VwGH Ro 2016/03/0011

VwGHRo 2016/03/001121.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision 1. des Dr. R F, 2. des Österreichischen Rundfunks, beide in W, beide vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Februar 2016, Zl W194 2016273- 1/13E, betreffend Übertretungen des ORF-Gesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria; weitere Partei: Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien),

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art49;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art1 Abs1 litb;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art1 Abs1 litf;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art23 Abs1;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art23 Abs2;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art23;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art4 Abs1;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste;
AMD-G 2001 §45 Abs2 Z1;
AVG §59 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
ORF-G 2001 §14 Abs6 Z1;
ORF-G 2001 §1a Z5;
ORF-G 2001 §3 Abs1;
VStG §1;
VStG §5 Abs2;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs1;
VwGG §28 Abs2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016030011.J00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Entscheidung über die Spruchpunkte 12. und 15. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses sowie hinsichtlich des darauf entfallenden Kostenpunkts und der diesbezüglichen Entscheidung nach § 9 Abs 7 VStG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 I. Sachverhalt

2 A. Mit Bescheid vom 6. November 2014 sprach die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde (auszugsweise) wie folgt aus:

"Sie (Erstrevisionswerber) haben als für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, verantwortlicher Beauftragter für den gesamten Bereich des Österreichischen Rundfunks (ORF) für Übertretungen nach § 38 Abs. 1 Z 2 ORF-Gesetz (ORF-G), BGBl. Nr. 379/1984 idF BGBl. 1 Nr. 55/2014, Folgendes zu verantworten, wobei die Ausstrahlungen jeweils im Fernsehprogramm ORF eins stattfanden (sämtliche (Uhr)Zeitangaben in hh:mm:ss):

...

12. (06-01-WS-13) am 01.06.2013 Überschreitung der höchstzulässigen Werbezeit pro Stunde von 00:12:00 um ca. 00:00:08 durch Ausstrahlung von Werbespots und Sponsorhinweisen im Ausmaß von ca. 00:12:08 in der Zeit von ca. 19:00:00 bis ca. 19:59:59;

...

15. (06-06-WS-16) am 06.06.2013 Überschreitung der höchstzulässigen Werbezeit pro Stunde von 00:12:00 um ca. 00:00:09 durch Ausstrahlung von Werbespots und Sponsorhinweisen im Ausmaß von ca. 00:12:09 in der Zeit von ca. 19:00:00 bis ca. 19:59:59;

...

jeweils in W.

Sie (Erstrevisionswerber) haben dadurch folgende

Rechtsvorschrift(en) verletzt:

...

Zu 12. (06-01-WS-13):§ 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 Abs. 5 Satz 4

iVm § 17 Abs. 5 ORF-G

...

Zu 15. (06-06-WS-16):§ 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 Abs. 5 Satz 4

iVm § 17 Abs. 5 ORF-G

...

jeweils in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013; die genannten Bestimmungen des ORF-G, BGBl. Nr. 379/1984, beziehen sich jeweils auf die Fassung durch BGBl. I Nr. 50/2010.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie (Erstrevisionswerber) folgende Strafe verhängt:

 

 

Geldstrafe von Euro

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheits-strafe von

gemäß

...

 

 

Zu 12. (06‑01‑WS‑12): 5.000,00

2 Tagen

§ 38 Abs. 1 Z 2 ORF‑G iVm § 9 Abs. 2, §§ 16 und 19 VStG

...

...

...

Zu 15. (06‑06‑WS‑15): 5.000,00

2 Tagen

§ 38 Abs. 1 Z 2 ORF‑G iVm § 9 Abs. 2, §§ 16 und 19 VStG

...

...

...

   

 

Allfällige weitere Aussprüche (...):

Gemäß § 9 Abs. 7 VStG haftet der Österreichische Rundfunk (Zweitrevisionswerber) für die verhängten Geldstrafen sowie die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Ferner haben Sie (Erstrevisionswerber) gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

..."

