VwGH 2003/17/0124

VwGH2003/17/01244.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der R KG in P, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Graz) vom 6. März 2003, Zl. RV/0650- G/02, betreffend Vergütung von Energieabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

11997E088 EG Art88 Abs3;
11997E249 EG Art249;
61973CJ0120 Lorenz GmbH VORAB;
61988CJ0103 Fratelli Costanzo Spa VORAB;
61990CJ0354 FNCE VORAB;
61994CJ0039 SFEI VORAB;
61997CJ0224 Ciola VORAB;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BAO §93 Abs2;
EURallg;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §26a Abs1;
VwGG §26a Abs3 Z1;
VwGG §26a Abs3 Z2;
VwGG §26a Abs4;
VwRallg;
11997E088 EG Art88 Abs3;
11997E249 EG Art249;
61973CJ0120 Lorenz GmbH VORAB;
61988CJ0103 Fratelli Costanzo Spa VORAB;
61990CJ0354 FNCE VORAB;
61994CJ0039 SFEI VORAB;
61997CJ0224 Ciola VORAB;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BAO §93 Abs2;
EURallg;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §26a Abs1;
VwGG §26a Abs3 Z1;
VwGG §26a Abs3 Z2;
VwGG §26a Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, vertreten durch eine Steuerberatungsgesellschaft, beantragte mit am 9. August 2002 beim Finanzamt Liezen eingelangten Anträgen die Vergütung von Energieabgaben für die Zeiträume Jänner bis Oktober 1998, November 1998 bis Oktober 1999, November 1999 bis Oktober 2000 und November 2000 bis Oktober 2001.

Mit Bescheid des Finanzamtes Liezen vom 28. August 2002 wurden diese Anträge abgewiesen.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, B 2251/97, im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 8. November 2001, Rs C-143/99 , Adria-Wien Pipeline, ausgesprochen, dass das Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 (im Folgenden: EnAbgVG) nicht anzuwenden gewesen sei, weil die dort vorgesehenen Regelungen der Europäischen Kommission nicht als Beihilfe notifiziert worden seien. Nunmehr habe jedoch die Europäische Kommission (rückwirkend) diese Regelungen für den Zeitraum vom 1. Juni 1996 bis zum 31. Dezember 2001 als zulässige staatliche Beihilfe genehmigt. Damit sei für diesen Zeitraum das Energieabgabenvergütungsgesetz anzuwenden. Da § 2 Abs. 1 EnAbgVG den Vergütungsanspruch auf Produktionsbetriebe beschränke, seien die Anträge der Beschwerdeführerin, die kein Produktionsbetrieb sei, abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch die bereits erwähnte Steuerberatungsgesellschaft, Berufung. Sie vertrat die Auffassung, infolge der rückwirkenden Genehmigung des EnAbgVG durch die Europäische Kommission sei die Einschränkung des genehmigten (und damit erst rückwirkend gültig gewordenen) Gesetzes auf Produktionsbetriebe verfassungswidrig.

Mit dem am 7. März 2003 ausgegebenen BGBl. II Nr. 170/2003 machte der Bundeskanzler gemäß § 26a Abs. 2 VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 124/2002 Folgendes kund:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat am 30. Jänner 2003, dem Bundeskanzler zugestellt am 11. Februar 2003, in den zu den Zlen. 2003/17/0001, 0004, 0025, 0053 anhängigen Verfahren gemäß § 26a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985, BGBl. Nr. 10, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 124/2002 folgenden Beschluss gefasst:

1. Es besteht im Sinne des § 26a Abs. 1 VwGG Grund zur Annahme, dass beim Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Beschwerden von Dienstleistungsunternehmen eingebracht werden wird, in denen die Rechtsfrage zu lösen ist, ob ein Bescheid, der die Vergütung von Energieabgaben auf Grund des § 2 Abs. 1 des Energieabgabenvergütungsgesetzes in der Stammfassung dieser Bestimmung nach dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996, bzw. in ihrer Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 797/1996 versagt, rechtswidrig ist, weil der Anwendung der genannten Gesetzesbestimmung (in diesen beiden Fassungen) auch unter Berücksichtigung der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 22. Mai 2002, C (2002) 1890fin, kundgemacht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Juli 2002, C 164, Seite 4, der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts entgegen steht.

