Normen
ABGB §278;
B-VG Art18 Abs2;
GO RAK Stmk §45 Abs7;
GO RAK Stmk §45 Abs8;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §10;
RAO 1868 §16 Abs2;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
RAO 1868 §45;
RAO 1868 §46 Abs2;
RAO 1868 §9;
ZPO §68 Abs1;
ABGB §278;
B-VG Art18 Abs2;
GO RAK Stmk §45 Abs7;
GO RAK Stmk §45 Abs8;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §10;
RAO 1868 §16 Abs2;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
RAO 1868 §45;
RAO 1868 §46 Abs2;
RAO 1868 §9;
ZPO §68 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Sachverhalt
1 Mit Bescheid der Abteilung 2 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 12. August 2015 wurde der Antrag des Vaters und Sachwalters des Revisionswerbers auf Umbestellung des mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom Juni 2010 bestellten Rechtsanwalts als Vertreter des Revisionswerbers im Verfahren zur Zl 14 Cg 95/10a des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz gemäß § 45 und § 46 RAO iVm §§ 41 bis 44 der Geschäftsordnung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer abgewiesen, zumal weder eine drohende Pflichtenkollision noch der Fall einer plötzlichen Erkrankung iSd § 45 Abs 8 der genannten Geschäftsordnung eine Umbestellung erforderlich mache.
2 In der dagegen erhobenen Vorstellung des Sachwalters wurde vorgebracht, dass der Grund für den Umbestellungsantrag nicht in einer bloßen Unzufriedenheit, sondern am falschen Umgang mit dem Sachwalter und einem eingetretenen Fehler in der Prozessführung liege; der Verfahrenshelfer habe keine Rücksprache mit dem Sachwalter betreffend das Klagebegehren gehalten, sondern alleine entschieden, es wäre aber logisch, dass ein Rechtsanwalt verpflichtet sei, den Sachwalter in allen Rechtssachen rechtzeitig zu informieren. Zudem sei der Verfahrenshelfer beauftragt, Verfahrenshilfe zu leisten und mit dem Sachwalter zu kooperieren, nicht aber "einen Prozess" gegen den Sachwalter zu führen. Aus dem Bericht des Verfahrenshelfers an das Pflegschaftsgericht ergebe sich, dass der Verfahrenshelfer keine Rücksprache mit dem Sachwalter gehalten habe, zudem sei der Anregung auf Sachwalterumbestellung vom Pflegschaftsgericht nicht gefolgt worden.
3 Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 22. September 2015 wurde diese Vorstellung abgewiesen, weil ein gesetzlicher Umbestellungsgrund nicht geltend gemacht worden sei.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass als Rechtsgrundlage "§§ 45 ff Rechtsanwaltsordnung in Verbindung mit § 45 Abs. 8 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss in der Fassung des Beschlusses der ao. Plenarversammlung vom 7. April 2014" eingefügt wird (Spruchpunkt I.). Ferner erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof als zulässig (Spruchpunkt II.).
5 Aus der Begründung ergibt sich im Wesentlichen, dass seit Juli 2010 ein Verfahrenshelfer den Prozess für den Revisionswerber am Landesgericht für Zivilrechtssachen zur Zl 14 Cg 95/10a führe. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht aus dem Oktober 2014 sei der Berufung des Revisionswerbers gegen ein Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz aus dem Juli 2014 keine Folge gegeben und ausgesprochen worden, dass die Revision dagegen jedenfalls unzulässig sei. Nachdem es im Zusammenhang damit zu "Problemen" zwischen dem Verfahrenshelfer und dem Sachwalter des Revisionswerbers gekommen sei - der Verfahrenshelfer hätte den Sachwalter nicht entsprechend informiert - habe der Verfahrenshelfer die Umbestellung des Sachwalters angeregt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 19. Oktober 2015 sei aber festgelegt worden, dass der Vater des Revisionswerbers weiterhin Sachwalter des Betroffenen für die Angelegenheiten der Einkommens- und Vermögensverwaltung, der Vertretung im Verfahren 14 Cg 95/10a beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz und für die Entscheidung der medizinischen Angelegenheiten bleibe.
