Normen
ABGB §6;
GGG 1984 TP1;
ULSG 2009 §8;
ULSG 2009;
VwGG §21 Abs1 Z1 idF 2013/I/033;
VwGG §47 Abs5 idF 2013/I/033;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RO2015160028.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Das Kostenersatzbegehren wird abgewiesen.
Begründung
In ihrer an das Handelsgericht Wien gerichteten Klagsschrift vom 20. Dezember 2013 begehrte die "Republik Österreich" (richtig: der Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, gegenüber sechs beklagten Banken die Feststellung der Nichtigkeit zugunsten dieser Banken nach § 2 des Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetzes - ULSG abgegebener Garantieerklärungen im Gesamtausmaß von EUR 80 Mio., in eventu die Aufhebung der übernommenen Haftungen gemäß § 871 ABGB, in eventu deren Aufhebung wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage (analog § 871 ABGB); die Klage bewertete den Streitwert der Feststellungs- und Eventualbegehren mit jeweils pauschal EUR 100.000,--.
Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 7. Februar 2014 schrieb die Kostenbeamtin des Handelsgerichtes Wien hiefür eine Pauschalgebühr nach TP 1 GGG im Betrag von EUR 1,251.883,10 zuzüglich einer Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG im Betrag von EUR 8,-- zur Zahlung binnen 14 Tagen vor, wogegen der (richtig:) Bund Vorstellung erhob, in der er sich zusammengefasst auf eine Gebührenbefreiung nach § 8 ULSG berief.
Mit Bescheid vom 1. April 2014 sprach der (damalige) Präsident des Handelsgerichtes Wien aus, dass der Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 7. Februar 2014 aufrecht bleibe.
Gegen diesen Bescheid erhob der (richtig:) Bund Beschwerde, in der er sich auf die Maßgeblichkeit des § 8 ULSG auch nach dessen Außerkrafttreten mit Ablauf des 31. Dezember 2010, auf die Anwendbarkeit der zitierten Bestimmung auch auf die streitige Durchsetzung von Ansprüchen aus Haftungen nach dem ULSG berief und gegen die Annahme einer Derogation der Gebührenbefreiungsbestimmung durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wandte.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Erledigung vom 9. April 2015 die Parteien seines Verfahrens vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt hatte, erstattete die belangte Behörde mit Note vom 21. d.M. eine Stellungnahme zu den aus Anlass der Vorstellung gesetzten Ermittlungsschritten sowie zur Frage der Fertigung des angefochtenen Bescheides durch den (mittlerweile verstorbenen) Präsidenten des Handelsgerichtes Wien mittels Paraphe.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Gericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Nach Darstellung des Verfahrensganges, den das Gericht als Sachverhalt annahm, und der Darlegung seiner Beweiswürdigung, wonach die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum rechtserheblichen Sachverhalt unmittelbar aufgrund der Aktenlage hätten erfolgen können und unstrittig seien, folgerte das Gericht nach Darlegung seiner Zuständigkeit und unter Begründung der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung in rechtlicher Hinsicht und anschließender Zitierung aus dem GGG, dem ULSG sowie von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes:
"3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
Im Gegenstand geht es primär um zwei Rechtsfragen zum Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Gebührenbefreiung:
1) Ob das bereits auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 13 ULSG) mit 31.12.2010 außer Kraft getretene ULSG, ganz allgemein auch nach Ende seiner Geltung, Rechtsgrundlage für eine Gebührenbefreiung bei Einbringung einer Feststellungsklage am 20.12.2013 sein konnte?
2) Wenn diese Frage bejaht wird, ob die Gebührenbefreiungsbestimmung des § 8 ULSG, die lautete: 'Die im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Bundesgesetzes errichteten Haftungsverträge sind von den bundesgesetzlich geregelten Abgaben, den Bundesverwaltungsabgaben sowie den im Gerichtsgebührengesetz (GGG), BGBl. Nr. 501/1984, geregelten Gebühren befreit.' auch Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit dieser Haftungsverträge erfasst (hat)?
3.3.1 Zur Geltung des ULSG
Zur ersten Frage ist auszuführen, dass mit 'Geltung' oder 'Geltungsdauer' die spezifische Existenz von Normen, also dem Umstand, dass sie Bestandteil der Rechtsordnung sind, bezeichnet werden. Davon ist der 'Geltungsbereich' zu unterscheiden der den Inhalt der Norm bzw. deren Anwendung auf menschliches Verhalten betrifft (Lebenssachverhalte die durch sachliche, persönliche, örtliche und zeitliche Aspekte gekennzeichnet sind).
