VwGH Ro 2015/22/0004

VwGHRo 2015/22/000419.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache der F R J S in Wien, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. September 2014, VGW- 151/081/27675/2014-4, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §20 Abs2;
NAG 2005 §64 Abs3;
NAGDV 2005 §8 Z7 litb;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. September 2014 wies das Verwaltungsgericht Wien den Antrag der Revisionswerberin, einer peruanischen Staatsangehörigen, vom 31. Dezember 2012 auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin seit 9. Jänner 2009 über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" - zuletzt gültig bis zum 9. Jänner 2013 - verfügt habe. Bis 30. April 2012 sei sie als außerordentliche Studierende für den Vorstudienlehrgang inskribiert gewesen, seit 1. Oktober 2012 als außerordentliche Studierende für den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen. Im Studienjahr 2011/2012 habe die Revisionswerberin Ergänzungsprüfungen im Fach Englisch (im Ausmaß von "6 + 6" Semesterstunden) sowie im Fach Deutsch (im Ausmaß von "24 + 20" Semesterstunden) abgelegt. Im Studienjahr 2012/2013 habe sie keine Prüfungen positiv absolviert. Im Studienjahr 2013/2014 habe sie eine Ergänzungsprüfung im Fach Mathematik (im Ausmaß von "10 + 10" Semesterstunden) sowie in der Studieneingangs- und Orientierungsphase Prüfungen im Ausmaß von insgesamt 8 ECTS-Anrechnungspunkten bzw. 2 Semesterstunden absolviert.

In seinen Erwägungen verwies das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, 2010/22/0036), wonach im Sinn eines aktualitätsbezogenen Studienerfolges ein Erfolgsnachweis für das zuletzt abgelaufene Studienjahr gefordert werden könne, wenn auf Grund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bereits ein weiteres Studienjahr verstrichen sei. Vorliegend sei das Studienjahr 2012/2013 bereits verstrichen und somit maßgeblich.

Das Studienjahr 2013/2014 sei zwar noch nicht verstrichen, allerdings habe die Revisionswerberin auch für dieses Studienjahr keinen Studienerfolgsnachweis vorlegen können. In der Studieneingangs- und Orientierungsphase habe sie lediglich Prüfungen im Ausmaß von 8 ECTS-Anrechnungspunkten bzw. 2 Semesterstunden absolviert. Die für die Absolvierung einzelner Ergänzungsprüfungen erlangten Semesterstunden (im vorliegenden Fall im Ausmaß von "10 + 10" Semesterstunden im Fach Mathematik) seien nicht den Semesterstunden für die Absolvierung der inskribierten Studienrichtung gleichzuhalten. Zudem sei die Revisionswerberin lediglich bis zum 30. April 2012 als außerordentliche Studierende für den Vorstudienlehrgang inskribiert gewesen. Um von einem Studienerfolg ausgehen zu können, wäre der Vorstudienlehrgang in angemessener Zeit zu absolvieren gewesen. Im vorliegenden Fall sei die Revisionswerberin seit 1. März 2009 im Vorstudienlehrgang inskribiert gewesen, habe die letzte Ergänzungsprüfung im Oktober 2013 abgelegt und erst im Studienjahr 2013/2014 das Aufnahmeverfahren zu der von ihr gewählten Studienrichtung absolviert. Es sei somit erwiesen, dass sie den erforderlichen Studienerfolgsnachweis nicht erbracht habe.

Das Verwaltungsgericht erachtete die Revision als zulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, 2012/22/0066, die durch die Ablegung von Ergänzungsprüfungen erreichte Semesterstundenzahl einem Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG) gleichgehalten habe und das gegenständliche Erkenntnis davon abweiche.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Die Revision erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