6 Die Geschäftsordnung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer sehe in § 45 Abs 8 vor, dass der Ausschuss den bestellten Rechtsanwalt zu entheben und einen anderen zu bestellen habe, wenn dies wegen einer drohenden Pflichtenkollision oder wegen einer plötzlichen Erkrankung erforderlich erscheine. Das betroffene Kammermitglied habe den Ausschuss vom Eintritt in einen solchen Umstand unverzüglich zu verständigen. Vom bestellten Verfahrenshelfer sei eine solche Verständigung nicht erfolgt. Aus dem Ermittlungsverfahren ergebe sich zudem, dass weder eine Pflichtenkollision im Gefolge der Gefahr einer Doppelvertretung oder der Verwandtschaft mit einem Prozessgegner (zur Zl 14 Cg 95/10a: der Stmk. KAGES) drohe noch eine plötzliche Erkrankung des als Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwaltes gegeben sei. Damit liege keine der (abschließend geregelten) Enthebungstatbestände vor, weshalb die Entscheidung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde trotz ihrer Kürze keinen Bedenken begegne.
7 Zu Spruchpunkt II. wurde begründend ausgeführt, dass für den vorliegenden Zusammenhang eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle, weshalb die ordentliche Revision gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zulässig sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, mit der insbesondere begehrt wird, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung.
II. Rechtslage
9 A. Die vorliegend relevanten Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung, RGBl Nr 96/1868 idF BGBl I Nr 156/2015, lauten (auszugsweise):
"§ 9. (1) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.
..."
"§ 10. (1) Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe der Gründe ablehnen; allein er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Ertheilung eines Rathes abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder als Staatsanwalt thätig war. Ebenso darf er nicht beiden Theilen in dem nämlichen Rechtsstreite dienen oder Rath ertheilen.
..."
"§ 16. (1) Der Rechtsanwalt kann sein Honorar mit der Partei frei vereinbaren. Er ist jedoch nicht berechtigt, eine ihm anvertraute Streitsache ganz oder teilweise an sich zu lösen.
(2) Der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt hat die Vertretung oder Verteidigung der Partei nach Maßgabe des Bestellungsbescheides zu übernehmen und mit der gleichen Sorgfalt wie ein frei gewählter Rechtsanwalt zu besorgen. Er hat an die von ihm vertretene oder verteidigte Partei, vorbehaltlich weitergehender verfahrensrechtlicher Vorschriften, nur so weit einen Entlohnungsanspruch, als ihr der unterlegene Gegner Kosten ersetzt.
..."
"Bestellung von Rechtsanwälten, besonders zur Verfahrenshilfe
§ 45. (1) Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer.
(2) Die Bestellung für ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof obliegt dem Ausschuß der nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Partei, sonst dem Ausschuß der nach dem Sitz des Gerichtes zuständigen Rechtsanwaltskammer.
...
(4) Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen. Im Fall des Todes des bestellten Rechtsanwalts oder des Verlustes seiner Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist von Amts wegen ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen.
..."
"§ 46. (1) Die Ausschüsse der Rechtsanwaltskammern haben bei der Bestellung nach festen Regeln vorzugehen; diese haben eine möglichst gleichmäßige Heranziehung und Belastung der der betreffenden Kammer angehörenden Rechtsanwälte unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu gewährleisten. Diese Regeln sind in den Geschäftsordnungen der Ausschüsse festzulegen.
(2) Die Geschäftsordnungen können jedoch allgemeine Gesichtspunkte festlegen, nach denen Rechtsanwälte aus wichtigen Gründen von der Heranziehung ganz oder teilweise befreit sind. Als wichtige Gründe sind besonders die Ausübung einer mit erheblichem Zeitaufwand verbundenen Tätigkeit im Dienst der Rechtsanwaltschaft oder persönliche Umstände anzusehen, die die Heranziehung als besondere Härte erscheinen ließen. Die Mitglieder des Präsidiums des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags sind jedenfalls von der Heranziehung befreit."
