VwGH 2009/07/0198

VwGH2009/07/019822.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des Bundesamtes für Ernährungssicherheit in 1220 Wien, Spargelfeldstraße 191, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 29. Oktober 2009, Zl. VwSen-200355/21/SR/Sta, VwSen-200356/18/SR/Sta, VwSen- 200357/18/SR/Sta, VwSen-200358/18/SR/Sta, VwSen-200359/18/SR/Sta, VwSen-200360/18/SR/Sta, VwSen-200361/18/SR/Sta, VwSen- 200362/18/SR/Sta, VwSen-200363/18/SR/Sta, VwSen-200364/18/SR/Sta, VwSen-200365/18/SR/Sta, VwSen-200366/18/SR/Sta, VwSen- 200367/18/SR/Sta, betreffend Einstellung von Verwaltungsstrafverfahren nach dem PMG (weitere Partei:

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; mitbeteiligte Partei: H S in H), zu Recht erkannt:

Normen

31991L0156 Nov-31975L0442;
62000CJ0009 Palin Granit Oy VORAB;
AVG §56;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §79 Abs1 Z2;
AWG 2002 §79 Abs1;
EURallg;
PMG 1997 §2 Abs10 idF 2007/I/055;
PMG 1997 §3;
PMG 1997 §34 Abs1 idF 2007/I/055;
PMG 1997 §34 Abs1 Z1 lita idF 2007/I/055;
VStG §30 Abs2;
VStG §45 Abs1 Z1;
VStG §45 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
31991L0156 Nov-31975L0442;
62000CJ0009 Palin Granit Oy VORAB;
AVG §56;
AWG 2002 §2 Abs1;
AWG 2002 §79 Abs1 Z2;
AWG 2002 §79 Abs1;
EURallg;
PMG 1997 §2 Abs10 idF 2007/I/055;
PMG 1997 §3;
PMG 1997 §34 Abs1 idF 2007/I/055;
PMG 1997 §34 Abs1 Z1 lita idF 2007/I/055;
VStG §30 Abs2;
VStG §45 Abs1 Z1;
VStG §45 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Am 16. Jänner 2008 führte ein Kontrollorgan des Bundesamtes für Ernährungssicherheit (im Folgenden: BAES) eine Kontrolle des Geschäftsraumes der Firma H S Landesprodukte und Baustoffe durch; der Mitbeteiligte ist handelsrechtlicher Geschäftsführer dieses Unternehmens.

Bei der Kontrolle war der Vater des Mitbeteiligten anwesend und teilte über Nachfrage mit, dass im Keller des Wohnhauses weitere Pflanzenschutzmittel gelagert würden. Bei der im Geschäftslokal und im Keller vorgenommenen Kennzeichnungskontrolle wurden "im landwirtschaftlichen PSM-Verkaufslager" 18 Produkte überprüft. Davon war bei elf im Keller vorgefundenen Pflanzenschutzmitteln die Zulassung aufgehoben bzw. hatte die Zulassung durch Zeitablauf geendet; darüber hinaus war das Ende der Abverkaufsfrist seit Jahren bzw. Jahrzehnten abgelaufen. An keinem der kontrollierten Pflanzenschutzmittel war eine Kennzeichnung angebracht, die auf eine besondere Verwendung hingewiesen hätte. Diese Produkte wurden vorläufig beschlagnahmt.

Am 17. Jänner 2008 wurde die Kontrolle fortgesetzt, wiederum in Anwesenheit des Vaters der mitbeteiligten Partei. Zunächst wurden dabei die am 16. Jänner 2008 vorläufig beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel "formell vorläufig beschlagnahmt". Festgehalten wurde vom Kontrollorgan, dass das "Kellerlager im Wohnhaus bzw. Geschäftslokal" das einzige Pflanzenschutzmittel-Lager für landwirtschaftliche Pflanzenschutzmittel an der kontrollierten Adresse sei. In diesem Kellerlager seien auch andere Verkaufsprodukte gelagert, so z.B. Arbeitsbekleidung, Düngemittel, Futtermittel, Büroutensilien und Buchhaltungsunterlagen. Das Pflanzenschutzmittel-Lager, also der Keller, sei ein Verkaufslager des kontrollierten Betriebes. Dazu gab der Vater der mitbeteiligten Partei zu Protokoll, dass die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel zum Teil zur Entsorgung vorgesehen gewesen seien. Aus verschiedenen Gründen sei eine Entsorgung bisher aber nicht durchgeführt worden. Weitere auswärtige Lager oder Betriebsstandorte gebe es nicht. Es würden sehr wenige Pflanzenschutzmittel eingekauft, da sich der Markt verändert habe.

Mit Schreiben vom 21. Jänner 2008 erstattete das BAES bei der Bezirkshauptmannschaft B (im Folgenden: BH) Anzeigen gemäß § 3 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (im Folgenden: PMG) hinsichtlich der bei der ersten Kontrolle vorgefundenen elf Pflanzenschutzmittel.