2. Zur Beantwortung der in Z 1 genannten Rechtsfrage hat der Verwaltungsgerichtshof folgende Rechtsvorschriften anzuwenden:

§ 2 Abs. 1 des Energieabgabenvergütungsgesetzes in den Fassungen dieser Bestimmung durch die Bundesgesetze BGBl. Nr. 201/1996 und BGBl. Nr. 797/1996; Art. 88 (ex-Art. 93) EG-Vertrag sowie die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrags, insbesondere deren Kapitel II.

3. Der Verwaltungsgerichtshof wird die in Z 1 genannte Rechtsfrage in den zu den Zlen. 2003/17/0001, 0004, 0025, 0053 anhängigen Beschwerdeverfahren beantworten."

Mit dem von der belangten Behörde durch ein Einzelmitglied erlassenen, am 6. März 2003 genehmigten angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes Liezen vom 28. August 2002 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei als Seilbahnunternehmen ein Dienstleistungsbetrieb. Gemäß § 2 Abs. 1 EnAbgVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 797/1996 bestehe ein Anspruch auf Vergütung nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe.

Nach dieser gesetzlichen Regelung stehe der Beschwerdeführerin kein Anspruch auf Vergütung von Energieabgaben zu. Bemerkt werde, dass die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit abgabenrechtlicher Bestimmungen nicht Aufgabe der belangten Behörde sei. Überdies habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 2002, B 1348/02, die von der Beschwerdeführerin gehegten Gleichheitsbedenken nicht geteilt.

Nach dem in der Gegenschrift unbestrittenen und mit der Aktenlage übereinstimmenden Vorbringen der Beschwerdeführerin erfolgte die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 10. März 2003.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich zum einen in ihrem Recht auf Energieabgabenvergütung, zum anderen in ihrem Recht darauf verletzt, dass nach Ablauf des Tages der Kundmachung eines Beschlusses nach § 26a VwGG keine Sachentscheidung mehr getroffen werden dürfe. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 26a VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 124/2002 lautet:

"§ 26a. (1) Ist beim Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide nach Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG anhängig, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind, oder besteht Grund zur Annahme, dass eine erhebliche Anzahl solcher Beschwerden eingebracht werden wird, so kann der Verwaltungsgerichtshof dies mit Beschluss aussprechen. Ein solcher Beschluss hat zu enthalten:

1. die in diesem Verfahren anzuwendenden

Rechtsvorschriften;

2. die auf Grund dieser Rechtsvorschriften zu lösenden

Rechtsfragen;

3. die Angabe, welche der Beschwerden der

Verwaltungsgerichtshof behandeln wird.

Die Beschlüsse werden von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat gefasst.

(2) Beschlüsse gemäß Abs. 1 verpflichten, soweit sich die zu lösenden Rechtsfragen auf Grund von Gesetzen, gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG genehmigten Staatsverträgen oder Staatsverträgen gemäß Art. 16 Abs. 1 B-VG, die gesetzesändernd oder gesetzesergänzend sind, ergeben, den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann, im Übrigen die zuständige oberste Behörde des Bundes oder des Landes zu ihrer unverzüglichen Kundmachung.

(3) Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses gemäß Abs. 1

1. dürfen in allen Rechtssachen, in denen eine zur

Entscheidung in oberster Instanz berufene Verwaltungsbehörde die im Beschluss genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hat, nur solche Handlungen vorgenommen oder Entscheidungen und Verfügungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten;

2. beginnt für Rechtssachen nach Z 1 die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 nicht zu laufen und wird eine laufende Beschwerdefrist unterbrochen;

3. dürfen in allen beim Verwaltungsgerichtshof

anhängigen Verfahren gemäß Abs. 1, die im Beschluss gemäß Abs. 1 nicht genannt sind, nur solche Handlungen vorgenommen oder Entscheidungen und Verfügungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(4) In seinem Erkenntnis fasst der Verwaltungsgerichtshof die Antwort auf die zu lösenden Rechtsfragen in einem Rechtssatz zusammen, der nach Maßgabe des Abs. 2 unverzüglich kundzumachen ist. Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Rechtssatzes enden die Wirkungen des Abs. 3 Z 1 und 3 und beginnt die gemäß Abs. 3 Z 2 gehemmte oder unterbrochene Beschwerdefrist zu laufen."