10 B. § 45 Abs 8 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss (idF des Beschlusses der ao Versammlung vom 7. April 2014, Anwaltsblatt 2014) lautet:
"(8) Der Ausschuss hat den bestellten Rechtsanwalt zu entheben und einen anderen zu bestellen, wenn dies wegen einer drohenden Pflichtenkollision (z.B. Gefahr der Doppelvertretung, Verwandtschaft mit Prozessgegnern) oder wegen einer plötzlichen Erkrankung erforderlich erscheint. Das betroffene Kammermitglied hat den Ausschuss vom Eintritt eines solchen Umstandes unverzüglich zu verständigen."
III. Erwägungen
11 A. Die Revision macht im Wesentlichen geltend, dass der Verfahrenshelfer nicht im Interesse des vertretenen Revisionswerbers gehandelt habe und er nicht zur Zusammenarbeit mit dem Sachwalter bereit gewesen sei. In Anbetracht der Anregung des Verfahrenshelfers zur Sachwalterumbestellung sei es zu einer "tiefen Zerrüttung" des Verhältnisses zwischen dem Verfahrenshelfer und dem Sachwalter gekommen, es bestehe nicht bloß eine Unzufriedenheit mit der Tätigkeit des Verfahrenshelfers. Angesichts dieser tiefen Zerrüttung in Verbindung mit dem Vorwurf, dass der Verfahrenshelfer nicht ausreichend kooperiert habe und schadensverursachend vertreten hätte, sei eine Befangenheit iSd § 45 Abs 4 RAO iZm § 45 Abs 8 der Geschäftsordnung gegeben. Nach der Intention des Gesetzgebers sei die Bestimmung des § 45 Abs 4 RAO nicht einschränkend eng zu verstehen, vielmehr sei davon auszugehen, dass mit den dort genannten Gründen in ihrem Gewicht nach gleichwertige Gründe zu einer Umbestellung führen müssten. Gehe man davon aus, dass es zwischen dem Verfahrenshelfer und dem Sachwalter zu einem tiefen Vertrauensbruch gekommen sei, liege ein derartiger gleich gewichtiger Grund vor, im angefochtenen Erkenntnis werde auch nicht festgehalten, dass dieser Grund nicht gegeben sei.
12 B.a. § 45 Abs 4 RAO nennt als - auch für eine Umbestellung maßgebliche - Enthebungsgründe für einen (wie vorliegend: als Verfahrenshelfer) bestellten Rechtsanwalt einerseits die in § 10 Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz bzw zweiter Satz RAO angeführten Gründe, andererseits eine Befangenheit des bestellten Rechtsanwalts.
13 Dem Befangenheitsbegriff des § 45 Abs 4 RAO liegt ein Element der Hemmung des pflichtgemäßen (sachlichen) Handelns durch sachfremde (bloß psychologische) Motive zugrunde. Die Regelungen des § 45 Abs 1 und 4 RAO sollen Gewähr dafür leisten, dass der (zum Verfahrenshelfer) bestellte Rechtsanwalt an der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber der vertretenen Person - insbesondere der Pflicht, die Rechte der Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten (vgl § 9 Abs 1 iVm § 16 Abs 2 erster Satz RAO) - nicht durch sachfremde Motive gehemmt ist (vgl VwGH vom 27. März 2000, 2000/10/0019; VwGH vom 28. Februar 2008, 2007/06/0186, mwH). Die Beachtung der normierten Enthebungs- bzw Umbestellungsgründe ist für das zwischen dem Verfahrenshelfer und der von ihm vertretenen Partei bestehende Treueverhältnis wesentlich (vgl dazu VfGH vom 14. Juni 2010, B 1050/09 (VfSlg 19.089/2010)).
14 B.b. Der gemäß § 45 RAO als Verfahrenshelfer bestellte Rechtsanwalt hat gemäß § 16 Abs 2 RAO die Vertretung (oder Verteidigung) mit der gleichen Sorgfalt wie ein frei gewählter Rechtsanwalt zu besorgen; dieser Grundsatz dient der Verwirklichung des Rechtes auf ein faires Verfahren iSd Art 6 EMRK (vgl dazu VwGH vom 25. April 2006, 2002/06/0100). Auch im Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche muss auf dem Boden des Art 6 Abs 1 EMRK der Zugang zu Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein, daher muss auch für solche Verfahren grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, der Partei eines Verfahrens einen unentgeltlichen Verfahrenshelfer beizustellen, wenn dies für einen effektiven Zugang zu Gericht unentbehrlich ist (vgl in diesem Zusammenhang, auch zu den Ausnahmen von diesem Grundsatz, VfGH vom 25. Juni 2015, G 7/2015; vgl in diesem Zusammenhang ferner VwGH vom 3. September 2015, Ro 2015/21/0032).