Am 5. Februar 2008 fand eine weitere Kontrolle statt, während der zwei weitere Pflanzenschutzmittel vorläufig beschlagnahmt wurden. Mit Schreiben vom 7. Februar 2008 erstattete das BAES bei der BH weitere Anzeigen gemäß § 3 PMG hinsichtlich der am 5. Februar 2008 vorgefundenen zwei Pflanzenschutzmittel.

Am 6. März 2008 wurden der Mitbeteiligte und sein Vater von der BH niederschriftlich befragt. Dabei führte der Mitbeteiligte aus, dass es sich bei den Räumlichkeiten im Keller nicht um ein Verkaufslager, sondern um ein Archiv zur Aufbewahrung der Ordner für die Buchhaltung handle, in das die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel verbracht worden seien, weil die Zulassung aufgehoben worden sei und diese daher nicht mehr verkauft werden hätten können; bei Gelegenheit hätten sie den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend entsorgt werden sollen.

Der Vater der mitbeteiligten Partei bestätigte diese Aussagen. Bei den Räumlichkeiten im Keller handle es sich um ein Archiv zur Aufbewahrung der Ordner der Buchhaltung der abgelaufenen zehn Jahre. Dies sei auch auf einem von den Kontrollorganen aufgenommenen Lichtbild ersichtlich, auf welchem die Ordner neben den abgelaufenen Pflanzenschutzmitteln zu sehen seien. Die Pflanzenschutzmittel seien im Keller, da sie wegen der zwischenzeitig aufgehobenen Zulassungen nicht mehr verkauft, sondern bei Gelegenheit den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend entsorgt werden sollten. Es handle sich bei diesem Raum um ein Kellerarchiv. Der eigentliche Verkaufsraum samt Lager befinde sich im Erdgeschoss. Die für den Verkauf bestimmten Pflanzenschutzmittel würden dort gelagert, was dem Kontrollorgan auch mitgeteilt worden sei.

Mit Schreiben vom 13. August 2008 brachte das BAES unter anderem vor, dass die Pflanzenschutzmittel lagernd vorgefunden und dadurch in Verkehr gebracht worden seien. Die Behauptung, dass die Pflanzenschutzmittel bei Gelegenheit entsorgt würden, sei eine reine Schutzbehauptung, denn ein ordentlicher Pflanzenschutzmittelhändler hätte diese Pflanzenschutzmittel schon längst entsorgen lassen. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Lagerung zum Zwecke des Verkaufs, und nicht zum Zwecke der Entsorgung stattgefunden habe. Hinsichtlich der Aussage des Vaters des Mitbeteiligten wurde dargelegt, dass dieser alle Bescheinigungen gemäß § 29 Abs. 6 PMG unterzeichnet habe, in welchen angeführt sei, dass das gegenständliche Pflanzenschutzmittel "im Verlaufe der Kennzeichnungskontrolle im Pflanzenschutzmittel-Verkaufslager des kontrollierten Betriebes vorgefunden" worden sei. Auch aus den Inspektionsberichten, die ebenfalls vom Vater der mitbeteiligten Partei unterzeichnet worden seien, gehe hervor, dass der Kellerraum ein Verkaufslager sei. Insgesamt bleibe somit der begründete Verdacht gegenüber der mitbeteiligten Partei weiterhin aufrecht.

Am 29. Oktober 2008 wurden zwei im Betrieb tätige Zeuginnen von der BH niederschriftlich befragt.

Die erste Zeugin (P.H.) gab dabei an, dass sie seit zehn Jahren im Betrieb der mitbeteiligten Partei im Büro bzw. im Verkauf tätig sei. Die Kontrollen, bei welchen sie im Verkaufsraum bzw. im Büro gewesen sei, seien jeweils im eigentlichen Verkaufsraum erfolgt. Die Pflanzenschutzmittel im Keller seien dort zur Entsorgung gelagert worden. Sie befänden sich noch dort, weil eine Rücknahme durch die Lieferfirmen nicht möglich gewesen sei. Beim Kellerraum handle es sich um kein Verkaufslager, sondern um einen Archivraum zur Aufbewahrung von Ordnern aus dem Büro, von diversem Büromaterial, von Werbeartikeln und eben von zur Entsorgung bestimmten abgelaufenen Pflanzenschutzmitteln. Die zum Verkauf bestimmten Waren befänden sich im Verkaufsraum. Es würden an Pflanzenschutzmittel etc. nur jene Mengen eingekauft, die über die Sommersaison auch verkauft würden. Eine separate Lagerung von Waren, die zum Verkauf bestimmt seien, erfolge nicht. Warum das Kontrollorgan den Kellerraum als "Verkaufslagerraum" bezeichnet habe, sei unerklärlich.

Die zweite Zeugin (I.S.) erklärte, seit Jänner 1980 im Betrieb der mitbeteiligten Partei im Büro bzw. Verkaufsraum tätig zu sein. Der weitere Inhalt ihrer niederschriftlichen Aussage stimmte mit jener von P.H. überein.