Aus den Gesetzesmaterialien zur Einfügung des § 26a in das VwGG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 124/2002 (vgl. hiezu AB 1258 BlgNR XXI. GP) geht hervor, dass die in Rede stehende Gesetzesbestimmung aus folgenden Gründen geschaffen wurde:

"Dem gegenständlichen Antrag liegt die Überlegung zu Grunde, so genannte Massenverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu verhindern, ohne allerdings den Rechtsschutz selbst zu beeinträchtigen. Zu diesem Zweck wird die analoge Lösung angestrebt, die bereits vor geraumer Zeit zur Vermeidung von Massenverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof initiiert wurde, allerdings auf Grund der erforderlichen Verfassungsänderung noch nicht beschlossen werden konnte. Um nunmehr die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtshofes trotz der für Frühjahr 2002 drohenden Flut von Beschwerden auch weiterhin garantieren zu können, soll daher der gegenständliche Antrag, welcher mit dem Verwaltungsgerichtshof akkordiert ist, vorrangig behandelt werden.

Der Grundgedanke besteht darin, dass dann, wenn vor dem Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Verfahren zu erwarten ist, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind, der Bundeskanzler bzw. der Landeshauptmann einen diesbezüglichen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes kundmacht. Dies hat die Wirkung, dass letztinstanzliche Verwaltungsverfahren, in denen die dem Beschluss zu Grunde liegende Norm anzuwenden ist, unterbrochen werden. Erst wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Rechtsfrage kundgemacht wird, sind diese Verwaltungsverfahren fortzusetzen."

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach § 26a VwGG der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde auch bei Zutreffen der Beschwerdebehauptung, es liege eine Rechtssache nach § 26a Abs. 3 Z 1 VwGG vor, nicht entgegen stünde. Zwar ordnet Z 2 der zitierten Gesetzesbestimmung an, dass mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 26a Abs. 1 VwGG für Rechtssachen nach § 26a Abs. 3 Z 1 leg. cit. die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG nicht zu laufen beginnt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Beschwerde gegen einen - wie hier durch Zustellung am 10. März 2003 - bereits erlassenen Bescheid diesfalls unzulässig wäre. Bei der durch § 26a Abs. 3 Z 2 und Abs. 4 zweiter Satz VwGG für bereits erlassene Bescheide dahin modifizierten Frist des § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG, dass sie nicht zu laufen (abzulaufen) beginnt, handelt es sich nämlich um eine ausschließlich rechtsvernichtende Frist, welche bewirkt, dass das Recht zur Erhebung einer Beschwerde verwirkt wird, wenn es nicht fristgerecht ausgeübt wird (vgl. zum Gegensatz zwischen rechtsbegründenden und rechtsvernichtenden Fristen Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 485 f). Demgegenüber begründet bereits die Zustellung des Verwaltungsaktes, und zwar unabhängig davon, ob durch sie schon die Frist des § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG ausgelöst wird, das Recht zur Erhebung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Diese Auslegung trifft im Besonderen auf den vorliegenden Fall zu, in welchem die Beschwerdeführerin - wie im Folgenden noch darzulegen sein wird, zu Recht - geltend macht, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid unter Verletzung der Anordnung des § 26a Abs. 3 Z 1 VwGG erlassen hat.

Zur inhaltlichen Berechtigung der Beschwerde:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich der Spruch eines Bescheides auf den Sachverhalt zu beziehen, der im Zeitpunkt der Erlassung bestand. Er hat weiters der im Zeitpunkt der Erlassung herrschenden Rechtslage zu entsprechen. Demnach ist eine Änderung der relevanten Sach- oder Rechtslage zwischen Unterfertigung und Zustellung des Bescheides zu berücksichtigen (vgl. die bei Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 413, wiedergegebene Rechtsprechung).

Da der angefochtene Bescheid vorliegendenfalls am 10. März 2003 - also nach Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2003 - durch Zustellung erlassen wurde, verstößt er dann gegen § 26a Abs. 3 Z 1 VwGG, wenn die belangte Behörde als in oberster Instanz berufene Verwaltungsbehörde in der gegenständlichen Rechtssache die im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hatte, zumal die endgültige Erledigung der Rechtssache durch Erlassung der Berufungsentscheidung zweifelsohne keine solche Handlung, Entscheidung oder Verfügung ist, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden könnte oder die die Frage nicht abschließend regelt und keinen Aufschub gestattet.