15 Davon ausgehend hat der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer die ihm durch § 45 Abs 4 RAO eingeräumte Kompetenz zur Enthebung eines bestellten Verfahrenshelfers auch dann wahrzunehmen, wenn hervorkommt, dass in der Person des beigegebenen Verfahrenshelfers eine wirksame Vertretung iSd Art 6 Abs 1 EMRK nicht gegeben ist (vgl dazu näher etwa VwGH vom 27. März 2000, 2000/10/0019; VwGH vom 25. April 2006, 2002/06/0100).
16 B.c. Zurfrüher als Abs 7 des§ 45 der Geschäftsordnung eingeordneten Bestimmung (seinerzeit ordnungsgemäß kundgemacht im Anwaltsblatt 2001, 648ff, vgl idS VwGH vom 28. Februar 2008, 2007/06/0186), die mit der nunmehrigen Regelung des § 45 Abs 8 leg cit wortgleich ist, hat der Verwaltungsgerichtshof schon ausgesprochen, dass diese vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben des § 45 Abs 4 iVm § 10 Abs 1 RAO inhaltlich nicht als taxativ zu verstehen oder restriktiv zu interpretieren sondern gesetzeskonform derart auszulegen ist, dass jedenfalls die in § 45 Abs 4 iVm § 10 Abs 1 RAO angeführten Umstände umfasst sind, weshalb der Begriff "Pflichtenkollision" auch die Fälle der Befangenheit nach § 45 Abs 4 RAO umfasst (vgl VwGH vom 27. Juni 2006, 2005/06/0278; VwGH vom 18. Dezember 2008, 2005/06/0342, mwH). Der von dieser Bestimmung ebenfalls erfasste Fall der plötzlichen Erkrankung stellt der Sache nach im Übrigen einen "persönlichen Umstand" iSd § 46 Abs 2 RAO dar, der iSd in § 46 Abs 2 RAO statuierten wichtigen Gründe von einer Heranziehung (ua) als Verfahrenshelfer zu befreien vermag.
17 Die genannte Geschäftsordnung ist nach der Rechtsprechung (vgl VwGH vom 28. Februar 2008, 2007/06/0186, mwH) eine ordnungsgemäß kundzumachende Rechtsverordnung, wobei die Kundmachung mangels ausdrücklicher gesetzlicher Kundmachungsvorschriften in der RAO so erfolgen muss, dass die Adressaten von der Verordnung Kenntnis erlangen können. Die hier relevante Bestimmung des § 45 Abs 8 der Geschäftsordnung ist keine bloß "kammerinterne" Rechtsvorschrift, ist sie doch auch für die Rechtsposition der "Verfahrenshilfepartei" maßgeblich.
18 Da die Revision der Sache nach die Umbestellung des Verfahrenshelfers wegen einer Befangenheit geltend macht, kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die nunmehr als Abs 8 des § 45 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss in der Fassung des Beschlusses der ao Plenarversammlung vom 7. April 2014 figurierende Verordnungsbestimmung mit ihrer (lediglich) elektronischen Veröffentlichung auf der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages samt Hinweis darauf auf der Homepage der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer nach dem Vorstehenden ordnungsgemäß kundgemacht wurde (vgl dazu VfGH vom 13. März 2003, V 21/03 ua - V 68/02 ua (VfSlg 16.853 - 16.856)), zumal schon die gesetzliche Bestimmung des § 45 Abs 4 RAO die Befangenheit (ua) als Umbestellungsgrund normiert.
