Die Revisionswerberin wendet gegen die Anwendung des zweiten Strafsatzes nun ein, dass die im behördlichen Straferkenntnis angeführte einschlägige Bestrafung, auf die offenbar auch das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis rekurriere, eine solche nach dem dritten Strafsatz gewesen sei. Im vorliegenden Fall wäre daher der günstigere erste Strafsatz heranzuziehen gewesen.

17 Mit diesem Vorbringen ist die Revisionswerberin im Recht.

18 Zunächst ist festzuhalten, dass nähere Feststellungen zu der den höheren Strafsatz begründenden Vortat dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen sind. Aus den Ausführungen im behördlichen Straferkenntnis in Zusammenschau mit der Aktenlage lässt sich das Revisionsvorbringen, wonach es sich bei der Vortat um eine Bestrafung nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG handelte, jedoch nachvollziehen.

19 Die Staffelung der Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG orientiert sich nach dem Willen des Gesetzgebers (siehe dazu ErläutRV 24 BlgNR 24. GP , 23) an der Staffelung der Mindest‑ und Höchststrafen in § 28 Abs. 1 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) (vgl. etwa auch VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0033).

20 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, kann von einer „Wiederholung“ im Sinn dieser Gesetzesbestimmungen nur dann gesprochen werden, wenn zumindest EINE einschlägige Vorstrafe vorliegt (etwa VwGH 23.4.1992, 91/09/0199). Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein „Wiederholungsfall“ im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt (vgl. VwGH 16.7.1992, 92/09/0052, jeweils zu § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG).

21 Der im Fall „der erstmaligen und weiteren Wiederholung“ vorgesehene vierte (und hinsichtlich der Strafhöhe strengste) Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0021, mwN).

22 Der im Fall „der erstmaligen und weiteren Wiederholung“ vorgesehene zweite Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes demgegenüber die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem ersten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung in diesem Fall doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0735).

23 War die vom Verwaltungsgericht als strafsatzerhöhend herangezogene Vortat keine dem ersten Strafsatz unterliegende Übertretung, war die von ihm angenommene Voraussetzung für die Heranziehung des zweiten Strafsatzes hier nicht gegeben. Die das Vorliegen eines strengeren Strafsatzes nicht rechtfertigende Vortat kann in einem solchen Fall jedoch als Erschwerungsgrund herangezogen werden (VwGH 18.11.1993, 93/09/0270).

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Strafausspruchs sowie hinsichtlich der Verfahrenskosten in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

25 Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

26 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. April 2019

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