Normen
GO RAK Stmk 1995 §45 Abs7 idF AnwBl 2001 Seite 648;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
VwRallg;
ZPO §67;
ZPO §68 Abs1;
GO RAK Stmk 1995 §45 Abs7 idF AnwBl 2001 Seite 648;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
VwRallg;
ZPO §67;
ZPO §68 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Rechtsanwaltskammer Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 14. August 2002 war der Mitbeteiligte gemäß § 45 RAO zum Verfahrenshelfer der Beschwerdeführerin in einer näher bezeichneten Rechtssache vor dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen X bestellt worden.
Mit Note vom 25. Mai 2005 an die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer ersuchte Dr. L den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer, ihn als Verfahrenshelfer zu entheben, und zwar im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin ihm in einem Schreiben vom 22. Mai 2005 das rechtliche Verhältnis "aufgekündigt" habe und im gegenständlichen Fall kein Vertrauensverhältnis mit der Beschwerdeführerin mehr bestehe.
Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 31. Mai 2005 wurde diesem Ansuchen des Mitbeteiligten keine Folge gegeben und dies damit begründet, dass eine Enthebung des bestellten Verfahrenshelfers gemäß § 45 Abs. 7 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer nur wegen einer drohenden Pflichtenkollision oder wegen einer plötzlichen Erkrankung zulässig sei.
Mit Schreiben vom 3. Juni 2005 an die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer führte die Beschwerdeführerin aus, dass in der gegenständlichen Zivilrechtssache der Ablauf der Berufungsfrist bevorstehe und dass sie davon Kenntnis erlangt habe, dass der Rechtsanwalt Dr. L gegen ihren Willen einen Berufungsschriftsatz eingebracht habe, mit dessen Inhalt sie nicht einverstanden sei.
Der Mitbeteiligte replizierte und führte zusammengefasst aus, dass er die Überreichung dieser Berufung bei Gericht noch stoppen habe können und einen neuen Berufungsschriftsatz ausgearbeitet und an die Beschwerdeführerin zur Durchsicht übermittelt habe.
Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 7. Juni 2005 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Umbestellung des Dr. ML abgewiesen und dies damit begründet, dass gemäß § 45 Abs. 7 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss ein bestellter Rechtsanwalt zu entheben und ein anderer zu bestellen sei, wenn dies wegen einer drohenden Pflichtenkollision (z.B. Gefahr der Doppelvertretung, Verwandtschaft mit dem Prozessgegner) oder wegen einer plötzlichen Erkrankung erforderlich erscheine. Da ein solcher Grund nicht angeführt worden sei bzw. im gegenständlichen Fall nicht vorliege, sei der Antrag auf Umbestellung mangels gesetzlicher Voraussetzungen abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, welche zusammengefasst damit begründet ist, dass Dr. L inkorrekt, nachlässig und in für sie schädliche Weise tätig sei und ihren Anweisungen keine Folge leiste.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und dies nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß § 45 Abs. 7 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss ein bestellter Rechtsanwalt zu entheben und ein anderer zu bestellen sei, wenn dies wegen einer drohenden Pflichtenkollision (z.B. Gefahr der Doppelvertretung, Verwandtschaft mit dem Prozessgegner etc.) oder wegen einer plötzlichen Erkrankung erforderlich scheine. Ein solcher Fall sei weder im Umbestellungsantrag noch in der Vorstellung behauptet oder unter Beweis gestellt worden.
Die unterschiedliche Auffassung eines Verfahrenshilfeanwaltes und der "Verfahrensbeholfenen" über materielle juristische Probleme und formelle Verfahrensabläufe stelle keinen der in § 45 Abs. 7 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss angeführten Gründe dar, welche eine Umbestellung rechtfertigten. Des Weiteren sei der subjektive Eindruck der Verfahrensbeholfenen, dass ihre rechtlichen Interessen mangelhaft gewahrt würden und die juristische Beratung und Betreuung nur unzureichend erfolge, nicht geeignet, eine Umbestellung zu rechtfertigen. Die Beurteilung der Frage, ob und wenn ja, welcher Schaden der Verfahrensbeholfenen durch die ihrer Ansicht nach mangelhaft erfolgte Rechtsvertretung entstanden sei, unterliege nicht dem Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist die Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868, in der Fassung BGBl. I Nr. 128/2004, anzuwenden.
§ 45 Abs. 4 RAO lautet auszugsweise (soweit hier erheblich):
"(4) Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen. (...)"
§ 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 RAO lauten:
"§ 9. (1) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.
...
§ 10. (1) Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe der Gründe ablehnen; allein er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder als Staatsanwalt tätig war. Ebenso darf er nicht beiden Teilen in dem nämlichen Rechtsstreite dienen oder Rat erteilen."