Mit Bescheid vom 9. Jänner 2009 wurde das Strafverfahren gegen die mitbeteiligte Partei von der BH gemäß § 45 Abs. 1 und 2 VStG eingestellt. Nach einer Darlegung des Sachverhaltes führte die BH begründend aus, dass dem Beschuldigten nach wie vor nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden könne, dass er die Pflanzenschutzmittel zum Verkauf angeboten habe; stattdessen sei die Lagerung zur Entsorgung erfolgt, sodass die Einstellung des Verfahrens zu verfügen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob das BAES mit Schreiben vom 28. Jänner 2009 Berufung.

Die belangte Behörde hielt am 15. Oktober 2009 eine mündliche Verhandlung ab. Dabei brachte der Mitbeteiligte zunächst vor, dass die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel von seinem Vater eingekauft worden seien. Sie stammten aus der Zeit vor der Geschäftsübernahme durch den Mitbeteiligten. Er gehe davon aus, dass sein Vater die Pflanzenschutzmittel im Keller gelagert habe. Der Raum befinde sich im Privatkeller des unterkellerten Wohnhauses. Im Erdgeschoß befänden sich die Geschäftsräume samt Pflanzenschutzmittellager. Die Räume im Keller hätten mit dem Unternehmen nichts zu tun, die Pflanzenschutzmittel seien nicht mehr zum Verkauf gestanden und auch nicht mehr im Angebot gewesen. Der Verkauf sei stetig zurückgegangen, bis zu dem Zeitpunkt, wo überhaupt nichts mehr verkauft worden sei. Ab diesem Zeitpunkt seien die Sachen aus den Geschäftsräumlichkeiten entfernt und vom "Vorgänger" in den Keller geräumt worden.

Der Mitbeteiligte sei seit dem 1. Jänner 2006 Geschäftsführer des Unternehmens. Zum Zeitpunkt der Übernahme hätten sich die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel bereits im Keller befunden. Der Keller gehöre nicht zu den Betriebsräumlichkeiten. Jeder Unternehmens- und Familienangehörige könne über die Stiege in den Keller gehen. Der Abgang befinde sich im Privatbereich und könne von Außenstehenden nicht betreten werden. Er wisse nicht, ob auch noch zugelassene Pflanzenschutzmittel im Keller gelagert seien, er sei aber der Meinung, dass dem nicht so sei.

Seit er Geschäftsführer sei, habe er keine Pflanzenschutzmittel angekauft und dort gelagert. Die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel seien mit dem Übergang der Betriebsmittel und sämtlicher Gegenstände auf ihn übergegangen, sodass er diesbezüglich verantwortlich und verfügungsberechtigt sei. Ein Pflanzenschutzmittellager befinde sich im Geschäftsraum, es befinde sich dort eine Stellage mit Schütten, in der die Pflanzenschutzmittel aufgestellt seien. Man habe nur ganz geringe Mengen im Angebot gehabt, maximal vier bis fünf Kartons befänden sich im Regal. Eingekauft werde in etwa der Jahresbedarf, der ausschließlich im Geschäftslokal gelagert werde. Zur nicht vorgenommenen Entsorgung erklärte die mitbeteiligte Partei: "Aus den Augen aus dem Sinn."

Auf Befragen durch die Vertreterin des BAES führte der Mitbeteiligte aus, dass die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel nicht zu seiner Zeit gelagert und auch nicht von ihm angekauft worden seien, was durch die Buchhaltung bestätigt werden könne, ebenso, dass sie nicht verkauft worden seien. In den Regalen seien auch Farbdosen gewesen, die Jahrzehnte nicht benötigt worden und mittlerweile erhärtet seien.

Der Kontrolleur des BAES gab in seiner Aussage unter anderem an, dass er den Vater der mitbeteiligten Partei gefragt habe, ob es ein "weiteres Pflanzenschutzmittellager" neben jenem im Geschäftsraum selbst gebe. Daraufhin habe ihn der Vater der mitbeteiligten Partei zum gegenständlichen Kellerraum geführt. Um dorthin zu gelangen, habe man vermutlich Privaträumlichkeiten, nämlich ein Stiegenhaus, passieren müssen. Die beiden Türen dorthin seien nicht versperrt gewesen. Die einzelnen Pflanzenschutzmittel seien gut angeordnet gewesen, wobei sich zugelassene neben nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln befunden hätten. Seine Wahrnehmung richte sich nicht besonders darauf, wann ein Produkt zugelassen und wann es hergestellt worden sei, sodass er nicht sagen könne, ob die zugelassenen Produkte erst vor kurzem oder schon jahrelang im Keller gelagert worden seien. Der Vater der mitbeteiligten Partei habe die Lagerung im Keller damit begründet, dass der Raum frostfrei sei. Er habe auch die Bescheinigungen vor Unterfertigung durchgelesen.