3 Begründend wurde betreffend die Spruchpunkte 12. und 15. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses dargelegt, es sei seitens des Erstrevisionswerbers die Einrechnung in die Werbezeit hinsichtlich des Spots für die (Doppel-CD) "FM4 Sound Selection Volume 28", ausgestrahlt im Fernsehprogramm ORF eins am 1. Juni 2013 im Werbeblock ab ca. 19:55:51 Uhr (relevant für Spruchpunkt 12.) und am 6. Juni 2013 im Werbeblock ab ca. 19:40:37 (relevant für Spruchpunkt 15.), bestritten worden. Dies mit dem Argument, es habe sich jeweils um Bewerbung eines Begleitmaterials gehandelt, das direkt aus einer FM4 Sendung abgeleitet sei. Dieser Sichtweise könne sich die belangte Behörde (was näher ausgeführt wird) nicht anschließen.

4 B. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 5. Dezember 2014 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im angefochtenen Erkenntnis vom 16. Februar 2016 unter Spruchpunkt A) ausgesprochen:

"I. Die Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG iVm § 38 Abs. 1 Z 2 ORF-G idF BGBl. I Nr. 50/2010 iVm § 19 VStG und § 64 Abs. 1 und 2 VStG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 52 Abs. 1, 2 und 6 VwGVG hat der (Erstrevisionswerber) einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von ... binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu leisten.

III. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 9 Abs. 7 VStG haftet der (Zweitrevisionswerber) für den dem (Erstrevisionswerber) unter II. auferlegten Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens im angeführten Ausmaß zur ungeteilten Hand."

5 Begründend führte das BVwG hierzu im Wesentlichen aus, es sei nicht strittig, dass die verfahrensgegenständlichen Spots Werbung darstellten. Strittig sei hingegen, ob es sich bei dieser Werbung auch um Hinweise auf Begleitmaterialien handle, da Werbung, welche zugleich auch als Hinweis auf Begleitmaterialien zu qualifizieren sei, gemäß § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G bei der Berechnung der Werbezeit außer Betracht zu bleiben habe.

6 Ob (im Sinne der Gesetzesmaterialien zur RFG-Novelle BGBl I Nr 1/1999) die "volle Nutzung" der am 24. Mai 2013 im Hörfunkprogramm FM4 des ORF ausgestrahlten Sendung "Sound Selection" mit dem Erwerb des verfahrensgegenständlichen Produktes "FM4 Sound Selection Volume 28" ermöglicht werde, könne dahingestellt werden, da den verfahrensgegenständlichen Spots keinerlei Bezugnahme auf diese Sendung zu entnehmen sei. Dass der ORF im Rahmen des Hinweises auf Begleitmaterialien einen Bezug zur Sendung seines Programmes, von welcher die beworbenen Begleitmaterialien abgeleitet seien, herstelle, sei für das Bundesverwaltungsgericht nach dem Wortlaut des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G ("Hinweisen des Österreichischen Rundfunks (...) auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen (seinen) Sendungen abgeleitet sind") aber unerlässlich, damit dieser in den Genuss der werbezeitlichen Privilegierung dieser Bestimmung gelange. Ohne irgendeine Form der Bezugnahme auf die dem Begleitmaterial zugrunde liegende Sendung könne der potentielle Käufer des Begleitmaterials nämlich gar keine Information darüber erlangen, dass ihm durch den Kauf die "volle oder interaktive Nutzung" einer Sendung ermöglicht werde bzw dass es sich bei dem erworbenen Produkt überhaupt um ein Begleitmaterial zu einer Sendung des ORF handle. Die nach den zuvor zitierten Gesetzesmaterialien erforderliche spezielle Bestimmung eines Produktes, "den Zuschauern die volle oder interaktive Nutzung der betreffenden Programme zu ermöglichen", müsse insofern in einer für den Zuschauer erkennbaren Weise im Hinweis auf das Produkt in Erscheinung treten, um dieses als Begleitmaterial einstufen zu können.

7 Mangels (nach außen erkennbarer) Verknüpfung der "FM4 Sound SelectionVolume 28" mit der Sendung "Sound Selection" vom 24. Mai 2013 in den verfahrensgegenständlichen Spots vermöge das Bundesverwaltungsgericht nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausnahme des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G als nicht einschlägig bewertet und folglich die beiden Spots bei der Berechnung der Werbezeit berücksichtigt habe.