Der von den Behörden des Verwaltungsverfahrens bezogene § 45 Abs. 7 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss (kurz: Geschäftsordnung; § 45 idF des Beschlusses der Plenarversammlung vom 7. Juni 2001, Anwaltsblatt 2001, 648 ff), lautet:
"(7) Der Ausschuss hat den bestellten Rechtsanwalt zu entheben und einen anderen zu bestellen, wenn dies wegen einer drohenden Pflichtenkollision (z.B. Gefahr der Doppelvertretung, Verwandtschaft mit Prozessgegnern) oder wegen einer plötzlichen Erkrankung erforderlich erscheint. Das betroffene Kammermitglied hat den Ausschuss vom Eintritt eines solchen Umstandes unverzüglich zu verständigen".
Diese Bestimmung der Geschäftsordnung ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben (§ 45 Abs. 4 iVm § 10 Abs. 1 RAO) so auszulegen, dass - soweit hier erheblich (es wird Befangenheit geltend gemacht) - der Wortlaut nicht als taxativ zu verstehen oder restriktiv zu interpretieren ist, sondern vielmehr - gesetzeskonform - derart, dass jedenfalls die in § 45 Abs. 4 iVm § 10 Abs. 1 RAO angeführten Umstände umfasst sind (andernfalls die Satzung als gesetzesändernd gesetzwidrig wäre). Der Begriff "Pflichtenkollision" erfasst auch die Fälle der Befangenheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/06/0278).
Dem Befangenheitsbegriff des § 45 Abs. 4 RAO liegt das Element der Hemmung des pflichtgemäßen (sachlichen) Handelns durch sachfremde Motive zu Grunde. Soweit hier erheblich, soll diese gesetzliche Regelung gewährleisten, dass der bestellte Rechtsanwalt an der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber dem Vertretenen - insbesondere der Pflicht, die Rechte der Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten - nicht durch sachfremde Motive gehemmt sei (siehe dazu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 2004, Zl. 2003/06/0003, und vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/06/0278, mwN.).
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sich aus der Korrespondenz des Verfahrenshelfers und der Beschwerdeführerin ergebe, dass das zwischen dem Mandanten und seinem Anwalt erforderliche Vertrauensverhältnis irreparabel geschädigt gewesen sei. Es sei zu ersehen, dass die Vorwürfe ihren Ausgangspunkt in tatsächlichen Ereignissen hätten (verschwundene Beweisstücke, nicht gewährtes Fragerecht, wenn auch unterschiedliche Anschauungen darüber bestünden, wie es dazu gekommen sei). Die Beschwerdeführerin habe jedes Vertrauen zum Verfahrenshelfer verloren und der Verfahrenshelfer wohl einen weiteren Kontakt mit der Beschwerdeführerin nicht mehr gewünscht. Daher sei die Befangenheit im Sinne des § 45 der Geschäftsordnung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer bzw. im Sinne des § 9 RAO gegeben und eine sinnvolle Vertretung der Beschwerdeführerin nicht mehr möglich.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem o.a. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/06/0278, dargelegt, dass dann, wenn ein Verfahrenshelfer die Entziehung der Verfahrenshilfe beantragt, dies nicht zur Folge haben muss, dass er (allein deshalb) befangen im Sinne des § 45 Abs. 4 RAO wäre. Dass die Beschwerdeführerin sich vom Mitbeteiligten nicht ausreichend vertreten fühlte und dies diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht hat, führt nicht notwendigerweise dazu, dass dieser befangen im Sinne des § 45 Abs. 4 RAO gewesen wäre, solches hat der Mitbeteiligte jedenfalls nicht ausgeführt. Auch ist nicht zu ersehen, dass der Rechtsanwalt seinen Verpflichtungen gemäß § 9 Abs. 1 RAO nicht nachgekommen wäre.
Die Beschwerdeführerin führt aus, sie habe im Wesentlichen erreichen wollen, dass ein neuer Anwalt als Verfahrenshelfer bestellt werde. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass zwar gemäß § 67 ZPO Wünschen der Partei über die Auswahl des als Verfahrenshelfer beizugebenden Rechtsanwalts im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen ist. Daraus konnte die Beschwerdeführerin jedoch im vorliegenden Fall nicht den Anspruch auf Umbestellung des Verfahrenshelfers ableiten, weil es bei der gegebenen Sachlage im Berufungsverfahren in einem Schadenersatzprozess weder aus der Sicht der Vertretung der rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin noch aus der Sicht einer geordneten Rechtspflege tunlich erschien, für die Beschwerdeführerin einen anderen Verfahrenshelfer zu bestellen.
Insgesamt zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, dass die Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, der Verfahrenshelfer sei nicht umzubestellen, rechtswidrig wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. Dezember 2008
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