VwGH Ro 2014/07/0096

VwGHRo 2014/07/009628.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision 1.) des DDipl.-Ing. Dr. H H und 2.) der L H, beide in X, beide vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 6. Juni 2014, Zl. LVwG 41.1-2572/2014-6, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Angelegenheit des Immissionsschutzgesetzes-Luft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark), zu Recht erkannt:

Normen

12010M019 EUV Art19;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Anh11;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Anh15 AbschnA;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13 Abs1;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art22;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23 Abs1;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23;
62007CJ0237 Janecek VORAB;
62013CJ0404 ClientEarth VORAB;
AnerkennungsG 1874;
AVG §1;
AVG §13 Abs1;
AVG §56 impl;
AVG §56;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
EURallg;
IG-L 1997 §10 Abs1;
IG-L 1997 §13;
IG-L 1997 §14;
IG-L 1997 §15;
IG-L 1997 §16;
IG-L 1997 §9a Abs1;
IG-L 1997 §9a;
IG-L 1997 Anl1a;
LRV Stmk 2011 idF 116/2014;
LRV Stmk 2011;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RO2014070096.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die revisionswerbenden Parteien stellten am 1. März 2013 an den Landeshauptmann von Steiermark (LH) einen Antrag auf Erlassung von umfassenden verkehrsbezogenen Maßnahmen zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte für Feinstaub in X.

Im Antrag wurde dargelegt, dass sowohl die bisher im Programm des LH nach § 9a Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) vom 13. Oktober 2011 angekündigten als auch jene nach den Bestimmungen der §§ 10f IG-L erlassenen Maßnahmen unzureichend seien. Die auf der Grundlage des IG-L erlassene Steiermärkische Luftreinhalteverordnung 2011, LGBl. Nr. 2/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 36/2012, sehe für das Sanierungsgebiet Großraum X fahrzeugbezogene Beschränkungen von Tätigkeiten zur Reduktion des Feinstaubes vor, wie Fahrbeschränkungen für Schwerfahrzeuge und Mindestemissionsstandards für Taxis. Beschränkungen des Pkw-Verkehrs, sei es dauernder oder vorübergehender Natur, enthalte die Verordnung nicht. Die Feinstaubbelastung werde in X jedoch zu 50 % vom Verkehr verursacht. Es liege auf der Hand, dass auch dauerhafte bzw. vorübergehende Beschränkungen des Pkw-Verkehrs notwendig seien, um die Immissionsgrenzwerte einhalten zu können.

Es werde daher der Antrag gestellt (Hervorhebungen im Original), das Programm gemäß § 9a IG-L und die Steiermärkische Luftreinhalteverordnung 2011 um

"a) dauerhafte abgasklassenorientierte Fahrbeschränkungen für alle Kraftfahrzeuge im Sinne einer Umweltzone (Fahrverbot für alle Dieselfahrzeuge im Sanierungsgebiet Großraum Graz) zur Eliminierung der besonders starken Feinstauberzeuger unter den Kfz und/oder

b) Fahrverbote für alle Kfz tageweise wechselnd nach geraden und ungeraden Kennzeichen vom 1. Oktober bis 31. April zur Reduktion der gesamten Kfz-Flotte im Sanierungsgebiet Großraum Graz oder

c) andere geeignete und effektive gleichwertige Maßnahmen im oben bezeichneten Raum

zu ergänzen, um das Recht auf gesunde Luft im Sinne der Luftqualitäts-RL umzusetzen."

Sollte diesem Antrag nicht entsprochen werden, so werde die Erlassung eines begründeten Bescheides binnen sechs Monaten beantragt.

In der ausführlichen Begründung ihres Antrags wiesen die revisionswerbenden Parteien darauf hin, selbst in der besonders belasteten südlichen Hälfte der Stadt X zu wohnen; die nächstgelegenen Messstellen seien X O und X M. Nach Wiedergabe der Überschreitungstage, der Spitzenbelastungen und Jahresmittelwerten an diesen Messstellen in den Jahren 2001 bis 2012 (dabei wurden die Daten des Umweltbundesamtes - UBA - herangezogen) vertraten die revisionswerbenden Parteien die Ansicht, es ergebe sich aus diesen Zahlen, dass die Anzahl der zulässigen Überschreitungstage an den dem Wohnort nächstgelegenen Messstellen bedeutend überschritten würden; seit 2001 hätten nur in zwei Jahren mit günstigerer Wetterlage die Überschreitungstage nicht das zulässige Maß überschritten.

Der Antrag befasste sich in weiterer Folge auch mit den Verursachern der Feinstaubbelastung in Graz (50 % Verkehr, 27 % Industrie und 23 % Hausbrand) und stellte die bisher vorgenommenen Maßnahmen (Maßnahmenverordnung 2006, LGBl. Nr. 131, Maßnahmenverordnung 2007, LGBl. Nr. 96) näher dar. Ausdrücklich hingewiesen wurde auf das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Österreich. Die Kommission habe die Aufnahme von strengeren Minderungsmaßnahmen im Luftqualitätsplan als notwendig erachtet. Eine dieser strengeren Minderungsmaßnahmen wäre die Umweltzone gewesen, die sich in den Materialien zum erneuerten Fristerstreckungsantrag gemäß Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (Luftqualitäts-RL) finde. Die Kommission habe am 22. Oktober 2010 den Beschluss gefasst, die Grenzwert-Aussetzung doch zu gewähren. Aus diesem Beschluss ergebe sich, dass die mit dem zweiten Fristerstreckungsantrag angekündigten zusätzlichen Maßnahmen und wirkungsvollen kurzfristigen Maßnahmen Voraussetzung der Fristerstreckung gewesen seien. Österreich sei hiermit die Verpflichtung eingegangen, eine Umweltzone in X einzuführen. Mit Schreiben vom 9. März 2012 habe die Kommission auf dieser zusätzlich vereinbarten Maßnahme bestanden, nachdem Österreich ein neues Luftreinhalteprogramm ohne Umweltzone vorgelegt hatte.

Im Antrag der revisionswerbenden Parteien wurde weiters auf die Reduktionspotenziale der Umweltzone eingegangen und schließlich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch argumentiert, aus welchem Grund den revisionswerbenden Parteien ein subjektives Recht auf Setzung von Maßnahmen gegen Feinstaubbelastung zukomme.

2. Mit Bescheid des LH vom 28. August 2013 wurde der Antrag der revisionswerbenden Parteien als unzulässig zurückgewiesen.

Dies wurde damit begründet, dass den revisionswerbenden Parteien kein subjektiver, bescheidmäßig durchsetzbarer Rechtsanspruch auf einzelne Maßnahmen oder zusätzliche Maßnahmen für einzelne Emittentengruppen in einem bestehenden Luftqualitätsplan im Sinne des § 9a IG-L zustehe. Das letztgenannte Gesetz beinhalte keine Regelungen, wonach ein subjektives Recht des Einzelnen auf Setzung eines bestimmten Aktes der Verwaltung gegeben sei. Die Konstruktion eines solchen Verfahrens bzw. einer entsprechenden Antragslegitimation durch eine Verwaltungsbehörde überschreite die Grenze, die durch das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Gewaltenteilung gesetzt werde. Unter ausschließlicher Berücksichtigung des österreichischen Materiengesetzes (IG-L) wäre der Antrag mangels Antragslegitimation zurückzuweisen.

Auf Grund der unionsrechtlichen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Rs C-237/07 vom 25. Juli 2008, Janecek, gegen den Freistaat Bayern (in weiterer Folge: Urteil Janecek), sei im Zuge der Prüfung dieses Antrags aber auch die unionsrechtliche Dimension zu beachten. Auch das genannte Erkenntnis bewirke aber keinen subjektiven Rechtsanspruch auf einzelne oder zusätzliche Maßnahmen für einzelne Emittentengruppen in einem bestehenden Luftqualitätsplan im Sinne des § 9a IG-L.

Erstens beschäftige sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in diesem Urteil mit einem subjektiven Recht auf die Erstellung von Aktionsplänen gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG . Diese Aktionspläne seien bei einer unmittelbaren Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte und/oder der Alarmschwellen kurzfristig zu ergreifen. Diese Bestimmung erfülle alle Erfordernisse einer unmittelbaren Anwendung von Richtlinien, weshalb eine natürliche oder juristische Person, die unmittelbar von einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sei, die Erstellung eines Aktionsplans erwirken könne.

Mittlerweile hätten sich jedoch die europäischen Rechtsgrundlagen in relevanter Weise geändert. Die Richtlinie 96/62/EG sei durch die aktuelle Luftqualitäts-RL ersetzt worden. Gemäß Anhang XVII dieser letztgenannten Richtlinie entspreche der frühere Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG nunmehr - mit Änderungen - dem neuen Art. 24. Gerade diese Änderungen des Art. 24 seien jedoch von Bedeutung, da nun im Falle von drohenden Überschreitungen der Grenz- oder Zielwerte von - unter anderem - PM10 keine Handlungsverpflichtung für die Mitgliedstaaten mehr vorgesehen werde. Vielmehr werde den Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut der neuen Richtlinie Ermessen in Form einer Kann-Bestimmung eingeräumt. Nach Art. 24 Abs. 1 der Luftqualitäts-RL hätten die Mitgliedstaaten bei Überschreitung von Alarmschwellenwerten nach Anhang XII Pläne zu erstellen, die kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen beinhalteten, um die Gefahr einer Überschreitung zu verringern. Bestehe diese Gefahr bei einem oder mehreren in Anhang XI genannten Grenzwerten - darunter PM10 - dann könnten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls solche Pläne für kurzfristige Maßnahmen erstellen. Die alte Luftqualitäts-RL 96/62/EG habe diese Unterscheidung nicht vorgesehen; sie habe die Mitgliedstaaten sowohl bei der Überschreitung von Alarmschwellenwerten als auch bei der Überschreitung von Grenzwerten zur Erstellung von Aktionsplänen mit kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen verpflichtet. Dadurch habe der Europäische Gesetzgeber den subjektiven Anspruch auf Aktionspläne auf Grundlage der Luftqualitäts-RL wieder aus dem Rechtsbestand entfernt.

Zweitens habe der EuGH im Urteil Janecek die Bestimmung des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie als unmittelbar anwendbar betrachtet. Anders sei die Situation im gegenständlichen Fall. Es sei unstrittig, dass für das Sanierungsgebiet Großraum Graz alle nach der Luftqualitäts-RL erforderlichen Pläne bestünden. Verfahrensgegenständlich würden jedoch einzelne Maßnahmen zusätzlich zu den bestehenden Plänen beantragt. Dadurch würden die Antragsteller das Wesen der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien verkennen. Aus keiner Bestimmung der aktuellen Richtlinie lasse sich ein dem Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG vergleichbarer, unmittelbarer subjektiver Anspruch eines Einzelnen auf einzelne spezifische Maßnahmen oder gar auf zusätzliche Maßnahmen für einzelne Emittentengruppen als bloße Ergänzung zu einem ohnehin schon existierenden Luftqualitätsplan begründen.

Die unionsrechtliche Komponente werde daher seitens der belangten Behörde dahingehend beurteilt, dass sich aus der Luftqualitäts-RL kein subjektives Recht auf nationalstaatliche Durchsetzung einzelner Maßnahmen oder zusätzlicher Maßnahmen für einzelne Emittentengruppen ableiten ließe. Dem Urteil Janecek sei nicht zu entnehmen, dass einzelne Maßnahmen oder zusätzliche Maßnahmen für einzelne Emittentengruppen in einem bereits bestehenden Aktionsplan erwirkt werden könnten. Dafür fehle eine unmittelbare und hinreichend genaue Bestimmung der Richtlinie, auf die sich ein Einzelner berufen könnte. Daraus ließe sich folgern, dass eine Vergleichbarkeit mit dem Sachverhalt im Fall Janecek nicht gegeben sei.

In weiterer Folge befasste sich die belangte Behörde mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012, 2010/07/0161. Aus dieser Entscheidung ergäben sich keine Ausführungen hinsichtlich der inhaltlichen Vergleichbarkeit der beiden Richtlinien und damit der Anwendbarkeit der Vorabentscheidung des EuGH auf die neue europarechtliche Situation. Allerdings habe der Verwaltungsgerichtshof deutlich gemacht, dass der Fall Janecek auf die direkte und individuelle Betroffenheit des Einzelnen abgestellt habe; diese Betroffenheit müsse auf Grund der zeitlichen Aktualität und auch auf Grund der räumlichen Nähe und Zuordenbarkeit für die Betroffenen im Sinn einer konkreten gesundheitlichen Gefährdung gegeben sein. Betreffend die zeitliche Komponente seien daher die aktuellsten verfügbaren Messergebnisse heranzuziehen. Unter Berücksichtigung der Messergebnisse für das demnach allein heranzuziehende Jahr 2012 fehle es aber an einer konkreten Betroffenheit, weil die Grenzwerte in diesem Jahr nur teilweise überschritten worden seien. Nun sei nach der Luftqualitäts-RL 2008/50/EG die Überschreitung des Grenzwertes für PM10 an maximal 35 Tagen des Jahres zulässig. Bei der Messstation Graz-Mitte seien 28 Überschreitungstage, bei der Messstation X-O 37 Überschreitungstage ausgewiesen. Die durch das UBA ausgewiesenen 38 Überschreitungstage seien nicht das offizielle Ergebnis der steirischen Luftgütemessungen. Die erhobenen Daten würden nämlich vor der endgültigen Meldung an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) noch entsprechend der vorliegenden Ergebnisse unter Berücksichtigung aller relevanten messtechnischen Vorgaben kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert. Das endgültige Ergebnis der Messungen an der Messstation Graz-Ost ergebe 37 Überschreitungstage. Darüber hinaus seien an der Station X-O einmalige Einflüsse auf Grund einer Baustelle und nicht ständig wiederkehrende Emissionsquellen für die Überschreitung verantwortlich. Dies lasse sich durch Überschreitungstage in den Sommermonaten belegen, die im Jahresvergleich untypisch seien und Ausreißer darstellten. Es sei daher unerheblich, ob das relativ gute Ergebnis hinsichtlich der Überschreitungstage für ein Kalenderjahr hauptsächlich oder möglicherweise mitbegründet auf die günstige Wetterlage zurückzuführen sei. Die von Seiten des Verwaltungsgerichtshofs ausdrücklich geforderte konkrete subjektive Betroffenheit der Antragsteller sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.

3. Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien Berufung.

Sie wiesen darauf hin, dass sich ihr Antrag nicht auf das IG-L, sondern auf unmittelbar anzuwendendes EU-Recht stütze und genau die Verpflichtung der Mitgliedstaaten angesprochen habe, die der EuGH im Fall Janecek statuiert habe, nämlich die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte auf ein Minimum zu verringern und schrittweise zu einem Stand unterhalb dieser Werte oder Schwellen zurückzukehren. Sie hätten sich mit Bedacht auf die Art. 23 und 24 der Luftqualitäts-RL berufen. Beide Bestimmungen verwiesen auf Grenzwerte des Anhangs XI, der auch den Feinstaub beinhalte. Es sei keine Frage, dass auch die Luftqualitätspläne nach Art. 23 Maßnahmen zu enthalten hätten, um die festgelegten Grenzwerte einzuhalten. Maßgeblich im konkreten Fall sei, dass etwa die Umweltzone seit vielen Jahren immer als Bestandteil des Luftqualitätsplans, national gesehen des Umweltprogramms nach § 9a IG-L, beraten und auch von der Europäischen Kommission gefordert worden sei. Die geforderten dauerhaften abgasklassenorientierten Fahrbeschränkungen im Sinne einer Umweltzone seien keine kurzfristigen Maßnahmen, da sie auf Dauer angelegt seien. Weil die Grenzen zwischen lang-, mittel- und kurzfristigen Maßnahmen fließend seien und auf Grund der Dringlichkeit auch gleichartige effektive Maßnahmen allenfalls zu setzen seien, hätten sie sich sowohl auf Art. 23 als auch auf Art. 24 der Luftqualitäts-RL berufen.

Nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien sei das Urteil Janecek auf die neue Richtlinie ebenfalls anwendbar; in Bezug auf Art. 23 vollständig und in Bezug auf Art. 24 in leicht modifizierter Form. Wie die Erwägungsgründe 2 und 30 der Luftqualitäts-RL zeigten, sollte das hohe Umweltschutzniveau beibehalten werden. Begründet durch den engen Zusammenhang zwischen Luftqualitätsplan und Aktionsplan bleibe auch für letzteren ein gerichtlicher Prüfungsanspruch bestehen.

Zur fehlenden konkreten Betroffenheit machten die revisionswerbenden Parteien in der Berufung geltend, sie hätten ihre unmittelbare Betroffenheit, bezogen auf ihren Wohnsitz und ihren Aufenthaltsort, konkret aufgezeigt. Zum behaupteten singulären Ereignis an der Messstation X-O im Jahr 2012 sei festzustellen, dass Baustellen in den Sommermonaten typische Ereignisse seien und daher nicht herausgerechnet werden dürften. Es sei daher im Jahr 2012 eine Überschreitung der zulässigen Grenzwerte am Wohnort der revisionswerbenden Parteien gegeben gewesen, dies sowohl an einer nächstgelegenen Messstation als auch an anderen Messstationen im Stadtgebiet von X. Davon seien die revisionswerbenden Parteien aber unmittelbar betroffen, zumal sie sich im Überschreitungsgebiet nicht nur vorübergehend aufhielten. Schließlich verwiesen sie auf das ergänzende Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission zum Vertragsverletzungsverfahren vom 25. April 2013, in dem die Kommission die Säumnis bei der Einrichtung einer Umweltzone für die Stadt X ausdrücklich angesprochen habe. Unter anderem sei in diesem Schreiben von einer permanenten Nichteinhaltung des PM10- Tagesgrenzwertes seit 2005 für die Zonen Steiermark ohne Graz und Graz die Rede.

Die revisionswerbenden Parteien beantragten, den Bescheid der belangten Behörde ersatzlos zu beheben und im Rahmen der Behebung bindend auszusprechen, dass der Antrag zulässig und jedenfalls nicht aus den von der Erstbehörde angenommenen Gründen unzulässig sei. Unter Hinweis auf den Effektivitätsgrundsatz verlangten sie weiters, die Berufungsbehörde möge in der Sache selbst tätig werden und die belangte Behörde auch bereits konkret zur Setzung der notwendigen Maßnahmen (Ergänzung des § 9a IG-L-Umweltprogramms und der Steiermärkischen Luftreinhalteverordnung 2011) verpflichten. Beim Bundesminister als in dieser Angelegenheit sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde und Aufsichtsbehörde liege das abstrakte Wissen zur Feinstaubbelastung, zu den Gegenmaßnahmen und zur Situation in X, um die Handlungspflicht des zur Erlassung der Verordnungen zuständigen LH festzustellen und zu begründen. Sie stellten daher die Anträge auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides, auf bescheidmäßigen Ausspruch, dass ihnen ein subjektives Antragsrecht zukomme, und auf verbindliche Feststellung, dass der LH umgehend das § 9a IG-L-Umweltprogramm und die Steiermärkische Luftreinhalteverordnung um verkehrsbezogene Maßnahmen für Graz zu ergänzen habe, um den Anforderungen der Luftqualitäts-RL zu entsprechen.

4. Nach Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung auf das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) entschied dieses mit Erkenntnis vom 6. Juni 2014 dahingehend, dass die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unbegründet abgewiesen wurde. Die ordentliche Revision wurde zugelassen.

Unter Punkt I. der Begründung gab das LVwG kursorisch den Inhalt des Bescheides der belangten Behörde und der Berufung wieder. Es wies darauf hin, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt worden sei.

Unter Punkt II. ("Beweiswürdigung") führte das LVwG aus, der Beschwerde lägen Sachverhaltsbehauptungen zugrunde, die zu überprüfen gewesen seien, da sie wesentlich für die rechtliche Beurteilung der Angelegenheit erschienen. Dazu verwies es auf Ermittlungen in den öffentlich zugänglichen Dokumenten der zuständigen Abteilungen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung und des UBA. Die Schlussfolgerung, die Republik Österreich verstoße schon allein deswegen gegen die Luftqualitäts-RL, weil die Grenzwerte häufig nicht eingehalten würden, widerspreche den Vorgaben der Art. 13 und 23 der Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die Einhaltung der Grenzwerte nach Anhang XI "sicherstellen" und im Falle einer Überschreitung geeignete Maßnahmen vorsehen müssten, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung "so kurz wie möglich" gehalten werden könne.

Der bloße Umstand einer festgestellten Grenzwertüberschreitung lasse noch nicht automatisch den Schluss zu, dass ein Mitgliedstaat nicht alle ihm möglichen und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte gesetzt bzw. vorgesehen hätte. Vielmehr sei mit zu berücksichtigen, welche Einflussfaktoren die Grenzwertüberschreitungen mitverursacht hätten und ob ein Mitgliedstaat insofern überhaupt die Möglichkeit gehabt habe, wirksame Maßnahmen zu setzen. Zur Erfüllung der Verpflichtungen nach der Richtlinie könne es vor diesem Hintergrund nur darauf ankommen, dass ein Mitgliedstaat alle ihm im konkreten Fall möglichen und verhältnismäßigen Maßnahmen setze, damit die Einhaltung der Grenzwerte sichergestellt und deren Überschreitung möglichst kurz gehalten werden könnte. Die Maßnahmen, die die Verursacher von Grenzwertüberschreitungen beträfen, müssten zudem verhältnismäßig sein. Die Wirksamkeit der durch einen Mitgliedstaat zu setzenden Maßnahmen stoße im Umkehrschluss naturgemäß dort an gewisse Grenzen, wo Grenzwertüberschreitungen durch Einflussfaktoren mitverursacht würden, die der Mitgliedstaat gar nicht oder nicht allein beeinflussen könne, wie dies etwa im Zusammenhang mit Immissionsbeiträgen aus natürlichen Quellen bzw. Ferntransport oder ungünstigen meteorologischen Gegebenheiten der Fall sei.

Vor diesem Hintergrund seien in Umsetzung der Luftqualitäts-RL vom zuständigen Bundesminister auf Grundlage des IG-L unter anderem ein Aktionsplan zum IG-L, die Emissionskatasterverordnung, die IG-L-Abgasklassen-Kennzeichnungsverordnung, die IG-L-Kennzeichnungsverordnung, die IG-L-Messkonzeptsverordnung, die IG-L-Off-Roadverordnung, die IG-L-Winterstreuverordnung und die Immissionsgrenzwerteverordnung und schließlich vom LH ein Programm gemäß § 9a IG-L erlassen worden. Bei diesem handle es sich um einen Luftqualitätsplan im Sinn des Art. 2 Z 8 der Luftqualitäts-RL. Für die Umsetzung der darin vorgesehenen Maßnahmen sei ein Zeitraum von 2011 bis 2014 vorgesehen worden.

Zusätzlich seien mit der VBA-Verordnung-IG-L und der VBA-Verordnung-IG-L Steiermark verkehrsbeeinflussende Maßnahmen (im Wesentlichen Geschwindigkeitsbeschränkungen) erlassen worden. Der LH habe darüber hinaus in der Steiermärkischen Luftreinhalteverordnung 2011 Fahrbeschränkungen und Mindestemissionsstandards für Taxis, die verringerte Aufbringung von Streumitteln im Rahmen des Winterdienstes, eine Verwendungsbeschränkung von Heizöl leicht in ortsfesten Anlagen, ein Verbot von Laubbläsern und Laubsaugern und Maßnahmen für die Landwirtschaft festgelegt.

Von der Einrichtung einer Umweltzone im Gebiet der Stadt Graz sei angesichts divergierender einschlägiger Studien Abstand genommen worden. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme sei als zu gering beurteilt worden, um daraus umfangreiche, die Interessen vieler Betroffener beeinträchtigende Maßnahmen abzuleiten, deren organisatorischer und finanzieller Aufwand in keinem angemessenen Verhältnis zur Wirkung stehe.

Schließlich habe im März 2013 die Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor e. V. (EUGT) das Ergebnis einer umfassenden Überprüfung der Wirksamkeit von Umweltzonen zur Feinstaubreduktion präsentiert, bei der sich herausgestellt habe, dass die entsprechenden Effekte auf die tatsächliche Reduktion der Feinstaubbelastung geringer seien als erwartet.

Durch die oben angeführten Maßnahmen des Landes habe die Anzahl an Messstationen mit Überschreitungen des Immissionsgrenzwerts in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Auch in der Zone X seien nur noch besonders exponierte und straßennahe Siedlungsbereiche betroffen. Dasselbe gelte für die Zone S ohne Graz, in der im Jahr 2013 die Vorgaben der Luftqualitäts-RL durchwegs eingehalten werden hätten können (es folgt eine Übersichtsgrafik). Dieser eindeutig positive Trend bei der Entwicklung der PM10-Immissionen werde zudem durch die statistischen Daten zum PM10-Jahresmittelwert aus den letzten 10 bis 12 Jahren bestätigt. Überschreitungen des Jahresmittelwertes würden seit dem Jahr 2007 nicht mehr auftreten. Gerade die für den Wohnsitz der revisionswerbenden Parteien nächstgelegene Messsonde X-O zeige bereits im laufenden Jahr keine Überschreitung des zulässigen Jahresmittelwertes mehr. Im Jahr 2013 seien neben der durch Bauarbeiten beeinflussten Station X-O nur mehr an der im unmittelbaren Straßenbereich situierten Messstelle X-B eine Anzahl von PM10-Grenzwertüberschreitungen registriert worden, die über der Schwelle gelegen seien. An der im belasteten Siedlungsgebiet liegenden Station X-S hätten die Vorgaben im Jahr 2013 eingehalten werden können. Das lasse den Schluss zu, dass mit erhöhten Belastungen im Nahbereich stark frequentierter Straßen sowie in der Umgebung von Bauaktivitäten gerechnet werden müsse.

Daran schloss das LVwG seine rechtliche Beurteilung (Punkt III der Begründung), die in der Wiedergabe mehrerer Bestimmungen der Luftqualitäts-RL und des IG-L bestand, an; in den Erwägungen (Punkt IV) heißt es, das LVwG habe zu prüfen, ob den revisionswerbenden Parteien ein subjektiv-öffentliches Recht auf Erlassung eines Programmes gemäß § 9a IG-L oder einer Verordnung nach § 10 leg. cit. zukomme oder ob sich ein solches Recht unmittelbar aus Bestimmungen der Luftqualitäts-RL ableiten lasse. Für die von der Rechtsprechung geforderte unmittelbare Betroffenheit der revisionswerbenden Parteien durch die Nichteinhaltung festgelegter Grenzwerte könnten aus den öffentlich zugänglichen Luftgüteberichten keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden.