Auch hinsichtlich der Beendigung muss zwischen der Geltungsdauer und dem zeitlichen Geltungsbereich unterschieden werden. Mit Beendigung der Geltungsdauer (Außerkrafttreten) wird die Geltung der Norm - dh ihre Existenz als Bestandteil der Rechtsordnung - beseitigt, sie scheidet aus dem Rechtsbestand überhaupt aus; dass sie gegolten hat, ist nur mehr ein historisches Faktum ohne weitere Relevanz. Daher kann es in weiterer Folge auch keine Sachverhalte mehr geben, auf die sich diese Norm beziehen kann (dazu Thienel, ÖJZ 1990, 161, Art 49 B-VG und die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereiches von Bundesgesetzen). Für Sachverhalte die sich in der Vergangenheit ereignet haben ist die Norm hingegen - sofern dies nicht gesetzlich ausgeschlossen wurde - weiter anwendbar und kann die vorgesehene Rechtsfolge eintreten.
Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass unabhängig von den Motiven die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, die Geltung(sdauer) des ULSG mit 31.12.2013 zu beenden, dieses Gesetz kraft tatbestandsmäßiger Rechtserheblichkeit weiterwirkt, weil es auch nach Ende seiner Geltung Beurteilungsmaßstab für während des Geltungszeitraumes konkretisierte Sachverhalte bleibt (Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht (1998), Rz 544 mit weiteren Nachweisen). Sein zeitlicher Geltungsbereich wirkt daher weiter solange Haftungen bestehen die aufgrund des ULSG eingegangen wurden.
Bei der Entscheidung über die am 20.12.2013 eingebrachten Feststellungsklage auf Nichtigkeit der gem. ULSG eingegangenen Haftungen (Haftungsverträgen) wird das HG daher dieses Gesetz trotz Aufhebung weiter anzuwenden haben, weil sich der Sachverhalt um den es in der Klage geht, das Eingehen der Haftungen im Jahr 2010 - innerhalb des zeitlichen Geltungsdauer - realisiert hat.
Die Gebührenpflicht - deren Befreiung die BF begehrt - ist hingegen erst mit Einbringung der Klage zum Stichtag am 20.12.2013 entstanden, weil erst zu diesem Zeitpunkt gem. § 1 GGG '... die Inanspruchnahme der Tätigkeit des Gerichtes ...' erfolgt ist.
Da sich der Sachverhalt der die Gebührenpflicht ausgelöst hat, anders als der Abschluss der Haftungsverträge, erst zu einem Zeitpunkt ereignet hat zu dem das ULSG nicht mehr in Geltung war und der damit außerhalb der Geltungsdauer liegt, lag keine tatbestandsmäßige Rechtserheblichkeit der Gebührenbefreiung iSd § 8 ULSG zum Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage mehr vor. Die Voraussetzungen für die Gebührenbefreiung sind im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld nicht mehr vorgelegen, weil zu diesem Zeitpunkt der § 8 ULSG nicht mehr in Geltung war.
Die Argumente der BF, dass Gerichtsgebühren naturgemäß im Zusammenhang mit Haftungen erst zu einem späteren Zeitpunkt anfallen würden und § 13 ULSG ausdrücklich vorsehe, dass zum Zeitpunkt 31.12.2010 bestehende Haftungen unberührt bleiben, können diesen Befund nicht erschüttern.
Einerseits werden Gerichtsgebühren immer dann fällig wenn Gerichte in den im GGG angeführten Fällen in Anspruch genommen werden, was einerseits auch innerhalb der Geltungsdauer 25.08.2009 bis 31.12.2010 möglich war und andererseits sind die Erläuterungen (229 d BlgNR XXIV. GP) zu § 13 ULSG hinsichtlich einer allfälligen Fortwirkung der Gebührenbefreiung überhaupt nicht aussagekräftig. Es geht dabei lediglich um die Klarstellung, dass bereits eingegangene Haftungen - trotz des Außerkraftsetzens - noch dem Gesetz entsprechend abzuwickeln sind.