5 Die Revisionswerberin verweist auf die Begründung der Zulassung durch das Verwaltungsgericht und macht geltend, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf das Studienjahr 2011/2012 (als das vorangegangene Studienjahr) abgestellt. Das vom Verwaltungsgericht für die Heranziehung des Studienjahres 2012/2013 ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes 2010/22/0036 sei für die vorliegende Konstellation nicht relevant, weil darin der "Behörde" ermöglicht worden sei, auf das zuletzt abgelaufene Studienjahr abzustellen, es sich beim Verwaltungsgericht aber nicht um eine Behörde handle.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis 2010/22/0036 festgehalten, dass das vorangegangene Studienjahr im Sinn des § 8 Z 7 lit. b NAG-DV grundsätzlich dasjenige sei, das vor dem Gültigkeitsende des bestehenden Aufenthaltstitels liege. Etwas anderes gelte, wenn auf Grund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bereits ein weiteres Studienjahr verstrichen sei. Dazu wurde Folgendes ausgeführt:

"In einem solchen Fall kann es zum einen der Behörde nicht verwehrt werden, im Sinn eines aktualitätsbezogenen Studienerfolges zwecks Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung einen Erfolgsnachweis für das zuletzt abgelaufene Studienjahr zu fordern. Zum anderen ist es aber auch dem Fremden möglich, die Verlängerungsvoraussetzung - die Gültigkeit des verlängerten Titels beginnt in einem solchen Fall gemäß § 20 Abs. 2 erster Satz letzter Fall NAG mit der Bescheiderlassung - dadurch nachzuweisen, dass er einen Erfolgsnachweis für das jüngst abgelaufene Studienjahr erbringt."

7 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach anerkannt, dass auch ein Verwaltungsgericht das jüngst abgeschlossene Studienjahr als maßgeblich heranziehen kann, wenn während des anhängigen Verlängerungsverfahrens ein weiteres Studienjahr vollendet wurde (siehe die hg. Beschlüsse vom 17. November 2015, Ra 2015/22/0120, und vom 5. Mai 2015, Ra 2014/22/0157). Dabei ist es nicht von Relevanz, ob auch im Zeitpunkt der Erlassung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides bereits das weitere Studienjahr vollendet war und ob die Behörde dieses auch herangezogen hat. Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zutreffend nicht das Studienjahr 2011/2012, sondern - in erster Linie - das Studienjahr 2012/2013 für die Beurteilung des Studienerfolgs herangezogen.

8 Ergänzend dazu ("Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, ...") hat das Verwaltungsgericht den Nachweis eines Studienerfolgs durch die Revisionswerberin auch für das - noch nicht verstrichene - Studienjahr 2013/2014 verneint, weil die für die Absolvierung einzelner Ergänzungsprüfungen erlangten Semesterstunden dem für die Absolvierung der inskribierten Studienrichtung erzielten Studienerfolg nicht gleichzuhalten sei. Da das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung ein Abweichen vom hg. Erkenntnis 2012/22/0066 sah, wurde die ordentliche Revision zugelassen.

9 Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Juni 2014, Ra 2014/05/0004, mwN). Dies ist hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Rechtsfrage aus nachstehenden Gründen nicht der Fall:

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat es - beginnend mit dem hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2010, 2010/21/0125 - als unbedenklich angesehen, dass bei der Beurteilung des Studienerfolgs nicht auf das aktuell laufende Studienjahr, sondern auf das vorangegangene (im Sinn von: zuletzt abgeschlossene) Studienjahr abgestellt wird (siehe auch das Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, 2010/21/0383, wonach dem Verweis auf später eingetretene Studienerfolge entgegenzuhalten ist, dass es auf den Nachweis über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr ankommt). Da zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses das Studienjahr 2013/2014 noch nicht abgeschlossen war, konnte ein allfälliger Studienerfolg in diesem - noch laufenden - Studienjahr der Beurteilung des Vorliegens eines hinreichenden Studienerfolgs nicht zugrunde gelegt werden. Gegen ein Akzeptieren des Studienerfolgs im aktuell laufenden Jahr und ein damit verbundenes Hinwegsehen über den fehlenden Studienerfolg im zuletzt abgelaufenen Studienjahr spricht - neben dem Wortlaut des § 8 Z 7 lit. b NAG-DV - auch, dass mit jedem Verlängerungsantrag und somit (grundsätzlich) jährlich der Studienerfolg für das jeweils vorausgegangene Studienjahr nachzuweisen ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 2016, Ro 2015/22/0095). Damit kommt es aber für die Entscheidung über die vorliegende Revision auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene - das Studienjahr 2013/2014 betreffende - Frage nicht an. Dass das Verwaltungsgericht, nachdem es zunächst zutreffend das Vorliegen eines Studienerfolgsnachweises für den maßgeblichen Zeitraum Studienjahr 2012/2013 verneint hat, darüber hinaus auch den Studienerfolg im noch laufenden Studienjahr 2013/2014 verneint, vermag für sich genommen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses zu begründen.