Als Ergebnis (Punkt V der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses) wurden die Überlegungen der belangten Behörde zum Vergleich der Inhalte der Luftqualitäts-Richtlinien übernommen und festgehalten, dass der Ansicht der belangten Behörde beizupflichten sei, wonach es keinen subjektiven Anspruch auf die Erlassung von Aktionsplänen auf Grundlage der Luftqualitäts-RL mehr gebe. Dies ergebe sich insbesondere durch die Neufassung des Art. 24 leg. cit. Diese Bestimmung sei nicht mehr unbedingt und hinreichend genau, um direkt angewandt werden zu können. Es werde den Mitgliedstaaten ein größerer Ermessensspielraum eingeräumt, der unter Berücksichtigung der äußeren Rahmenbedingungen genützt werden könne.

Im Unterschied zum Urteil Janecek sei der Verordnungsgeber im vorliegenden Fall nicht säumig, sondern habe gleich mehrere Programme und Verordnungen zur Einhaltung der im IG-L und der Luftqualitäts-RL geforderten Grenzwerte erlassen. Selbst wenn man einräume, dass durch diese Maßnahmen noch nicht gewährleistet sei, dass die festgelegten Grenzwerte immer eingehalten würden, so lasse sich auf Basis der vorliegenden Luftgüteberichte der letzten Jahre (2011 bis 2013) deutlich erkennen, dass die Behörde Maßnahmen ergriffen habe, die im Sinne der Luftqualitäts-RL geeignet seien, die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände (Witterungseinflüsse, Fernverfrachtungen) und aller betroffenen Interessen auf ein Minimum zu verringern und schrittweise zu einem Stand unterhalb dieser Grenzwerte zurückzukehren.

Das LVwG komme daher wie die belangte Behörde zur Feststellung, dass kein Rechtsanspruch auf Erlassung eines Maßnahmenprogramms oder einer Luftreinhalteverordnung nach § 9a IG-L vorliege. Aus dem IG-L lasse sich keinerlei Hinweis ableiten, dass einzelnen Betroffenen das Recht eingeräumt werde, Programme oder Verordnungen eines bestimmten Inhalts zu begehren. Ganz im Gegenteil zielten die einschlägigen Bestimmungen darauf ab, Maßnahmen nur vorzuschreiben, wenn der mit der Erfüllung der Maßnahmen verbundene Aufwand in einem maßvollen Verhältnis zu dem mit den Anordnungen angestrebten Erfolg stehe. Eingriffe in bestehende Rechte seien auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken; bei der Auswahl von Maßnahmen seien die jeweils gelindesten, zum Ziel führenden Mittel zu ergreifen. Bei der Erlassung von Maßnahmen und Programmen seien in erster Linie die öffentlichen Interessen zu wahren. All diese Bestimmungen deuteten darauf hin, dass sämtliche Maßnahmen nicht an Interessen Einzelner zu orientieren, sondern ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit zu treffen seien.

Weiters fehle es an einer unmittelbaren und über die Allgemeinheit hinausgehenden Betroffenheit durch allfällige Grenzwertüberschreitungen. Der bloße Hinweis auf bestimmte Messstellen im Belastungsgebiet im räumlichen Zusammenhang vermöge eine besondere Betroffenheit nicht zu begründen. Aus der Auswertung der nächstgelegenen Messstellen der Jahre 2012, 2013 und - soweit schon verfügbar - 2014 gehe zudem hervor, dass die Grenzwerte beim Jahresmittelwert eingehalten, bei der Anzahl der zulässigen Tagesmittelwertüberschreitung jedoch nur knapp verfehlt würden. Die Überschreitungen im Jahr 2012 ließen sich auf nahegelegene Baustellen zurückführen, da diese Werte nach diesem Jahr nicht mehr erreicht worden seien.

Dies spreche ebenso wie allgemeine verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Erlassung von Verordnungen im Einzelinteresse. Der Verfassungsgerichtshof habe zwar in einigen Judikaten einen bescheidmäßig durchsetzbaren Anspruch auf Verordnungserlassung festgestellt, wie z.B. bei der Anerkennung von Religionsgemeinschaften. Die Zuerkennung eines individuell durchsetzbaren Anspruchs auf Erlassung einer Verordnung nach dem IG-L sei aber mit den von der Bundesverfassung vorausgesetzten Rechtsquellentypen der Verordnung und des Bescheides und ihres Verhältnisses zueinander sowie dem hierfür eingerichteten, unterschiedlich ausgestalteten Rechtsschutzsystem und mit dem stufenförmigen Aufbau der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen. Auch könne ein an die revisionswerbenden Parteien gerichtetes positives Erkenntnis des Verwaltungsgerichts keine an die Allgemeinheit gerichtete Verordnung substituieren oder eine den Verordnungsgeber bindende oder erzwingbare Verpflichtung zur Erlassung einer Verordnung begründen. Dies würde die Gewaltentrennung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung verletzen. Die Erlassung einer solchen generellen Norm durch den LH könne demnach mit den vorhandenen Rechtsschutzinstrumentarien nicht erzwungen werden. Verordnungen auf Grundlage des IG-L seien überdies nach sorgfältiger Abwägung aller Interessen und unter Wahrung bestehender Rechte (Genehmigungen, Zulassungen und Eigentumsrechte) zu erlassen. Die Hervorhebung individueller Ansprüche würde auch unweigerlich zu Rechtsschutzverletzungen Dritter führen, die sich beispielsweise auf eine rechtskräftige Betriebsbewilligung stützen könnten.

Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis wurde zugelassen, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Das Erkenntnis ergehe zur Rechtsfrage der Umsetzung der Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa, RL 2008/50/EG , in österreichisches Recht, wozu eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle, inwieweit einzelnen Betroffenen ein subjektiv öffentliches Recht auf Verordnungserlassung zustehe.

5. Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen dieses Erkenntnis Revision und machten Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Zum subjektiven Recht auf Erstellung eines Luftqualitätsplans nach der Luftqualitäts-RL vertreten die revisionswerbenden Parteien den Standpunkt, dass sich gegenüber der Vorgängerrichtlinie 96/62/EG aus dem Jahr 1996 die Rechtslage lediglich insofern geändert habe, als hinsichtlich der kurzfristigen Pläne (Aktionspläne) den Mitgliedstaaten nunmehr Ermessen eingeräumt worden sei. Die normative Grundlage des von den revisionswerbenden Parteien in Anspruch genommenen subjektiven Rechts auf Erstellung eines Luftqualitätsplanes gründe aber in Art. 23 der Luftqualitäts-RL und nicht in Art. 24.

Zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vertreten die revisionswerbenden Parteien die Ansicht, dass die im Urteil Janecek dargelegten Grundsätze unverändert auch auf die Luftqualitäts-RL anwendbar seien. Der Gerichtshof habe sich in dieser Entscheidung auf seine ständige Rechtsprechung zur Umsetzung von Umweltrichtlinien berufen, was gleichermaßen für die neue Luftqualitäts-RL Geltung haben müsse. Aus dem Urteil sei ein Anspruch auf die Erlassung eines Luftqualitätsplanes abzuleiten und - nach der neuen Richtlinie - bei nach Art. 24 zu erlassenden Plänen für kurzfristige Maßnahmen zumindest ein Anspruch auf richtlinienkonforme Ermessensausübung.

Ihr Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplanes ergebe sich auch aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention. Das deutsche Bundesverwaltungsgericht habe nämlich unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 8. März 2011, C-240/09 , in seinem Urteil vom 5. September 2013, 7 C 21.12, festgestellt, dass auch Umweltverbände Klagerechte hinsichtlich der Änderung bzw. Ergänzung von Luftreinhalteplänen hätten. Dies müsse ebenfalls für Einzelkläger wie die revisionswerbenden Parteien gelten. Diese Auslegung decke sich zudem mit der Auffassung der Europäischen Kommission im Mahnschreiben gegen Österreich vom 10. Juli 2014, in dem die Kommission Österreich gerügt habe, dass Einzelpersonen im Zuge der Umsetzung der Luftqualitäts-RL außerhalb des Anwendungsbereichs der Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL keine Klagebefugnis hätten, wenn eine Behörde das Erstellen eines Luftqualitätsplans unterlassen habe.

Dem LVwG sei dahin zuzustimmen, dass aus dem Wortlaut des IG-L kein subjektives Recht auf Erstellung eines Programms gemäß § 9a leg. cit. sowie auf Erlassung einer Maßnahmenverordnung gemäß §10 Abs. 1 leg. cit. abzuleiten sei. Ein solches Recht ergebe sich aber aus der Luftqualitäts-RL selbst. Das nationale Umsetzungsgesetz sei richtlinienkonform auszulegen, die §§ 9a und 10 IG-L seien in Übereinstimmung mit dem Urteil Janecek drittschützend zu interpretieren. Verneine man eine solche Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation, so sei der Anspruch unmittelbar auf Art. 23 der Luftqualitäts-RL zu stützen, welcher eine eindeutige Verpflichtung beinhalte, die sowohl unbedingt als auch hinreichend genau sei. Es sei unzulässig, den Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplans mit dem Verweis auf das IG-L abzuweisen. Dieses setze die Luftqualitäts-RL mangelhaft um, indem es eben kein subjektives Recht auf die Erlassung eines Programms gemäß § 9a IG-L bzw. einer Maßnahmenverordnung nach § 10 Abs. 1 IG-L normiere. Schließlich habe auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2012, 2010/07/0161, einen Anspruch auf Maßnahmen gegen Feinstaubbelastung implizit anerkannt.

Was die faktische Betroffenheit der revisionswerbenden Parteien betreffe, so erachteten die revisionswerbenden Parteien die Ansicht des LVwG, nach der die von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Personen "über die Allgemeinheit hinausgehend von allfälligen Grenzwertüberschreitungen der Luftqualität betroffen" sein müssten, als unzutreffend. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich die Notwendigkeit, von Grenzwertüberschreitungen unmittelbar betroffen zu sein, wobei eine faktische Betroffenheit ausreiche. Nicht erforderlich sei aber eine gegenüber der Allgemeinheit besondere Betroffenheit; die Unterscheidung zwischen Allgemein- und Individualinteressen als solche sei dem Unionsrecht fremd. Die Betroffenheit hinsichtlich der Grenzwertüberschreitungen der Luft knüpfe an einen räumlichen Bezug zum Gebiet an. Die Betroffenheit eines vom Unionsrecht gewährten subjektiven Rechts sei nach einheitlichen unionsrechtlichen und nicht nach nationalen Kriterien zu beurteilen.

Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken, die im Erkenntnis des LVwG geäußert wurden, legten die revisionswerbenden Parteien unter Bezugnahme auf näher zitierte Rechtsprechung und Literatur dar, dass es im österreichischen Recht punktuell sowohl auf einfachals auch auf verfassungsrechtlicher Ebene Antragsrechte Einzelner auf Verordnungen gebe. Die Ansicht, ein subjektives Recht auf Erlassung eines Luftqualitätsplanes sei mit dem Rechtsquellensystem der österreichischen Bundesverfassung generell unvereinbar, sei daher bereits aus einer rein innerstaatlichen Betrachtung heraus unzutreffend. Dazu komme, dass das Unionsrecht unmittelbar einen Anspruch auf Erstellung eines Luftqualitätsplanes gewähre und auch rechtsstrukturelle Durchsetzungsschwierigkeiten nichts an der Verpflichtung der Sicherstellung der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts ändere. Auf Grund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts hätte das nationale Recht diesem zu weichen.

Schließlich regten die revisionswerbenden Parteien für den Fall, dass Zweifel am Bestehen eines subjektiven Rechts auf Erstellung eines Luftqualitätsplanes zur Einhaltung der Grenzwerte beim Verwaltungsgerichtshof entstünden, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV vor dem EuGH an.

In weiterer Folge befassten sich die revisionswerbenden Parteien mit dem Ausmaß der Feinstaubbelastung in X und ihrer unmittelbaren Betroffenheit. Sie verwiesen auf den Jahresbericht des UBA 2012, wonach der Grenzwert für PM10 als Tagesmittelwert im Jahr 2012 an drei Messstellen in den Zonen X und S ohne X überschritten worden sei. So sei an der ihnen besonders nahe gelegenen Messstelle X-O der Grenzwert an 37 Tagen überschritten worden, an der Messstation X-B an 49 Tagen; diese Überschreitung sei aufgetreten, obwohl unter meteorologischen Gesichtspunkten das Jahr 2012 außergewöhnlich warm gewesen sei. Nach Darstellung ihres dauernden oder wiederholten Aufenthalts im Einwirkungsbereich der Emissionsquelle (Wohnstätte, Arbeitsstätte, Ausbildungszwecke, soziale Aktivitäten) verwiesen die revisionswerbenden Parteien auch auf die Überschreitungsstatistik 2013, wonach eine Überschreitung der Grenzwerte an den Messstellen Graz-Ost an 45 Tagen und an der Messstation X-B an 44 Tagen eingetreten sei, dies trotz einer Zulässigkeitsschwelle von 35 Überschreitungstagen.

Unter dem Aspekt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die revisionswerbenden Parteien die Unterlassung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung; sie seien nicht anwaltlich vertreten gewesen, weshalb ihnen die Unterlassung einer Antragstellung auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht zum Nachteil gereichen könne.