8 Das BVwG erklärte die ordentliche Revision für zulässig, da speziell zur Auslegung der Wortfolge "Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind" des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

9 C.a. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision, in der die Revisionswerber zu deren Zulässigkeit auf die diesbezüglichen Ausführungen des BVwG verweisen und mit der insbesondere beantragt wird, das angefochtene Erkenntnis im Umfang der Entscheidung über die Spruchpunkte 8 bis 11, 12, 14 bis 23 und 26 aufzuheben.

10 C.b. In der Sache bringen die Revisionswerber zu den Spruchpunkten 12. und 15. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses (Spot für die Doppel-CD "FM4 Sound Selection Volume 28") im Wesentlichen vor, in der deutschen Lehre - die sich insoweit auf die Ansicht der Landesmedienanstalten stütze - werde ein Bild- oder Tonträger, der das "Nochmalsehen" oder "Nachhören" ermögliche, geradezu als Paradefall des Begleitmaterials gewertet. "Sound Selection" sei eine im Radioprogramm FM4 ausgestrahlte Sendung. Der Inhalt der beiden in Rede stehenden CDs decke sich mit dem Inhalt der Sendung vom 24. Mai 2013. Das Gesetz verlange lediglich einen Hinweis auf einen von der Sendung abgeleiteten Inhalt, nicht aber einen von der Sendung abgeleiteten oder gar auf diese hinleitenden Hinweis. Dies könne aber dahinstehen, da die im Hinweis angesprochene CD die Sendungsbezeichnung in ihrem Titel trage, weshalb der Konnex ohnedies mehr als augenfällig sei.

11 Der in Rede stehende Spot, der nach den Feststellungen der belangten Behörde eine Dauer von 20 Sekunden gehabt habe, sei gemäß § 14 Abs 6 ORF-G nicht in die Werbezeit einzurechnen gewesen, weswegen die dem Erstrevisionswerber vorgeworfene Überschreitung des Stundenlimits am 1. Juni 2013 um 8 Sekunden (Spruchpunkt 12.) sowie am 6. Juni 2013 um 9 Sekunden (Spruchpunkt 15.) nicht vorliege. Der angefochtene Bescheid sei daher jedenfalls in diesen Spruchpunkten mit Rechtswidrigkeit behaftet, weil mangels Verletzung einer Bestimmung des ORF-G wegen der in den Spruchpunkten 12. und 15. enthaltenen Vorhalte keine Verwaltungsstrafe hätte verhängt werden dürften.

12 Es könne weder dem verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis noch dem angefochtenen Erkenntnis entnommen werden, dass der Erstrevisionswerber mit dem hier in Rede stehenden Sachverhaltskomplex der "FM4 Sound Selection Volume 28" vorsätzlich gegen das ORF-G verstoßen hätte. Insoweit sollte daher lediglich eine fahrlässige Begehung im Raum stehen. Aber selbst daran mangle es. Nach hA setze sich der Fahrlässigkeitsbegriff des VStG aus vier (bzw fünf) Elementen zusammen, konkret der objektiven und Subjektiven Sorgfaltswidrigkeit der Handlung sowie der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit des Erfolges. Hinzu trete auf der Ebene der Fahrlässigkeitsschuld generell die Zumutbarkeit sorgfaltsgemäßen Verhaltens. Grundsätzlich habe der Normadressat daher alles ihm rechtlich und tatsächlich Zumutbare zu unternehmen, um den ihn treffenden Verpflichtungen zu entsprechen. Habe er das aber getan, scheide eine Bestrafung aus.

