LVwG Steiermark LVwG 50.4-1052/2019

LVwG SteiermarkLVwG 50.4-1052/201919.11.2019

AVG §7 Abs1 Z3
AVG §13 Abs3
VwGVG 2014 §6
VwGVG §17
BauG Stmk §39 Abs3
BauG Stmk §4 Z9

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2019:LVwG.50.4.1052.2019

 

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Philipp Lindermuth über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B GmbH, G, gegen den Bescheid des Stadtsenats der Stadt Graz vom 07.03.2019, GZ: A17-BPV-114531/2018/0010,

 

z u R e c h t e r k a n n t :

 

I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde

 

stattgegeben

 

und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Vorangegangene Bewilligungs- und Benützungsbewilligungsverfahren:

 

Zum Bewilligungsverfahren der CD AG:

 

1.1. Mit Bauansuchen vom 17.07.2007, bei der belangten Behörde am 23.07.2007 eingelangt, suchte die CD AG um Umbau und Erweiterung des Stammhauses des Warenhauses CD mit der Adresse G, auf den Grundstücken Nr. xx, xx, xx und xx der Liegenschaft EZ xx Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx und xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx sowie Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, jeweils KG xx Innere Stadt, an.

 

1.2. Mit Bescheid des Stadtsenats der Stadt Graz vom 01.10.2007, GZ: 025910/2007-3, wurde der CD AG die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung „von (inneren und äußeren) Umbauten und von Zubauten (Verkaufs- und Gastronomiebereich)“ auf den angeführten Grundstücken Nr. xx, xx, xx und xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx und xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx sowie Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, jeweils KG xx Innere Stadt, unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt. Dieser Bescheid wurde durch Rechtsmittelverzicht der bauwerbenden Gesellschaft am 11.10.2007 rechtskräftig. Mit den Bescheiden vom 27.06.2011, GZ: 025910/2007/0015, und vom 12.10.2011, GZ: 025910/2007/0018, wurden – hier nicht verfahrensrelevante – Bescheidauflagen abgeändert.

 

1.3. Das genehmigte Projekt sah unter anderem im Bereich des Dachs den Abbruch der gesamten bestehenden Grabendächer und Technikaufbauten und den Ausbau und die Aufstockung des Dachgeschoßes (6. OG) vor. Als Dachform waren mehrere in Ost-West-Richtung angeordnete, parallele Sheddächer mit unterschiedlichen Längen und Höhen sowie abwechselnden Neigungen und dazwischen ein Flachdach vorgesehen. Die Dachhaut sollte durch Kalzip-Aludachbahnen abgedichtet werden und die derart abgedichtete Stahlunterkonstruktion mit einer vorgehängten Metallfassade aus wärmebehandelten und mit Säure patinierten Bronzewalzblechplatten verkleidet werden, die vor dem Patinieren durch Walzverfahren oder Sandstrahlen aufgeraut werden sollten, um der Oberfläche einen matten Charakter zu verleihen.

 

Zu den Teilbenützungsbewilligungen der CD AG:

 

2.1. In Entsprechung des Ansuchens vom 22.12.2009 wurde der CD AG mit Bescheid vom 12.03.2010, GZ: 025910/2007/0006, in seiner mit Berichtigungsbescheid vom 16.02.2011, GZ: 025910/2007/0011, berichtigten Fassung die Teilbenützungsbewilligung „für den Bereich Haupthaus Haus 13/EG bis 4. OG und Bauteil Logistik/EG bis 5. OG (ausgenommen Fassade) inkl. Stg. 4, 2. UG bis 5. OG“ des in Rede stehenden Vorhabens erteilt. Einem weiteren Ansuchen um Erteilung einer Teilbenützungsbewilligung vom 06.06.2010 wurde mit Bescheid vom 18.10.2010, GZ: 025919/2007/0009, stattgegeben und die Teilbenützungsbewilligung „für den Bauteil Haupthaus H 11/EG bis 4. OG und Bauteil Haupthaus H 11-13/ 1. UG., 5. OG“ erteilt.

 

2.2. Mit Ansuchen vom 14.10.2010 suchte die CD AG um die Erteilung der Teilbenützungsbewilligung „für den Bauteil Haupthaus

- Haus 7-11/ 1. UG – 5. OG

- Haus 7-11/ 6. OG, Dachterrassen teilweise, ausgenommen Dachflächenaußenhaut“

an. Antragsgemäß erteilte die belangte Behörde mit Bescheid vom 19.10.2010, GZ: 0259/2007/0010, in seiner mit Berichtigungsbescheid vom 16.02.2011, GZ: 025910/2007/0012, berichtigten Fassung die Teilbenützungsbewilligung „für den Bauteil Haupthaus:

- Bauteil Haus 7-11/1. UG – 5. OG

- Bauteil Haus 7-11/DG Fahrtreppenhof Süd mit Terrasse Süd-Ost“

des in Rede stehenden Vorhabens, wobei die Dachflächenaußenhaut im Spruch dieses Bescheids ausdrücklich von der Teilbenützungsbewilligung ausgenommen wurde.

 

2.3. Mit Ansuchen vom 14.07.2011 suchte die CD AG um die Erteilung der Teilbenützungsbewilligung

„für den Bauteil Haupthaus, Haus 7-13 / Dachgeschoßausbau Achsen 1(Süd)-8 x B(Ost)-G‘(West), 8-I x G-G‘ (Stg. 4A), III-IV x E-G‘(Stg. 6A) und der Terrasse Süd-West ausgenommen Dachfassaden (Dachflächenaußenhaut)“

an. Antragsgemäß erteilte die belangte Behörde mit Bescheid vom 15.07.2011, GZ: 0259/2007/0016, die Teilbenützungsbewilligung

„für den Bauteil Haupthaus H 7 – 13 Dachgeschoßausbau Achsen 1 (Süd) bis 8 x B (Ost) G‘ (West), Achse 8 bis I x Achse G – G‘ (Stiegenhaus 4 A) Achsen III bis IV x E bis G‘ (Stiegenhaus 6 A) und der Terrasse Süd-West ausgenommen Dachfassaden (Dachflächenaußenhaut)“

des in Rede stehenden Vorhabens.

 

Zur Bewilligung und Benützungsbewilligung der Aussichtsplattform:

 

3. Mit Bescheid vom 15.02.2011, GZ: 046370/2010/0003, erteilte die belangte Behörde die Bewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Errichtung einer Aussichtsplattform (Skywalk) im Bereich der Südostterasse im 6. Obergeschoß. Für dieses Vorhaben wurde mit Bescheid vom 15.07.2011, GZ: 046370/2010/0005, die Benützungsbewilligung erteilt.

 

II. Behördliches Verfahren und angefochtener Bescheid:

 

Zum Verfahrensgang des vorliegenden behördlichen Verfahrens:

 

4.1. Mit Schreiben vom 04.10.2018 ersuchte der Grazer Altstadtanwalt die belangte Behörde um Auskunft, ob diese der Empfehlung der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission gefolgt sei, der Firma CD eine angemessene, aber vollstreckbare Frist für die Errichtung der vor über zehn Jahren bewilligten und projektimmanenten Bronzierung des Dachs zu setzen, verneinendenfalls, aus welchen Gründen dies bisher nicht geschehen sei.

 

4.2. In der Folge leitete die belangte Behörde ein baupolizeiliches Verfahren ein und holte eine Stellungnahme der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission zur Frage ein, ob durch das fehlende Bronzedach sowie fehlende Bauteile des verfahrensgegenständlichen Gebäudes das Ortsbild grob beeinträchtigt sei. Unter einem wurde um Stellungnahme ersucht, in welcher Zeit die Herstellung des bewilligten Bronzedachs bei Anspannung zumutbarer Kräfte möglich sei.

 

4.3. In ihrer Stellungnahme vom 17.12.2018 kommt die Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission zum gutachterlichen Schluss, dass das nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 2008 (im Folgenden GAEG 2008) schutzwürdige Stadtbild der Schutzzone I durch die fehlenden Dachsheds im nördlichen Bereich des Dachs sowie durch den provisorischen Abschluss Richtung Westen ebenso deutlich und grob beeinträchtigt werde wie durch das Fehlen der im Erscheinungsbild maßgeblich wirksamen Dachhaut. Alle Parameter, die für die Einfügung des neuen Dachkörpers in den schützenswerten Bestand der Architektur der historischen Altstadt von Graz notwendig seien, fehlten nunmehr seit Jahren. In ausdrücklicher Konterkarierung der durch das GAEG 2008 geforderten Gestaltungsmaßnahmen und der farblichen Einfügung verletze und beeinträchtige die derzeit bestehende Dachkonstruktion mit unzähligen Längsfalzen und einer silber-weiß in Erscheinung tretenden Oberfläche das schutzwürdige Stadtbild/Ortsbild, das zu den historisch wertvollsten der Grazer Altstadt zähle, grob und führe durch die jahrelange Duldung zu einer negativen Vorbildwirkung im Weltkulturerbe. Eine ordnungsgemäße Umsetzung binnen Jahresfrist, das sei der 31.12.2019, sei angemessen.

 

4.4. Zu dieser Stellungnahme der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission erstattete die A GmbH (im Folgenden: beschwerdeführende Gesellschaft) als Alleineigentümerin des den Verfahrensgegenstand bildenden Gebäudes eine Stellungnahme, in der sie im Wesentlichen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrags gemäß § 39 Abs 1 und Abs 3 Stmk BauG bestritt.

 

Zum angefochtenen Bescheid:

 

5.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.03.2019, GZ: A 17-BPV-114531/2018/0010, erteilt die belangte Behörde der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß § 39 Abs 1 und Abs 3 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (im Folgenden Stmk BauG) den Auftrag, die Dachkonstruktion des den Verfahrensgegenstand bildenden Gebäudes mit der Adresse S innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft dieses Auftrags in einen Zustand zu versetzen, der der rechtskräftigen Baubewilligung vom 01.10.2007, GZ: 025910/2007-3, entspreche, nämlich durch die Errichtung der fehlenden Dachsheds und die Aufbringung der Dachhaut aus Bronzeplatten.

 

5.2. Begründend wird – neben einer Wiedergabe des Verfahrensgangs – im Wesentlichen ausgeführt, dass mit der angeführten Baubewilligung der CD AG diverse Zu- und Umbauten an dem im Eigentum der beschwerdeführenden Gesellschaft stehenden Gebäude Sstraße, das in der Schutzzone I (Kernzone) gemäß § 2 Abs 2 GAEG 2008 liege, genehmigt worden seien. Im Zentrum des Bewilligungsverfahrens sei die Ausgestaltung der Dachkonstruktion und die Ortsbildverträglichkeit gestanden. Die Bauwerberin habe hierfür eine Planung eingereicht, nach der die Dachlandschaft mit einzelnen unregelmäßigen Sheds gestaltet werden sollte. Die Dachkonstruktion sollte mit vorpatinierten Platten aus Bronze verkleidet werden, wobei dieses Vorhaben in der einen integralen Bestandteil der Baubewilligung bildenden Anlage 8 des Einreichoperats detailliert beschrieben werde. Diese von der Bauwerberin selbst gewählte Lösung sei zentrale Voraussetzung für die positive Erledigung ihres Bauansuchens gewesen. Damit habe laut der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission eine Einfügung in das schutzwürdige Ortsbild der Kernzone, insbesondere in die schutzwürdige Dachlandschaft der Grazer Innenstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zähle, erreicht werden können. Die Dachkonstruktion sei bis dato nicht der Baubewilligung entsprechend errichtet bzw. fertiggestellt. Der aktuelle Zustand bestehe seit beinahe zehn Jahren. In der Folge seien – wegen des untrennbaren Zusammenhangs mit dem restlichen Bau – verfehlterweise zahlreiche Teilbenützungsbewilligungen erteilt worden, in denen jeweils das Dach explizit ausgenommen gewesen sei.