Über Nachfrage der Vertreterin des BAES erklärte der Zeuge schließlich, dass es keinen Hinweis darauf gegeben habe, dass er sich im Kellerraum bzw. im Stiegenhaus im Privatbereich des Hauses befunden habe.

I.S. sagte ebenfalls als Zeugin aus und erklärte dabei unter anderem, dass sie von den Produkten, die sich im Keller befänden, nicht einmal die Namen wisse. Der Umsatz bei Pflanzenschutzmitteln sei allgemein sehr gering. Seit der Übernahme hätte sich das Unternehmen kaum mehr oder überhaupt nicht mehr mit Landwirtschaftsprodukten beschäftigt, da dieses Geschäft rückläufig gewesen sei. Bei Anrufen von Landwirten zu bestimmten Produkten, darunter auch jenen im Keller, würden diese an andere Geschäfte mit dem Hinweis weiter verwiesen, dass sie vom gegenständlichen Unternehmen nicht mehr geführt würden. Von den Pflanzenschutzmitteln im Keller gäbe es auch keine Inventarlisten.

Über Vorhalt der Vertreterin des BAES, dass entgegen der Aussage der Zeugin, es seien im Keller nur abgelaufene Produkte gewesen, auf einem Lichtbild auch ein noch zugelassenes Produkt zu sehen sei, erwiderte die Zeugin I.S., dass sie vergessen habe, dass sich dieses Produkt im Keller befinde. Sie wisse auch nicht, wer es zu welchem Zeitpunkt dorthin verbracht habe. Im Falle eines Verkaufes hätte sie auch nicht dort nachgesehen. Es sei im Übrigen auszuschließen, dass die abgelaufenen Produkte tatsächlich verkauft worden seien, da dies den Buchhaltungsunterlagen zu entnehmen gewesen wäre.

Schließlich wurde die Zeugin P.H. vernommen, die unter anderem erklärte, dass sie ständig in den gegenständlichen Kellerraum komme, da sich dort die Büroartikel befänden. Sie hätte die Pflanzenschutzmittel dort auch gesehen, aber nicht angegriffen. Ihrer Erinnerung nach seien diese schon "ewig" im Keller. Sie selbst arbeite seit etwa zehn Jahren für das Unternehmen, und während dieser Zeit habe sie keine Pflanzenschutzmittel in diesen Raum zum Lagern gegeben. Die Pflanzenschutzmittel im Keller seien auch nicht zum Verkauf bestimmt gewesen. Wer diese dort aufbewahrt habe, könne sie nicht angeben, wobei sie nicht glaube, dass die mitbeteiligte Partei sie dort abgelegt habe. Vor Jahren hätte der Vater der mitbeteiligten Partei einmal beiläufig erwähnt, dass die Pflanzenschutzmittel im Keller entsorgt gehörten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Oktober 2009 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Nach einer Darstellung des bisherigen Verfahrensganges führte die belangte Behörde zunächst unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Zeugenaussagen aus, dass die Aussagen der mitbeteiligten Partei und die der Mitarbeiterinnen im Wesentlichen glaubwürdig und nachvollziehbar seien. Indizien für die überlange Lagerung seien beispielsweise die Preisauszeichnung in österreichischen Schilling auf einem Pflanzenschutzmittel und die stark verstaubten Gebinde und Schachteln, wie auf den Lichtbildern ersichtlich sei. Eine genaue Betrachtung eines der Lichtbilder zeige, dass ein dort gelagertes und nach wie vor zum Verkauf stehendes und zugelassenes Pflanzenschutzmittel mit einer deutlichen (dunkelgrauen) Schmutzschicht überlagert sei. Die Schmutzschicht lasse den Schluss zu, dass die für den Einkauf zuständigen Zeuginnen vom Vorhandensein dieses Produktes im Keller keine Kenntnis gehabt hätten, dieses Pflanzenschutzmittel stattdessen je nach Bedarf gekauft und in den Geschäftsräumlichkeiten gelagert hätten. Es sei nach den Aussagen der Zeugen von einer Lagerung zur Entsorgung auszugehen.

Die belangte Behörde ging von der Glaubwürdigkeit der Zeugen und davon aus, dass deren Darstellung keine Schutzbehauptung sei. Es widerspräche jeder Lebenserfahrung, dass die jahrelang in äußerst geringen Mengen, teilweise stark verstaubten, nicht in Inventarlisten erfassten und dem Verkaufspersonal nicht einmal ansatzweise bekannten Pflanzenschutzmittel zum Zweck des Verkaufs gelagert worden seien.