Die Gebührenpflicht entstand erst mit Einbringung der Feststellungsklage und zu diesem Zeitpunkt gab es keine Rechtsgrundlage mehr für eine Gebührenbefreiung.
Eine Gebührenbefreiung gem. §§ 8 - 13 GGG hat die BF nicht behauptet und würde auch inhaltlich nicht vorliegen.
3.3.2. Regenschirmderogation
Selbst für den Fall, dass man dem Argument folgen wolle, der zeitliche Geltungsbereich des ULSG würde auch im Hinblick auf den Gebührenbefreiungstatbestand des § 8 ULSG über den 31.12.2010 hinaus weiterwirken, besteht für die von der BF geforderte Analogie kein Raum.
Wie die BF selbst anführt, treffen die Feststellungen des HG zu den gesetzlichen Regelungen (§ 10 Abs. 1, § 13 Abs. 1 GGG, Art. VI Z 28 GGG idF Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl. I Nr. 24/2007 (materielle Derogation aller jener Gebührenbefreiungen zwischen 01.01.2002 u. 30.06.2007 mit 14 taxativ angeführten Ausnahmen) und des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 (Erweiterung des Derogationszeitraumes bis 02.03.2011)) hinsichtlich der Regenschirmderogation zu. Aufgrund der taxativen Aufzählung der Normen im Art. VI Z 28 GGG - in dem sich § 8 ULSG eben nicht findet - scheidet eine Erweiterung im Rahmen der Analogie auf Grund der dargestellten ständigen Rechtsprechung des VwGH aus.
Dass hier ein Versehen der Legisten vorgelegen sein soll, ein bloßer Redaktionsfehler, ist auszuschließen, weil es gar nicht denkbar gewesen wäre, einen Paragrafen eines zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in Geltung befindlichen Gesetzes bei einer allfälligen Ergänzung der Aufzählung des Art. VI Z 28 GGG anlässlich der Erlassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 aufzunehmen. Die in Art. VI Z 28 GGG angeführten Ausnahmenormen waren bei Erlassung des Budgetbegleitgesetzes alle noch in Kraft. Auch der in der Beschwerde unter lit. n) zitierte § 5 des BAWAG P.S.K.-Sicherungsgesetzes ist erst am 31.12.2011 außer Kraft getreten. Das ULSG hingegen war bereits außer Kraft.
Der Wille des Gesetzgebers, auch bei Klagen aufgrund der eingegangen Haftungen - die ja auch von Seiten der Banken oder Unternehmen für die die Haftungen eingegangen wurden, hätten erfolgen könnten, eine Gebührenbefreiung auch über die Geltungsdauer des ULSG hinaus begründen zu wollen, erschließt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den Erläuterungen.
3.3.3. Sachlicher Anwendungsbereich des § 8 ULSG
Zur zweiten aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die Formulierung des § 8 ULSG so zu verstehen ist, dass die dort normierte Befreiung von den Gerichtsgebühren nach GGG nicht nur die Errichtung der Haftungsverträge selbst betrifft, sondern auch deren gerichtliche Durchsetzung, ist zunächst auf den Gesetzestext und sodann auf die zitierten Erläuterungen zu verweisen.
Der § 8 ULSG spricht von den mit der '... Durchführung dieses Bundesgesetzes errichteten Haftungsverträgen ...' die ua. von den Gebühren nach dem GGG befreit sind. § 1 ULSG von der Ermächtigung '... Haftungen in Form von Garantien im Zusammenhang mit der Finanzierung solcher Unternehmen ...' einzugehen bzw. regelt § 4 ULSG den Zeitraum, die Voraussetzungen und den Inhalt von Haftungsverträgen.
Die Erläuterungen zu § 8 ULSG führen dazu aus, dass, da es sich um staatliche Hilfsmaßnahmen handelt, eine Gebührenbefreiung der Haftungsverträge sachlich geboten und berechtigt sei.
Aus dem Telos des Gesetzes, vorübergehende Liquiditätsprobleme mittelgroßer bis großer Unternehmen durch Haftungsübernahmen bei von diesen aufgenommenen Bankkrediten zu mildern und den jeweiligen Wortlauten der Normen, die sich ausschließlich auf die Haftungsverträge an sich beziehen, ist nicht ableitbar, dass der Gesetzgeber auch für den Fall der Einbringung von Klagen auf die Einhebung von Gerichtsgebühren verzichten wollte. Klagen könnten im weiteren Zusammenhang mit den eingegangen Haftungsverträgen ja auch von den betroffenen Kreditinstituten oder Unternehmen eingebracht werden. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er diesbezüglich auf die Gerichtsgebühren verzichten wollte.