 

Aus rechtlicher Sicht führt die belangte Behörde aus, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft in der Stellungnahme angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sich auf eine Rechtslage beziehe, in der noch keine Legaldefinition des Baugebrechensbegriffs normiert gewesen sei, bzw. auf andere Bauordnungen, denen es an einer Legaldefinition mangle. Dem Wortlaut der seit der Stammfassung unveränderten Legaldefinition des § 4 Z 9 Stmk BauG sei nicht zu entnehmen, dass sich dieser Begriff ausschließlich auf bewilligungsgemäß vollendete Bauwerke reduziere. Ganz allgemein sei in § 4 Z 9 Stmk BauG von einem „mangelhaften Zustand einer baulichen Anlage“ die Rede. Einen solchen Zustand könne jedenfalls auch ein nicht fertiggestelltes Bauwerk aufweisen, was sich auch in einem von der Auftragsadressatin selbst angeführten Fallbeispiel veranschauliche, nämlich in dem Fall, dass erforderliche Absturzsicherungen nicht errichtet worden oder vorhanden seien und dieser Zustand auf Dauer belassen werde. Der Auftragsadressatin sei zwar beizupflichten, dass es regelmäßig nicht möglich sei, dass ein Bau während seiner Errichtung vollends den Bauvorschriften entspreche. Während der aktiven Bauphase würde ein derartiger Widerspruch zu den Bauvorschriften nicht als Baugebrechen zu qualifizieren sein. Werde der Bau aber nicht fertiggestellt und auf Dauer in einem Zustand belassen, der den Bauvorschriften widerspreche, dann liege die Sache anders. Im vorliegenden Fall liege dieser Zustand seit beinahe 10 Jahren vor. Hier könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass die Bauphase noch andauere bzw. dass der Zustand zwangsläufig mit dem Baufortschritt zusammenhänge. So habe auch der VwGH in stRSp zu § 33 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) ausgesprochen, dass im Falle eines bewilligungspflichtigen Vorhabens ein Baugebrechen auch dann vorliegen könne, wenn durch eine bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte Abänderung oder das Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs ein Zustand eines Bauwerks verursacht worden sei, der seine Standfestigkeit, sein Aussehen, den Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtige oder zu einer örtlich unzumutbaren Belästigung führen könne. Demnach könne das Fehlen eines „unentbehrlichen Bauteils“ ein Baugebrechen darstellen. Ein Bauteil sei in diesem Sinn jedenfalls dann als unentbehrlich zu qualifizieren, wenn es eine zentrale Voraussetzung für die positive Erledigung des Bauansuchens gewesen sei und sich ohne seine Errichtung ein vorschriftswidriger Zustand einstelle. Werde daher ein Bauwerk nicht entsprechend der Baubewilligung fertiggestellt und auf Dauer in diesem Zustand belassen, so müsse dieser dauerhafte Zustand ebenfalls den Bauvorschriften entsprechen. Dies sei hier jedenfalls nicht der Fall. Es liege ein grober Verstoß gegen § 43 Abs 4 Stmk BauG vor, wonach ein Bauwerk derart geplant und ausgeführt werden müsse, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht werde. Dass die Grazer Innenstadt (Kernzone) mit ihrer Dachlandschaft ein homogenes schützenswertes Ortsbild aufweise, gehe nicht nur aus der Stellungnahme der ASVK hervor, sondern sei offenkundig. Der derzeit tatsächlich gegebene Zustand wäre auch nicht bewilligungsfähig, weil er gegen das Einfügungsgebot des § 6 Abs 2 GAEG 2008 sowie gegen § 3 Z 1 der VO über die Erhaltung der Dachlandschaft im Schutzgebiet verstoße, weil beim nördlichen Bereich des Gebäudes wegen der Nichterrichtung der Dachsheds nicht nur untergeordnete Flachdachbereiche vorhanden seien. Somit liege ein Baugebrechen iSd § 4 Z 9 Stmk BauG vor, weil sich ein Zustand des Bauwerks eingestellt habe, der mangelhaft sei, weil er das äußere Erscheinungsbild betreffe und das Straßen- und Ortsbild grob beeinträchtige sowie auf Dauer belassen worden sei und werde. Die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen seien auch zu Recht der Auftragsadressatin als Eigentümerin aufgetragen worden. Schließlich sei auch die Erfüllungsfrist angemessen.

 

III. Beschwerde und Beschwerdeverfahren:

 

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der – auf das hier Wesentliche reduziert – ausgeführt wird, dass der Steiermärkische Landesgesetzgeber im Stmk BauG bewusst keine Bauvollendungsfrist vorgesehen habe, wie sich auch aus den Materialien ergebe. Dementsprechend sehe das Stmk BauG auch keine verwaltungsstrafrechtlichen bzw. baupolizeilichen Maßnahmen zur Erzwingung der Bauvollendung vor. Mit der im Bescheid vertretenen Rechtsansicht unterminiere die belangte Behörde die klare Intention des Gesetzgebers, indem sie eine Unterscheidung zwischen „aktiver“ und „nicht aktiver Bauphase“ konstruiere, die weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung und der Literatur Deckung finde. Nach der – auch zum Stmk BauG ergangenen – stRSp des VwGH liege ein Baugebrechen dann vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtere, dass hierdurch öffentliche Interessen berührt würden. Die im angefochtenen Bescheid zitierte Judikatur zur NÖ BauO 1996 sei auf die Rechtslage in der Steiermark nicht übertragbar, da die NÖ BauO 1996 Bauvollendungsfristen vorgesehen habe. So sei in dem der von der belangten Behörde zitierten Entscheidung des VwGH zugrundeliegenden Sachverhalt die Bauvollendungsfrist bereits abgelaufen gewesen.

 

7. Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte die am 09.04.2019 eingelangte Beschwerde samt dem elektronischen Verwaltungsakt am 24.04.2019 dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vor. Auf Aufforderung vom 09.05.2019 auf Übermittlung der Verwaltungsakten zu den oben angeführten Bewilligungs- und Benützungsbewilligungsbescheiden sowie sämtlicher Verwaltungsakten zu weiteren Bewilligungen im Dachbereich übermittelte die belangte Behörde am 21.05.2019 die Verwaltungsakten zu den oben angeführten Bescheiden, wobei der vorgelegte Verwaltungsakt zum Baubewilligungsbescheid vom 01.10.2007, GZ: 025910/2007-3 die mit Genehmigungsvermerk versehenen Projektunterlagen nicht enthielt. Auf erneute Aufforderung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark legte die belangte Behörde am 06.09.2019 auch die Projektunterlagen vor.

 

8. Mit verfahrensleitendem Beschluss vom 09.09.2019 wurde der Amtssachverständige DI EF dem Verfahren des Landesverwaltungsgerichts beigezogen und mit der Erstattung von Befund und Gutachten aus Fachsicht der Bautechnik und des Straßen-, Orts- und Landschaftsbilds beauftragt. Dieser Beschluss samt Gutachtensauftrag wurde den Parteien zur Kenntnis übermittelt.

 

9. Mit Schriftsatz vom 16.09.2019 stellte die belangte Behörde die Anträge, dass der verfahrensführende Richter wegen Befangenheit vom Verfahren zurücktrete, was mit den rechtlichen Ausführungen im Gutachtensauftrag begründet wurde, sowie, dass die ordentliche Revision zugelassen werde.

 

10. Am 17.10.2019 fand vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark eine öffentliche, mündliche Verhandlung im Beisein des rechtlichen Vertreters der beschwerdeführenden Gesellschaft sowie des Vertreters der belangten Behörde statt, in der mit den anwesenden Parteien ein Rechtsgespräch geführt wurde und relevante Rechtsfragen erörtert wurden, der Leiter der bautechnischen Abteilung der CD AG, Ing. GH als Zeuge einvernommen wurde sowie der beigezogene Amtssachverständige für die Fachrichtungen der Bautechnik und des Straßen-, Orts- und Landschaftsbilds Befund und Gutachten erstattete. Im Anschluss wurde dieses Gutachten mit dem rechtlichen Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft und dem Vertreter der belangten Behörde erörtert und diesen die Möglichkeit eingeräumt, dazu Fragen zu stellen. Weder der rechtliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft noch der Vertreter der belangten Behörde erhoben gegen Befund und Gutachten einen Einwand. Es wurden auch keine weiteren Beweisanträge gestellt.

 

IV. Sachverhalt:

 

1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist grundbücherliche Alleineigentümerin der den Gegenstand des angefochtenen Instandsetzungsauftrags bildenden Grundstücke Nr. xx, xx, xx und xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx und xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx sowie Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, jeweils KG xx Innere Stadt.

 

2.1. Mit rechtskräftigem Bescheid des Stadtsenats der Stadt Graz vom 01.10.2007, GZ: 025910/2007-3, wurde der CD AG die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung „von (inneren und äußeren) Umbauten und von Zubauten (Verkaufs- und Gastronomiebereich)“ auf den angeführten Grundstücken unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt. Die beschwerdeführende Gesellschaft, die bereits damals Grundeigentümerin der zu bebauenden Grundstücke war, erklärte im Bewilligungsverfahren ihre Zustimmung zum Projekt.

 

2.2. Im Bereich des Dachs sah das genehmigte Projekt den Abbruch der gesamten bestehenden Grabendächer und Technikaufbauten und den Ausbau und die Aufstockung des Dachgeschoßes (6. OG) vor. Als Dachform waren mehrere in Ost-West-Richtung angeordnete, parallele Sheddächer (i.e. parallele, einhüftige Satteldächer) mit unterschiedlichen Längen und Höhen sowie abwechselnden Neigungen und dazwischen ein Flachdach vorgesehen. Das Dach erstreckt sich nicht auf sämtliche der oben angeführten Baugrundstücke, sondern nur auf die Grundstücke Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx und xx der Liegenschaft EZ xx, Nr. xx der Liegenschaft EZ xx sowie Nr. xx der Liegenschaft EZ xx, jeweils KG xx Innere Stadt.