Weiters führte die belangte Behörde in der Sache nach Zitierung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des PMG weiter aus, dass § 34 Abs. 1 PMG eine Subsidiaritätsbestimmung enthalte, die im gegenständlichen Fall zum Tragen komme. Bei den gegenständlichen Pflanzenschutzmitteln handle es sich um Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002. Die Altbestände von Pflanzenschutzmitteln seien nach § 2 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Abfallverzeichnisverordnung in Verbindung mit ÖNORM S 2100, Schlüsselnummer 53103, als "gefährliche Abfälle" zu qualifizieren. Die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel seien nicht mehr zugelassen, die jeweiligen Zulassungen hätten in den Jahren 1989 bis 2006 geendet und das Ende der zulässigen Abverkaufsfrist sei bereits zum ersten Kontrollzeitpunkt um mehr als ein Jahr überschritten worden.

Damit habe der Mitbeteiligte seine Pflicht als Abfallbesitzer gemäß § 15 Abs. 5 AWG 2002 verletzt, da er zu einer entsprechenden Behandlung dieses Abfalles nicht berechtigt oder imstande gewesen sei und er ihn nicht rechtzeitig - nämlich innerhalb der vorgesehen Jahresfrist, wie der Formulierung "mindestens einmal im Jahr" zu entnehmen sei - einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zur Beseitigung bzw. zur Verwertung übergeben habe.

Entscheidend sei, dass § 34 Abs. 1 PMG anordne, dass diese Bestimmung nur gelte, wenn die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht sei; darin sei weiters ein Strafrahmen für die Geldstrafe bis zu EUR 14.530,--, im Wiederholungsfall bis zu EUR 29.070,-- vorgesehen. Demgegenüber sei die in § 79 Abs. 1 AWG 2002 genannte Tat mit einer Geldstrafe von EUR 730,-- bis EUR 36.340,-- zu bestrafen; damit sei die letztgenannte Strafe in Relation zu der des PMG als die strengere anzusehen. Dies bedeute, dass das angelastete Tatverhalten nach dem AWG 2002 zu ahnden gewesen wäre, sodass im Ergebnis zu Recht die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG zu verfügen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Das beschwerdeführende BAES beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich nicht am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 34 des1. PMG, BGBl. I Nr. 60/1997 in der im Zeitpunkt der Kontrolle geltenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 55/2007, lautet auszugsweise:

"§ 34. (1) Sofern1. die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

1. mit Geldstrafe bis zu 14 530 EUR, im Wiederholungsfall bis 29 070 EUR, wer

a) Pflanzenschutzmittel entgegen § 3 Abs. 1, 2 oder 4 in Verkehr bringt, ...."

Die maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002 lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(…)

4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

(…)

3. 'gefährliche Abfälle' jene Abfälle, die gemäß einer Verordnung nach § 4 als gefährlich festgelegt sind.

(…)

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1. ist 'Abfallbesitzer'

  1. a) der Abfallerzeuger oder
  2. b) jeder Person, welche die Abfälle innehat;

    2. (…)

    Abfallverzeichnis

§ 4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ermächtigt, mit Verordnung festzulegen:

(…)

2. die Abfallarten, die gefährlich sind; dabei sind die gefahrenrelevanten Eigenschaften gemäß Anhang 3 heranzuziehen; als gefährlich zu erfassen sind jene Abfallarten, welche im Verzeichnis im Sinne des Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle, ABl. Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S 20, in der Fassung der Richtlinie 94/31/EG , ABl. Nr. L 168 vom 2. 7. 1994, S 28, enthalten sind;

(…)

Allgemeine Pflichten von Abfallbesitzern

Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

(…)

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

  1. 1. hiefür genehmigten Anlagen oder
  2. 2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

    nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

(4) ….

(5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

(…)

Strafhöhe

§ 79. (1) Wer

1. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

2. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 5 nicht oder nicht rechtzeitig einem entsprechend Berechtigten übergibt,

(…)

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 EUR bis 36 340 EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3 630 EUR bedroht."

§ 4 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über ein Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnisverordnung) lautet auszugsweise:

"Abfallverzeichnis

§ 4. (1) Als gefährliche Abfälle gelten ab dem 1. Jänner 2009 jene Abfallarten, die in Anlage 2 mit einem Sternchen versehen sind. Die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart in Anlage 2 hat nach den in Anlage 1 festgelegten Zuordnungskriterien zu erfolgen. Sofern für die Zuordnung Untersuchungen erforderlich sind, haben diese gemäß Anlage 4 zu erfolgen.

(2) Bis zum 31. Dezember 2008 gelten jene Abfallarten der Anlage 5 und jene der ÖNORM S 2100 "Abfallkatalog", ausgegeben am 1. September 1997, und der ÖNORM S 2100/AC 1 "Abfallkatalog (Berichtigung)", ausgegeben am 1. Jänner 1998, erhältlich beim Österreichischen Normungsinstitut, Heinestraße 38, 1020 Wien, als gefährlich, die mit einem "g" versehen sind. Die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart in Anlage 5 hat nach den in Anlage 5 festgelegten Zuordnungskriterien zu erfolgen. Sofern für die Zuordnung Untersuchungen erforderlich sind, haben diese gemäß Anlage 4 zu erfolgen.