Das LVwG beziehe sich zudem in Bezug auf die fehlende Säumigkeit der Behörde bei Umsetzung einer Umweltzone auf das Ergebnis einer umfassenden Überprüfung der Wirksamkeit von Umweltzonen zur Feinstaubreduktion der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor E.V., ohne dieses "Ergebnis" den revisionswerbenden Parteien zur Kenntnis gebracht zu haben. Dieser Verfahrensmangel sei aber entscheidungsrelevant, weil nicht auszuschließen sei, dass das LVwG bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften in der Sache zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Umweltzonen seien nämlich sehr wohl effektive Instrumente zur Reduktion des Feinstaubs, wie aus der Sachverständigenstellungnahme von Dr. V vom 14. Juli 2014 (liegt der Revision bei) hervorgehe.

Die einzige für die Begründung vom LVwG herangezogene Studie weise einen Interessenkonflikt auf, weil die Verfasser Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates der genannten Europäischen Forschungsvereinigung seien, was ihre Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen geeignet sei. Die EUGT sei von maßgeblichen Kraftfahrzeugerzeugern gegründet worden, was ein Naheverhältnis zum Transportsektor nahe lege. Umso schwerer wiege, dass alle anderen Studien zu diesem Thema vom LVwG außer Betracht gelassen worden seien. Auch der Hinweis auf die entsprechenden Ermittlungen in den öffentlich zugänglichen Dokumenten der zuständigen Abteilungen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung und des UBA ersetze eine Auseinandersetzung mit den von den revisionswerbenden Parteien vorgebrachten Studien nicht.

Schließlich verwiesen die revisionswerbenden Parteien auch auf das Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für PM10 in X und auf das Schreiben der Kommission vom 9. März 2012, in dem auf zusätzlich vereinbarte Maßnahmen, wie zB die Errichtung einer Umweltzone, bestanden worden sei.

Nach einem Hinweis darauf, dass ihr Antrag lit. b und lit. c vom 1. März 2013 noch nicht entschieden worden sei, befassten sich die revisionswerbenden Parteien mit der seitens des LVwG ausgeführten Unverhältnismäßigkeit einer Umweltzone und meinen, diese werde bloß behauptet, aber nicht begründet. So seien bereits ab 2004 partielle Fahrverbote im Raum gestanden bzw. verordnet worden und es sei im Jahre 2010 das IG-L um einen neuen § 14a ergänzt worden, um den Vollzug von Verkehrsbeschränkungen österreichweit zu erleichtern. Es sei eine Verordnungsermächtigung für den BMLFUW geschaffen und eine diesbezügliche Verordnung am 6. April 2012, BGBl. II Nr. 120/2012, kundgemacht worden. Diese langen Vorlaufzeiten für das Projekt Umweltzone erlaubten seit längerer Zeit schon ein rasches (stufenweises) Inkrafttreten, Übergangsregelungen könnten kurz gehalten werden. Von einer Unverhältnismäßigkeit eines Eingriffes könne keine Rede sein.

Die revisionswerbenden Parteien beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, eine Entscheidung in der Sache selbst, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Zuerkennung von Aufwandersatz.

Der Revision war eine Stellungnahme des Ingenieurbüros Dr. V vom 14. Juli 2014 betreffend die Wirksamkeit einer Umweltzone in X angeschlossen.

6. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung vom 30. September 2014, in der sie das grundsätzliche Recht eines unmittelbar betroffenen Einzelnen, im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen bei den zuständigen nationalen Behörden die Erstellung eines Aktionsplans erwirken zu können, unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Fall Janecek ausdrücklich anerkannte. Allerdings begründe dieses Recht keinesfalls das Recht auf Umsetzung einzelner, von einem oder mehreren Normunterworfenen gewünschten Maßnahmen gegenüber dem nach den Bestimmungen des IG-L zuständigen Organ und keinen Rechtsanspruch auf die Erlassung von Plänen für kurzfristige Maßnahmen. Die Verpflichtung zur Erlassung von Luftqualitätsplänen werde aber jedenfalls anerkannt.

Die Luftqualitäts-RL kenne allerdings keinerlei Vorschriften über die Ausgestaltung dieser Luftqualitätspläne. Vielmehr würden durch Art. 23 der Richtlinie Maßnahmen gefordert, die dazu geeignet seien, dafür Sorge zu tragen, dass die im Anhang XII der Richtlinie angeführten Grenzwerte für PM10 eingehalten werden könnten. Die Beurteilung dieser Eignung obliege im Sinne dieser Bestimmung im Vorfeld grundsätzlich dem Mitgliedstaat. In weiterer Folge könne durch Beachtung der Entwicklung der Luftgüte an den betroffenen Luftgütemessstationen beurteilt werden, ob die getroffenen Maßnahmen ausreichend seien, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Sollten die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichend sein, um die Einhaltung der Grenzwerte zu gewährleisten, so habe der Mitgliedstaat weitere Maßnahmen zu ergreifen, um dies sicherzustellen. An dieser Stelle sei auf die zahlreichen, zusätzlich zum gegenständlichen Luftqualitätsplan durchgeführten Maßnahmen des Landes Steiermark verwiesen (es folgt eine Aufzählung).

Die belangte Behörde wies weiters darauf hin, dass eine konkrete Betroffenheit der revisionswerbenden Parteien sowohl auf Grund der zeitlichen Aktualität als auch auf Grund der räumlichen Nähe und Zuordenbarkeit gegeben sein und eine konkrete gesundheitliche Gefährdung darstellen müsse. Wie in der Begründung ihres Bescheides verwies die belangte Behörde auf die Messergebnisse für das Jahr 2012 und wies zusätzlich auf den Unterschied zwischen den nach österreichischem Recht errechneten endgültigen Daten unter Berücksichtigung der IG-L-Winterstreuverordnung und der europarechtlich anerkannten Berechnung der Daten unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Art. 20 der Luftqualitäts-RL hin. Sie gab die Tabelle 57 des Jahresberichts Steiermark 2012 wieder, derzufolge an der Messstelle X-B von den 49 gemessenen Überschreitungen 19 wegen Winterdienstes hätten abgezogen werden müssen; von den 37 gemessenen Überschreitungen in X-O seien 16 auf Grund von Winterdienst abgezogen worden. Ein solcher Abzug sei nach Art. 20 der Luftqualitäts-RL zulässig; es werde darauf verwiesen, dass diese Berechnung von Seiten des Landes S auch beim Ansuchen um Fristerstreckung verwendet worden sei und nicht den im nationalen Recht vorgeschriebenen Berücksichtigungsvorschriften für den Winterdienst entsprächen. Auch diese Tatsache könne als zusätzliches Indiz dafür gewertet werden, dass eine subjektive Betroffenheit der Antragsteller nicht gegeben sei.

Schließlich wies die belangte Behörde auch auf die Feinstaubentwicklung im Jahr 2013 hin, daraus ergebe sich ein Abzug von je 7 Winterdiensttagen aus den insgesamt 44 Überschreitungstagen bei der Messstelle X-B bzw. von den 45 Überschreitungstagen der Messstelle X-O. Daraus folge, dass auch im Jahr 2013 die EU-Grenzwerte für PM10 hätten eingehalten werden können. Abschließend nahm die belangte Behörde zu der von den revisionswerbenden Parteien angeführten deutschen Rechtsprechung Stellung und meinte, der deutsche Luftreinhalteplan im Verfahren C-21.12 sei nicht ausreichend gewesen, weil damit nur eine Reduzierung der Stickstoffdioxidwerte auf einen Wert klar über dem Grenzwert angestrebt worden sei. Der Luftreinhalteplan selbst sei davon ausgegangen, dass die Werte für NO2 nicht eingehalten werden könnten. Ganz im Gegensatz zum deutschen Sachverhalt sei die Situation in der S angesichts der Werte der beiden letzten Jahre und der langfristig sinkenden Tendenz, denn die Werte zeigten, dass sich die Behörde innerhalb des politischen Gestaltungsspielraumes befinde und die Gerichtsbarkeit in ihrer Kontrolle der Maßnahmen eingeschränkt sei.

Abschließend sei zu sagen, dass dem subjektiven Recht der Antragsteller auf Erlassung geeigneter und verhältnismäßiger Luftqualitätspläne jedenfalls durch die bisher gesetzten Maßnahmen Rechnung getragen worden sei; eine darüber hinausgehende Verpflichtung nach österreichischen oder europäischen Vorschriften bestehe nicht.

7. Die revisionswerbenden Parteien erstatteten dazu eine Replik vom 27. Jänner 2015, in der sie auf das Urteil des EuGH vom 19. November 2014, C 404/13 , Client Earth, verwiesen, wonach auch vor dem Hintergrund der neuen Luftqualitäts-RL das Recht eines Einzelnen und von Umweltorganisationen auf Erlassung eines Luftqualitätsplanes bestehe.

Zur Frage der Überschreitung der Grenzwerte in den Jahren 2012 und 2013 wiesen die revisionswerbenden Parteien darauf hin, dass es eine völlige Neuerung darstelle, wenn die belangte Behörde nun eine Überschreitung der PM10-Grenzwerte in X bestreite. Im Bescheid des LH vom 28. August 2013 sei betreffend die Messstation X-O noch von 37 Überschreitungstagen die Rede; das LVwG halte im angefochtenen Erkenntnis fest, dass in den Jahren 2012, 2013 und - soweit schon verfügbar - 2014 die Anzahl der zulässigen Tagesmittelwertüberschreitungen "nur knapp verfehlt worden" sei. Zu ihrer neuen Behauptung gelange die belangte Behörde durch Abzug von Überschreitungstagen durch die Winterdienstemissionen, was jedoch nicht rechtens erfolgt sei. Dies ergebe sich aus der Gegenüberstellung mit den Jahresberichten des UBA und dem jüngsten Mahnschreiben der Europäischen Kommission. Es sei daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde dem UBA keine Überschreitung gemäß Winterdienstverordnung gemeldet habe und sie auch keine Reduktion der Überschreitungstage auf Grund von Streusand und Streusalz geltend gemacht habe, anders als in der Revisionsbeantwortung behauptet werde. Dies gelte genauso für die Überschreitungstage 2013. Auch hier bestehe ein Widerspruch zwischen dem UBA-Jahresbericht und den Daten des Berichtes.

Abschließend verwiesen die revisionswerbenden Parteien auf die ergänzende, mit Gründen versehene Stellungnahme der Europäischen Kommission zum Vertragsverletzungsverfahren vom 26. November 2014, in der ebenfalls davon die Rede sei, dass die von Österreich vorgelegten jährlichen Luftqualitätsberichte für den Zeitraum 2011 bis 2013 zeigten, dass der Tagesgrenzwert für PM10 in Graz von 11. Juni 2011 bis einschließlich 2013 überschritten worden sei.

Die revisionswerbenden Parteien hielten ihre Anträge aufrecht.

8. Die Stellungnahme der revisionswerbenden Parteien wurde der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht. Eine weitere Stellungnahme erfolgte nicht.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

Das LVwG erachtete die Revision als zulässig, weil es keine Rechtsprechung zur Frage gebe, ob vor dem Hintergrund der Luftqualitäts-RL einem Betroffenen ein Antragsrecht bzw. ein subjektiv-öffentliches Recht auf Verordnungserlassung zustehe. Diese Annahme trifft zu.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

2.1. Verfahrensauslösend ist der Antrag der revisionswerbenden Parteien vom 1. März 2013, der die Ergänzung des Programmes gemäß § 9a IG-L bzw. der Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 forderte, und dazu in lit. a) und lit. b) des Antrags konkret formulierte Maßnahmen im Sanierungsgebiet Großraum X, in lit. c) ganz allgemein die Vornahme anderer geeigneter und effektiv gleichwertiger Maßnahmen einforderte. Von seinem Inhalt her zielte dieser Antrag (in allen drei Punkten) nicht auf die Vornahme einer einzelnen kurzfristig wirksamen Maßnahme, sondern auf eine dauerhafte Reduktion von Immissionsquellen und damit auf eine langfristige Verbesserung der Luftqualität durch unterschiedliche Instrumentarien ab.

Entgegen der in der Revision (unter Punkt J) vertretenen Ansicht wurde über diesen Antrag (lit. a bis lit. c) durch die belangte Behörde bzw. das LVwG zur Gänze durch Zurückweisung entschieden. Sowohl die belangte Behörde als auch das LVwG gingen vom Fehlen eines subjektiven Anspruchs der revisionswerbenden Parteien auf Ergänzung des Programmes gemäß § 9a IG-L bzw. der Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 aus; sie erachteten diesen Antrag daher in seiner Gesamtheit als unzulässig.

Verfahrensthema im Verfahren vor dem LVwG und auch vor dem Verwaltungsgerichtshof ist daher allein die Zulässigkeit eines solchen Antrags.

Nicht strittig ist zwischen den Verfahrensparteien, dass das IG-L selbst keine unmittelbare Rechtsgrundlage für die Annahme eines subjektiven Rechts der revisionswerbenden Parteien auf Erstellung oder Ergänzung eines Programmes nach § 9a IG-L bietet.

Strittig ist hingegen die Ableitung eines solchen Rechts aus dem Unionsrecht.

2.2. Die Art. 2 Z 8, Art. 23 und Art. 24 der Luftqualitäts-RL haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende

Begriffsbestimmungen:

8. 'Luftqualitätspläne' sind Pläne, in denen Maßnahmen zur Erreichung der Grenzwerte oder Zielwerte festgelegt sind;

KAPITEL IV

PLÄNE

Artikel 23

Luftqualitätspläne

(1) Überschreiten in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen die Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert oder Zielwert zuzüglich einer jeweils dafür geltenden Toleranzmarge, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass für diese Gebiete oder Ballungsräume Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden in den Anhängen XI und XIV festgelegten Grenzwerte oder Zielwerte einzuhalten.