 

2.3. Die insgesamt 13 Sheddächer, das Flachdach sowie die vier Terrassen im Bereich des Dachs stellen sich in der mit Genehmigungsvermerk versehenen Dachdraufsicht der Einreichunterlagen vom 09.07.2007, Plan Nr. A-3-GR-07-100, wie folgt dar (aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit und der weiteren Bezeichnung werden die Terrassen und das Flachdach mit ihrer Bezeichnung aus den Einreichunterlagen bezeichnet und die Sheddächer von Süden nach Norden durchnummeriert):

 

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2.4. Im (östlicheren) Schnitt 1, Plan Nr. A-3-SC-50-100, der mit Genehmigungsvermerk versehenen Einreichunterlagen stellen sich die Sheddächer wie folgt dar:

 

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2.5. Im (westlicheren) Schnitt 2, Plan Nr. A-3-SC-50-200, der mit Genehmigungsvermerk versehenen Einreichunterlagen stellen sich die Sheddächer wie folgt dar:

 

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2.6. Wie sich im Detail der mit Genehmigungsvermerk versehenen und damit einen integralen Bestandteil des Bewilligungsbescheids bildenden Anlage 8 der Einreichunterlagen („Erläuterung zur Dachhaut/Materialien“) entnehmen lässt, sollte die Dachhaut durch Kalzip-Aludachbahnen abgedichtet werden und die derart abgedichtete Stahlunterkonstruktion mit einer vorgehängten Metallfassade aus wärmebehandelten und mit Säure patinierten Bronzewalzblechplatten verkleidet werden, die vor dem Patinieren durch Walzverfahren oder Sandstrahlen aufgeraut werden sollten, um der Oberfläche einen matten Charakter zu verleihen. Neben der Beschreibung des Formats der Platten, des Materials, der Oberfläche, der Struktur und des Herstellungs- und Patinierungsverfahrens sind in der Anlage 8 auch Materialmuster und die Befestigungstechnik dargestellt. Den mit Genehmigungsvermerk versehenen Dachaufbauplänen („Dachaufbau Variante 1“, Pläne Nr. A-2-DT-DA-000 A, A-2-DT-DA-001 A, A-2-DT-DA-002 A) lässt sich die Detailausbildung entnehmen, die durchgängig nach innen gekantete Blechpaneele aus Bronzewalzblechkassetten und ein gerastetes Fugenbild mit Kassettengrößen zwischen 2994 x 843 mm und 2994 x 664 mm zeigt.

 

3. In der Folge wurden im Bereich des Dachs die bewilligten Sheddächer Nr. 1 bis Nr. 8 sowie Nr. 12 und Nr. 13 (die Nummerierung entspricht den Ziffern in den oben dargestellten Planausschnitten) insofern teilweise errichtet, als die Stahlunterkonstruktion mit einer Abdichtung mit Kalzip-Aludachbahnen entsprechend den genehmigten Einreichplänen, jedoch ohne die vorgehängte Metallfassade aus Bronzewalzblechplatten errichtet wurde.

 

4.1. Darüber hinaus wurden folgende Teile des Dachs abweichend von den mit Bescheid vom 01.10.2007 bewilligten Einreichunterlagen ausgeführt:

 

4.2. Nördlich des Sheddachs Nr. 8 und südlich der Sheddächer Nr. 12 und Nr. 13 wurden die Sheddächer Nr. 9 bis Nr. 11 (mit Höhen von 6,94 m, 8,49 m und 10,59 m über dem projektierten Fußbodenaufbau) nicht ausgeführt, sondern an deren Stelle ein Flachdach errichtet. Dabei wurde in diesem Bereich die projektierte Stahlbetondecke des unter der Dachebene liegenden Geschoßes ohne den projektierten Fußbodenaufbau des Dachgeschoßes errichtet, sondern an dessen Stelle eine bituminöse Dachabdichtung mit einer Wärmedämmung außen ausgeführt. Weiters wurde die im Nordosten des nunmehrigen Flachdachbereichs projektierte Öffnung der Stahlbetondecke des 5. Obergeschoßes (im mit Genehmigungsvermerk versehenen Grundrissplan DG, Plan Nr. A-3-GR-06-100, wird dieser Bereich als Luftraum bezeichnet) mit einer Holzkonstruktion geschlossen und wurden Deckendurchbrüche für die Ableitung der Dachflächenwässer hergestellt. Durch diese Maßnahmen sollte die Dichtheit und Standfestigkeit des über die Dachebene geführten Flachdachs erreicht werden, um die darunterliegende Stahlbetondecke des 5. Obergeschoßes zu schützen. Als nord- und ostseitige Begrenzung des Flachdachbereichs ist der untere Ansatz der Sheddächer Nr. 9 bis Nr. 11 bis knapp über die Oberkante der Abdichtungsebene hergestellt.

 

Der folgende Ausschnitt aus der dem Gutachten des Amtssachverständigen entnommenen Darstellung zeigt mittels einer Markierung mit einer roten Linie im Schnitt 1, Plan Nr. A-3-SC-50-100, jenen Bereich, in dem anstelle der projektierten Sheddächer Nr. 9, Nr. 10 und Nr. 11 das Flachdach und der untere nördliche Ansatz des Sheddachs Nr. 11 ausgeführt wurden:

 

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Im Bereich des geplanten Sheddachs Nr. 9 ragt westseitig die projektierte Aufzugsanlage als teilverputztes Bauteil mit Lüftungsaustritt hervor, dessen Nordseite mit einer Bauschutzmatte provisorisch beplankt ist. Auf der Flachdachfläche wurde ein mittels Bauzaun abgegrenzter 2 m breiter Verbindungsweg zwischen den Räumen unter den Sheddächern Nr. 8 und Nr. 13 errichtet.

 

4.3. Die nördliche Front des Sheddachs Nr. 8 wurde entgegen den genehmigten Einreichplänen in der unteren Hälfte mit einer außen verputzten Wand geschlossen. Die südliche Front des Sheddachs Nr. 13 ist abweichend von den bewilligten Einreichplänen abschnittsweise mit einer rohen Stahlbetonwand und semitransparenten Polycarbonat-Hohlkammerplatten geschlossen. Das südliche Vordach des Sheddachs Nr. 13 ist abweichend von den bewilligten Einreichunterlagen weiter in Richtung Süden ausgeführt.

 

5.1. In einer Modellansicht jenes Architekturbüros, das die Einreichpläne verfasst hat, stellt sich das bewilligte Projekt im Bereich des Dachs wie folgt dar (eine ähnliche Modellansicht, nur aus leicht veränderter Perspektive findet sich auch auf der mit Genehmigungsvermerk versehenen Baubeschreibung), wobei die roten Linien ergänzt wurden und jenen Bereich der Sheddächer Nr. 9 bis Nr. 11 anzeigen, der nicht ausgeführt wurde:

 

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5.2. Zumindest seit dem 14.07.2011 fanden im Bereich des den Verfahrensgegenstand bildenden Dachs – mit Ausnahme der Errichtung des mittels Bauzaun abgegrenzten Verbindungswegs zwischen den Räumen unter den Sheddächern Nr. 8 und Nr. 13 – keine Bauarbeiten mehr statt, sodass sich das Dach seit damals und nach wie vor unverändert wie folgt darstellt:

 

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6.1. Zusammenfassend wurde die Stahlunterkonstruktion mit einer Abdichtung aus Kalzip-Aludachbahnen der Sheddächer Nr. 1 bis Nr. 7 und Nr. 12 entsprechend den mit Bescheid vom 01.10.2007 bewilligten Einreichunterlagen errichtet. Allerdings handelt es sich nur um eine teilweise Ausführung des bewilligten Projekts, weil die vorgehängte Metallfassade aus wärmebehandelten und mit Säure patinierten Bronzewalzblechplatten als äußerste Schicht des projektierten Dachaufbaus nicht ausgeführt wurde.

 

6.2. Die über der Stahlunterkonstruktion ausgeführte Abdichtungsebene mit Kalzip-Aludachbahnen ist als äußerste Gebäudehülle bautechnisch geeignet, die fehlende vorgehängte Metallfassade ist bauphysikalisch nicht relevant. Die Abdichtungsebene mit Kalzip-Aludachbahnen ist nämlich als bauphysikalisch relevante Außenschicht projektiert, während die vorgehängte Metallverkleidung nur eine Verblendung darstellen sollte. Diese äußere Metallfassade sieht nach dem Projekt Fugen vor, sodass die Niederschlagswasserableitung durch die ausgeführte Abdichtungsebene aus Kalzip-Aludachbahnen projektiert ist und diese Abdichtungsebene somit die Dachentwässerungsebene darstellt. Die dem Bewilligungsbescheid vom 01.10.2007 entsprechende Teilausführung der Sheddächer Nr. 1 bis Nr. 7 und Nr. 12 als Stahlunterkonstruktion mit einer Abdichtung mit Kalzip-Aludachbahnen führt zu keiner Verschlechterung des Zustands des ausgeführten Gebäudes in Bezug auf dessen Festigkeit, Brandsicherheit, Hygiene oder äußeres Erscheinungsbild.

 

7.1. Abweichend vom Baubewilligungsbescheid vom 01.10.2007 wurde bei den projektierten Sheddächern Nr. 9, Nr. 10 und Nr. 11 auch die Unterkonstruktion nicht ausgeführt, sondern an deren Stelle ein bituminös abgedichtetes Flachdach errichtet, wobei die im Nordosten des nunmehrigen Flachdachbereichs projektierte Öffnung der Stahlbetondecke des 5. Obergeschoßes mit einer Holzkonstruktion geschlossen wurde. Dieses Flachdach stellt eine der Baubewilligung vom 01.10.2007 widersprechende Ausführung dar.

 

7.2. Ebenso widersprechen der Abschluss der unteren Hälfte der nördlichen Front des Sheddachs Nr. 8 sowie der Abschluss der südlichen Front des Sheddachs Nr. 13 den mit Bewilligungsbescheid vom 01.10.2007 bewilligten Einreichunterlagen. Auch wurde das Vordach des Sheddachs Nr. 13 abweichend von den bewilligten Einreichunterlagen weiter in Richtung Süden gezogen. Im Übrigen wurden das Sheddach Nr. 8 und das Sheddach Nr. 13 wie die übrigen Sheddächer insofern teilweise ausgeführt, als die Stahlunterkonstruktion mit einer Abdichtung mit Kalzip- Aludachbahnen ohne die vorgehängte Metallfassade ausgeführt wurde.

 

8. In der Zustellverfügung des angefochtenen Instandsetzungsauftrags wurde zwar die bereits im behördlichen Verfahren ausgewiesene Rechtsvertreterin der beschwerdeführenden Gesellschaft richtigerweise als Empfänger bezeichnet, jedoch als Zustelladresse nicht deren Adresse Hgasse, G, sondern fälschlicherweise die Adresse Hgasse , G festgelegt. An dieser Adresse befindet sich aber nicht der Kanzleisitz der Rechtsvertreterin, sondern ist Dr. IJ – laut Auskunft aus dem Zentralen Melderegister – gemeldet. Nach den Angaben auf dem Zustellnachweis blieb der Zustellversuch an der Adresse Hgasse, G, erfolglos und wurde die Sendung hinterlegt. Die Rechtsvertreterin nahm die Sendung nach Erhalt der Hinterlegungsanzeige am 13.03.2019 in Empfang.

 

V. Beweiswürdigung:

 

1. Die Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen der beschwerdeführenden Gesellschaft ergeben sich aus dem öffentlichen Grundbuch. Die Feststellung zur Lage des in Rede stehenden Dachs auf den Grundstücken der beschwerdeführenden Gesellschaft ergibt sich aus dem Kataster, dem Digitalen Atlas der Steiermark (WebGIS Steiermark) sowie dem Lageplan der mit Bescheid vom 01.10.2007 bewilligten Einreichunterlagen.

 

2. Die Feststellungen zu dem mit Bescheid vom 01.10.2007 abgeschlossenen Bewilligungsverfahren sowie dem bewilligten Projekt ergeben sich aus den diesbezüglichen Verwaltungsakten.