13 Schuldhaft handle nur, wer dies mit Unrechtsbewusstsein tue, das heißt im Bewusstsein, dass die Tat (der Gesamtsachverhalt) gegen die Rechtsordnung verstoße. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsansicht des Erstrevisionswerbers nicht folgen sollte, wäre dieser einem Verbotsirrtum unterlegen, weil er der Ansicht gewesen und noch immer sei, dass im Fall der "FM4 Sound Selection Volume 28" wegen § 14 Abs 6 ORF-G eine Einrechnung in die Werbezeit nicht zu erfolgen habe. Ein solcher Verbotsirrtum wäre dem Erstrevisionswerber auch nicht vorzuwerfen.

14 C.c. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Revision als unbegründet abzuweisen. Die Revisionswerber replizierten.

15 II. Rechtslage

16 A. Im Revisionsfall ist die Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl L 95 vom 15. April 2010, Seite 1 (im Folgenden: AVMD-Richtlinie) maßgebend. Von Bedeutung sind - neben den Erwägungsgründen 97 und 98 - die Art 1, 4 und Art 23 der AVMD-Richtlinie. Diese Bestimmungen haben - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"(97) Die tägliche Sendezeit für Hinweise eines Fernsehveranstalters im Zusammenhang mit seinen eigenen Programmen und Begleitmaterialien, die unmittelbar auf diese Programme zurückgehen, oder für Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit und für kostenlose Spendenaufrufe zu Wohlfahrtszwecken sollte nicht in die maximale tägliche oder stündliche Sendezeit für Werbung und Teleshopping einbezogen werden.

(98) Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sollte diese Ausnahmeregelung auf Ankündigungen zu Produkten unter der doppelten Bedingung beschränkt werden, dass es sich um Begleitmaterialien handelt und dass diese unmittelbar auf die betreffenden Programme zurückgehen. Der Begriff Begleitmaterialien bezieht sich auf Produkte, die speziell dazu bestimmt sind, den Zuschauern die volle oder interaktive Nutzung der betreffenden Programme zu ermöglichen.

...

Artikel 1

(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

...

b) ‚Sendung' eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die Einzelbestandteil eines von einem Mediendiensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist und deren Form und Inhalt mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen vergleichbar sind. Beispiele für Sendungen sind unter anderem Spielfilme, Sportberichte, Fernsehkomödien, Dokumentarfilme, Kindersendungen und Originalfernsehspiele;

...

e) ‚Fernsehprogramm' (d. h. ein linearer audiovisueller Mediendienst) einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den zeitgleichen Empfang von Sendungen auf der Grundlage eines Sendeplans bereitgestellt wird;

f) ‚Fernsehveranstalter' einen Mediendiensteanbieter, der Fernsehprogramme bereitstellt;

...

i) ‚Fernsehwerbung' jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Fernsehen von einem öffentlich-rechtlichen oder privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern;

...

Artikel 4

(1) Die Mitgliedstaaten können Mediendiensteanbieter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, verpflichten, strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen nachzukommen, sofern diese Vorschriften im Einklang mit dem Unionsrecht stehen.

...

Artikel 23

(1) Der Anteil von Fernsehwerbespots und Teleshopping-Spots an der Sendezeit darf innerhalb einer vollen Stunde 20 % nicht überschreiten.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Hinweise des Fernsehveranstalters auf eigene Sendungen und auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind, Sponsorenhinweise und die Produktplatzierung.

..."

17 B. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-G), BGBl Nr 379/1984 idF BGBl I Nr 50/2010 (§§ 1a, 3, 14, 38), lauten (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet

1. ‚audiovisueller Mediendienst' eine unter der redaktionellen Verantwortung des Österreichischen Rundfunks oder einer seiner Tochtergesellschaften im Wege von Kommunikationsnetzen (§ 3 Z 11 TKG 2003, BGBl. I Nr. 70) angebotene Dienstleistung, deren Hauptzweck in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der Allgemeinheit besteht;

2. ‚Fernsehprogramm' einen audiovisuellen Mediendienst, der für den zeitgleichen Empfang von Sendungen auf der Grundlage eines Sendeplans bereitgestellt wird;

3. ‚Hörfunkprogramm' einen unter der redaktionellen Verantwortung des Österreichischen Rundfunks angebotenen Dienst, der für den zeitgleichen Empfang von Hörfunksendungen auf der Grundlage eines Sendeplans bereitgestellt wird;

...