Im Falle der Überschreitung dieser Grenzwerte, für die die Frist für die Erreichung bereits verstrichen ist, enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann. Die genannten Pläne können zusätzlich gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von Kindern, vorsehen.

Diese Luftqualitätspläne müssen mindestens die in Anhang XV Abschnitt A aufgeführten Angaben umfassen und können Maßnahmen gemäß Artikel 24 umfassen. Diese Pläne sind der Kommission unverzüglich, spätestens jedoch zwei Jahre nach Ende des Jahres, in dem die erste Überschreitung festgestellt wurde, zu übermitteln.

Müssen für mehrere Schadstoffe Luftqualitätspläne ausgearbeitet oder durchgeführt werden, so arbeiten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls für alle betreffenden Schadstoffe integrierte Luftqualitätspläne aus und führen sie durch.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen, soweit machbar, die Übereinstimmung mit anderen Plänen sicher, die aufgrund der Richtlinie 2001/80/EG , der Richtlinie 2001/81/EG oder der Richtlinie 2002/49/EG zu erstellen sind, um die entsprechenden Umweltziele zu erreichen.

Artikel 24

Pläne für kurzfristige Maßnahmen

(1) Besteht in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Gefahr, dass die Schadstoffwerte eine oder mehrere der in Anhang XII festgelegten Alarmschwellen überschreiten, erstellen die Mitgliedstaaten Pläne mit den Maßnahmen, die kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern oder deren Dauer zu beschränken. Besteht diese Gefahr bei einem oder mehreren der in den Anhängen VII, XI und XIV genannten Grenzwerte oder Zielwerte, können die Mitgliedstaaten gegebenenfalls solche Pläne für kurzfristige Maßnahmen erstellen.

Besteht die Gefahr einer Überschreitung der in Anhang XII Abschnitt B festgelegten Alarmschwelle für Ozon, müssen die Mitgliedstaaten solche Pläne für kurzfristige Maßnahmen jedoch nur dann erstellen, wenn ihrer Ansicht nach unter Berücksichtigung der in ihrem Land gegebenen geografischen, meteorologischen und wirtschaftlichen Bedingungen ein nennenswertes Potenzial zur Minderung der Gefahr, der Dauer oder des Ausmaßes einer solchen Überschreitung besteht. Die Mitgliedstaaten erstellen einen solchen Plan für kurzfristige Maßnahmen unter Berücksichtigung der Entscheidung 2004/279/EG.

(2) In diesen Plänen für kurzfristige Maßnahmen gemäß Absatz 1 können im Einzelfall wirkungsvolle Maßnahmen zur Kontrolle und, soweit erforderlich, zur Aussetzung der Tätigkeiten vorgesehen werden, die zur Gefahr einer Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte, Zielwerte oder Alarmschwellen beitragen. Diese Pläne können Maßnahmen in Bezug auf den Kraftfahrzeugverkehr, Bautätigkeiten, Schiffe an Liegeplätzen sowie den Betrieb von Industrieanlagen oder die Verwendung von Erzeugnissen und den Bereich Haushaltsheizungen umfassen. Außerdem können in diesen Plänen gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von Kindern, in Betracht gezogen werden.

(3) ...".

Anhang XI der Luftqualitäts-RL regelt die Grenzwerte. Bei PM10 heißt es, dass der Tagesmittelwert von 50 µg/m3 nicht öfter als 35mal im Kalenderjahr überschritten werden darf.

Die Bestimmungen der §§ 9a und 10 IG-L haben folgenden Wortlaut:

"Programme

Erstellung von Programmen

§ 9a. (1) Zur Erreichung der Ziele dieses Bundesgesetzes (§ 1) hat der Landeshauptmann unter Bedachtnahme auf nationale Programme gemäß § 6 des Emissionshöchstmengengesetzes-Luft, BGBl. I Nr. 34/2003, Pläne und Programme gemäß § 13 des Ozongesetzes, BGBl. Nr. 210/1992 und die österreichische Klimastrategie gemäß § 1 Abs. 2 des Emissionszertifikategesetzes, BGBl. I Nr. 46/2004, sowie unter Nutzung von Synergieeffekten mit lokalen, regionalen und bundesweiten Energie- und Klimaschutzmaßnahmen

1. auf Grundlage der Statuserhebung (§ 8) und eines allenfalls erstellten Emissionskatasters (§ 9),

2. unter Berücksichtigung der Stellungnahmen gemäß § 8 Abs. 5 und 6,

  1. 3. unter Berücksichtigung der Grundsätze gemäß § 9b,
  2. 4. unter Heranziehung der Zeitpunkte, bis zu denen die Grenz- und Zielwerte gemäß der Richtlinie 2008/50/EG eingehalten werden müssen und

    5. auf Grundlage des Programms für die Erreichung des nationalen Ziels für die Reduzierung des AEI gemäß § 19 ein Programm zu erstellen. Darin sind jene Maßnahmen festzulegen, die ergriffen werden, um die Emissionen, die zur Überschreitung des Immissionsgrenzwerts gemäß Anlage 1 oder 2 oder des Immissionszielwerts gemäß Anlage 5b oder 5c, einer Verordnung nach § 3 Abs. 5 oder des AEI geführt haben, in einem Ausmaß zu reduzieren, dass die Einhaltung folgender Grenzwerte und die soweit wie mögliche Einhaltung der folgenden Zielwerte,

(2) ...

Maßnahmen

Anordnung von Maßnahmen

§ 10. (1) Maßnahmen gemäß den §§ 13 bis 16 sind auf Grundlage des Programms gemäß § 9a vom Landeshauptmann oder Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, sofern dieser gemäß § 9a Abs. 7 zuständig ist, spätestens 24 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Grenzwertüberschreitung festgestellt oder die Überschreitung des AEI durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ausgewiesen wurde, mit Verordnung anzuordnen. In der Verordnung ist das Sanierungsgebiet, in dem die jeweilige Maßnahme gilt, festzulegen. Weiters ist anzugeben, ob die Maßnahmen direkt wirken oder von der Behörde (§ 17) mit Bescheid anzuordnen sind. Es können auch über das Programm hinausgehende Maßnahmen angeordnet werden, sofern diese nicht dem Inhalt des Programms widersprechen und nicht unverhältnismäßig in bestehende Rechte eingreifen.

(2) ..."

In der Anlage 1a des IG-L werden die Immissionsgrenzwerte der Konzentration zum dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit in ganz Österreich, bezogen auf einzelne Parameter, festgelegt. Bei PM10 findet sich die Zulässigkeit von 35 Überschreitungstagen des Tagesmittelwertes von 50 µg/m3 im Zeitraum ab In-Kraft-Treten des Gesetzes bis 2004; zwischen 2005 und 2009 waren 30 Überschreitungstage zulässig; ab 2010 sind es - auf Grundlage des IG-L - nur mehr 25 Überschreitungstage.

Auf Grundlage des § 9a IG-L wurde in der S das Luftreinhalteprogramm S 2011 (Maßnahmenprogramm zur nachhaltigen Verbesserung der Luftgütesituation) erlassen, in dem einzelne Handlungsfelder und geplante Maßnahmen in verschiedenen Bereichen aufgelistet werden. Die Geltungsdauer betrug drei Jahre. Im Jahr 2014 erfolgte eine Neufassung in Form des Luftreinhalteprogramms S 2014.

Auf Basis dieses Programmes hat der LH - in Ausnahmefällen auch der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft - die gemäß §§ 13 bis 16 IG-L zu ergreifenden hoheitlichen Maßnahmen durch eine Verordnung verbindlich anzuordnen. Die Steiermärkische Luftreinhalteverordnung 2011, LGBl. Nr. 2/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 116/2014, stellt eine auf diesen Bestimmungen des IG-L gründende Verordnung dar. Sie weist entsprechende Sanierungsgebiete für den Luftschadstoff PM10 aus und sieht u.a. Fahrbeschränkungen für Schwerfahrzeuge, Mindeststandards für Taxis und Regelungen für die Aufbringung von Streumitteln im Winter vor.

3. Wenn § 9a IG-L von Programmen spricht, so ist darunter ein Luftqualitätsplan im Sinne des Art. 23 der Luftqualitäts-RL zu verstehen.

Der Antrag der revisionswerbenden Parteien bezieht sich auf die Erlassung oder Ergänzung zum einen eines Programmes nach § 9a IG-L, zum anderen der darauf aufbauenden Steiermärkischen Luftreinhalteverordnung 2011. Der Antrag ist inhaltlich auf langfristig wirksame Maßnahmen gerichtet und zielt damit auf die in Art. 23 der Luftqualitäts-RL genannten Luftqualitätspläne ab. Von solchen Plänen können zwar auch gegebenenfalls Maßnahmen nach Art. 24 der Luftqualitäts-RL umfasst sein; Zielrichtung und Hintergrund des verfahrensgegenständlichen Antrags war aber ein Vorgehen, das auf unionsrechtlicher Ebene in Art. 23 der Luftqualitäts-RL gründet.

Das LVwG legte u.a. dar, dass - im Gegensatz zur Vorgängerrichtlinie 96/62/EG - nun die Formulierung des Art. 24 der Luftqualitäts-RL nicht mehr so gestaltet sei, dass eine unmittelbare Handlungsverpflichtung für die Mitgliedstaaten gegeben sei. Es sei lediglich eine Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Erlassung kurzfristiger Maßnahmen vorgesehen; dies sei der Unterschied zur alten Rechtslage und den damals vorgesehenen Aktionsplänen, die den kurzfristigen Maßnahmen des nunmehrigen Art. 24 der Luftqualitäts-RL vergleichbar seien. In dieser Bestimmung könne daher kein subjektiv öffentlicher Anspruch der revisionswerbenden Parteien (mehr) gründen, der noch im Urteil Janecek aus der Bestimmung der Vorgängerverordnung abgeleitet worden sei.

Mit dieser Argumentation übersieht das LVwG, dass es den revisionswerbenden Parteien nicht um eine kurzfristige Maßnahme nach Art. 24 der Luftqualitäts-RL ging, sondern um ein Vorgehen auf Grund der Anordnung des Art. 23 leg. cit. Auf die Überlegungen zum Art. 24 leg. cit. und zu einer allenfalls daraus ableitbaren innerstaatlichen Handlungsverpflichtung war daher fallbezogen nicht weiter einzugehen.

4. Mit der Frage der Zulässigkeit eines Antrags eines Einzelnen mit dem Ziel der Verbesserung der Luftqualität auf der Rechtsgrundlage unionsrechtlicher Normen hat sich die Rechtsprechung des EuGH nicht nur im bereits genannten Urteil Janecek, sondern auch im Urteil vom 19. November 2014, C-404/13 , Client Earth (in weiterer Folge: Urteil Client Earth), beschäftigt.

4.1. Die entscheidungswesentlichen Passagen des Urteils Janecek, noch im Zeitraum der Geltung der Vorgänger-Richtlinie 96/62 ergangen, lauten:

"(34) Mit seiner ersten Frage möchte das Bundesverwaltungsgericht wissen, ob ein Einzelner von den zuständigen nationalen Behörden im - in Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62 geregelten - Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen die Erstellung eines Aktionsplans beanspruchen kann.

(35) Diese Bestimmung erlegt den Mitgliedstaaten die klare Verpflichtung auf, sowohl im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte als auch im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Alarmschwellen Aktionspläne zu erstellen. Diese Auslegung, die sich aus einer bloßen Betrachtung des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62 ergibt, wird im Übrigen in deren zwölftem Erwägungsgrund bestätigt. Was in Bezug auf die Grenzwerte dargelegt ist, gilt erst recht in Bezug auf die Alarmschwellen, für die Art. 2 dieser Richtlinie, der die verschiedenen in dieser Richtlinie verwendeten Begriffe bestimmt, vorsieht, dass die Mitgliedstaaten 'umgehend Maßnahmen gemäß dieser Richtlinie ergreifen'.

(36) Außerdem können sich Einzelne nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gegenüber öffentlichen Stellen auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie berufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 1979, Ratti, 148/78, Slg. 1979, 1629, Randnr. 20). Die zuständigen nationalen Behörden und Gerichte haben die Bestimmungen des nationalen Rechts so weit wie möglich so auszulegen, dass sie mit dem Ziel der entsprechenden Richtlinie im Einklang stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 1990, Marleasing, C-106/89 , Slg. 1990, I- 4135, Randnr. 8). Sofern eine solche Auslegung nicht möglich ist, haben sie die mit der Richtlinie unvereinbaren Regelungen des nationalen Rechts außer Anwendung zu lassen.

(37) Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, wäre es mit dem zwingenden Charakter, den Art. 249 EG der Richtlinie verleiht, unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann. Diese Überlegung gilt ganz besonders für eine Richtlinie, die eine Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung und damit den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt.

(38) So hat der Gerichtshof entschieden, dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Nichtbeachtung der Maßnahmen, die in Richtlinien über die Qualität der Luft und des Trinkwassers zum Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit vorgegeben werden, die Gesundheit von Personen gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf die in diesen Richtlinien enthaltenen zwingenden Vorschriften zu berufen (vgl. Urteile vom 30. Mai 1991, Kommission/Deutschland, C-361/88 , und Kommission/Deutschland, C- 59/89 , sowie vom 17. Oktober 1991, Kommission/Deutschland).