 

3. Die Feststellungen zur bestehenden Ausführung des Dachs ergeben sich aus dem nach einer Befundaufnahme vor Ort erstatteten Gutachten des mit Beschluss vom 09.09.2019 bestellten Amtssachverständigen, das anhand der Fotodokumentation der Befundaufnahme (Beilagen ./A bis ./F der Verhandlungsschrift) sowie Orthofotos aus Google Maps (Beilagen ./G und ./H der Verhandlungsschrift) und dem Digitalen Atlas der Steiermark (WebGIS Steiermark) nachvollziehbar ist.

 

4. Die Feststellungen, dass es sich bei der bestehenden Ausführung der Unterkonstruktion der Sheddächer Nr. 1 bis Nr. 7, Nr. 12 und Nr. 13 gegenüber dem mit Bescheid vom 01.10.2007 bewilligten Projekt um eine Teilausführung handelt, ergibt sich aus einem Vergleich der bestehenden Ausführung mit den bewilligten Einreichplänen, insbesondere aus der mit Genehmigungsvermerk versehenen Anlage 8 der Einreichunterlagen („Erläuterung zur Dachhaut/Materialien“) sowie den mit Genehmigungsvermerk versehenen Dachaufbauplänen („Dachaufbau Variante 1“, Pläne Nr. A-2-DT-DA-000 A, A-2-DT-DA-001 A, A-2-DT-DA-002 A), und wird durch das Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen bestätigt.

 

5. Die Feststellungen zu den Abweichungen der bestehenden Ausführung des Dachs im Bereich der fehlenden Sheddächer Nr. 9, Nr. 10 und Nr. 11 sowie der Abweichungen der Ausführung der Sheddächer Nr. 8 und Nr. 13 von dem mit Bescheid vom 01.10.2007 bewilligten Projekt ergeben sich aus einem Vergleich der bestehenden Ausführung mit den mit Genehmigungsvermerk versehenen Einreichunterlagen und werden sowohl durch das Gutachten des Amtssachverständigen als auch durch die glaubhafte Zeugenaussage des Leiters der bautechnischen Abteilung der CD AG Ing. GH, der sowohl mit dem bewilligten Einreichprojekt als auch mit der Bauausführung betraut war, in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Dabei gab Ing. GH glaubhaft und anhand der bewilligten Einreichunterlagen nachvollziehbar an, dass im Bereich der fehlenden Sheddächer Nr. 9 bis Nr. 11 die projektierte Stahlbetondecke des unter der Dachebene liegenden Geschoßes ohne den projektierten Fußbodenaufbau des Dachgeschoßes errichtet wurde, sondern an dessen Stelle eine bituminöse Dachabdichtung mit einer Wärmedämmung außen ausgeführt wurde, was sich insofern mit dem Befund des Amtssachverständigen deckt. Weiters gab Ing. GH an, dass die im Nordosten des nunmehrigen Flachdachbereichs projektierte Öffnung der Stahlbetondecke des 5. Obergeschoßes (im mit Genehmigungsvermerk versehenen Grundrissplan DG, Plan Nr. A-3-GR-06-100 wird dieser Bereich als Luftraum bezeichnet) mit einer Holzkonstruktion geschlossen wurde und Deckendurchbrüche für die Ableitung der Dachflächenwässer hergestellt wurden, und begründete diese Maßnahmen sowie die bituminöse Dachabdichtung nachvollziehbar damit, dass die bituminöse Abdichtung des über die Dachebene geführten Flachdachs die Dichtheit und die Standfestigkeit des Dachs gewährleisten und die darunter liegende Stahlbetondecke des 5. Obergeschoßes schützen sollte. Auch die Abweichungen bei den teilausgeführten Sheddächern Nr. 8 und Nr. 13 ergeben sich aus dem anhand der Fotodokumentation nachvollziehbaren Gutachten des Amtssachverständigen sowie den damit übereinstimmenden Angaben von Ing. GH.

 

6. Die Modellansicht des in Rede stehenden Dachs, die im Gutachten des Amtssachverständigen abgebildet ist, findet sich auf der Homepage xx, eine ähnliche Ansicht desselben Modells, nur aus leicht veränderter Perspektive findet sich auch auf der mit Genehmigungsvermerk versehenen Baubeschreibung.

 

7. Die Feststellung, dass das in Rede stehende Dach – mit Ausnahme des Verbindungswegs zwischen den Sheddächern Nr. 8 und Nr. 13 – zumindest seit 14.07.2011 unverändert ist und seit diesem Zeitpunkt keine Bauarbeiten am Dach mehr stattfanden, ergibt sich zunächst aus der glaubhaften Zeugenaussage von Ing. GH. Das Datum des 14.07.2011 ist das Datum des letzten das Dach betreffenden Teilbenützungsbewilligungsansuchens, das auch den Dachgeschoßausbau im umschriebenen Ausmaß umfasste, die Dachflächenaußenhaut aber explizit ausnahm. Die Aussage von Ing. GH stimmt mit dem im Gutachten des Amtssachverständigen abgebildeten und in die Feststellungen übernommenen Lichtbild überein, das der Homepage entnommen ist und dessen Aufnahmedatum nach den Angaben auf dieser Homepage der 11.10.2011 ist.

 

Zudem ergibt sich der mit Ausnahme des Verbindungswegs unveränderte Zustand des in Rede stehenden Dachs seit 14.07.2011 auch aus einem Vergleich der beiden folgenden Orthofotos aus dem Digitalen Atlas der Steiermark (WebGIS Steiermark):

 

Auf dem Orthofoto vom 16.06.2012 stellt sich das in Rede stehende Dach wie folgt dar:

 

[aufgrund personenbezogener Daten wurde Bild vom LVwG entfernt]

 

 

Auf dem Orthofoto vom 13.08.2018 stellt sich das in Rede stehende Dach wie folgt dar:

 

[aufgrund personenbezogener Daten wurde Bild vom LVwG entfernt]

 

8. Die Feststellung, dass die Teilausführung der Sheddächer Nr. 1 bis Nr. 7 und Nr. 12 zu keiner Verschlechterung des Zustands des ausgeführten Gebäudes in Bezug auf dessen Festigkeit, Brandsicherheit, Hygiene oder dessen äußeres Erscheinungsbild führt, weil die über der Stahlunterkonstruktion ausgeführte Abdichtungsebene mit Kalzip-Aludachbahnen aus bautechnischer Fachsicht als äußerste Gebäudehülle geeignet ist, ergibt sich aus dem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten des Amtssachverständigen für die Fachrichtungen der Bautechnik und des Straßen-, Orts- und Landschaftsbilds, der diese gutachterliche Schlussfolgerung u.a. schlüssig damit begründet, dass in dem – durch ein befugtes Unternehmen verfassten – bauphysikalischen Nachweis vom 05.06.2007 des betreffenden Bauteils (Anlage 10 der Einreichunterlagen, bauphysikalischer Nachweis für den Bauteil FAU01-Dach Shed) die als Abdichtungsebene Kalzip bezeichnete Bauteilschicht Nr. 3 als bauphysikalisch relevante Außenschicht angeführt ist und diese Abdichtungsebene nach dem eingereichten Projekt auch die Dachentwässerungsebene darstellt. Somit bestehen für das erkennende Gericht keine Zweifel an der fachlichen Richtigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen, gegen das die Parteien, mit denen das Gutachten in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde und denen auch die Möglichkeit eingeräumt wurde, hierzu Fragen zu stellen und eine Stellungnahme abzugeben, auch keine Einwände erhoben haben und auch nicht bekannt gaben, ein weiteres Gutachten einholen zu wollen.

 

9. Die Feststellungen zur Zustellung des angefochtenen Instandsetzungsauftrags ergeben sich aus der Zustellverfügung dieses Bescheids, der amtsbekannten Adresse des Kanzleisitzes der Rechtsvertreterin der beschwerdeführenden Gesellschaft, einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister für die in der Zustellverfügung angeführte Adresse, die diese Adresse als Hauptwohnsitz von Dr. IJ ausweist, sowie der Übernahmebestätigung auf dem Formular der Verständigung über die Hinterlegung des Bescheids, dem sich der 13.03.2019 als Übernahmedatum entnehmen lässt. Dieses Datum deckt sich mit den Angaben der beschwerdeführenden Gesellschaft in der Beschwerde, wonach deren Rechtsvertreterin den falsch adressierten Bescheid nach Erhalt der Verständigung über die Hinterlegung am 13.03.2019 bei der Postfiliale in Empfang nahm.

 

Rechtsgrundlagen:

 

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 59/1995 idF LGBl. Nr. 63/2018 (Stmk BauG), lauten:

 

„§ 4

Begriffsbestimmungen

Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Gesetz folgende Bedeutung:

[…]

9. Baugebrechen: mangelhafter Zustand einer baulichen Anlage, der deren Festigkeit, Brandsicherheit, Hygiene oder äußeres Erscheinungsbild betrifft und geeignet ist, Personen oder im Eigentum Dritter stehende Sachen zu gefährden oder zu beschädigen oder das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild grob zu beeinträchtigen;

[…]

48. Neubau: Herstellung einer neuen baulichen Anlage, die keinen Zu- oder Umbau darstellt. Ein Neubau liegt auch dann vor, wenn nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden;

[…]

58. Umbau: die Umgestaltung des Inneren oder Äußeren einer bestehenden baulichen Anlage, die die äußeren Abmessungen nicht vergrößert oder nur unwesentlich verkleinert, jedoch geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (z. B. Brandschutz, Standsicherheit, äußeres Erscheinungsbild), bei überwiegender Erhaltung der Bausubstanz;

[…]

 

§ 19

Baubewilligungspflichtige Vorhaben

Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

1. Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie größere Renovierungen (§ 4 Z 34a)

[…]

§ 39

Instandhaltung und Nutzung

(1) Der Eigentümer hat dafür zu sorgen, daß die baulichen Anlagen in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden.

[…]

(3) Kommt der Eigentümer seinen Verpflichtungen nicht nach, hat ihm die Behörde die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen und die Behebung des der Bewilligung und den baurechtlichen Vorschriften widersprechenden Zustandes unter Festsetzung einer angemessenen Frist aufzutragen.

(4) Ist die Behebung von Baugebrechen technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar, hat die Behörde aus Gründen der Sicherheit die Räumung und Schließung von baulichen Anlagen oder Teilen derselben und nötigenfalls deren Abbruch anzuordnen.

[…]“

 

2. Die zu § 39 Abs 1 und Abs 3 Stmk BauG inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 70 Abs 2 und 3 Steiermärkische Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149/1968 (Stmk BauO 1968) lautet:

„§ 70

Überwachung des Bauzustandes;

Instandhaltung der Bauten; Beseitigung von Baugebrechen

[…]

(2) Der Eigentümer hat dafür zu sorgen, daß die Bauten in einem der Baubewilligung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden.

(3) Die Baubehörde hat, wenn der Eigentümer seinen Verpflichtungen (Abs. 2) nicht nachkommt, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und die Behebung der Baugebrechen unter Festsetzung einer angemessenen Frist aufzutragen. Ist die Behebung der Baugebrechen nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar, so kann aus Gründen der Sicherheit die Räumung und Schließung von Bauten oder Teilen derselben und nötigenfalls deren Abbruch angeordnet werden.

[…]“

 

3. Die zu § 39 Abs 1 und Abs 3 Stmk BauG vergleichbare Bestimmung des § 129 Abs 2 und Abs 4 Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 idF LGBl. Nr. 69/2018 (Wr BauO) lautet auszugsweise:

 

„§ 129

Benützung und Erhaltung der Gebäude; vorschriftswidrige Bauwerke

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden.

