VwGH Ra 2016/03/0109

VwGHRa 2016/03/010922.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des A F in M, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. August 2016, Zl LVwG-AV-323/001-2016, betreffend Versagung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
WaffG 1996 §47 Abs1;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
WaffG 1996 §47 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH) wies mit Bescheid vom 1. März 2016 den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Ausstellung eines Waffenpasses auf dem Boden der §§ 10, 21 Abs 2 und 22 Abs 2 WaffG sowie des § 6 der 2. WaffV ab.

2 Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht gemäß § 28 VwGG als unbegründet abgewiesen, ferner wurde ausgesprochen, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig ist.

3 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Die vorliegende außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entgegen der Revision hat das Verwaltungsgericht auf dem Boden der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebliche Rechtslage (vgl etwa VwGH vom 22. Juni 2016, Ra 2016/03/0039, mwH) die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtet.

5 Zum vorliegenden Fall ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es allein Sache des Waffenpasswerbers ist, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, weiters dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl etwa VwGH vom 11. August 2016, Ra 2016/03/0082, mwH).

6 Das Verwaltungsgericht hat unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalls auf dem Boden der Rechtsprechung (vgl insbesondere VwGH vom 22. Oktober 2012, 2012/03/0126, mwH) hinreichend begründet, warum der Antrag des Revisionswerbers, der als Justizwachebeamter mit Sonderausbildung (auch) in einer Sondereinheit tätig ist, zu versagen war.

7 Wenn das Verwaltungsgericht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht als maßgebend feststelle, dass es unmittelbar nach einer Urteilsverkündung, bei der der Revisionswerber als Justizwachebeamter tätig gewesen sei, eine Angehörige des Angeklagten wiederholt "sie wird dafür bezahlen" und "ihr werdet alle dafür bezahlen" geäußert hat und diese Person danach im Zug einer Einvernahme angegeben habe, dass sie damit eine bestimmte Zeugin und nicht Gerichtspersonen bzw Polizei- oder Sicherheitsbeamte gemeint hat, sind die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes entgegen der Revision nicht "kryptisch" geblieben, sondern vielmehr klar und deutlich getroffen worden. Weiters vermag die Revision die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass sich die Drohung dieser Zeugin nicht als Bedrohung von Gerichtspersonen bzw Polizei- oder Sicherheitsbeamten im Generellen oder des Revisionswerbers im Besonderen erwiesen habe, nicht mit Erfolg zu erschüttern. Die Revision stellt nicht konkret in Abrede, dass (wie schon erwähnt) die Angehörige des Angeklagten im Zuge ihrer Einvernahme angegeben hatte, dass sie mit ihren Äußerungen lediglich eine bestimmte Zeugin gemeint hat. Wenn das Verwaltungsgericht die von der Angehörigen verwendete Wendung "ihr werdet alle dafür bezahlen" im gegebenen Kontext (insbesondere mit der weiteren Äußerung: "sie wird dafür bezahlen") als auf die angesprochene Zeugin gemünzt wertete, ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in eine die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und vertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl etwa VwGH vom 22. Juni 2016, Ra 2016/03/0062).

8 Wenn der Revisionswerber den Bedarf zum Führen einer Schusswaffe nach dem WaffG mit möglichen Gefährdungen in der Freizeit auf Grund seiner dienstlichen Tätigkeit als Justizwachebeamter begründet, ist festzuhalten, dass die Abwehr einer allgemeinen Gefahr wie der rechtswidrigen Verwirklichung des Tatbestands einer gerichtlich strafbaren Handlung (die vorsätzlich begangen wird) nach dem StGB auf dem Boden des Sicherheitspolizeigesetzes den Sicherheitsbehörden und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (die für die Sicherheitsbehörden den Exekutivdienst versehen) zukommt. Es kann daher die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden in Anspruch genommen werden, um den offenbar befürchteten Eintritt von Notwehrsituationen hintanzuhalten (vgl etwa VwGH vom 29. Jänner 2015, Ra 2014/03/0061, und VwGH vom 19. Dezember 2013, 2013/03/0017, mwH).

