VwGH 2005/06/0278

VwGH2005/06/027827.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des G R in G, vertreten durch Dr. Brigitte Florian, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Klosterwiesgasse 23, gegen den Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 23. August 2005, Zl. Vz 287/05, betreffend die Umbestellung eines Verfahrenshelfers, zu Recht erkannt:

Normen

GO RAK Stmk 1995 §45 Abs7 idF AnwBl 2001 Seite 648;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
VwRallg;
ZPO §68 Abs1;
GO RAK Stmk 1995 §45 Abs7 idF AnwBl 2001 Seite 648;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
VwRallg;
ZPO §68 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde vom zuständigen Prozessgericht Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Klage gegen einen Steiermärkischen Rechtsanwalt, Dr. X, der ihn früher vertreten hatte, bewilligt. Hiezu wurde von der Abteilung 2 der belangten Behörde Dr. Y zum Verfahrenshelfer bestellt.

Aus der weiteren Entwicklung ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 25. Juli 2005 bei der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer die Umbestellung des Verfahrenshelfers Dr. Y begehrte. Das Vorbringen des Beschwerdeführers lässt sich dahin zusammenfassen, dass Dr. Y auf Grund seiner gegen die Interessen des Beschwerdeführers gerichteten Vorgangsweise als befangen anzusehen sei. Dr. Y erklärte der Behörde, es bestehe kein Grund für die Umbestellung.

Hierauf wies die Abteilung 2 der belangten Behörde mit Bescheid vom 2. August 2005 den Umbestellungsantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe keinen Grund im Sinne des § 45 Abs. 7 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss geltend gemacht, wobei im Beschwerdefall die gerügte Befangenheit des Verfahrenshelfers Dr. Y "laut dessen Stellungnahme" nicht vorliege.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit einer umfangreichen Eingabe vom 9. August 2005 Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend heißt es, wie bereits mit dem erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, sei gemäß § 45 Abs. 7 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss ein bestellter Rechtsanwalt nur dann zu entheben und ein anderer zu bestellen, wenn dies wegen einer drohenden Pflichtenkollission (z.B. Gefahr der Doppelvertretung, Verwandtschaft der Prozessgegner etc.) oder wegen einer plötzlichen Erkrankung erforderlich erscheine. Auch in den Ausführungen in der Vorstellung seien weder solche Gründe angeführt noch unter Beweis gestellt worden, welche eine Umbestellung nach dieser Norm rechtfertigen würden. Die unterschiedliche Auffassung eines Verfahrenshilfeanwaltes und des Verfahrensbeholfenen über materielle juristische Probleme und formelle Verfahrensabläufe stellten keinen im § 45 Abs. 7 leg. cit. angeführten Grund dar, welcher eine Umbestellung rechtfertigen würde. Auch der subjektive Eindruck des Beschwerdeführers, dass seine rechtlichen Interessen mangelhaft gewahrt würden und die juristische Beratung und Betreuung nur unzureichend erfolge, sei nicht geeignet, eine Umbestellung zu rechtfertigen.

Weiters sei den Verwaltungsakten auch eine gewissenhafte und umfangreiche Befassung des Verfahrenshelfers mit der Angelegenheit zu entnehmen (wurde näher ausgeführt).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868, in der Fassung BGBl. I Nr. 128/2004, anzuwenden.

§ 45 Abs. 4 RAO lautet auszugsweise (soweit hier erheblich):

"(4) Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen. (...) "

§ 10 Abs. 1 RAO lautet:

"(1) Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe der Gründe ablehnen; allein er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder als Staatsanwalt tätig war. Ebenso darf er nicht beiden Teilen in dem nämlichen Rechtsstreite dienen oder Rat erteilen."

Der von den Behörden des Verwaltungsverfahrens bezogene

§ 45 Abs. 7 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss (kurz : Geschäftsordnung;

§ 45 idF des Beschlusses der Plenarversammlung vom 7. Juni 2001, Anwaltsblatt 2001, 648 ff), lautet:

"(7) Der Ausschuss hat den bestellten Rechtsanwalt zu entheben und einen anderen zu bestellen, wenn dies wegen einer drohenden Pflichtenkollision (z.B. Gefahr der Doppelvertretung, Verwandtschaft mit Prozessgegnern) oder wegen einer plötzlichen Erkrankung erforderlich erscheint. Das betroffene Kammermitglied hat den Ausschuss vom Eintritt eines solchen Umstandes unverzüglich zu verständigen".