(…)"

Laut der ÖNORM S 2100 sind "Altbestände von Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln" mit der Ausnahme von jenen, die ausgestuft sind, mit dem Zusatz "g" versehen (Schlüssel-Nummer 53103).

2. Die belangte Behörde stützte ihre den angefochtenen Bescheid tragende Argumentation darauf, dass die Pflanzenschutzmittel Abfall seien, ein Verwaltungsstraftatbestand mit höherer Strafe nach dem AWG 2002 verwirklicht worden sei und deshalb die Subsidiaritätsklausel des § 34 Abs. 1 AWG 2002 greife. Maßgebliche Voraussetzung für diese Schlussfolgerung ist, dass es sich bei den abgelaufenen Pflanzenschutzmitteln um Abfall nach § 2 AWG 2002 handelt.

2.1. Die belangte Behörde stellte diesbezüglich im angefochtenen Bescheid fest, bei den Pflanzenschutzmitteln, die im Betrieb des Beschwerdeführers aufgefunden worden seien, handle es sich "zweifellos um Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002", somit um Abfall im subjektiven Sinn. Die Pflanzenschutzmittel, deren Zulassung abgelaufen sei, seien im Keller zum Zweck ihrer Entsorgung gelagert worden. Weitere begründende Ausführungen zur Frage, warum im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 gegeben seien, finden sich im angefochtenen Bescheid nicht.

Nun hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung vor dem Hintergrund der von ihr erhobenen Beweise überzeugend dargelegt, warum im gegenständlichen Fall nicht von einer Lagerung zum Zwecke des Verkaufs, sondern von einer Lagerung zum Zwecke der Entsorgung auszugehen ist. Das BAES hat auch keine Gründe aufgezeigt, die geeignet wären, die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Frage zu stellen. Vor dem Hintergrund des auf die Vollständigkeit des erhobenen Sachverhaltes und die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung abstellenden Prüfungskalküls des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu unter vielen das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, 94/07/0153) ist die Annahme der belangten Behörde, es sei nicht von einer Lagerung zum Zwecke des Verkaufs auszugehen, sondern von einer solchen zum Zwecke der Entsorgung, weil sich der Mitbeteiligte der Pflanzenschutzmittel habe entledigen wollen, nicht zu beanstanden.

2.2. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob ein solcher Tatbestand (Lagerung von beweglichen Sachen zum Zwecke der Entsorgung) auch den subjektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 verwirklicht.

Nach dieser Bestimmung kommt es darauf an, ob es sich um bewegliche Sachen handelt, "deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat." Im gegenständlichen Fall kann nur die erste Variante dieser Umschreibung eine Rolle spielen, weil unbestritten feststeht, dass sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Kontrolle durch das BAES der Pflanzenschutzmittel noch nicht entledigt hatte.

Folgt man nur dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Z 1 erste Variante AWG 2002, so scheint der Tatbestand erfüllt zu sein, ist doch davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer der Pflanzenschutzmittel "entledigen wollte." Dass er irgendwelche Schritte gesetzt hätte, diesen Willen in die Tat umzusetzen, wurde nicht festgestellt. Die Mittel, um die es geht, fanden sich trotz des "Willens zur Entsorgung" unverändert in seiner Gewahrsame (Keller).

An sich erscheint die Anknüpfung an einen bloß inneren und unter Umständen gar nicht Dritten gegenüber mitgeteilten Willensakt als maßgeblich für die Qualifikation als Abfall im subjektiven Sinn als unbrauchbar. Es kann aber im vorliegenden Fall dahin stehen, ob es Fälle gibt, in denen der bloße Willensentschluss, sich einer beweglichen Sache entledigen zu wollen, bereits die Abfalleigenschaft bewirkt. Der hier zu beurteilende Fall ist nämlich durch den zum Willensentschluss hinzutretenden Umstand gekennzeichnet, dass die beweglichen Sachen, um die es geht, nach dem PMG nicht mehr zulässigerweise verwendet werden können.

2.3. Dies aus folgenden Überlegungen:

Nach § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a PMG macht sich derjenige strafbar, der Pflanzenschutzmittel entgegen § 3 Abs. 1, 2 oder 4 in Verkehr bringt. Nach § 3 Abs. 1 PMG dürfen nur die Pflanzenschutzmittel, die nach dem PMG zugelassen sind, in Verkehr gebracht werden.

Sämtliche Pflanzenschutzmittel, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, waren im Zeitpunkt der Kontrolle (Jänner/Februar 2008) aber nicht (mehr) zugelassen; sie durften daher auch nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Der Mitbeteiligte konnte dieses Mittel daher zB nicht mehr verkaufen.

Nun stellt aber selbst die Lagerung bloß zum Zweck der Entsorgung eine Form des "Inverkehrbringens" dar und hätte nicht ohne aufrechte Zulassung stattfinden dürfen. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 10 PMG.