[…]

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an und verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Erteilung des Bauauftrages. Ist das Bauwerk aus öffentlichen Interessen, wie etwa solchen des Denkmalschutzes, entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt seiner Errichtung zu erhalten, ist es in den der Baubewilligung entsprechenden Zustand zu versetzen, sofern keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. Bei benützten Gebäuden sind rechtskräftige Aufträge an allgemein zugänglicher Stelle des Gebäudes (jeder Stiege) anzuschlagen. Die Räumung oder der Abbruch von Bauwerken oder Bauwerksteilen ist anzuordnen, wenn die technische Unmöglichkeit der Behebung der Baugebrechen erwiesen ist. Die Räumung oder der Abbruch von Bauwerken oder Bauwerksteilen ist weiters auch dann anzuordnen, wenn durch die Art, die Vielfalt und das Ausmaß der bestehenden Baugebrechen sich die Bauwerke oder Bauwerksteile in einem solchen gefährlichen Bauzustand befinden, dass die Sicherheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes bedroht ist und auch durch einfache Sicherungsmaßnahmen auf längere Zeit nicht hergestellt und gewährleistet werden kann. In allen Fällen steht dem Eigentümer (Miteigentümer) des Bauwerkes oder der Bauwerksteile die Möglichkeit offen, innerhalb der Erfüllungsfrist den der Baubewilligung und den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Zustand wiederherzustellen. Für Bauwerke oder Bauwerksteile in Schutzzonen hat die Behörde darüber hinaus die Behebung von Schäden aufzutragen, die das äußere Erscheinungsbild beeinträchtigen; im Zuge der Instandsetzung des Baukörpers eines Bauwerks oder Bauwerksteiles kann die Behörde dessen Ausgestaltung nach den Bebauungsbestimmungen gemäß § 5 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 oder entsprechend dem § 85 Abs. 5 verfügen.“

 

4. Die zu § 39 Abs 1 und Abs 3 Stmk BauG vergleichbaren Bestimmungen des § 47 Abs 1 und Abs 2 sowie § 48 Abs 1 und Abs 2 Oberösterreichische Bauordnung, LGBl. Nr. 66/1994 idF LGBl. Nr. 34/2013 (Oö BauO 1994) lauten:

 

„§ 47

Erhaltungspflicht

(1) Der Eigentümer einer baulichen Anlage hat dafür zu sorgen, daß die Anlage in einem den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten wird. Bei baulichen Anlagen, für die eine Baubewilligung erteilt wurde, erstreckt sich diese Verpflichtung insbesondere auch auf die Einhaltung der Auflagen und Bedingungen des Baubewilligungsbescheides sowie auf die Erhaltung der nach der Baubewilligung zur baulichen Anlage gehörenden Einrichtungen, wie Kinderspielplätze, Schutzräume, Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Erholungsflächen. Im übrigen sind bauliche Anlagen so zu erhalten, daß die Sicherheit, die Festigkeit, der Brandschutz, die Wärmedämmung und der Wärmeschutz, die Schalldämmung und der Schallschutz der baulichen Anlage und die Erfordernisse der Gesundheit, der Hygiene, des Unfallschutzes und der Bauphysik nicht beeinträchtigt werden und ein nach Art und Zweck der Anlage unnötiger Energieverbrauch sowie schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden.

(2) Erlangt die Baubehörde Kenntnis von einer Verletzung der Erhaltungspflicht, hat sie dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung der festgestellten Mängel aufzutragen.

[…]

 

§ 48

Baugebrechen

(1) Hat sich der Zustand einer baulichen Anlage so verschlechtert, daß

1. eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Hygiene oder die körperliche Sicherheit von Menschen oder für fremde Sachwerte entsteht,

2. das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet wird oder

3. schädliche Umwelteinwirkungen entstehen,

liegt, gleichgültig worauf die Verschlechterung zurückzuführen ist, ein Baugebrechen vor.

(2) Erlangt die Baubehörde Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens, hat sie die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, daß sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen. Ein Instandsetzungsauftrag steht der Erteilung einer Abbruchbewilligung nicht entgegen.

[…]“

 

5. Die zu § 39 Abs 1 und Abs 3 Stmk BauG vergleichbare Bestimmung des § 112 Abs 1 und Abs 2 Niederösterreichische Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 8200-9 (Nö BauO 1976) lautet auszugsweise:

 

§ 112

Vermeidung und Behebung von Baugebrechen

(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, daß diese in einem der Bewilligung entsprechenden Zustand erhalten wird. Er hat Baugebrechen, durch welche die Standfestigkeit, die äußere Gestaltung, der Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden können, zu beheben.

(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbinden ist, unter Gewährung einer angemessen Frist die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

[…]

 

6. Die Bestimmungen des § 24 und des – zu § 39 Abs 1 und Abs 3 Stmk BauG unterschiedlichen – § 33 Abs 1 und Abs 2 Niederösterreichische Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 8200-23 (NÖ BauO 1996) lauten:

 

„§ 24

Ausführungsfristen

(1) Das Recht aus einer Baubewilligung (§ 23 Abs. 1) erlischt, wenn die Ausführung des bewilligten Bauvorhabens nicht

o binnen 2 Jahren ab der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 begonnen oder

o binnen 5 Jahren ab ihrem Beginn vollendet wurde.

Eine Bauplatzerklärung nach § 23 Abs. 2 wird dadurch nicht berührt.

(2) Für die Vollendung umfangreicher Bauvorhaben (z.B. großvolumige Wohn- oder Betriebsgebäude, Anstaltsgebäude) darf in der Baubewilligung eine längere Frist bestimmt werden.

(3) Wenn ein bewilligtes Bauvorhaben in mehreren Abschnitten ausgeführt werden soll, dann dürfen in der Baubewilligung längere Fristen als nach Abs. 1 für einzelne Abschnitte bestimmt werden.

(4) Die Baubehörde hat die Frist für den Beginn der Ausführung eines bewilligten Bauvorhabens zu verlängern, wenn

o dies vor ihrem Ablauf beantragt wird,

o das Bauvorhaben nach wie vor dem Flächenwidmungsplan – und auch im Geltungsbereich eines Bebauungsplans auch diesem – und den Sicherheitsvorschriften nicht widerspricht.

(5) Die Baubehörde hat die Frist für die Vollendung eines bewilligten Bauvorhabens zu verlängern, wenn der Bauherr dies vor ihrem Ablauf beantragt und das Bauvorhaben innerhalb einer angemessenen Nachfrist vollendet werden kann.

(6) Das Recht zur Ausführung eines Vorhabens nach § 15 erlischt, wenn mit seiner Ausführung nicht binnen 2 Jahren ab dem Ablauf der Frist nach § 15 Abs. 1 begonnen worden ist.

[…]

 

§ 33

Vermeidung und Behebung von

Baugebrechen

(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, daß dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat Baugebrechen zu beheben.

(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

[…]“

VI. Rechtliche Beurteilung

 

Zum Antrag der belangten Behörde vom 16.09.2019, dass der verfahrensführende Richter wegen Befangenheit von der Verfahrensführung zurücktrete:

 

Mit Schriftsatz vom 16.09.2019 stellte die belangte Behörde u.a. den Antrag, dass der verfahrensführende Richter wegen Befangenheit vom Verfahren zurücktrete, und begründete dies mit den rechtlichen Ausführungen im verfahrensleitenden Beschluss über den Gutachtensauftrag, der sämtlichen Parteien des Verfahrens nachrichtlich zugestellt wurde. Zu diesem Antrag ist zunächst auszuführen, dass § 7 AVG iVm § 17 VwGVG kein förmliches Antrags- oder Ablehnungsrecht einräumt und über einen derartigen Antrag auch nicht gesondert abzusprechen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 7 Rz 17 mwN [Stand 1.1.2014, rdb.at]), sondern Verwaltungsrichter ihre Befangenheit von Amts wegen wahrzunehmen haben. Ein Befangenheitsgrund liegt aber nicht vor:

 

Nach den durch die belangte Behörde zitierten Erkenntnissen des VwGH liegt eine Befangenheit in subjektiver Hinsicht dann vor, wenn der Richter vor der Verhandlung etwa durch Äußerungen zu erkennen gibt, dass er sich in der Sache bereits auf eine Entscheidung festgelegt hat. Wie der VwGH in dem ebenfalls im Schriftsatz der Behörde zitierten Erkenntnis vom 24.04.2014, 2013/09/0049 weiter ausführt, ist ein derartiger Befangenheitsgrund aber dann nicht anzunehmen, wenn ein Richter, ohne sich auf eine Entscheidung festzulegen und auf neutrale Weise vor der Verhandlung mit einem Parteienvertreter Aspekte einer Rechtssache erörtert, die der Vorbereitung der Verhandlung dienen. Weiters können nach der Rsp des VwGH nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (VwGH 24.03.2015, 2012/03/0076).

 

Die bloße Darlegung der rechtlichen Erwägungen, die einem Gutachtensauftrag insofern notwendiger Weise immanent sind, als die Abgrenzung des Gutachtensgegenstands einer vorangegangenen vorläufigen rechtlichen Würdigung des Sachverhalts und Beschwerdegegenstands bedarf, in einem verfahrensleitenden Beschluss über einen Gutachtensauftrag (ausdrücklich) als vorläufige Rechtsansicht lässt gerade nicht erkennen, dass ein Entscheidungsträger nicht bereit wäre, seine vorläufige Meinung nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse und der rechtlichen Erörterung in der Verhandlung zu ändern. Vielmehr dient diese Vorgangsweise vor allem der rechtlichen Begründung des Gutachtensauftrags gegenüber dem Amtssachverständigen und soll insbesondere dessen besserem Verständnis der konkret gestellten Fragen dienen. Im Übrigen hat der VwGH judiziert, dass weder die Erörterung von Aspekten einer Rechtssache, die der Vorbereitung der Verhandlung dienen (VwGH 24.04.2014, 2013/09/0049), noch die Arbeitsweise eines Vorsitzenden eines verwaltungsgerichtlichen Senats, „verfahrensbegeleitend den Prozessstoff bzw. die Ermittlungsergebnisse zu ordnen und [sogar] Teile des von ihm später auszuarbeitenden Erkenntnisses zu konzipieren“, Bedenken hinsichtlich der Befangenheit begegnet (VwGH 06.03.2019, Ra 2018/08/0253).