5. ‚Sendung'

a) in Fernsehprogrammen und Abrufdiensten eine einzelne, in

sich geschlossene und zeitlich begrenzte Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die im Fall von Fernsehprogrammen Bestandteil eines Sendeplans oder im Fall von Abrufdiensten eines Katalogs ist;

b) in Hörfunkprogrammen einen einzelnen, in sich

geschlossenen und zeitlich begrenzten Bestandteil des Programms;

...

Versorgungsauftrag

§ 3. (1) Der Österreichische Rundfunk hat unter

Mitwirkung aller Studios

1. für drei österreichweit und neun bundeslandweit

empfangbare Programme des Hörfunks und

2. für zwei österreichweit empfangbare Programme des

Fernsehens

zu sorgen.

Der Österreichische Rundfunk hat nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit dafür zu sorgen, dass in Bezug auf Programm- und Empfangsqualität alle zum Betrieb eines Rundfunkempfangsgerätes (Hörfunk und Fernsehen) berechtigten Bewohner des Bundesgebietes gleichmäßig und ständig mit jeweils einem bundeslandweit und zwei österreichweit empfangbaren Programmen des Hörfunks und zwei österreichweit empfangbaren Programmen des Fernsehens versorgt werden.

...

Fernseh- und Hörfunkwerbung, Werbezeiten

§ 14. (1) Werbung muss leicht als solche erkennbar und somit vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein. Sie ist durch optische, akustische oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Programmteilen zu trennen.

...

(5) In Fernsehprogrammen ist Werbung nur österreichweit zulässig. Österreichweite Fernsehwerbung darf im Jahresdurchschnitt die Dauer von 42 Minuten pro Tag pro Programm nicht überschreiten, wobei Abweichungen von höchstens 20 vH pro Tag zulässig sind. Nicht in die nach dem vorstehenden Satz oder nach § 4b Abs. 2 vierter Satz und § 4c Abs. 2 fünfter Satz höchstzulässige Werbezeit einzurechnen ist Werbung für vom Österreichischen Rundfunk finanzierte oder mitfinanzierte Kinofilme. Innerhalb einer vollen Stunde darf der Anteil der Fernsehwerbung 20 vH nicht überschreiten. Unter Stunden sind die 24 gleichen Teile eines Kalendertages zu verstehen.

...

(6) Nicht in die jeweilige höchstzulässige Werbedauer

einzurechnen ist die Dauer von

1. Hinweisen des Österreichischen Rundfunks auf Sendungen

seiner Programme und auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen

Sendungen abgeleitet sind und

2. Produktplatzierungen.

...

Verwaltungsstrafen

§ 38. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 58 000 Euro zu bestrafen, wer - soweit die nachfolgend genannten Bestimmungen auf seine Tätigkeit Anwendung finden - nach diesem Bundesgesetz ein Programm veranstaltet, einen Abrufdienst anbietet oder sonst ein Online-Angebot bereitstellt und dabei

...

2. § 13 Abs. 4, § 13 Abs. 1 bis 6, § 14 Abs. 1, 3 bis 5 und 9 oder den §§ 15 bis 17 zuwiderhandelt;

..."

18 C. § 5 VStG lautet:

"Schuld

§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte."

19 III. Erwägungen

20 A. Zur Zulässigkeit der Revision 21 A.a. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen; ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (Abs 3). Gemäß § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden.

22 A.b. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für ordentliche und außerordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision. Die Darlegung der grundsätzlichen Rechtsfrage erfolgt im Fall einer Zulassung der (ordentlichen) Revision durch das Verwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung selbst (vgl § 25a Abs 1 VwGG), wobei der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden ist. Angesichts der von Art 133 Abs 4 B-VG vorgesehenen Begrenzung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung und der danach für ordentliche und außerordentliche Revisionen bestehenden Darlegungsverpflichtung ist von einer revisionswerbenden Partei nicht nur für eine außerordentliche Revision (vgl § 28 Abs 3 VwGG), sondern auch bei einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen - ordentlichen - Revision bezüglich jeder von ihr (hinausgehend über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes) als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret und auf dem Boden der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte. In diesem Sinn hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art 133 Abs 4 B-VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl dazu VwGH vom 19. Februar 2015, Ro 2015/21/0002; VwGH vom 20. Mai 2015, Ro 2014/10/0086; VwGH vom 30. Juni 2015, Ro 2015/03/0021; VwGH vom 17. Oktober 2016, Ro 2015/03/0035; VwGH vom 31. Jänner 2017, 2017/03/0001; VwGH vom 21. April 2017, Ro 2016/11/0004).