19 B.d. Aus den angeführten Rechtsvorschriften kann weder ein Anspruch der Partei auf Bestellung eines bestimmten von ihr gewünschten Rechtsanwalts zum Verfahrenshelfer (bzw zu dessen Substituten) noch ein solcher auf Weiterführung der Vertretung durch einen einmal bestellten Rechtsanwalt abgeleitet werden. Das Gesetz räumt der Partei lediglich das Recht ein, einen Antrag auf Enthebung des Rechtsanwalts aus den näher geregelten Gründen zu stellen (insofern einschlägig VwGH vom 18. Mai 1995, 94/19/0783).
20 C. Auf dem Boden dieser Rechtslage wird von der revisionswerbenden Partei eine Befangenheit ebenso wenig aufgezeigt wie der Mangel einer wirksamen Vertretung, der zu einer Enthebung des Verfahrenshelfers hätte führen müssen.
21 Wenn der Verfahrenshelfer die Umbestellung des den Revisionswerber vertretenden Sachwalters beim zuständigen Gericht anregte, hat er lediglich mit Blick auf § 278 ABGB gehandelt, der die Möglichkeit der Änderung bzw Beendigung der Sachwalterschaft letztlich am Wohl des Pflegebefohlenen ausrichtet, und insofern nach der Richtschnur einer gesetzlichen Bestimmung gehandelt (vgl dazu VwGH vom 27. Juni 2006, 2005/06/0278, mit Blick auf § 68 Abs 1 ZPO). Auch wenn man davon ausgeht, dass diese Anregung das Vertrauensverhältnis aus der Sicht des Sachwalters maßgeblich beeinflussen konnte, kann dies für sich allein nicht zur Folge haben, dass der Verfahrenshelfer deshalb iSd § 45 Abs 4 RAO befangen wäre, weil er sich nunmehr durch sachfremde Motive leiten lassen würde. Mit dem Hinweis auf die Anregung zur Umbestellung des Sachwalters wird nicht aufgezeigt, dass der Verfahrenshelfer aus psychologischen Motiven an seiner pflichtgemäßen (sachlichen) Ausübung seiner Stellung als Verfahrenshelfer gehindert wäre (vgl dazu VwGH vom 27. März 2000, 2000/10/0037).
22 Ferner bedeutet die behördliche Verpflichtung, einen "wirksamen Beistand" im Zusammenhang mit Art 6 EMRK zu gewährleisten, nicht, dass die Rechtsanwaltskammer jedes Handeln oder Unterlassen eines Verfahrenshelfers auf seine rechtliche Fundiertheit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen und bei einem Verhalten, das gegebenenfalls dem Ziel der "bestmöglichen" Vertretung nicht entspricht, mit der Enthebung des Verfahrenshelfers vorzugehen hätte. Handelt ein Verfahrenshelfer (in mancher Hinsicht) gegen das, was die von ihm vertretene Partei als ihren besten Interessen dienlich erachtet, lässt das allein nicht erkennen, dass der Vorsorge für einen wirksamen Rechtsbeistand jedenfalls zuwider gehandelt worden wäre. Auf dem Boden des insofern nicht weiter konkretisierten Vorbringens der Revision kann nicht ersehen werden, dass bei der gegebenen Sachlage aus der Sicht der Vertretung der rechtlichen Interessen der revisionswerbenden Partei im Interesse einer wirksamen Vertretung (vgl Rz 16) oder aus der Sicht einer geordneten Rechtspflege es erforderlich erschienen wäre, für den Revisionswerber einen anderen Verfahrenshelfer zu bestellen (vgl in diesem Zusammenhang etwa VwGH vom 18. Dezember 2008, 2005/06/0342; vgl ferner EGMR vom 28. Juli 2009, App. 8958/04, Smyk gg Polen, Rz 60 ff).
IV. Ergebnis
23 Die Revision war daher nach § 42 Abs 1 VwGG als
unbegründet abzuweisen.
24 Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung war entbehrlich, weil auf dem Boden des § 45 Abs 4 RAO der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Wesentlichen feststand und kein Anhaltspunkt dafür gegeben war, dass von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten gewesen wäre. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Übrigen auch mit Blick auf Art 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; vgl VwGH vom 26. April 2016, Ra 2016/03/0038).
25 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. September 2016
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