 

Die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise wird dadurch bestätigt, dass die Judikatur des VwGH in der Verhandlung die Darlegung der Rechtsansicht des Richters im Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen verlangt (VwGH 01.08.2018, Ra 2018/06/0021; 17.02.2015, Ra 2014/09/007) und mitnichten ausschließt, dass die Parteien vor der Entscheidung mit der Rechtsansicht des Richters konfrontiert werden, sondern im Gegenteil sogar fordert, dass die Rechtsansicht des Richters vor der Entscheidung den Parteien kommuniziert und mit diesen erörtert wird. Dabei kann es keinen Unterschied machen, wenn die vorläufigen rechtlichen Erwägungen, die den Richter zur Stellung und zur Ausgestaltung des Gutachtensauftrags bestimmt haben, in einem – sämtlichen Parteien zugestellten – verfahrensleitenden Beschluss über den Gutachtensauftrag dargelegt werden, dient diese primär dem Verständnis des Gutachtensauftrags durch den Amtssachverständigen dienende Vorgangsweise nebenbei gerade der Transparenz der Verfahrensführung und bietet den Parteien die Gelegenheit, sich mit der für den Gutachtensauftrag maßgeblichen Rechtsansicht schon im Vorfeld der Verhandlung auseinanderzusetzen, sodass sie etwa den Sachverständigen auf Grund der Auseinandersetzung mit dieser Rechtsansicht befragen oder ergänzende Beweisanträge stellen können. In der Verhandlung vom 17.10.2019 wurden sodann auch die relevanten Rechtsfragen, die naturgemäß über jene hinausgingen, die für den Gutachtensauftrag bestimmend waren, mit den Parteien erörtert und diesen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

 

Würde man der Rechtsansicht der belangten Behörde folgen, dass bereits die Darlegung der vorläufigen rechtlichen Erwägungen in einem sämtlichen Parteien zugestellten Beschluss, die für die Stellung des konkreten Gutachtensauftrags bestimmend waren und der Begründung und Präzisierung gegenüber dem Amtssachverständigen dienten, jenen Fällen gleichzuhalten ist, in denen mit einer Partei außerhalb der Verhandlung das Ergebnis des Verfahrens erläutert wird, und den Anschein der Befangenheit auslöst, würde bereits jegliche Darlegung der Rechtsvorschriften oder etwa die Nennung eines Nachbarrechts in einem Gutachtensauftrag problematisch sein, obwohl das Verfassen eines Gutachtensauftrags zwingend eine erste (vorläufige) rechtliche Würdigung und Einordnung des Verfahrensgegenstands und des Beschwerdevorbringens voraussetzt. Die ausführlichere Darstellung der für den Gutachtensauftrag bestimmenden rechtlichen Erwägungen dient primär der Präzisierung und besseren Verständlichkeit des Gutachtensauftrags für den Amtssachverständigen und nebenbei der Offenlegung dieser vorläufigen Rechtsansicht gegenüber den Parteien. Eine derartige Vorgangsweise lässt nicht die Entscheidungsabsicht erkennen, sondern stellt nur die für diesen Abschnitt des Ermittlungsverfahrens maßgeblichen Rechtsüberlegungen dar, sodass die Parteien sich schon in diesem Verfahrensstadium mit den für den Gutachtensauftrag maßgeblichen Erwägungen auseinandersetzen können.

 

Die belangte Behörde führt auch in keiner Weise aus, worin sie die beanstandete Entscheidungsabsicht des erkennenden Richters erkennt oder inwiefern sich dieser auf eine Entscheidungsvariante festgelegt haben soll. Im verfahrensleitenden Beschluss vom 09.09.2019 wird nur der für den Gutachtensauftrag zentrale Begriff des Baugebrechens und die Verschlechterung des Zustands des Gebäudes als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids dargelegt und rechtlich begründet.

 

Auch ist nicht nachvollziehbar, inwiefern der Gutachtensauftrag an den Amtssachverständigen ausschließlich Rechtsfragen beinhalten soll, wie dies im Schriftsatz vom 16.09.2019 behauptet wird, handelt es sich doch bei den an den Amtssachverständigen gerichteten Fragen allesamt um Fragen, die entweder die Befundaufnahme des gegenwärtigen Zustands des in Rede stehenden Dachs und dessen Vergleich mit den Einreichplänen betrafen (vgl. VwGH 25.01.1996, 95/06/0251 zur Zulässigkeit [selbst] der Vorprüfung von Einreichplänen durch einen Sachverständigen) oder die – nach der Judikatur des VwGH zwingend durch eine sachkundige Person vorzunehmende (vgl. VwGH 19.06.1967, 0818/67) – Beurteilung betrafen, ob nach dem voraussehbaren Ablauf der Dinge der Zustand des ausgeführten Dachs dazu führt, dass die Festigkeit, Brandsicherheit, Hygiene oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes früher oder später beeinträchtigt werden. Ausdrücklich wurde im Gutachtensauftrag betont, dass Befund und Gutachten aus Fachsicht der Bautechnik und des Straßen-, Orts- und Landschaftsbilds zu erstatten sind. Im Übrigen war die sachverständige Beantwortung der an den Amtssachverständigen gerichteten Fragen für die vorliegende Entscheidung relevant, sodass zum Zeitpunkt des Gutachtensauftrags der Ausgang des Verfahrens gerade nicht feststand. So wäre der angefochtene Bescheid zu bestätigen und die Beschwerde abzuweisen gewesen, wenn der Sachverständige eine Verschlechterung des Zustands des Gebäudes, die zu einem Baugebrechen führt, prognostiziert hätte.

 

Bezüglich der weiteren Behauptung im Schriftsatz vom 16.09.2019, dass die Beurteilung im Gutachtensauftrag jener der Beschwerdeführerin nachgebildet sei, genügt es darauf hinzuweisen, dass auch keine Befangenheit vorläge, wenn sich die Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichts mit jener der Partei decken würde (VwGH 29.06.1992, 92/15/0090).

 

Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

 

1. Die fälschliche Bezeichnung der Zustelladresse in der Zustellverfügung stellt einen heilbaren Zustellmangel dar (vgl. Erläut. RV 294 BlgNR 23. GP 18; Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Aufl. [2018], 404 f., FN 19). Da der angefochtene Bescheid der Rechtsvertreterin der beschwerdeführenden Gesellschaft durch Übernahme am 13.03.2019 tatsächlich zukam, gilt die Zustellung gemäß § 7 ZustG mit 13.03.2019 als bewirkt. Die Beschwerde langte am 09.04.2019 fristgerecht per E‑Mail ein. Da die Beschwerde auch im Übrigen den Form- und Inhaltserfordernissen des § 9 Abs 1 VwGVG entspricht, ist sie zulässig. Sie ist auch begründet:

 

Zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens:

 

2.1. Die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte ist keine unbegrenzte: Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die „Sache“ des bekämpften Bescheids, somit jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; 22.01.2015, Ra 2014/06/0055; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; 27.04.2015, Ra 2015/11/0022), das heißt, das Verwaltungsgericht darf sachlich nicht über mehr absprechen, als Gegenstand der Entscheidung der Verwaltungsbehörde war, weil den Parteien ansonsten in der Sachfrage der Instanzenzug beschnitten und das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt würde (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 66 Rz 78 mwN zur Judikatur). Verfahrensgegenstand ist der angefochtene Instandsetzungsauftrag gemäß § 39 Abs 1 und Abs 3 Stmk BauG, die Dachkonstruktion innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft in einen der Baubewilligung vom 01.10.2007, GZ: 025910/2007, entsprechenden Zustand zu versetzen und zwar durch Errichtung der fehlenden Dachsheds und Aufbringung der Dachhaut aus Bronzeplatten. Der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist somit mit dem von der Baubehörde als Baugebrechen beurteilten Fehlen der Dachsheds und der Dachhaut aus Bronzeplatten begrenzt.

 

2.2. Somit ist es dem Landesverwaltungsgericht verwehrt, einen etwaigen mangelhaften Zustand der Terrassen im Dachbereich sowie des Flachdachs westlich der Sheddächer Nr. 4 und Nr. 5 zu beurteilen, da diese weder Gegenstand des angefochtenen Bescheids sind, noch im behördlichen Verfahren thematisiert wurden.

 

2.3. Zudem bestimmen sich die Grenzen der „Sache“ nach dem Gegenstand, der durch den Spruch des Bescheids entschieden wurde, wobei die „Sache“ nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, welche die konkrete Sache definiert, eruiert werden kann (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 66 Rz 59 mwN zur Judikatur). Dabei ist die Sache des Beschwerdeverfahrens durch die jeweilige gesetzliche Anspruchs- oder Befugnisgrundlage determiniert und begrenzt. Während der bloße Austausch der angewendeten Norm die Entscheidungsbefugnis der Rechtsmittelbehörde noch nicht überschreitet (vgl. VwGH 06.09.2011, 2009/05/0348), stellt der Austausch des Anspruchs oder der Befugnis im Rechtsmittelverfahren jedenfalls eine unzulässige Änderung der Sache dar (vgl. zur unzulässigen Änderung der Sache im Rechtsmittelverfahren im Fall der Anwendung einer anderen Anspruchs- oder Befugnisgrundlage VwGH 31.01.2019, Ra 2018/22/0086; 16.02.2017, Ra 2016/05/0026; 09.11.1999, 99/05/0136; 14.12.1995, 95/07/0040; 23.10.1995, 93/10/0128, VwSlg. 14.346 A/1995; 28.11.1983, 82/11/0270, VwSlg. 11.237 A/1983).

 

2.4. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 66 Abs 4 AVG, die – weil das Verständnis, was unter „Sache des Verfahrens“ zu verstehen ist, unverändert geblieben ist – auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertragen werden kann (vgl. VwGH vom 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, und Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 28 VwGVG Rz 35), darf somit weder die Berufungsbehörde noch in weiterer Folge das Verwaltungsgericht – durch die jeweilige gesetzliche Befugnisgrundlage determinierte – baupolizeiliche Aufträge erteilen, die nicht Gegenstand des Spruchs des erstinstanzlichen Bescheids waren (vgl. VwGH 29.10.1985, 85/05/0114). So hat der VwGH etwa einen Instandsetzungsauftrag gegenüber einem Beseitigungsauftrag oder einen Beseitigungsauftrag gegenüber einer Nutzungsuntersagung als eine andere Sache und eine diesbezügliche Abänderung durch die Berufungsbehörde als unzulässige Überschreitung der Entscheidungsbefugnis qualifiziert (vgl. VwGH 13.12.2004, 2001/06/0117; 09.11.1999, 99/05/0136; 14.12.1995, 95/07/0040)

 

2.5. Somit ist das Landesverwaltungsgericht bei der Prüfung des Vorliegens eines Baugebrechens zwar nicht auf das durch die belangte Behörde geprüfte öffentliche Interesse der Beeinträchtigung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes beschränkt und ist auch zu prüfen, ob durch das Fehlen der Dachsheds und der Dachhaut ein Baugebrechen des übrigen, ausgeführten Gebäudes vorliegt, allerdings ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur, ob das Fehlen der Dachsheds und der Dachhaut bei konsensgemäß ausgeführten Gebäudeteilen zu Baugebrechen führt. Die Erlassung eines Instandsetzungsauftrags setzt nämlich einen zunächst bestehenden bewilligten Zustand des (teil)ausgeführten Gebäudes voraus (vgl. VwGH 27.09.2005, 2005/06/0150 explizit zu § 39 Stmk BauG; siehe unten Pkt. 9.4.). Bei einer konsenswidrigen (Teil-)Ausführung eines Gebäudes wäre allenfalls ein Beseitigungsauftrag oder auch eine Sicherungsmaßnahme gemäß § 39 Abs 3 Stmk BauG zu erlassen, nicht jedoch ein Instandsetzungsauftrag (Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht, 5. Aufl. [2013] § 39 Stmk BauG Anm. 4). Der Austausch des Instandsetzungsauftrags auf einen Beseitigungsauftrag oder eine Sicherungsmaßnahme ist dem Landesverwaltungsgericht aber verwehrt, sodass bei allfälligen Abweichungen vom Baubewilligungsbescheid vom 01.10.2007 im Bereich der fehlenden Dachsheds der Instandsetzungsauftrag insofern zu beheben wäre.