23 Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl VwGH vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/12/0056; VwGH vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/03/0017; VwGH vom 17. November 2015, Ra 2015/03/0058).

24 Die Revision wurde vom BVwG für zulässig erklärt, da speziell zur Auslegung der Wortfolge "Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind" des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

25 Die Revisionswerber haben zur Zulässigkeit ihrer Revision gesondert lediglich auf die Begründung des BVwG verwiesen. Sofern sich die Revisionswerber darüber hinaus auch gegen andere Spruchpunkte des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses wenden, erweist sich auf Basis der dargestellten Rechtslage die Revision diesbezüglich mangels (gesonderter) Darlegung der maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit als nicht zulässig.

26 A.c. Die vorliegende Revision ist aus den vom BVwG genannten Gründen hinsichtlich der Spruchpunkte 12. und 15. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses zulässig. Sie ist auch begründet.

27 B. In der Sache

28 B.a. Betreffend die Spruchpunkte 12. und 15. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses steht unbestritten fest, dass am 24. Mai 2013 im Hörfunkprogramm FM4 des Österreichischen Rundfunks die Sendung "Sound Selection" gesendet wurde. In dieser Sendung waren sämtliche Titel der Doppel-CD "FM4 Sound Selection Volume 28" (in derselben Reihenfolge wie auf den CDs) zu hören. Am 1. Juni 2013 (Spruchpunkt 12.) und am 6. Juni 2013 (Spruchpunkt 15.) wurde im Fernsehprogramm ORF eins jeweils ein Spot für die Doppel-CD "FM4 Sound Selection Volume 28" ausgestrahlt.

29 Rechtlich strittig ist, ob der 20 Sekunden dauernde Spot für die Doppel-CD "FM4 Sound Selection Volume 28" in die höchstzulässige Werbezeit pro Stunde einzurechnen ist (dies würde jeweils zur Überschreitung der zulässigen Werbezeit pro Stunde führen) oder die Ausnahmebestimmung des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G zur Anwendung gelangt.

30 Nach dem Erwägungsgrund 97 der AVMD-Richtlinie sollte (ua) die tägliche Sendezeit für Hinweise eines Fernsehveranstalters im Zusammenhang mit Begleitmaterialien, die unmittelbar auf seine eigenen Programme zurückgehen, nicht in die maximale tägliche oder stündliche Sendezeit für Werbung und Teleshopping einbezogen werden. Diese Ausnahmeregelung sollte nach dem Erwägungsgrund 98 der AVMD-Richtlinie zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen auf Ankündigungen zu Produkten unter der "doppelten Bedingung" beschränkt werden, dass es sich um Begleitmaterialien handelt und dass diese unmittelbar auf die betreffenden Programme zurückgehen. Der Begriff Begleitmaterialien bezieht sich auf Produkte, die speziell dazu bestimmt sind, den Zuschauern die volle oder interaktive Nutzung der betreffenden Programme zu ermöglichen.

31 Offenbar ausgehend davon sieht die Ausnahmeregelung der Bestimmung des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G vor, dass sie zur Anwendung kommt, wenn kumulativ einerseits Begleitmaterialien vorliegen (Bedingung 1) und anderseits diese Begleitmaterialien direkt von Sendungen der Programme des Österreichischen Rundfunks abgeleitet sind und somit unmittelbar darauf zurückgehen (Bedingung 2; zum erforderlichen einschränkenden unionsrechtskonformen Verständnis dieser Regelung siehe unten Rz 34 ff).