Eine Gebührenüberweisung vom Bundesministerium für Finanzen an das Bundesministerium für Jusitz bzw. Handelsgericht ist letztlich für den Bund ein Nullsummenspiel, trägt aber zu Transparenz und Kostenwahrheit bei.
Im Übrigen könnte von einer Rechtfertigung des Gebührenverzichts, vor dem Hintergrund der Gewährung einer staatlichen Hilfsmaßnahme, bei diesen Konstellationen nicht mehr ausgegangen werden.
Es gab daher auch bereits zum Zeitpunkt der Geltung des § 8 ULSG keine Gebührenbefreiung im Hinblick auf die Einbringung von Klagen, sondern nur im Zusammenhang mit der Errichtung der Haftungsverträge. Die von den BF angeführte Meinung der Kommentatoren Diwok/Schramm ist nicht schlüssig, da einerseits in Rz 6 angeführt wird, dass selbst aus Haftungsverträgen vereinbarte Sicherheitsbestellungen oder sonstige gebührenpflichtige durch die Haftungsverträge veranlasste Rechtsgeschäfte nicht von der Gebührenbefreiung des § 8 ULSG erfasst seien, andererseits die streitige Durchsetzung und Vergleiche dieser Haftungsverträge sehr wohl (Diwok/Schramm, Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz (2010), § 8 ULSG, Rz 6, 7).
Zusammenfassend vermochten alle von der BF vorgebrachten Beschwerdegründe nicht zu überzeugen. Es liegt keine Gebührenbefreiung vor, dem Bescheid der belangten Behörde ist keine Rechtswidrigkeit anzulasten. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es konnte keine Rechtsprechung des VwGH zur Frage der Geltung und der Reichweite der Gebührenbefreiung des § 8 ULSG aufgefunden werden."
Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision begehrt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu infolge Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes, in eventu die Entscheidung in der Sache selbst, dass der Beschwerde Folge gegeben und der Bescheid vom 7. Februar 2014 ersatzlos aufgehoben werde.
Die vor dem Gericht belangte Behörde (nunmehr die Präsidentin des Handelsgerichtes Wien) hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision unter Zuerkennung von Schriftsatzaufwand begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist zur Frage der Parteibezeichnung festzuhalten, dass, wie auch der folgenden Darstellung der Rechtslage zu erschließen ist, dem ULSG lediglich die Ermächtigung zu entnehmen ist, dass der Bundesminister für Finanzen für den Bund Haftungen eingehen kann. Abgesehen davon, dass vor diesem Hintergrund die Bezeichnung der klagenden Partei richtigerweise auf den Bund als Rechtsträger zu lauten gehabt hätte und als Gebührenschuldner folglich nur der Bund in Betracht kam, kann auch Partei vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht - wie in der Revisionsschrift genannt - die "Republik Österreich (Bundesministerium für Finanzen)", sondern nur der Bund sein (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1999, 99/07/0090, vom 1. Juli 2005, 2002/03/0294 u.a., und vom 13. September 2006, 2002/13/0228 = Slg. 8157/F, sowie den Beschluss vom 21. März 2002, 2001/16/0546).
Der (richtig:) Bund (der Revisionswerber) begründet die Zulässigkeit seiner Revision damit, im konkreten Fall habe das Gericht selbst ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme, da keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Geltung und der Reichweite der Gebührenbefreiung des § 8 ULSG habe aufgefunden werden können. Die Entscheidung der gegenständlichen Sache hänge daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ab, weil entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.
Der Revisionswerber erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses abgesehen von der Inanspruchnahme der Geltung und der Frage der Reichweite der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung auch in einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil der angefochtene Bescheid nicht entsprechend § 18 Abs. 4 AVG gefertigt und ihm kein Gehör zur Stellungnahme der belangten Behörde vom 21. April 2015, die die Fertigung der Urschrift des angefochtenen Bescheides behauptet habe, gewährt worden sei. Aus der Stellungnahme der belangten Behörde ergebe sich nicht zweifelsfrei die fristgerechte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 57 Abs. 3 AVG.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der "ordentlichen" (vom Verwaltungsgericht nach § 25a Abs. 1 VwGG für zulässig erklärten) Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 19. Februar 2015, Ro 2015/21/0002, vom 24. März 2015, Ro 2015/21/0003, und vom 23. April 2015, Ro 2014/07/0112, jeweils unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OGH zum vergleichbaren Revisionsmodell nach der ZPO).