§ 2 Abs. 10 PMG lautete in der im Zeitpunkt der Kontrolle geltenden Fassung BGBl. I Nr. 55/2007:

"(10) 'Inverkehrbringen' ist das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere - insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder - sowie die Einfuhr aus Drittländern."

In den Materialien zur Änderung des PMG durch die Novelle BGBl. I Nr. 55/2007, XXIII. GP, 37 der Beilagen, Seite 22f., wird festgehalten:

"Zu Z 1 (§ 2 Abs. 10):

(…)

Mit der Aufnahme des 'Lagerns' in die Begriffsbestimmungen soll jede Art der Lagerung/Innehabung von Pflanzenschutzmitteln erfasst werden, die weder Herstellung oder Verwendung darstellt noch bereits durch einen spezifischen Tatbestand des § 2 Abs. 10 erfasst ist. Unter dem Begriff 'Lagern' ist insbesondere auch die Lagerung von Pflanzenschutzmitteln, die zur Entsorgung oder Rückgabe an den Abgeber bestimmt ist, zu verstehen."

Demnach stellte auch das Lagern von Pflanzenschutzmitteln, deren Zulassung abgelaufen ist, zum Zweck der Entsorgung im Zeitpunkt der Kontrolle ein "Inverkehrbringen" nach § 2 Abs. 10 PMG dar, welches nach § 3 PMG wiederum eine aufrechte Zulassung voraussetzt, widrigenfalls die Sanktion einer Verwaltungsstrafe droht.

Weil im gegenständlichen Fall bei allen Pflanzenschutzmitteln die Zulassung im Zeitpunkt der Kontrolle bereits abgelaufen war, war es dem Beschwerdeführer nicht mehr möglich, die Pflanzenschutzmittel in irgendeiner Form rechtmäßigerweise in Verkehr zu bringen.

Im angefochtenen Bescheid ist auch von der "Abverkaufsfrist" die Rede, ohne dass klargestellt wird, auf welcher Rechtsgrundlage (etwa § 18 Abs. 3 oder § 37 PMG) diese Abverkaufsfrist beruht und welche Bedeutung der Abverkaufsfrist zukommt, wenn sie über das Ende der Zulassungsfrist hinausreicht.

Selbst wenn aber die (über das Ende der Zulassung hinausreichende) Abverkaufsfrist die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 1 Z 1 PMG bis zum Ende der Abverkaufsfrist hinausschieben sollte, änderte dies im vorliegenden Fall nichts an der Strafbarkeit der Lagerung der Pflanzenschutzmittel zur Entsorgung, weil auch die Abverkaufsfrist bei allen Pflanzenschutzmitteln im Zeitpunkt der Kontrolle bereits abgelaufen war.

Im vorliegenden Fall trat daher zum Entledigungswillen des Abfallbesitzers der Umstand dazu, dass die beweglichen Sachen nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden, insbesondere nicht mehr in Verkehr gebracht werden konnten. Im bei der Prüfung der Abfalleigenschaft relevanten Sachzusammenhang ist daher von Bedeutung, dass sich der Abfallbesitzer im Zeitpunkt der Kontrolle der Pflanzenschutzmittel ihrer nicht nur entledigen wollte, sondern sich ihrer entledigen musste, weil es keine zulässige Verwendung mehr für sie gab.

Auf den Aspekt des "Entledigenmüssens" stellt nun der Begriff des Abfalls in der - auf den Beschwerdefall noch anwendbaren - Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (75/442/EWG) in der Fassung der Richtlinie vom 18. März 1991 (91/156/EWG) ab. Dort ist die Rede davon, dass "Abfall" im Sinne dieser Richtlinie "alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss" umfasst.

Nach der zur Richtlinie 75/442/EWG idF Richtlinie 91/156/EWG ergangenen Judikatur des EuGH handelt es sich bei dem in dieser Richtlinie definierten Abfallbegriff um einen gemeinsamen, die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bindenden Begriff, weshalb der österreichische Abfallbegriff richtlinienkonform auszulegen ist. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 18. April 2002 in der Rechtssache C-9/00 (Palin Granit Oy ua) unter anderem zum Abfallbegriff (unter Zitierung von Vorjudikatur) ausgesprochen, dass die Frage, ob ein bestimmter Stoff Abfall ist, anhand sämtlicher Umstände zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2005, 2003/07/0017).

Diese besonderen Umstände des Einzelfalles (Wille der Entledigung bei gleichzeitiger Unmöglichkeit einer zulässigen weiteren Verwendung der beweglichen Sachen) führen hier zum Ergebnis, dass in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Pflanzenschutzmittel spätestens mit Ablauf der Abverkaufsfrist der Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 AWG 2002 verwirklicht wurde.

Die Qualifikation der in Rede stehenden Pflanzenschutzmittel als Abfall ist daher nicht zu beanstanden.