9 Ungeachtet dessen kommt nach der Rechtsprechung ohnehin die Fürsorgepflicht des Dienstgebers sowohl gegenüber den im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beamten als auch gegenüber Vertragsbediensteten von Gebietskörperschaften zum Tragen, wonach deren Dienstleistungen so zu regeln sind, dass Leben und Gesundheit des Dienstnehmers (soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist) geschützt werden (vgl VwGH vom 18. September 2013, 2013/03/0102; VwGH vom 20. Juni 2012, 2012/03/0037 (VwSlg 18.438 A/2012)). Die Fürsorgepflicht eines Dienstgebers bzw eines Arbeitgebers erstreckt sich auch auf Gefahrenlagen, die auf Grund oder im Hinblick auf die dienstliche Tätigkeit außerhalb der unmittelbaren Amts- bzw Berufstätigkeit zu außerdienstlichen Zeiten eintreten können (vgl VwGH vom 18. September 2013, 2013/03/0102).

10 Zum Hinweis des Revisionswerbers, dass er als Justizwachebeamter ein "Dienstwaffenträger" und daher im Dienst berechtigt und verpflichtet sei, eine Dienstwaffe zu führen, ist freilich festzuhalten, dass das WaffG auf Menschen hinsichtlich jener Waffen und Munition, die ihnen auf Grund eines öffentlichen Dienstes oder Amtes von ihrer vorgesetzten österreichischen Behörde oder Dienststelle als Dienstwaffe zugeteilt worden sind, nicht anzuwenden ist (vgl § 47 Abs 1 Z 2 lit a WaffG).

11 Insbesondere aus der Perspektive der besagten Fürsorgepflicht ist allerdings nicht ersichtlich, was bei einem Fortwirken einer entsprechenden dienstlichen Gefahrenlage für außerdienstliche Zeiten der Möglichkeit des Führens einer (dann den Trageerfordernissen angepassten) Dienstwaffe außerhalb der Dienstzeit grundsätzlich entgegenstehen würde. In diesem Zusammenhang wurde bereits darauf hingewiesen, dass es nicht einsichtig erscheint, dass Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die sich außerhalb des Dienstes befinden, mit einer anderen Schusswaffe tätig werden sollen als mit einer ihnen zur Verfügung gestellten Dienstwaffe (vgl VwGH vom 21. Oktober 2011, 2010/03/0058 (VwSlg 18.256 A/2011)). Diese Überlegungen lassen sich auch auf den vorliegenden Fall übertragen.

12 Vor diesem Hintergrund wird daher mit den eingehenden Ausführungen, es sei (zusammengefasst) ein Faktum, dass gerade die Terrororganisation "XX" insbesondere auch zu Racheakten gegenüber den Staatsorganen (insbesondere Polizeibeamten und Justizwachebeamten) aufrufe und es dabei offensichtlich völlig egal sei, ob sich das betroffene Organ gerade "im Dienst (Dienstwaffe) oder außerhalb des Dienstes (wehrlos)" befinde, und dass von dieser Terrororganisation "sehr entschlossen" gemordet werde, auf dem Boden der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gegebenen Rechtslage ein Bedarf iSd § 22 Abs 2 WaffG (wonach das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe nach dem WaffG geradezu erforderlich ist) nicht dargetan. Gleiches gilt für den Hinweis, dass der Revisionswerber bei einer Hauptverhandlung vor einem Landesgericht eine Person (die sich der besagten Terrororganisation und dem "YY" angeschlossen gehabt und in Syrien gekämpft habe) zu beaufsichtigen gehabt habe, die zu einer langjährigen Freiheitsstrafe wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung und Beteiligung an einer kriminellen Organisation verurteilt worden sei.

13 Da das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung im Ergebnis von einem vom Revisionswerber nicht konkret in Abrede gestellten Sachverhalt ausgegangen ist, ist entgegen der Revision nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtslage iSd § 24 Abs 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Damit stand der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, weshalb insofern auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten (vgl VwGH vom 24. April 2016, Ra 2016/03/0038, mwH). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Übrigen auch mit Blick auf Art 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; vgl VwGH vom 26. April 2016, Ra 2016/03/0038, mwH; vgl dazu auch VwGH vom 13. September 2016, Ro 2016/03/0009).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Sie war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 22. November 2016

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