 

2.6. Zusammenfassend ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens somit einerseits, ob das beanstandete Fehlen der Dachsheds und der Dachhaut einen Instandsetzungsauftrag gemäß § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG begründet, und anderseits, inwiefern der Bereich der fehlenden Dachsheds bewilligungswidrig ausgeführt wurde, weil in diesem Fall die Behörde allenfalls einen Beseitigungsauftrag erlassen hätte müssen und die Erlassung eines Instandsetzungsauftrags gesetzwidrig wäre.

 

Zu den Voraussetzungen eines Instandsetzungsauftrags:

 

3. Gemäß § 39 Abs 1 Stmk BauG trifft den Eigentümer die Pflicht, dass die baulichen Anlagen in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden. Verletzt der Eigentümer diese Pflicht zur Erhaltung des der Baubewilligung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustands (Instandhaltungspflicht), hat die Baubehörde einen Instandsetzungsauftrag gemäß § 39 Abs 3 Stmk BauG zu erlassen, wobei die Erlassung eines Instandsetzungsauftrags – wie bereits oben unter Pkt. 2.5. ausgeführt – zunächst voraussetzt, dass der ursprüngliche Zustand konsensgemäß war (vgl. VwGH 27.09.2005, 2005/06/0150 explizit zu § 39 Stmk BauG; siehe unten Pkt. 9.4.), weil ansonsten mit einem Beseitigungsauftrag oder allenfalls mit einer Sicherungsmaßnahme vorzugehen wäre.

 

4.1. Weitere Voraussetzung der Erteilung eines Instandsetzungsauftrags gemäß § 39 Abs 3 Stmk BauG ist, dass sich der – ursprünglich konsensgemäße – Zustand einer baulichen Anlage verschlechtert hat:

 

4.2. Dies ergibt sich zunächst schon aus dem Wortlaut der Befugnisgrundlage des § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG, wonach den Eigentümer gemäß Abs 1 leg cit die Pflicht trifft, dass „die baulichen Anlagen in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden“, und die Erteilung des baupolizeilichen Auftrag gemäß Abs 3 leg cit zur Voraussetzung hat, dass der Eigentümer dieser Instandhaltungspflicht nicht nachkommt (vgl. überdies auch die Überschrift zu § 39 Stmk BauG: „Instandhaltung und Nutzung“). Die Pflicht zur Erhaltung eines Zustands bzw. zur Instandhaltung setzt somit einen bestehenden Zustand voraus, der Auftrag zur Instandsetzung wiederum eine Verschlechterung dieses Zustands (ebenso Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht, 5. Aufl. [2013] § 39 Anm. 4).

 

4.3. Weiters ergibt sich die Voraussetzung einer Verschlechterung eines früher bestandenen Zustands für die Erteilung eines Instandsetzungsauftrags gemäß § 39 Abs 3 Stmk BauG auch aus einer subjektiv-historischen Interpretation. Wie die beschwerdeführende Gesellschaft zutreffend aufzeigt, war es die Absicht des Landesgesetzgebers, keine Bauvollendungsfrist vorzusehen, um nicht vertretbare Härten für den Bauherrn, der „sein Bauvorhaben nicht beenden kann“, zu vermeiden (vgl. ErläutRV EZ 992, 12. GPStLT, 79). Somit stellt die Nichtfertigstellung eines Bauvorhabens nach der Absicht des Landesgesetzgebers für sich genommen keinen baugesetzwidrigen Zustand dar. Die Interpretation der belangten Behörde des § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG würde diese bewusste Entscheidung des Landesgesetzgebers insofern unterminieren, als dadurch durch einen Auftrag an den – überdies nicht zwingend mit dem Bauherrn identen – Eigentümer der baulichen Anlage die Bauvollendung vorgeschrieben werden könnte.

 

4.4. Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht kann somit nach dem Wortlaut des § 39 Abs 1 iVm 3 Stmk BauG und der Absicht des Landesgesetzgebers das bloße Fehlen eines Teils einer baulichen Anlage für sich genommen kein Baugebrechen darstellen. Die in dem angefochtenen Bescheid zitierte Rechtsprechung des VwGH zu § 33 NÖ BauO 1996 ist auf das Stmk BauG nicht übertragbar, sah § 33 Abs 1 NÖ BauO 1996 doch im Gegensatz zu § 39 Abs 1 Stmk BauG die Pflicht des Eigentümers vor, dass das Bauwerk in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird, und normierte § 24 NÖ BauO 1996 eine Bauvollendungsfrist. Gemäß § 33 Abs 2 NÖ BauO 1996 kam der Baubehörde die Befugnis zur Verfügung der Behebung des Baugebrechens für den Fall zu, dass der Eigentümer seiner Verpflichtung nach Abs 1, mithin auch seiner Verpflichtung zur Ausführung in einem der Baubewilligung entsprechenden Zustand, nicht nachkam. Demgegenüber judiziert der VwGH in seiner stRsp zu den übrigen, zu § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG vergleichbaren Befugnisgrundlagen für die Erteilung von baupolizeilichen Aufträgen zur Beseitigung von Baugebrechen, dass ein Baugebrechen dann vorliegt, wenn sich der Zustand einer baulichen Anlage verschlechtert (vgl. zB VwGH 20.11.2018, Ra 2018/05/0039; 23.07.2013, 2011/05/0131; 15.03.2011, 2008/05/0095; 15.06.2010, 2007/05/0279; 25.03.2010, 2007/05/0026; 26.02.2009, 2008/05/0249, jeweils zu § 129 Abs 4 iVm Abs 2 Wr BauO; VwGH 13.04.2010, 2009/05/0196, 01.09.1998, 98/05/0064, jeweils zu § 48 Abs 2 iVm Abs 1 OÖ BauO 1994; 20.01.1998, 97/05/0064 zu § 112 Abs 2 iVm Abs 1 NÖ BauO 1976), was einen ursprünglich bestandenen Zustand voraussetzt (vgl. VwGH 28.06.1990, 90/06/0045; 14.09.1989, 88/06/0151; 17.03.1988, 86/06/0192, VwSlg. 12.673 A/1988, jeweils zur inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 70 Abs 3 iVm Abs 2 Stmk BauO 1968, wonach ein Baugebrechen dann vorliegt, wenn sich der ursprünglich bestandene gute Zustand eines Baues verschlechtert hat, sodass die Verpflichtung des Eigentümers darin besteht, diesen Zustand wiederherzustellen; vgl. auch Rupprecht/Perner/Frank, Bauvorschriften für das Land Steiermark, 6. Aufl. [1991] § 70 Anm. 2, wonach ein Baugebrechen dann vorliege, wenn sich der Zustand eines Bauwerks derart verschlechtert habe, dass hierdurch öffentliche Interessen berührt werden). So führt der VwGH auch ausdrücklich aus, dass die Rechtspflicht zur Beseitigung von Baugebrechen „eine Pflicht zur Erhaltung und daraus folgend eine Pflicht zur Wiederherstellung, nicht aber zur Neuherstellung eines von der Bauordnung geforderten Zustandes“ darstellt (VwGH 14.01.1958, 2221/55, VwSlg. 4524 A/1958 zu § 129 Abs 2 Wr BauO).

 

5.1. Schließlich ist Voraussetzung der Erlassung eines Instandsetzungsauftrags, dass diese Verschlechterung des – ursprünglich konsensgemäßen – Zustands einer baulichen Anlage geeignet ist, die in § 4 Z 9 Stmk BauG angeführten öffentlichen Interessen zu beeinträchtigen:

 

5.2. Wie sich nämlich aus einer systematischen Interpretation des § 39 Abs 3 Stmk BauG in Zusammenschau mit § 39 Abs 4 Stmk BauG ergibt, rechtfertigt nicht jede Zustandsverschlechterung die Erlassung eines Instandsetzungsauftrags, sondern nur eine solche, die ein Baugebrechen darstellt. § 39 Abs 4 Stmk BauG knüpft nämlich an den Instandsetzungsauftrag des § 39 Abs 3 Stmk BauG an, indem er die Voraussetzungen dafür normiert, dass die Behörde nicht mittels Instandsetzungsauftrag, sondern mit einer Räumung und Schließung der baulichen Anlage und nötigenfalls mit deren Abbruch vorzugehen hat, und umschreibt die in § 39 Abs 3 Stmk BauG normierte Behebung „des der Bewilligung den baurechtlichen Vorschriften widersprechenden Zustands“ mit der „Behebung von Baugebrechen“, wodurch die Verschlechterung des bewilligungs- oder baugesetzwidrigen Zustands als Voraussetzung des Instandsetzungsauftrags mit dem Vorliegen eines Baugebrechens, das in § 4 Z 9 Stmk BauG definiert ist, gleichgesetzt wird (vgl. Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht, 5. Aufl. [2013] § 39 Anm. 10). Gemäß § 4 Z 9 Stmk BauG liegt ein Baugebrechen vor, wenn ein mangelhafter Zustand einer baulichen Anlage vorliegt, der deren Festigkeit, Brandsicherheit, Hygiene oder äußeres Erscheinungsbild betrifft und geeignet ist, Personen oder im Eigentum Dritter stehende Sachen zu gefährden oder zu beschädigen oder das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild grob zu beeinträchtigen.

 

6. Zusammengefasst darf ein Auftrag gemäß § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG nur erlassen werden, wenn sich der ursprünglich konsensgemäße Zustand einer bestehenden baulichen Anlage derart verschlechtert, dass ein Baugebrechen iSd § 4 Z 9 Stmk BauG vorliegt, mithin die darin angeführten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden. Dabei ist durch eine sachkundige Person zu beurteilen, ob nach dem voraussehbaren Ablauf der Dinge der Zustand der baulichen Anlage dazu führt, dass die öffentlichen Interessen iSd § 4 Z 9 Stmk BauG früher oder später beeinträchtigt werden (vgl. zu der anzustellenden Prognoseentscheidung VwGH 19.06.1967, 0818/67).

 

Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt:

 

7.1. Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das beanstandete Fehlen der Dachsheds und der Dachhaut aus Bronzeplatten für sich genommen kein Baugebrechen darstellt, das die Erlassung eines Auftrags gemäß § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG rechtfertigen würde, da diese Befugnisgrundlage einen zunächst bestehenden Zustand voraussetzt, der sich sodann verschlechtert. Somit ist es für das vorliegende Verfahren irrelevant, ob das Fehlen der Dachsheds und der Dachhaut aus Bronzeplatten das Ortsbild beeinträchtigt.

 

7.2. Allerdings kann das Fehlen eines Teils einer baulichen Anlage zur Verschlechterung des Zustands des übrigen Gebäudes führen, sodass ein Baugebrechen darin liegen könnte, dass sich der Zustand des übrigen Gebäudes verschlechtert und diese allfällige Verschlechterung die in § 4 Z 9 Stmk BauG angeführten öffentlichen Interessen beeinträchtigt. So hat der VwGH etwa das Fehlen des Verputzes (vgl. VwGH 11.10.2011, 2009/05/0292) oder von Fensterscheiben (vgl. VwGH 27.02.2002, 2001/05/0349) als Baugebrechen qualifiziert, wenn sich dadurch der Zustand des übrigen, bereits ausgeführten Gebäudes derart verschlechtert, dass öffentliche Interessen beeinträchtigt werden.