Wie eingangs dargelegt, begründete das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit einer Revision gegen sein Erkenntnis im Mangel an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Geltung und Reichweite der Gebührenbefreiung nach § 8 ULSG. Auch die vorliegende Revision reflektiert ihre Zulässigkeit ausschließlich anhand der wiedergegebenen Begründung des Verwaltungsgerichtes, ohne die Zulässigkeit der Revision auch aus anderen Gründen gesondert darzulegen.
Tatsächlich fehlt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung, weshalb die vorliegende Revision unter diesem Gesichtspunkt - entgegen der Ansicht der belangten Behörde, die dem Wortlaut des § 8 ULSG hinreichende Klarheit zumisst - zulässig ist.
Die Revision ist aus folgenden Gründen nicht berechtigt:
Das Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz, BGBl. I Nr. 78/2009 - ULSG, lautet auszugsweise:
"§ 1. (1) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, zwecks Erhaltung der Geschäftstätigkeit und Überbrückung eines vorübergehenden Liquiditätsengpasses zur Sicherstellung und Stärkung der Liquidität österreichischer Unternehmen, die gemäß § 2 zu den nationalen oder regionalen Stützen der Wirtschaft und der Beschäftigung zählen, gemäß § 66 des Bundeshaushaltsgesetzes ... Haftungen in Form von Garantien im Zusammenhang mit der Finanzierung solcher Unternehmen zu übernehmen.
(2) Auf die Übernahme einer Haftung nach diesem Bundesgesetz besteht kein Rechtsanspruch.
Voraussetzungen
§ 2. (1) Eine Haftung gemäß § 1 darf nur zu Gunsten von Unternehmen übernommen werden, bei denen nachstehende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
...
Haftungsverträge
§ 4. (1) ...
(2) Die Haftungsübernahmen nach § 1 können nur durch schriftliche Vereinbarung und nur für Verbindlichkeiten in Euro erfolgen.
...
(5) Die Haftung des Bundes ist mit einer maximalen Laufzeit von fünf Jahren begrenzt.
...
(9) In den Haftungsverträgen sind von § 66 BHG abweichende Regelungen zulässig; Rechte des Bundes gemäß § 66 Abs. 2 Z 1, 2 und 4 BHG sind jedenfalls vorzusehen.
...
Bevollmächtigter des Bundes
§ 5. (1) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, die banktechnische Behandlung (bankkaufmännische Beurteilung durch Bonitätsprüfung und Bearbeitung) der Ansuchen um Haftungsübernahme und die Ausfertigung der Haftungsverträge sowie die Wahrnehmung der Rechte des Bundes aus Haftungsverträgen, ausgenommen deren gerichtliche Geltendmachung, dem nach § 5 Abs. 1 des
Ausfuhrförderungsgesetzes ... Bevollmächtigten des Bundes nach
§ 1002 ff des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ... zu übertragen.
...
Verfügungs- und Pfändungsbeschränkung
§ 7. Soweit aus Haftungsübernahmen nach diesem Bundesgesetz Ansprüche gegen den Bund begründet werden, können diese weder durch Rechtsgeschäft, wie insbesondere Abtretung oder Verpfändung, ohne Zustimmung des Bundes an Dritte übertragen werden, noch unterliegen sie der Pfändung.
Gebühren und Abgaben
§ 8. Die im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Bundesgesetzes errichteten Haftungsverträge sind von den bundesgesetzlich geregelten Abgaben, den Bundesverwaltungsabgaben sowie den im Gerichtsgebührengesetz (GGG), BGBl. Nr. 501/1984, geregelten Gebühren befreit.
...
Außerkrafttreten
§ 13. Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2010 außer Kraft. Zu diesem Zeitpunkt bestehende Haftungen sowie die Bestimmungen über die Abwicklung durch den Bevollmächtigten bleiben unberührt."