32 Begleitmaterialien können sein etwa Zeitschriften oder CD-Rom, die sich auf Inhalte von Sendungen beziehen (vgl Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze3 (2011), 172, mit Hinweis auf einschlägige Gesetzesmaterialien). Auch kommen als Begleitmaterialien mit direktem Sendungsbezug Aufnahmen der Sendung auf anderen Medien (zum Beispiel eine DVD-Edition) in Frage (vgl Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze3 (2011), 538, zur vergleichbaren Bestimmung des § 45 Abs 2 Z 1 AMD-G).

33 Vor diesem Hintergrund kann die gegenständliche Doppel-CD ("FM4 Sound Selection Volume 28") entgegen dem Verwaltungsgericht als Begleitmaterial zur Sendung "Sound Selection" des ORF-Programmes eingestuft werden. Durch die Bezeichnung der Doppel-CD ("FM4 Sound Selection Volume 28") im Zusammenhang damit, dass diese in der Sendung "Sound Selection" in einem Programm des Österreichischen Rundfunks abgespielt wurde, wird gegenständlich verdeutlicht, dass dieses Produkt direkt von dieser Sendung abgeleitet ist und unmittelbar darauf zurückgeht. Damit erweist sich die von der Revision zu Gunsten ihres Verständnisses des Begleitmaterialbegriffes angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union iSd Art 267 AEUV entbehrlich.

34 B.b. § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G beruht auf Art 23 der AVMD-Richtlinie, weshalb diese Bestimmung im Sinne des Erfordernisses einer richtlinienkonformen Interpretation unter Bedachtnahme auf ihre unionsrechtliche Grundlage auszulegen ist (vgl zur richtlinienkonformen bzw unionsrechtskonformen Auslegung etwa VwGH vom 17. November 2015, Ra 2015/03/0058, mwH).

35 Nach der insofern klaren Ausnahmeregelung des Art 23 Abs 1 AVMD-Richtlinie gilt der Abs 1 dieser Bestimmung ("Der Anteil von Fernsehwerbespots und Teleshopping-Spots an der Sendezeit darf innerhalb einer vollen Stunde 20 % nicht überschreiten") ua nicht für Hinweise des Fernsehveranstalters auf eigene Sendungen und (bzw) auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind. In Art 23 Abs 2 AVMD-Richtlinie ist ebenso klar die Rede von Hinweisen des Fernsehveranstalters (das ist nach Art 1 lit f leg cit ein Mediendiensteanbieter, der Fernsehprogramme bereitstellt) auf eigene Sendungen (das ist nach Art 1 lit b leg cit eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton) und (bzw) Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind. Die Ausnahmebestimmung in Art 23 Abs 2 leg cit betrifft daher mit der Umschreibung "eigene Sendungen und Begleitmaterialen" nur Fernsehsendungen iSd Art 1 lit b leg cit. 36 Daraus ergibt sich, dass die Bestimmung des § 14 Abs 6 Z Z 1 ORF-G dann, wenn es um Hinweise des Österreichischen Rundfunks in einem Fernsehprogramm des Österreichischen Rundfunks geht, richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass dort mit "Sendungen seiner Programme" nur Fernsehsendungen in einem Fernsehprogramm des Österreichischen Rundfunks erfasst sind, nicht aber Hörfunksendungen in einem Hörfunkprogramm des Österreichischen Rundfunks.

37 Hinweise in einem Fernsehprogramm des Österreichischen Rundfunks auf Hörfunksendungen in einem seiner Hörfunkprogramme bzw auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen Hörfunksendungen abgeleitet sind, fallen daher nicht unter die Ausnahmeregelung des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G, weshalb deren Dauer in die höchstzulässige Werbedauer einzurechnen ist. Eine gegenläufige Auslegung nach dem Wortlaut des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G würde eine Ausweitung der Ausnahmeregelung des Art 23 Abs 2 AVMD-RL bedeuten, was aber die Mindeststandards regelnde AVMD-Richtlinie nicht zulässt (ihr Art 4 Abs 1 ermächtigt Mitgliedstaaten nur dazu, Mediendiensteanbieter strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen zu unterwerfen).