Diese Bestimmung der Geschäftsordnung ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben (§ 45 Abs. 4 iVm § 10 Abs. 1 RAO) so auszulegen, dass - soweit hier erheblich (es wird Befangenheit geltend gemacht) - der Wortlaut nicht als taxativ zu verstehen oder restriktiv zu interpretieren ist, sondern vielmehr - gesetzeskonform - derart, dass jedenfalls die in § 45 Abs. 4 iVm § 10 Abs. 1 RAO angeführten Umstände umfasst sind (andernfalls die Satzung als gesetzesändernd gesetzwidrig wäre). Der Begriff "Pflichtenkollision" erfasst auch die Fälle der Befangenheit.

Dem Befangenheitsbegriff des § 45 Abs. 4 RAO liegt das Element der Hemmung des pflichtgemäßen (sachlichen) Handelns durch sachfremde Motive zu Grunde. Soweit hier erheblich, soll diese gesetzliche Regelung gewährleisten, dass der bestellte Rechtsanwalt an der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber dem Vertretenen - insbesondere der Pflicht, die Rechte der Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten - nicht durch sachfremde Motive gehemmt sei (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2004, Zl. 2003/06/0003, mwN.).

Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätte ihn die belangte Behörde "anleiten und auffordern müssen, konkret darzulegen inwiefern und aufgrund welcher Fakten die Befangenheit" des Verfahrenshelfers "nach meiner Meinung an das Tageslicht getreten ist bzw. aufgrund welcher Fakten ich zur Annahme gelangt bin, daß dieser Verfahrenshelfer befangen ist"; da dies unterblieben sei, sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer in seinen Schriftsätzen im Verwaltungsverfahren seine Gründe für die von ihm angestrebte Umbestellung des Verfahrenshelfers ohnedies näher dargelegt hat. Der Beschwerdeführer sagt auch nicht, welches konkrete Vorbringen er bei entsprechender "Anleitung" noch erstattet hätte. Der behauptete Verfahrensmangel ist daher schon deshalb zu verneinen.

In der Sache selbst bezieht sich das Beschwerdevorbringen, der Vertreter habe "ein Verhör durchführen" wollen "und dies in einer absolut unzeitgemäßen Art die wohl eher Erinnerungen an Vorgangsweisen zum Zeitpunkt der 2. Weltkrieges" wecke, offensichtlich auf das Vorbringen in der Vorstellung im Zusammenhang mit dem Schreiben des Verfahrenshelfers vom 21. Juni 2005, "indem dieser mir seine Vorgangsweisen und Methoden schilderte, die eher an die Methoden der Gestapo erinnert, aber in keinster Weise (an) die Vorgangsweise eines 'Verfahrenshelfers' ...". Davon kann allerdings bei diesem Schreiben, in dem die Problematik der Klagsführung und dafür maßgebliche Aspekte dargelegt wurden, nicht die Rede sein. Eine Befangenheit des Verfahrenshelfers ist daraus nicht abzuleiten.

Der Beschwerdeführer macht weiters, wie in der Vorstellung, den Umstand geltend, dass ihn der Verfahrenshelfer erst mit Schreiben vom 25. Juli 2005 zur persönlichen Kontaktaufnahme aufgefordert habe, um dem am 18. Juli 2005 zugestellten Auftrag des Gerichtes, die vom Beschwerdeführer eingereichte Klagsschrift binnen 14 Tagen (also bis zum 1. August 2005) zu verbessern, zu entsprechen. Der Beschwerdeführer erblickt in dieser Vorgangsweise des Verfahrenshelfers eine unsachliche Verzögerung, die ihm eine rechtzeitige Anreise aus dem Ausland unmöglich gemacht habe. Allerdings hat der Verfahrenshelfer in seiner Stellungnahme vom 25. Juli 2005 im Verwaltungsverfahren unbedenklich geltend gemacht, er sei bis 24. Juli 2005 auf Urlaub gewesen und habe die Sache sogleich nach seiner Rückkehr am 25. Juli in Bearbeitung genommen. Davon abgesehen, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass ihm durch die von ihm geltend gemachte Verzögerung Nachteile (oder gar unwiederbringliche Nachteile) erwachsen wären und inwiefern dadurch eine Befangenheit zum Ausdruck gebracht worden wäre.

Es trifft nach der Aktenlage zu, dass der Verfahrenshelfer die Entziehung der Verfahrenshilfe (wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung) beantragt hatte (was auf S 4 der Vorstellung angesprochen wurde). Dass der Verfahrenshelfer von dieser ihm ausdrücklich durch § 68 Abs. 1 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, kann aber für sich allein nicht zur Folge haben, dass er (allein deshalb) befangen im Sinne des § 45 Abs. 4 RAO wäre.

Insgesamt zeigt somit der Beschwerdeführer nicht auf, dass die Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, der Verfahrenshelfer sei nicht wegen Befangenheit umzubestellen, rechtswidrig wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Juni 2006

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