 

Zum Fehlen der Metallverkleidung aus Bronzewalzblechplatten:

 

8. Wie oben festgestellt, führt das Fehlen der Metallverkleidung aus Bronzewalzblechplatten nicht zur Verschlechterung des Zustands des übrigen Gebäudes, da es sich bei der vorliegenden, der Baubewilligung entsprechenden Teilausführung der Stahlunterkonstruktion mit einer Abdichtung aus Kalzip-Aludachbahnen um eine aus bautechnischer Sicht geeignete äußere Gebäudehülle handelt. Das Fehlen der Metallverkleidung rechtfertigt somit nicht die Erlassung eines Instandsetzungsauftrags gemäß § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG, sodass der angefochtene Instandsetzungsauftrag insofern zu beheben ist, als dadurch die Aufbringung der Dachhaut aus Bronzeplatten aufgetragen wird.

 

 

 

Zur Ausführung des Flachdachs im Bereich der fehlenden Sheds Nr. 9 bis Nr. 11:

 

9.1. Im Gegensatz zu den Sheddächern Nr. 1 bis Nr. 7 und Nr. 12, bei denen es sich auf Grund des bloßen Fehlens der Metallverkleidung um eine konsensgemäße Teilausführung handelt, handelt es sich bei der Ausführung eines bituminös abgedichteten Flachdachs anstelle der projektierten Sheddächer Nr. 9, Nr. 10 und Nr. 11 nicht um eine Teilausführung, die einen bautechnisch notwendigen Schritt auf dem Weg zur Bauvollendung darstellt, sondern um eine bewilligungspflichtige Abweichung von dem mit Baubewilligungsbescheid vom 01.10.2007 erteilten Baukonsens:

 

9.2. Wie oben festgestellt, wurde im Bereich der fehlenden Sheddächer Nr. 9 bis Nr. 11 der Fußbodenaufbau über der Stahlbetondecke des 5. Obergeschoßes nicht errichtet, sondern stattdessen eine bituminöse Wärmedämmung außen ausgeführt. Weiters wurde die projektierte Öffnung der Stahlbetondecke mit einer Holzkonstruktion geschlossen und wurden Deckendurchbrüche für die Ableitung der Dachflächenwässer hergestellt. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich nicht um eine provisorische, für den Zeitraum und Zweck der Baudurchführung ausgeführte Abdichtung des in Rede stehenden Bereichs, sondern um eine, auf eine über den Zeitraum von Bauarbeiten hinausgehende Funktionstüchtigkeit angelegte Ausführung als Flachdach, zumal sich dieses zumindest seit dem 14.07.2011 unverändert darstellt und seitdem in diesem Bereich – mit Ausnahme der Errichtung des mittels Bauzaun abgegrenzten Verbindungswegs zwischen den Räumen unter den Sheddächern Nr. 8 und Nr. 13 – auch keine Bauarbeiten mehr stattgefunden haben. Zudem gab der Zeuge Ing. GH glaubhaft an, dass die Ausführung als bituminös abgedichtetes Flachdach die Dichtheit und Standfestigkeit des Dachs gewährleisten soll.

 

9.3. Bei dieser – auch nur teilweisen – Änderung der Dachform handelt es sich um keine geringfügige Änderung, sondern um den gemäß § 19 Z 1 Stmk BauG baubewilligungspflichtigen Neubau (die Qualifikation als Umbau iSd § 4 Z 58 Stmk BauG scheidet auf Grund der nicht nur unwesentlichen Verkleinerung des Dachs aus) des Dachs iSd § 4 Z 48 Stmk BauG (vgl. VwGH 23.07.2009, 2008/05/0241 zur Herstellung einer geänderten Dachform als nicht bloß geringfügige, sondern bewilligungspflichtige Änderung), sodass insofern eine bewilligungspflichtige Abweichung von dem mit Baubewilligungsbescheid vom 01.10.2007 erteiltem Konsens vorliegt. Dabei ist es auch unerheblich, ob die vorliegende Ausführung als Flachdach nur vorübergehend oder dauerhaft bestehen soll, da auch eine bloß vorübergehende Errichtung eines baubewilligungspflichtigen Vorhabens die Bewilligungspflicht auslöst (vgl. zB LVwG Stmk 13.02.2017, 50.32-1452/2016).

 

9.4. Die sich aus § 39 Abs 1 Stmk BauG ergebende Instandhaltungspflicht richtet sich auf alle bestehenden bewilligten baulichen Anlagen (VwGH 27.09.2005, 2005/06/0150), während für konsenslose oder konsenswidrige bauliche Anlagen keine Verpflichtung zur Instandhaltung gegeben ist, sondern ein Beseitigungsauftrag zu erlassen ist (Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht, 5. Aufl. [2013] § 39 Stmk BauG Anm. 4). Somit kann die Verletzung der Instandhaltungspflicht gemäß § 39 Abs 1 Stmk BauG, die die Erlassung eines Instandsetzungsauftrags gemäß § 39 Abs 3 Stmk BauG rechtfertigt, nur vorliegen, wenn ein Gebäude(teil) ursprünglich konsensgemäß ausgeführt wurde (und sodann ein konsenswidriger Zustand oder ein Baugebrechen eintritt). Wird hingegen – wie im vorliegenden Fall – ein Gebäudeteil ursprünglich konsenswidrig ausgeführt, ist kein Instandsetzungsauftrag, sondern ein Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der angefochtene Instandsetzungsauftrag ist daher auch insofern rechtswidrig, als dadurch die Errichtung der fehlenden Dachsheds aufgetragen wird. Richtigerweise hätte die belangte Behörde hinsichtlich des anstelle der Sheddächer Nr. 9 bis Nr. 11 ausgeführten Flachdachs einen Beseitigungsauftrag erlassen müssen. Dem Landesverwaltungsgericht ist es verwehrt, einen anderen baupolizeilichen Auftrag zu erlassen, der nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids ist, sodass der Instandsetzungsauftrag auch insofern zu beheben ist.

 

Zu den Abweichungen im Bereich der Sheddächer Nr. 8 und Nr. 13:

 

10. Dasselbe gilt für den Abschluss der unteren Hälfte der nördlichen Front des Sheddachs Nr. 8 sowie den Abschluss der südlichen Front und die längere Ausführung des Vordachs des Sheddachs Nr. 13, die ebenfalls dem mit Baubewilligungsbescheid vom 01.10.2007 erteilten Konsens widersprechen: Bei diesen Abweichungen von den bewilligten Einreichunterlagen handelt es sich um Umgestaltungen des Äußeren des in Rede stehenden Gebäudes, die geeignet sind, die öffentlichen Interessen, insbesondere hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbilds, zu berühren, sodass es sich um bewilligungspflichtige Umbauten iSd § 19 Z 1 iVm § 4 Z 58 Stmk BauG handelt. Somit ist aber auch hinsichtlich dieser Maßnahmen kein Instandsetzungsauftrag gerechtfertigt, sondern wäre ein Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der angefochtene Instandsetzungsauftrag ist daher auch insofern zu beheben.

 

VII. Ergebnis:

 

Da es sich einerseits hinsichtlich der Sheddächer Nr. 1 bis Nr. 7 und Nr. 12 um eine konsensgemäße Teilausführung handelt, die nicht zu einem Baugebrechen des übrigen Gebäudes führen kann, und andererseits das anstelle der fehlenden Sheddächer Nr. 9 bis Nr. 11 ausgeführte Flachdach und die Abweichungen im Bereich der Sheddächer Nr. 8 und Nr. 13 bereits ursprünglich konsenswidrig ausgeführt wurden, liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Instandsetzungsauftrags der Zustandsverschlechterung einerseits und der ursprünglich konsensgemäßen Ausführung anderseits gemäß § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG nicht vor und ist der angefochtene Instandsetzungsauftrag somit ersatzlos zu beheben.

 

VIII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053; 03.07.2015, Ra 2015/03/0041) und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. etwa VwGH 30.01.2019, Ra 2018/06/0319 mwN).

 

Wie oben unter Pkt. 4.2. ausgeführt, ergibt sich die Rechtsansicht, dass ein Instandsetzungsauftrag gemäß § 39 Abs 3 Stmk BauG die Verschlechterung eines bestehenden Zustands voraussetzt, bereits aus dem Wortlaut der Instandhaltungspflicht gemäß § 39 Abs 1 Stmk BauG, wonach den Eigentümer die Pflicht trifft, dass „die baulichen Anlagen in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden“. Insofern ist die Rechtslage hinsichtlich des Erfordernisses der Verschlechterung eines bereits ausgeführten Zustands eindeutig.

Im Übrigen fehlt es zwar insofern an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 39 Abs 3 iVm Abs 1 Stmk BauG, jedoch liegt Rechtsprechung zur nahezu wortidenten Vorgängerbestimmung des § 70 Abs 3 iVm Abs 2 Stmk BauO 1968 (vgl. VwGH 28.06.1990, 90/06/0045; 14.09.1989, 88/06/0151; 17.03.1988, 86/06/0192, VwSlg. 12.673 A/1988) sowie zu ähnlichen Bestimmungen in anderen Bundesländern vor (vgl. zB VwGH 20.11.2018, Ra 2018/05/0039; 23.07.2013, 2011/05/0131; 15.03.2011, 2008/05/0095; 15.06.2010, 2007/05/0279; 25.03.2010, 2007/05/0026; 26.02.2009, 2008/05/0249, jeweils zu § 129 Abs 4 iVm Abs 2 Wr BauO; VwGH 13.04.2010, 2009/05/0196, 01.09.1998, 98/05/0064, jeweils zu § 48 Abs 2 iVm Abs 1 OÖ BauO 1994; 20.01.1998, 97/05/0064 zu § 112 Abs 2 iVm Abs 1 NÖ BauO 1976).

 

Diese Rechtsprechung ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen, ist die durch die belangte Behörde zitierte Rechtsprechung zu § 33 NÖ BauO 1996 doch zur Rechtslage nach der NÖ BauO 1996 ergangen, die sich insofern wesentlich von jener nach dem Stmk BauG unterscheidet, als einerseits der Wortlaut des § 33 Abs 1 NÖ BauO 1996 nicht nur auf die Pflicht des Eigentümers zur Erhaltung, sondern auch zur Ausführung in einem bewilligungskonformen Zustand abstellt, und andererseits § 24 NÖ BauO 1996 eine Bauvollendungsfrist kannte, sodass die Rechtsprechung zu § 33 NÖ BauO 1996 nicht auf die Rechtslage nach dem Stmk BauG übertragbar ist.

 

Hinsichtlich der Voraussetzung eines zunächst bestehenden konsensgemäßen Zustands für die Erlassung eines Instandsetzungsauftrags besteht Rechtsprechung ausdrücklich zu § 39 Stmk BauG (vgl. VwGH 27.09.2005, 2005/06/0150, wonach sich die aus § 39 Abs 1 Stmk BauG ergebende Instandhaltungspflicht auf alle bestehenden bewilligten baulichen Anlagen richtet).

 

Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Der Einwand der Befangenheit eines entscheidenden Richters begründet nämlich nur dann die Zulässigkeit der Revision, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (VwGH 19.06.2018, Ra 2018/03/0023; 19.10.2016, Ra 2015/12/0081 mwN). Das Landesverwaltungsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Befangenheit auf Grundlage der einschlägigen Judikatur des VwGH auseinandergesetzt und begründet, warum eine Befangenheit nicht vorliegt.

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