(39) Daraus folgt, dass natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sind, bei den zuständigen Behörden - gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte -

erwirken können müssen, dass beim Vorliegen einer solchen Gefahr ein Aktionsplan erstellt wird.

(40) Dass diese Personen über andere Handlungsmöglichkeiten verfügen und insbesondere von den zuständigen Behörden den Erlass konkreter Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung verlangen können, wie es das deutsche Recht nach den Angaben des vorlegenden Gerichts vorsieht, ist insoweit ohne Bedeutung.

(41) Zum einen enthält die Richtlinie 96/62 nämlich keinerlei Vorbehalt hinsichtlich Maßnahmen, die nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts getroffen werden können, und zum anderen sieht sie ein ganz spezielles Planungsinstrumentarium vor, um, wie es im zwölften Erwägungsgrund heißt, die Umwelt 'insgesamt' und unter Berücksichtigung aller einzubeziehenden Faktoren wie insbesondere der Anforderungen betreffend den Betrieb von Industrieanlagen oder den Verkehr zu schützen.

(42) Auf die erste Frage ist somit zu antworten, dass Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62 dahin auszulegen ist, dass unmittelbar betroffene Einzelne im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen bei den zuständigen nationalen Behörden die Erstellung eines Aktionsplans erwirken können müssen, auch wenn sie nach nationalem Recht über andere Handlungsmöglichkeiten verfügen sollten, um diese Behörden dazu zu bringen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zu treffen."

Bereits vor dem rechtlichen Hintergrund der Luftqualitäts-RL erging das Urteil Client Earth. Dort heißt es (soweit im vorliegenden Fall von Interesse):

"(50) Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 4 EUV und 19 EUV sowie Art. 30 der Richtlinie 2008/50 dahin auszulegen sind, dass es, wenn ein Mitgliedstaat die Anforderungen aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 nicht eingehalten und auch nicht um eine Fristverlängerung gemäß den in Art. 22 dieser Richtlinie vorgesehenen Bedingungen ersucht hat, dem gegebenenfalls angerufenen zuständigen nationalen Gericht obliegt, gegenüber der nationalen Behörde jede erforderliche Maßnahme, wie eine Anordnung, zu erlassen, damit diese Behörde den nach dieser Richtlinie erforderlichen Plan gemäß den in der Richtlinie vorgesehenen Bedingungen erstellt.

(51) Zunächst ist festzustellen, dass die Gründe, aus denen die Auslegung des Art. 30 der Richtlinie 2008/50 in Bezug auf die Sanktionsregelung, die von den Mitgliedstaaten eingeführt werden muss, für den Ausgangsrechtsstreit nützlich wäre, sich den dem Gerichtshof übermittelten Unterlagen nicht hinreichend klar entnehmen lassen.

(52) Was Art. 4 EUV betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Gerichte der Mitgliedstaaten gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Abs. 3 dieses Artikels den gerichtlichen Schutz der Rechte zu gewährleisten haben, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen (vgl. in diesem Sinne u.a. Urteil Unibet, C-432/05 , EU:C:2007:163, Rn. 38). Mit Art. 19 Abs. 1 EUV wird den Mitgliedstaaten im Übrigen aufgegeben, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.

(53) Werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid nach dem 1. Januar 2010 in einem Mitgliedstaat überschritten, der nicht um eine Fristverlängerung nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 ersucht hat, erlegt ihm Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie die klare Verpflichtung auf, einen Luftqualitätsplan im Einklang mit bestimmten Anforderungen zu erstellen (vgl. entsprechend Urteil Janecek, C-237/07 , EU:C:2008:447, Rn. 35).

(54) Außerdem können sich Einzelne nach ständiger Rechtsprechung gegenüber öffentlichen Stellen auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie berufen. Auch haben die nationalen Behörden und Gerichte die Bestimmungen des nationalen Rechts so weit wie möglich so auszulegen, dass sie mit dem Ziel der entsprechenden Richtlinie im Einklang stehen. Sofern eine solche Auslegung nicht möglich ist, haben sie die mit der Richtlinie unvereinbaren Regelungen des nationalen Rechts außer Anwendung zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil Janecek, EU:C:2008:447, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(55) Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, wäre es schließlich mit dem zwingenden Charakter, den Art. 288 AEUV der Richtlinie 2008/50 verleiht, unvereinbar, es grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann. Diese Überlegung gilt ganz besonders für eine Richtlinie, die eine Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung und damit den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt (vgl. in diesem Sinne Urteil Janecek, EU:C:2008:447, Rn. 37).

(56) Daraus folgt, dass natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte nach dem 1. Januar 2010 betroffen sind, bei den nationalen Behörden - gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte - erwirken können müssen, dass ein Luftqualitätsplan im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 erstellt wird, wenn ein Mitgliedstaat die Einhaltung der sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie ergebenden Anforderungen nicht gewährleistet hat, ohne die Verlängerung der Frist gemäß den in Art. 22 vorgesehenen Bedingungen zu beantragen (vgl. entsprechend Urteil Janecek, EU:C:2008:447, Rn. 39).

(57) Was den Inhalt des Plans betrifft, folgt aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 , dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen zwar über einen gewissen Wertungsspielraum verfügen, es aber jedenfalls ermöglichen müssen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich gehalten wird.

(58) Somit ist auf die vierte Frage zu antworten, dass es, wenn ein Mitgliedstaat die Anforderungen aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 nicht eingehalten und auch nicht um eine Fristverlängerung gemäß den in Art. 22 dieser Richtlinie vorgesehenen Bedingungen ersucht hat, dem gegebenenfalls angerufenen zuständigen nationalen Gericht obliegt, gegenüber der nationalen Behörde jede erforderliche Maßnahme, wie eine Anordnung, zu erlassen, damit diese Behörde den nach dieser Richtlinie erforderlichen Plan gemäß den in der Richtlinie vorgesehenen Bedingungen erstellt."

4.2. Das Urteil Client Earth hat die Überschreitung von NO2 im Auge, von der in Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts-RL die Rede ist.

Von dem im vorliegenden Fall interessierenden Luftschadstoff PM10 ist im Unterabsatz 1 des Art. 13 Abs. 1 leg. cit. die Rede.

Die Bestimmungen der Art. 13 und 22 der Luftqualitäts-RL lauten:

"Artikel 13

Grenzwerte und Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen Gesundheit

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten.

Die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Benzol dürfen von dem dort festgelegten Zeitpunkt an nicht mehr überschritten werden.

Die Einhaltung dieser Anforderungen wird nach Anhang III beurteilt.

Die in Anhang XI festgelegten Toleranzmargen sind gemäß

Artikel 22 Absatz 3 und Artikel 23 Absatz 1 anzuwenden.

(2) Die Alarmschwellen für die Schwefeldioxid- und Stickstoffdioxidkonzentrationen in der Luft sind in Anhang XII Abschnitt A festgelegt.

Artikel 22

Verlängerung der Fristen für die Erfüllung der Vorschriften und Ausnahmen von der vorgeschriebenen Anwendung bestimmter Grenzwerte

(1) Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für Stickstoffdioxid oder Benzol nicht innerhalb der in Anhang XI festgelegten Fristen eingehalten werden, so kann ein Mitgliedstaat diese Fristen für dieses bestimmte Gebiet oder diesen bestimmten Ballungsraum um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: für das Gebiet oder den Ballungsraum, für das/den die Verlängerung gelten soll, wird ein Luftqualitätsplan gemäß Artikel 23 erstellt; dieser Luftqualitätsplan wird durch die in Anhang XV Abschnitt B aufgeführten Informationen in Bezug auf die betreffenden Schadstoffe ergänzt und zeigt auf, wie die Einhaltung der Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist erreicht werden soll.

(2) Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für PM10 nach Maßgabe des Anhangs XI aufgrund standortspezifischer Ausbreitungsbedingungen, ungünstiger klimatischer Bedingungen oder grenzüberschreitender Einträge nicht eingehalten werden, so werden die Mitgliedstaaten bis zum 11. Juni 2011 von der Verpflichtung zur Einhaltung dieser Grenzwerte ausgenommen, sofern die in Absatz 1 festgelegten Bedingungen erfüllt sind und der Mitgliedstaat nachweist, dass alle geeigneten Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffen wurden, um die Fristen einzuhalten.

(3) Bei der Anwendung des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Grenzwert für jeden Schadstoff nicht um mehr als die für jeden der betroffenen Schadstoffe in Anhang XI festgelegte maximale Toleranzmarge überschritten wird.

(4) Ein Mitgliedstaat, der der Ansicht ist, dass Absatz 1 oder Absatz 2 anwendbar ist, teilt dies der Kommission mit und übermittelt ihr den Luftqualitätsplan gemäß Absatz 1 einschließlich aller relevanten Informationen, die die Kommission benötigt, um festzustellen, ob die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei berücksichtigt die Kommission die voraussichtlichen Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen auf die gegenwärtige und die zukünftige Luftqualität in den Mitgliedstaaten sowie die voraussichtlichen Auswirkungen der gegenwärtigen Gemeinschaftsmaßnahmen und der von der Kommission vorzuschlagenden geplanten Gemeinschaftsmaßnahmen auf die Luftqualität.

Hat die Kommission neun Monate nach Eingang dieser Mitteilung keine Einwände erhoben, gelten die Bedingungen für die Anwendung von Absatz 1 bzw. Absatz 2 als erfüllt.

Werden Einwände erhoben, kann die Kommission die Mitgliedstaaten auffordern, Anpassungen vorzunehmen oder neue Luftqualitätspläne vorzulegen."

Während in Artikel 13 Abs. 1 der Luftqualitäts-RL u.a. für PM10 eine sofortige Handlungspflicht statuiert wird, deren Ziel die Einhaltung der Grenzwerte (siehe dazu die in Anhang XI zeitlich gestaffelten maximal zulässigen Überschreitungstage) darstellt, sollte in Bezug auf NO2 diese Verpflichtung erst ab einem bestimmten Zeitpunkt gelten. Beide Unterabsätze des Art. 13 Abs. 1 der Luftqualitäts-RL beinhalten daher unzweifelhaft die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die genannten Grenzwerte nicht zu überschreiten.

Das Urteil Client Earth bezieht sich auf die Einhaltung der Grenzwerte der im Art. 13 Abs. 1 Unterabschnitt 2 der Luftqualitäts-RL genannten Stoffe. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass die dazu getroffenen Aussagen nicht auch für die in Art. 13 Abs. 1 Unterabschnitt 1 genannten Stoffe, darunter PM10, Geltung haben. Auch in Bezug auf die Einhaltung der Grenzwerte dieses Luftschadstoffes ist es den Mitgliedstaaten zur Aufgabe gemacht, einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten.

Aus den im Urteil Client Earth unter Hinweis auf das Urteil Janecek näher dargelegten Gründen gilt auch für die Einhaltung des Grenzwertes von PM10, dass es dem zwingenden Charakter der Luftqualitäts-RL widerspräche, wenn es grundsätzlich ausgeschlossen wäre, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen auch geltend gemacht werden kann; diese Überlegung gilt gerade für eine Richtlinie, die - wie die vorliegende - der Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung und damit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dient.

Daraus folgt auch im vorliegenden Fall, dass natürliche Personen wie die revisionswerbenden Parteien, wenn sie unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte betroffen sind, bei den nationalen Behörden erwirken können müssen, dass ein Luftqualitätsplan im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts-RL erstellt wird, wenn durch die Behörde die Einhaltung der sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Anhang XI der Luftqualitäts-RL ergebenden Anforderungen nicht gewährleistet wurde und es auch zu keiner Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts-RL gekommen ist.

Für die Zulässigkeit eines Antrags auf Erstellung oder Ergänzung eines Luftqualitätsplans ist demnach Voraussetzung, dass keine Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts-RL vorliegt, weil diesfalls Grenzwerte (noch) nicht einzuhalten wären; liegt aber keine Fristverlängerung vor, ist es für die Zulässigkeit eines Antrags notwendig, dass die Grenzwerte überschritten werden und die antragstellenden Parteien unmittelbar von dieser Überschreitung betroffen sind.

4.3. Es ist unstrittig, dass die von der Kommission gewährten Fristverlängerungen für die Gebiete AT-60 (X) und AT-06 (S ohne X) nur bis 11. Juni 2011 galten. Eine weitere Fristverlängerung wurde nicht erteilt. Art. 13 Abs. 1 der Luftqualitäts-RL findet daher für diese Gebiete, was PM10 betrifft, seit dem 12. Juni 2011 (wieder) Anwendung.

Eine Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts-RL, die das Recht von unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte betroffenen Personen auf Erlassung eines Luftqualitätsplans durch die nationalen Behörden hinderte (oder aufschöbe), liegt im Gegenstand daher nicht vor.

5. Eine weitere Voraussetzung für die Ableitung und Durchsetzung eines subjektiven Rechts auf Erlassung oder Ergänzung eines Luftqualitätsplans ist die unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers durch die Nichteinhaltung der Grenzwerte. Darauf hat bereits der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2012, 2010/07/0161, hingewiesen.

5.1. Das LVwG ging in diesem Zusammenhang davon aus, es müsse für das Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Anspruchs eines Einzelnen eine "über die Allgemeinheit hinausgehende Betroffenheit" vorliegen, was hier nicht gegeben wäre. Die Maßnahmen seien zudem nicht am Interesse Einzelner zu orientieren, sondern im Interesse der Allgemeinheit zu treffen; es gelte insoweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Dieser Überlegung ist nicht zu folgen.