Vorliegendenfalls hatte die belangte Behörde die im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2003 angeführten Rechtsvorschriften anzuwenden und die dort genannte Rechtsfrage zu beurteilen:

Gemäß Art. 88 Abs. 3 dritter Satz EG und der hiezu ergangenen Rechtsprechung des EuGH besteht hinsichtlich notifizierter Beihilfen, aber auch hinsichtlich nicht notifizierter, als Beihilfen zu qualifizierender Maßnahmen eine Sperrwirkung, das so genannte "Durchführungsverbot". Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass die nationalen Gerichte die unmittelbare Wirkung des in Art. 88 Abs. 3 dritter Satz EG ausgesprochenen Verbotes der Durchführung von beabsichtigten Beihilfemaßnahmen zu beachten haben. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die unmittelbare Anwendbarkeit des in diesem Artikel enthaltenen Durchführungsverbotes jede Beihilfemaßnahme betrifft, die durchgeführt wird, ohne dass sie angezeigt worden ist oder die im Falle der Anzeige während der Vorprüfungsphase oder, falls die Kommission ein förmliches Verfahren einleitet, vor Erlassung der abschließenden Entscheidung durchgeführt wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. März 2003, Zl. 2000/17/0084, Punkt 3.2.3., mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH).

Im Übrigen sind auch nicht als "nationale Gerichte" im Verständnis des Gemeinschaftsrechtes zu qualifizierende Verwaltungsbehörden nach der Rechtsprechung des EuGH verpflichtet, eine innerstaatliche Rechtsvorschrift gegebenenfalls nicht anzuwenden, wenn sie nach den vom EuGH entwickelten Grundsätzen als von der unmittelbar anwendbaren europarechtlichen Vorschrift verdrängt anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1999, Zl. 97/17/0501 bis 0503, mit Hinweis auf die Urteile des EuGH vom 22. Juni 1989, Rs. 103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839, Rdnr. 28 bis 33, und vom 29. April 1999, Rs. C-224/97 , Ciola). Die zur unmittelbaren Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch Verwaltungsbehörden getroffenen Aussagen gelten grundsätzlich auch im Zusammenhang mit der Beachtung unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet des Beihilfenrechts.

Daraus folgt aber, dass die belangte Behörde ein allenfalls bestehendes "Durchführungsverbot" gemäß Art. 88 Abs. 3 dritter Satz EG vorliegendenfalls zu beachten gehabt hätte, und zwar unabhängig davon, ob sie nun als "nationales Gericht", oder aber als Verwaltungsbehörde im Verständnis des Gemeinschaftsrechtes zu qualifizieren ist. Zwar hat sich die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung nicht auf das Bestehen eines Durchführungsverbotes gemäß Art. 88 Abs. 3 EG berufen, weil sie dort - anders als in der nunmehr vorliegenden Beschwerde - die Rechtsauffassung vertrat, die Entscheidung der Europäischen Kommission habe die - ursprünglich dem Art. 88 Abs. 3 EG widersprechende - Bestimmung des § 2 Abs. 1 EnAbgVG (in der Fassung BGBl. Nr. 797/1996) rückwirkend saniert. Da das Abgabenverfahren nach der BAO aber keine wirksame "Außerstreitstellung" von Rechtsfragen vorsieht, war die belangte Behörde ungeachtet der in der Berufung vertretenen Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin von Amts wegen verpflichtet, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob der Anwendung des § 2 Abs. 1 EnAbgVG in der vorzitierten Fassung auch unter Berücksichtigung der in Rede stehenden Entscheidung der Europäischen Kommission der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts entgegen steht oder nicht. In diesem Zusammenhang hätte die belangte Behörde auch die unter Z 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2003 angeführten Rechtsvorschriften anzuwenden gehabt.

Aus dem Vorgesagten folgt aber, dass das Verbot des § 26a Abs. 3 Z 1 VwGG durch die Erlassung des angefochtenen Bescheides verletzt wurde. Anders als die belangte Behörde meint, begründet eine Verletzung dieses Verbotes eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Verständnis des § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG, weil - ohne dass es weiterer Verfahrensschritte bedurfte - unzweifelhaft fest steht, dass der angefochtene Bescheid nach den im Zeitpunkt seiner Erlassung geltenden Bestimmungen nicht hätte ergehen dürfen. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem in der vorliegenden Abgabenangelegenheit nicht entgegen.

Bemerkt wird, dass § 26a Abs. 3 Z 3 VwGG der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen steht, weil dadurch keine Präjudizierung der in Z 1 des Beschlusses vom 30. Jänner 2003 aufgeworfenen Fragen erfolgt.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen. Wien, am 4. September 2003

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