Die ErläutRV zum ULSG, 229 BlgNR XXIV. GP 8, führen in ihrem Allgemeinen Teil aus, das vorliegende Bundesgesetz sehe unter bestimmten Voraussetzungen im Interesse der gesamthaften österreichischen Volkswirtschaft die Möglichkeit einer Haftungsübernahme durch den Bund für Kredite von Unternehmen vor, die vorübergehend in Liquiditätsprobleme geraten seien. Als konkrete Maßnahme sei eine - zeitlich bis 31. Dezember 2010 befristete - Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen vorgesehen, durch Übernahme von Haftungen für Kredite betroffenen Unternehmen den Zugang zu Kreditmitteln zu erleichtern.
Zu § 8 ULSG führen die ErläutRV in ihrem Besonderen Teil, aaO 5, aus:
"Da es sich um eine staatliche Hilfsmaßnahme handelt, ist eine Gebührenbefreiung der Haftungsverträge sachlich geboten und berechtigt."
Der Revisionswerber hält im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt aufrecht, die Gebührenbefreiung nach § 8 ULSG sei nicht nur auf Haftungsverträge selbst anwendbar, sondern auch auf die streitige Durchsetzung von Ansprüchen aus Haftungen nach dem ULSG, was aus der ausdrücklichen Erwähnung des GGG in § 8 ULSG abzuleiten sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steckt der äußerste mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung ab (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1990, 89/16/0029, mwN).
§ 8 ULSG spricht davon, dass die im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Bundesgesetzes errichteten Haftungsverträge u. a. von den im GGG geregelten Gebühren befreit sind. Der äußerst mögliche Wortsinn des § 8 ULSG erstreckt die Gebührenbefreiung - fallbezogen von einer Gebührenpflicht nach dem GGG - auf mit der Durchführung des ULSG errichtete Haftungsverträge. Dies bedeutet, dass die im ULSG in Form einer Ermächtigung an den Bundesminister für Finanzen vorgezeichneten (schriftlichen) Haftungsverträge des Bundes von den Gerichtsgebühren befreit sein sollen. Die Gebührenbefreiung des § 8 ULSG beschränkt sich daher auf einen allenfalls Gebühren auslösenden Sachverhalt des Abschlusses eines Haftungsvertrages. Damit überschreitet aber der Interpretationsversuch des Revisionswerbers, dass auch allfällige weitere gebührenauslösende Sachverhalte im Gefolge des Abschlusses solcher Haftungsverträge, etwa die Anbringung von Streitigkeiten aus solchen Haftungen, unter das Benefizium des § 8 ULSG fielen, den möglichen Wortsinn der Befreiungsbestimmung.
Dieses Auslegungsergebnis wird von den zitierten ErläutRV gestützt, die bloß von einer "Gebührenbefreiung der Haftungsverträge" selbst sprechen, nicht jedoch auch von Folgestreitigkeiten.
Soweit sich der Revisionswerber auf die von Diwok/Schramm in Unternehmensstabilitätsstärkungsgesetz (2010) unter RZ 2 und 7 zu § 8 vertretene Ansicht einer Erstreckung der Gebührenbefreiung auch auf Klagen beruft, vermag dies nicht zu überzeugen, weil die Kommentatoren keinerlei Begründung für ihr Auslegungsergebnis geben.
Die vom Bund im Gefolge eines Haftungsvertrages nach dem ULSG eingebrachte Klage mit einem Gesamtstreitwert von EUR 80 Mio. war daher nicht von § 8 ULSG erfasst; die Vorschreibung der der Höhe nach unstrittigen Gerichtsgebühren nach TP 1 GGG erfolgte daher zu Recht.
Ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen erübrigt sich in Ansehung der unbestimmten und damit unzulässigen Revisionspunkte (auf ein "ordnungsgemäßes und mängelfreies Verfahren" und auf Wahrnehmung der Unzuständigkeit), zumal unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des VwGH an der Unterfertigung des angefochtenen Bescheides kein Zweifel besteht (vgl. die in Hengstschläger/Leeb, AVG 1. Teilband2, unter Rz 7 zu § 18 zitierte Rechtsprechung).
Die Revision ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Abweisung des Kostenbegehrens gründet sich auf die Identität des Revisionswerbers mit dem Rechtsträger der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. September 2006, 2002/13/0228, und vom 7. August 2003, 2003/16/0035, jeweils mwN).
Wien, am 9. September 2015
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