Werden Grenzwerte in einem Gebiet überschritten, sind alle in diesem Gebiet lebenden Personen unmittelbar davon betroffen. Für die Annahme eines Unterschieds zwischen dem Interesse einzelner Betroffener an der Luftqualität gegenüber dem der "Allgemeinheit" besteht - generell gesprochen (vgl. aber die optionale Bestimmung in Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts-RL über spezifische zusätzliche Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen wie zB. von Kindern, die sachverhaltsbezogen hier aber keine Rolle spielt) - keine erkennbare Rechtsgrundlage. Dass es einer solchen "besonderen Betroffenheit" einer antragstellenden Partei im Gegensatz zur Allgemeinheit bedürfte, um die Einhaltung von Grenzwerten im Sinn des Art. 13 Abs. 1 der Luftqualitäts-RL als subjektives Recht geltend machen zu können, ist weder dieser Richtlinie noch der Rechtsprechung des EuGH oder des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen.

Der vom LVwG ebenfalls genannte Aspekt der inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahmen vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat mit der Zulässigkeit des Antrags nichts zu tun. Die Unzulässigkeit des Antrags kann nicht mit inhaltlich auf die mögliche Ausgestaltung der Maßnahmen gerichteten Argumenten begründet werden.

5.2. Sowohl die belangte Behörde als auch das LVwG gingen vom Fehlen der unmittelbaren Betroffenheit der revisionswerbenden Parteien aus.

Die unmittelbare Betroffenheit hat einen räumlichen und einen zeitlichen Aspekt. Unstrittig ist, dass die revisionswerbenden Parteien nicht nur vorübergehend in X leben und arbeiten und auch ihre sozialen Kontakte in X pflegen. Angesichts dessen erscheinen die Messwerte jedenfalls in der Nähe des Wohnorts und des Arbeitsplatzes relevant. Dass die Messstellen X-O und X-B in Bezug auf die revisionswerbenden Parteien relevante Messstellen sind, ist unbestritten.

Der zeitliche Bezug der Beurteilung der Betroffenheit lässt sich aus dem Umstand ableiten, dass sich die Grenzwerte für die Überschreitungstage auf das Kalenderjahr beziehen. Dies setzt einen Überblick über ein Kalenderjahr voraus, um beurteilen zu können, ob eine Überschreitung vorliegt oder nicht.

Für den hier vorliegenden Fall heißt das, dass angesichts des Umstands, dass das angefochtene Erkenntnis Mitte 2014 erging, für das LVwG die Daten des Jahres 2013 entscheidend waren.

5.3. Schon die belangte Behörde war in ihrem Bescheid (aus 2013) davon ausgegangen, dass die Grenzwerte für das Jahr 2012 (konkret an der Messstelle X-O) mit 37 Überschreitungstagen "nur teilweise überschritten" worden seien. Die belangte Behörde bezog sich dabei auf die Daten des UBA von 38 Überschreitungstagen, meinte aber auch, diese stellten nicht das Ergebnis der steiermärkischen Luftgütemessungen dar. Das endgültige Ergebnis der Messungen an der Messstation X-O ergebe nämlich 37 Überschreitungstage.

Das LVwG meinte nun im angefochtenen Erkenntnis, die Anzahl der zulässigen Tagesmittelwertüberschreitungen sei in den Jahren 2012, 2013 und - soweit schon verfügbar - 2014 "nur knapp verfehlt" worden. Die Überschreitungen im Jahr 2012 seien zudem auf nahegelegene Baustellen zurückzuführen. Auf welche Daten sich das LVwG dabei stützt, ist dem Erkenntnis nicht eindeutig zu entnehmen. Angesichts der festgestellten Überschreitungen ist aber davon auszugehen, dass sich das LVwG auf die Daten des UBA stützte.

Damit liegt aber auf der vom LVwG angenommenen Sachverhaltsgrundlage in den Jahren 2012 und 2013 eine Nichteinhaltung des Grenzwertes für PM10 (Überschreitung der Höchstzahl der Überschreitungstage) und somit eine unmittelbare Betroffenheit der revisionswerbenden Parteien vor. Auch eine "knappe" oder "nur teilweise" Überschreitung eines Grenzwertes stellt nämlich eine Überschreitung dar und löst die Verpflichtungen des Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts-RL aus.

5.3.1. Im Bericht des UBA über die Luftgüte im Jahr 2013 (Jahresbericht der Luftgütemessungen) finden sich bezogen auf die beiden relevanten Messstellen folgende Daten (vgl. die Tabelle 18, S. 39):

Für X-B werden von den insgesamt 44 gemessenen Überschreitungstagen nur zwei Tage abgezogen (einmal Winterdienst, einmal Sahara-Staub); es verbleiben 42 Überschreitungstage. Für X-O gilt Ähnliches; von den 45 gemessenen Überschreitungstagen werden zwei Tage (Sahara-Staub) abgezogen, was 43 verbleibende Überschreitungstage ergibt. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass die Quantifizierung des Beitrags von Streusplitt gemäß § 3 der IG-L-Winterstreuverordnung erfolgte. Ein Abzug von Tagen wegen "Industrieller Emissionen" fand nicht statt.

Auch auf Seite 104 des Berichtes (Darstellung der Überschreitung der Grenzwerte und Zielwerte der Luftqualitäts-RL) heißt es, dass der Grenzwert für PM10 an diesen beiden Messstellen und somit nur im Ballungsraum X überschritten worden sei.

In diesem Zusammenhang erscheinen auch die Angaben in der ergänzenden, mit Gründen versehenen Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 26. November 2014, C (2014) 8656 final, im Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich von Interesse, wo es heißt:

"Da die von Österreich vorgelegten jährlichen Luftqualitätsberichte für den Zeitraum 2011-2013 zeigten, dass der Tagesgrenzwert für PM10 im Gebiet AT-60 (X) vom 11. Juni 2011, als die Fristverlängerung gemäß Artikel 22 der Richtlinie ablief, bis einschließlich 2013 überschritten wurde, hat Österreich gegen seien Verpflichtungen aus Artikel 13 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang XI der Richtlinie verstoßen.

Angesichts der Tatsache, dass die letzten verfügbaren Luftqualitätsberichte, einschließlich für das Jahr 2013, nach wie vor Überschreitungen des Tagesgrenzwertes für PM10 im Gebiet AT-60 (X) aufzeigen, ...."

Die Kommission ging also ihrerseits unter Bezugnahme auf die von Österreich vorgelegten Luftqualitätsberichte ausdrücklich von einer Übertretung der Grenzwerte (Tagesmittelwerte) für PM10 in den Jahren 2011 bis 2013 aus.

5.3.2. Die belangte Behörde verwies nun in der Revisionsbeantwortung auf andere Daten, die sich aus den Steiermärkischen Luftgüteberichten (Jahresberichte 2012 und 2013; Tabellen 57 bzw. 59) ergäben.

Die revisionswerbenden Parteien wiesen zutreffend darauf hin, dass die dort dargestellten Daten der Steiermärkischen Luftgüteberichte 2012 und 2013, die weitaus geringere und unter dem Grenzwert liegende Überschreitungstage ausweisen, erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht wurden. Zwar hatte schon die belangte Behörde auf Daten der steiermärkischen Luftmessung verwiesen (2012; Messstelle X-O: 37 statt 38 vom UBA gemessenen Überschreitungstagen); diese Angaben stimmen aber mit den nun vorgelegten Angaben in der Tabelle 57 des Steiermärkischen Luftgüteberichts 2012 nicht überein, der an der Messstelle X-O nur mehr eine Überschreitung an 18 Tagen feststellte.

Auf die Daten der Tabelle 57 des Steiermärkischen Luftgüteberichts 2012 bzw. der Tabelle 59 des Steiermärkischen Luftgüteberichts 2013 war daher wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht weiter einzugehen.

5.3.3. Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass sich offenbar aus dem Steiermärkischen Luftgütebericht 2013, Kapitel 10, ein signifikanter Widerspruch zu den Daten des UBA ergibt, der ohne Erklärung und weitere Prüfung gegen die Heranziehung dieser Daten (im fortgesetzten Verfahren) spricht.

Nach dem Steiermärkischen Luftgütebericht seien im Jahr 2013 von den 44 Überschreitungstagen an der Messstelle X-B 7 Tage wegen Saharastaubeinträgen, 3 Tage wegen "Industrieller Emissionen" und 7 Tage wegen Winterdienstes abzuziehen, was eine Überschreitung von (nur) 27 Tagen ergebe. Bei der Messstelle X-O seien von den ursprünglich gemessenen 45 Überschreitungstagen 3 Tage wegen Saharastaubeinträgen, 2 Tage wegen "Industrieller Emissionen" und ebenfalls 7 Tage wegen Winterdienstes abzuziehen, was eine Überschreitung von (nur) 33 Tagen ergebe (vgl. Tabelle 59 auf S. 140).

Weiters heißt es auf S. 151 des genannten Berichts zu den "Industriellen Emissionen", die S werde episodenweise auch stark von industriellen Emissionen aus Osteuropa, teilweise von außerhalb der EU, betroffen und es fehle hier ein Handlungsspielraum zur Steuerung dieser offensichtlich durch grenzüberschreitende Einträge verursachten Emissionen. Diese würden daher zum Abzug gebracht, obwohl sie nicht ausdrücklich in der Luftqualitäts-RL erwähnt seien.

Auf S. 162 des Berichts wird zur Erklärung der dem Winterdienst zugeordneten Daten ausgeführt, dass im Rahmen des Fristverlängerungsantrags (FA17C 2010) für die S basierend auf chemischen Analysen und Modellrechnungen "kein konstanter Faktor für das Verhältnis vom PM2,5/PM10 verwendet, sondern ein Schwellenwert von 20 µg/m3 für die Differenz PM10 - PM2,5."

Darüber hinaus würden "nicht 50 % des Grobanteils sondern 80 %" dem Winterdienst zugeordnet. Es solle an dieser Stelle angemerkt werden, dass diese Vorgehensweise durch die positive Stellungnahme der Europäischen Kommission zum Fristverlängerungsantrag "akzeptiert worden sei." Für das Jahr 2013 habe sich an den Stationen X B und X-O eine Reduktion von je 7 Überschreitungstagen ergeben.

Es scheint nach dem Inhalt dieser Erklärungen so zu sein, als ob diese Daten nicht in Übereinstimmung mit § 3 der IG-L-Winterstreuverordnung und den dortigen Berechnungsvorgaben errechnet worden wären. Unklar bleibt auch, welche Rechtsgrundlage für den Abzug der "Industriellen Emissionen" herangezogen wurde. Wenn im Steiermärkischen Luftgütebericht 2013 mit einer "positiven Reaktion" oder einer "Akzeptanz" durch die Europäische Kommission im Verfahren über den Fristsetzungsantrag in Bezug auf die gewählte Berechnungsweise argumentiert wird, so wird nicht näher dargelegt, worauf sich diese Annahme gründet und welche rechtliche Wirkung damit verbunden sein solle. Diese Frage bedürfte auch vor dem Hintergrund, dass die Fristverlängerung bereits Mitte 2011 endete und es um die Ermittlung von Daten des Jahres 2013 ging, einer näheren Erläuterung; auf die ergänzende, mit Gründen versehene Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 26. November 2014, C (2014) 8656 final, wird hingewiesen.

Sollten die Widersprüche zwischen Daten des UBA und der Steiermärkischen Luftgütemessung im fortgesetzten Verfahren weiter bestehen und relevant sein, wäre es Sache der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts, sich mit den aufgezeigten Widersprüchen näher auseinander zu setzen.

5.3.4. Wie bereits oben dargestellt, hatte der Verwaltungsgerichtshof aber die erst im Verfahren vor ihm vorgelegten Daten des Steiermärkischen Luftgüteberichts 2013 wegen des im verwaltungsgerichtlichen Neuerungsverbotes nicht weiter zu beachten.

Dem Vorbringen der belangten Behörde, die revisionswerbenden Parteien seien nicht unmittelbar betroffen, weil es im Jahr 2013 gar keine Überschreitung der höchstzulässigen Anzahl der Überschreitungstage gegeben habe, was durch den Steiermärkischen Luftgütebericht 2013 belegt werde, war daher nicht zu folgen.

Wie bereits dargestellt, legte das LVwG offenbar die - auch der Europäischen Kommission überlieferten - Daten des UBA seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde. Diese Daten sind relevant. Das LVwG ging demnach selbst von der Überschreitung der maximal zulässigen Überschreitungstage aus.

5.4. Die revisionswerbenden Parteien waren daher durch die Überschreitung der maximal zulässigen Überschreitungstage im Jahr 2013 an den auch sie betreffenden Messstellen X-B und X-O als unmittelbar betroffene Personen anzusehen, denen das verfahrensgegenständliche Antragsrecht zukommt.

6. Im Verfahren wurden noch weitere Aspekte geltend gemacht, die gegen die Zulässigkeit des verfahrensauslösenden Antrags sprächen.

6.1. So vertrat das LVwG im Zusammenhang mit Überlegungen zum Fall Janecek die Ansicht, der dortige Sachverhalt sei mit dem hier vorliegenden Sachverhalt deshalb nicht vergleichbar, weil im dortigen Fall der Staat völlig untätig geblieben sei. Im hier vorliegenden Fall hätte der LH aber gleich mehrere Programme und Verordnungen zur Einhaltung der im IG-L und der Luftqualitäts-RL geforderten Grenzwerte erlassen. Auch wenn durch diese Maßnahmen die Einhaltung der Grenzwerte "nicht immer gewährleistet" sei, so lasse sich deutlich erkennen, dass die Behörde geeignete Maßnahmen ergriffen habe, um die Belastung zu verringern und schrittweise auf einen Stand unterhalb der Grenzwerte zu gelangen.