38 B.c.1. Nach den im Strafrecht allgemein geltenden Grundsätzen "nullum crimen sine lege" und "nulla poena sine lege praevia " ist Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich durch ein Gesetz für strafbar erklärt war (vgl VwGH vom 10. Dezember 2013, 2013/05/0162; siehe vorliegend § 1 VStG sowie den - wie hier - im Anwendungsbereich des Unionsrechts maßgebenden Art 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (zum Erfordernis der Beachtung der Grundrechte des Unionsrechts vgl etwa VwGH vom 23. Oktober 2013, 2012/03/0102, mwH)).

39 B.c.2. Nach der Rechtsprechung setzt der von der Revision geltend gemachte Rechtsirrtum (Verbotsirrtum) im Sinne des § 5 Abs 2 VStG voraus, dass demjenigen, der sich auf diesen beruft, das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Auch eine irrige Gesetzesauslegung entschuldigt den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es (zur Einhaltung der obliegenden Sorgfaltspflicht) einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen. Gerade dann, wenn eine Partei der Ansicht ist, dass die maßgebliche Rechtslage mangels einschlägiger Rechtsprechung komplex gewesen sei, ist sie jedenfalls verpflichtet, hierüber bei der zuständigen Behörde Auskunft einzuholen; wenn sie dies unterlassen hat, vermag sie eine fehlerhafte Gesetzesauslegung grundsätzlich nicht von ihrer Schuld zu befreien (vgl etwa VwGH vom 27. Jänner 2016, Ra 2015/03/0092; VwGH vom 24. März 2015, 2013/03/0054, mwH).

40 B.c.3. § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G stellt ab auf Hinweise des Österreichischen Rundfunks ganz allgemein auf Sendungen seiner Programme und (bzw) auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen Sendungen abgeleitet sind. Im Sinne des ORF-G kann eine "Sendung" sowohl Hörfunk- als auch Fernsehsendung sein (vgl § 1a Z 5 ORF-G). Ebenso umfasst der Begriff "Programme" sowohl Programme des Hörfunks und Programme des Fernsehens (vgl § 3 Abs 1 ORF-G).

41 Insofern ist im vorliegenden Fall dem Erstrevisionswerber seine (bloß) nach nationalem Recht nicht zweifelhafte Auslegung der Bestimmung des § 14 Abs 6 Z 1 ORF-G, dass gegenständlich auch Hinweise auf Begleitmaterialien, die direkt von Hörfunksendungen der Hörfunkprogramme des Österreichischen Rundfunks abgeleitet sind, unter die Ausnahmeregelung fielen, nicht vorwerfbar. Zum Tatzeitpunkt bestand noch keine klarstellende Rechtsprechung zum unionsrechtlich gebotenen einschränkenden Verständnis der genannten gesetzlichen Bestimmung, wie sie zu kennen an sich dem Erstrevisionswerber zuzumuten ist, zumal er unzweifelhaft zu dem hier in Betracht kommenden interessierten Verkehrskreis zählt. Bei diesem Ergebnis konnte der Erstrevisionswerber auch nicht dazu gehalten sein, bei der zuständigen Behörde eine entsprechende Auskunft einzuholen.

42 Zu Recht kann sich der Erstrevisionswerber daher im vorliegenden Fall (noch) auf einen nicht vorwerfbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 5 Abs 2 VStG berufen, der die Schuld des Erstrevisionswerbers und damit die Verhängung der Strafe betreffend die Spruchpunkte 12. und 15. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses und damit einhergehend die darauf entfallenden Verfahrenskosten sowie die diesbezügliche Haftung des Zweitrevisionswerbers ausschließt.

43 IV. Ergebnis

44 A. Das angefochtene Erkenntnis war aus den angeführten Gründen gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG im Umfang der Entscheidung über die Spruchpunkte 12. und 15. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses und hinsichtlich des darauf entfallenden Kostenpunkts sowie der diesbezüglichen Entscheidung nach § 9 Abs 7 VStG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

45 B. Im Übrigen war die Revision gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

46 C. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. Juni 2017

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