3. Wie § 2 Abs. 4 Z 3 in Verbindung mit § 4 AWG 2002 und § 4 der Abfallverzeichnisverordnung regelt, sind gefährliche Abfälle jene Abfallarten, die im Abfallverzeichnis mit einem "g" versehen sind. In Punkt 5 Tabelle 1 der ÖNORM 2100, Schlüssel-Nummer 53103, sind Altbestände von Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln mit einem "g" versehen und somit als gefährliche Abfälle anzusehen. Die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel sind zweifelsohne unter den Begriff von Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel zu subsumieren. Eine Ausstufung gemäß § 7 AWG 2002 wurde dem Sachverhalt zufolge nicht vorgenommen. Es ist daher auch der Feststellung der belangten Behörde, wonach gefährliche Abfälle im Sinne des AWG 2002 vorlägen, nicht entgegen zu treten.

Diesfalls treffen die im AWG 2002 geregelten Pflichten auch den Mitbeteiligten als Abfallbesitzer. Die Abfälle hätten daher gemäß § 15 Abs. 5 AWG 2002 mindestens einmal im Jahr zur Entsorgung einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten übergeben werden müssen.

4. Die Beschwerdeführerin bestreitet die diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht, wonach dieser Verpflichtung durch den Mitbeteiligten nicht entsprochen wurde.

Die Höchststrafe für Übertretungen des AWG 2002 nach § 79 Abs. 1 leg. cit. liegt bei EUR 36.340,--, wohingegen Verwaltungsübertretungen nach § 34 Abs. 1 PMG mit Geldstrafe bis zu EUR 14.530,--, im Wiederholungsfall bis EUR 29.070,-- zu ahnden sind. Die Strafhöhe nach dem AWG 2002 ist somit höher, sodass diese als eine "strengere Strafe" im Sinne des § 34 Abs. 1 PMG anzusehen ist (vgl. dazu das zu einer vergleichbaren Vorschrift des Schiffahrtsgesetzes 1997 und zum WRG 1959 ergangene hg. Erkenntnis vom 30. April 2003, 2002/03/0008).

Somit war im gegenständlichen Fall bezüglich der genannten Pflanzenschutzmittel die Regelung des § 34 Abs. 1 PMG als subsidiär zur Bestimmung des § 79 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 zu sehen. Der Mitbeteiligte beging daher keine Verwaltungsübertretung nach dem PMG; er durfte nicht wegen einer Übertretung des PMG bestraft werden.

Das BAES meint in diesem Zusammenhang lediglich, die Ansicht der belangten Behörde führe zu einer Einschränkung des Vollzugsbereichs des PMG zu einem sehr erheblichen Teil, die Ansicht der belangten Behörde sei daher rechtsirrig. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Subsidiaritätsklausel des § 34 Abs. 1 PMG erfolgte in der Beschwerde, die sich vor allem mit der Frage beschäftigt, ob das "Lagern zum Entsorgen" der Pflanzenschutzmittel ein "Inverkehrbringen" darstellte, nicht. Wenn das BAES damit zum Ausdruck bringen wollte, dass durch die Verwirklichung eines Tatbestandes nach dem PMG eine solche eines Tatbestandes nach dem AWG 2002 ausscheidet, oder dass die Subsidiaritätsklausel wegen unterschiedlicher Angriffsrichtung der Norm nicht greift, so verkennt sie die Rechtslage.

Es liegt auf der Hand, dass ein- und derselbe Sachverhalt Tatbestände unterschiedlicher Normen verwirklichen kann. Es ist bei Vorliegen einer ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel schließlich auch nicht erforderlich, dass verdrängendes und verdrängtes Delikt die gleiche Angriffsrichtung haben (vgl. unter vielen die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 2011, 2007/09/0361, vom 29. April 2008, 2007/05/0125, und vom 11. Mai 1998, 98/10/0040).

Es mag zutreffen, dass die Strafbarkeit von Übertretungen des PMG durch die genannte Subsidiaritätsklausel eingeschränkt wird; dies ist aber Folge der zitierten Rechtslage. Das zitierte Beschwerdevorbringen zeigt daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

5. Gegen die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens auf Grundlage des § 45 Abs. 1 VStG bestehen daher keine Bedenken. § 45 VStG, der die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens regelt, hat folgenden Wortlaut:

"§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen."

Die dem Mitbeteiligten vorgeworfene Übertretung von Regelungen des PMG bildete in diesem Fall nach § 34 Abs. 1 leg. cit. gar "keine Verwaltungsübertretung" nach dem PMG. Die nur in der Bescheidbegründung des angefochtenen Bescheides erfolgte Fehlbezeichnung des Einstellungsgrundes (Z 2 statt dem im Erstbescheid noch als tragend erwähnten Z 1) verletzte keine Rechte des beschwerdeführenden BAES.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Von der vom BAES beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, da der Anforderung des Art. 6 MRK durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde (hier: UVS), einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan wurde (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, 2008/07/0177, sowie vom 26. Jänner 1998, 96/17/0345).

Wien, am 22. Dezember 2011

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