Soweit mit diesen Erwägungen das Fehlen eines subjektiven Anspruchs auf die Anordnung erforderlicher Maßnahmen begründet werden soll, so ist ihnen nicht zu folgen. Besteht ein Anspruch eines unmittelbar betroffenen Einzelnen auf die Anordnung erforderlicher Maßnahmen, die die Einhaltung von Grenzwerten sicherstellen, dann besteht der Anspruch ungeachtet dessen, ob die Behörde gar keine oder nur unzureichende Schritte in diese Richtung gesetzt hat. Dass die gesetzten Schritte nicht ausreichend waren, um in Bezug auf PM10 die Einhaltung der Grenzwerte zu gewährleisten, gesteht das LVwG in diesem Teil der Begründung selbst zu.

Nun muss sich der Einzelne gegebenenfalls damit begnügen, dass Maßnahmen gesetzt werden, die die Überschreitung nicht verhindern, sondern (nur) so gering wie möglich halten. Dieser inhaltliche Aspekt hat aber mit der hier verfahrensgegenständlichen Frage der Zulässigkeit eines Antrags auf Setzung von Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele nichts zu tun. Der Umstand, dass die Behörde bereits Schritte zur Verbesserung der Luftqualität gesetzt hat (zB durch die Erlassung der Steiermärkischen Luftreinhalteverordnung 2011), hat mit der Beurteilung der Zulässigkeit eines solchen Antrags nichts zu tun.

Wären diese Schritte derart erfolgreich gewesen, dass die Grenzwerte eingehalten worden wären, fehlte es einem Antragsteller an der unmittelbaren Betroffenheit, woraus sich wiederum die Unzulässigkeit seines Antrags ergäbe. Wurden die Grenzwerte aber überschritten, so ändert das Vorhandensein von einzelnen unzureichenden Maßnahmen nichts an der Zulässigkeit eines Antrags.

6.2. Die belangte Behörde vertritt nun in ihrer Revisionsbeantwortung vom 30. September 2014, ebenfalls unter Hinweis auf den Fall Janecek, die Ansicht, es bestehe zwar ein subjektiver Anspruch eines unmittelbar betroffenen Einzelnen auf Erlassung eines Luftqualitätsplanes nach Art. 23 der Luftqualitäts-RL, nicht aber auf die konkrete Ausgestaltung eines solchen Planes. Damit steht die Überlegung im Bescheid der belangten Behörde in Übereinstimmung, wonach es kein Recht auf Abänderung oder Ergänzung eines bereits bestehenden Planes bzw. Programmes gäbe.

Möglicherweise meint die belangte Behörde damit - die eben dargestellte Argumentation wird nicht näher dargelegt -, der Anspruch bzw. die Zulässigkeit des Antrags ende mit der (hier bereits erfolgten) Erlassung eines solchen Plans, ungeachtet seines Inhalts und seiner Wirksamkeit.

Der Antrag der revisionswerbenden Parteien war nicht auf die (erstmalige) Erlassung von Programmen im Sinne des Art. 23 der Luftqualitäts-RL gerichtet, sondern auf die Ergänzung bereits bestehender Programme durch weitere konkrete Maßnahmen.

Besteht aber ein Anspruch eines unmittelbar betroffenen Einzelnen auf Erlassung von Luftqualitätsplänen nach Art. 23 der Luftqualitäts-RL, dann ist ein darauf abzielender Antrag auch zulässig, wenn es bereits einen solchen Plan gibt. Dieser Antrag hat dann die inhaltliche Überprüfung des Programmes nach § 9a IG-L bzw. des Planes nach Art. 23 der Luftqualitäts-RL auf seine allfällige Ergänzungsbedürftigkeit zur Folge.

Dass die bloße Existenz eines Programmes nach § 9a IG-L bzw. eines Planes nach Art. 23 der Luftqualitäts-RL nicht ausreicht, um gesichert von der Zielerreichung der nach Art. 13 der Luftqualitäts-RL obliegenden Verpflichtungen ausgehen zu können, ergibt sich zudem auch aus den Überlegungen des EuGH im Urteil Client Earth, Rz 49 (dritte Frage). Demnach lässt die Erstellung eines Luftqualitätsplanes nach Art. 23 Abs. 1 zweiter Unterabsatz der Luftqualitäts-RL für sich genommen nicht die Annahme zu, dass der Staat den ihm nach Art. 13 der Richtlinie obliegenden Verpflichtungen nachgekommen ist.

Die Europäische Kommission hat schließlich auch im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/2191 gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, und zwar in der ergänzenden, mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 26. November 2014 (C(2014) 8657 final), darauf hingewiesen (S. 14), dass "selbst wenn ein kürzlich angenommener Luftqualitätsplan auf den ersten Blick zufriedenstellend ist und alle Anforderungen gemäß Anhang XV Abschnitt A zu erfüllen scheint, dennoch nicht auszuschließen ist, dass er nicht wie vorgesehen umgesetzt wird oder die darin vorgesehenen Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung haben." Dann kann es dennoch zu einem Verstoß gegen Art. 13 der Luftqualitäts-RL kommen.

6.3. Ob nun - wie das LVwG u.a. meint - die Durchsetzung der einem unmittelbar betroffenen Einzelnen zustehenden Rechte gegebenenfalls dazu führt, dass durch zu setzende Maßnahmen in Rechte der Allgemeinheit eingegriffen wird, ist eine Frage der konkreten Gestaltung luftqualitätsverbessernder Maßnahmen.

Mit der Zulässigkeit eines Antrags unmittelbar betroffener Einzelner auf die Umsetzung geeigneter Maßnahmen hat dieser Aspekt nichts zu tun.

7. Das LVwG nennt als weitere Gründe, die gegen die Zulässigkeit des Antrags sprächen, verfassungsrechtliche und rechtsstrukturelle Bedenken.

Auch diesen Bedenken ist nicht zu folgen.

7.1. Vorauszuschicken ist, dass - wie im Urteil Client Earth (unter Bezugnahme auf das Urteil Janecek) betont wird, vgl. dazu die Rn 42 und 54 - den Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 EUV aufgegeben ist, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist. Die nationalen Behörden und Gerichte haben die Bestimmungen des nationalen Rechts so weit wie möglich so auszulegen, dass sie mit dem Ziel der entsprechenden Richtlinie im Einklang stehen. Sofern eine solche Auslegung nicht möglich ist, haben sie die mit der Richtlinie unvereinbaren Regelungen des nationalen Rechts außer Anwendung zu lassen.

Stehen einem unionsrechtlich garantierten Recht innerstaatliche Um- und Durchsetzungsschwierigkeiten rechtsstruktureller Art entgegen, ändert dies nichts an der Verpflichtung des Mitgliedstaates, die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts (effet utile) sicherzustellen. Die genannten Divergenzen oder Strukturprobleme dürfen nicht dazu führen, dass ein im Unionsrecht begründeter Anspruch untergeht oder versagt wird.

7.2. Wenn aus dem Unionsrecht ein subjektives Recht auf Ergänzung oder Erlassung einer Verordnung abgeleitet wird, so ist diese Situation dem Fall vergleichbar, in dem die innerstaatliche Rechtsordnung ein subjektives Recht auf Erlassung einer Verordnung anerkennt. Diesfalls hat die Behörde bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Verordnung zu erlassen oder im Versagungsfall darüber mit negativem Bescheid abzusprechen.

Zutreffend haben die revisionswerbenden Parteien im Verfahren in diesem Zusammenhang auf die strukturelle Besonderheit und Rechtsprechung des Verfahrens zur Anerkennung von Religionsgemeinschaften und deren Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Fallkonstellation verwiesen. Wieso eine dem dortigen Prinzip ähnliche Vorgangsweise im vorliegenden Fall nicht geeignet sein solle, um dem aus dem Unionsrecht ableitbaren Rechtsanspruch des unmittelbar betroffenen Einzelnen zum Durchbruch zu verhelfen, ist den Ausführungen des LVwG nicht zu entnehmen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinen Entscheidungen VfSlg 11931/1988 und VfSlg 13134/1992 klargestellt, dass bei Vorliegen der im AnerkennungsG enthaltenen Voraussetzungen ein Anspruch auf Anerkennung als Religionsgesellschaft besteht. Die Anerkennung ist durch Verordnung auszusprechen, wobei außerdem (zusätzlich) bescheidmäßig das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen festgestellt werden kann. Liegen die im AnerkennungsG enthaltenen Voraussetzungen nicht vor, so ist ein (negativer) Bescheid zu erlassen (vgl. dazu auch VfSlg 14.295/1995 und betreffend die Anerkennung eines Vereins als geeigneter Sachwalterverein VfSlg 18.905/2009).

Aber auch der Verwaltungsgerichtshof kennt in seiner Rechtsprechung, ausgehend von der genannten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, rechtliche Möglichkeiten Einzelner, die Erlassung einer Verordnung mittels Antrags zu erreichen. So ging es in dem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, 2009/08/0064, zu Grunde lag, um die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung, die nach Rechtsprechung und Lehre als Verordnung anzusehen ist. Die Einräumung eines Antragsrechtes verlieh den Kollektivvertragsparteien ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass die Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen den Kollektivvertrag zur Satzung erklärt, also die angesprochene Verordnung erlässt. Eine den Antrag abweisende Erledigung hat daher vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips (und unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfSlg 18.905/2009) in Form eines bekämpfbaren Bescheides zu ergehen.

Auch im hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2012, 2009/10/0254, betreffend die Anerkennung als Leit-Ethikkommission, wurde auf die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, VfSlg 18.905, geäußerten Überlegungen zurück gegriffen. Die Zurückweisung eines Antrags auf Erlassung eines Bescheides über das Vorliegen der Voraussetzung für eine Verordnungserlassung (dort: Kundmachung) erwies sich daher als rechtswidrig, weil damit zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert worden war.

7.3. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass trotz des Rechtstypenzwangs in der österreichischen Rechtsordnung Konstellationen auftreten können, in denen die Verwaltung unter bestimmten Voraussetzungen zur Erlassung einer Verordnung verpflichtet ist. In solchen Fällen wird ein Antragsrecht von Parteien bejaht; beantragt eine Partei die Erlassung (oder Ergänzung) einer solchen Verordnung, so besteht das Recht, bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen darüber in Form einer Sachentscheidung einen negativen Bescheid zu erhalten.

Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Der Umstand, dass Maßnahmen auf der Grundlage von Luftqualitätsplänen nach der österreichischen Rechtsordnung in Form einer Verordnung ergehen und grundsätzlich weder ein Antragsrecht noch ein einheitliches Verfahrensrecht hinsichtlich einer Verordnungserlassung besteht, bildet keine Rechtfertigung für die Versagung des - wie oben dargestellt - unionsrechtlich gebotenen Anspruchs. Vielmehr sind die österreichischen Behörden und Gerichte gefordert, für effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu sorgen (vgl. dazu Potacs, Säumnis des Verordnungsgebers, in Holoubek/Lang (Hrsg), Rechtsschutz gegen staatliche Untätigkeit (2011) 233).

Die Zurückweisung eines solchen Antrags mangels Antragsrechts auf Erlassung einer Verordnung stellt hingegen die Verweigerung der Sachentscheidung und somit eine Rechtsverletzung dar.

Die genannten rechtsstrukturellen bzw. verfassungsrechtlichen Bedenken stehen dem Antragsrecht unmittelbar betroffener Personen daher nicht entgegen.

8. Dies bedeutet, dass die revisionswerbenden Parteien einen - im hier relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses - zulässigen Antrag auf Ergänzung eines unzureichenden Luftqualitätsplanes nach Art. 23 der Luftqualitäts-RL (hier: eines Programmes nach § 9a IG-L) bzw. einer darauf gründenden Verordnung gestellt haben.

Über diesen Antrag wäre daher in der Sache zu entscheiden gewesen. Die Zurückweisung des Antrags der revisionswerbenden Parteien mangels Antragslegitimation erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig.

Das LVwG hätte daher aufgrund der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien den antragszurückweisenden Bescheid der belangten Behörde aufzuheben gehabt; eine über die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrags hinausgehende Entscheidungsbefugnis kommt dem LVwG nicht zu (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2014, Ra 2014/07/0002, 0003, mwN).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass wegen der Relevanz der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1994, 93/04/0238, vom 16. April 1998, 98/05/0040, vom 4. September 2003, 2003/17/0124, vom 7. November 2012, 2012/18/0093, und vom 26. Juni 2014, Ra 2014/03/0004), auch der Fall eintreten kann, wo ein ursprünglich zulässiger Antrag durch eine Änderung der Sachlage unzulässig wird und zurückgewiesen werden muss (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 1990, 90/05/0017, vom 4. November 1996, 96/10/0148, vom 10. Juni 2002, 2002/17/0063, und vom 19. Februar 2003, 2002/12/0324).

9. Das angefochtene Erkenntnis war aus den oben dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Auf die geltend gemachten Verfahrensmängel war daher nicht weiter einzugehen.

Ob der zwischenzeitig erfolgten Einstellung des mehrfach erwähnten Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission im fortgesetzten Verfahren Bedeutung zukommt, wird das LVwG zu prüfen haben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

10. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. Nr. 518 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 8/2014.

Wien, am 28. Mai 2015

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