11 Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass eine - für ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderliche - Vergleichbarkeit der jeweils zugrunde liegenden Sachverhalte (siehe dazu etwa den hg. Beschluss vom 6. Juli 2015, Ra 2015/04/0043) im vorliegenden Fall - gemessen an den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen - nicht gegeben zu sein scheint:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Erkenntnis 2012/22/0066 die Abweisung eines Antrags auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Abs. 3 NAG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil die Behörde lediglich ausgeführt habe, dass die beiden (dort) von der Beschwerdeführerin abgelegten Ergänzungsprüfungen keinen Studienerfolg im vom Gesetz geforderten Ausmaß darstellen würden. Diesem Erkenntnis lag zugrunde, dass die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum zum Vorstudienlehrgang zugelassen gewesen war. Demgegenüber war die Revisionswerberin im gegenständlichen Fall nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen nur bis zum 30. April 2012 (und somit im maßgeblichen Studienjahr 2012/2013 nicht mehr) als außerordentliche Studierende für den Vorstudienlehrgang inskribiert, weshalb die Ablegung einer Ergänzungsprüfung nicht dem Studium zugerechnet werden musste, zu dem die Revisionswerberin im maßgeblichen Studienjahr zugelassen war (siehe dazu das bereits zitierte Erkenntnis Ra 2015/22/0095).

12 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit weiters vor, das Verwaltungsgericht habe ohne Vorliegen der dafür notwendigen Voraussetzungen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Dadurch sei der Revisionswerberin die Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte genommen worden. Diesbezüglich verweist sie auf Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta (GRC). Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung nach § 24 Abs. 4 VwGVG seien nicht gegeben.

13 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen zu können, weil der Verwaltungsakt erkennen lasse, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse, ist nicht zu beanstanden. Welche Prüfungen die Revisionswerberin abgelegt hat, ist nicht strittig. Dass das Studienjahr 2012/2013 zum Entscheidungszeitpunkt bereits abgeschlossen war (nicht hingegen das Studienjahr 2013/2014), ist ebenso evident. Welches Studienjahr als maßgeblich heranzuziehen ist (nämlich das zuletzt abgeschlossene), stellt eine rein rechtliche Beurteilung dar.

14 Ausgehend davon stand auch Art. 47 Abs. 2 GRC dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (siehe das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2015, 2015/12/0001, sowie den hg. Beschluss vom 11. Dezember 2014, Ra 2014/21/0034, beide mwN).

15 Soweit die Revisionswerberin moniert, in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden zu sein (nach Auffassung der Revisionswerberin hätte das Verwaltungsgericht sie davon in Kenntnis setzen müssen, dass es einen anderen Zeitraum als die belangte Behörde als entscheidungserheblich ansieht), genügt es, Folgendes anzumerken:

16 Das Verwaltungsgericht hat die Revisionswerberin mit Schreiben vom 8. Juli 2014 aufgefordert, einen aktuellen Studienerfolgsnachweis vorzulegen. Die Revisionswerberin hat dazu mit Schreiben vom 31. Juli 2014 Stellung genommen und die darin erstatteten Ausführungen sind in die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes eingeflossen. Die Revisionswerberin hatte somit die Möglichkeit, ihre rechtlichen Interessen geltend zu machen. Dem Revisionsvorbringen fehlt es darüber hinaus auch an einer entsprechenden Relevanzdarstellung, weil in der Revision nicht behauptet wird (und auch in der im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Stellungnahme vom 31. Juli 2014 nicht behauptet wurde), dass die Revisionswerberin im maßgeblichen Studienjahr 2012/2013 einen Studienerfolg erzielt hat.

17 Es liegen somit keine Rechtsfragen vor, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

18 Die Revision war daher - in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

19 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 19. April 2016

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