VwGH Ra 2014/03/0049

VwGHRa 2014/03/004917.12.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Kommunikationsbehörde Austria in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 77-79, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 2014, Zl W120 2006484- 1/5E, betreffend eine Verletzung des ORF-Gesetzes (mitbeteiligte Partei: Österreichischer Rundfunk in Wien, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG, Argentinierstraße 20/13, 1040 Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §59 Abs1;
ORF-G 2001 §36 Abs1 Z1 litc;
ORF-G 2001 §36 Abs1 Z1;
ORF-G 2001 §36;
ORF-G 2001 §37 Abs1 idF 2010/I/050;
ORF-G 2001 §4f Abs2;
ORF-G 2001 §6;
ORF-G 2001 §6a;
ORF-G 2001 §6b;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria (Revisionswerberin) vom 25. Jänner 2012, mit dem festgestellt worden war, dass der ORF (mitbeteiligte Partei) durch die Bereitstellung von 39 näher bezeichneten Online-Angeboten jedenfalls seit dem 21. Juli 2011 die Bestimmung des § 4f Abs 2 Z 25 ORF-G verletzt habe, ersatzlos auf. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für nicht zulässig.

2. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

3. Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision im Wesentlichen mit folgenden Argumenten:

Sie vertrete die Rechtsauffassung, dass das BVwG den erstinstanzlichen Bescheid vom 25. Jänner 2012 nicht hätte ersatzlos aufheben dürfen. Die Bereitstellung öffentlichrechtlicher Online-Angebote sei dem ORF zwar grundsätzlich erlaubt. Dieser habe jedoch Angebotskonzepte gemäß § 5a ORF-G bzw unter Vorlage eines entsprechenden Angebotskonzepts ein Auftragsvorprüfungsverfahren zu initiieren. Für jene Online-Angebote, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der ORF-G-Novelle BGBl I Nr 50/2010 am 1. Oktober 2014 bereits bestanden hatten, sähen § 50 Abs 2 und 3 ORF-G ebenfalls zwingend und ausdrücklich die Vorlage von Angebotskonzepten bis längstens sechs Monate nach Inkrafttreten, sohin bis 1. April 2011, vor. Im gegenständlichen Fall lägen nach Auffassung der Revisionswerberin nun keine die verfahrensgegenständlichen Angebote deckenden Angebotskonzepte vor; ebenso wurden Auftragsvorprüfungsverfahren gemäß §§ 6f ORF-G nicht durchgeführt.

Die Revisionswerberin habe sich bei Erlassung ihres erstinstanzlichen Bescheides nicht mit der Frage des Vorliegens eines Angebotskonzepts bzw einer Auftragsvorprüfung auseinandergesetzt, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Bereitstellung der verfahrensgegenständlichen Angebote unter die Verbotsnorm des mittlerweile vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen § 4f Abs 2 Z 25 ORF-G falle. Das BVwG habe den Bescheid der Revisionswerberin hingegen unter Berufung darauf, dass keine Bestimmung ersichtlich sei, gegen die mit dem verfahrensgegenständlichen Angebot verstoßen worden sei, ersatzlos behoben.

Die "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG sei durch den Umfang der vom ORF seit 21. Juli 2011 bereitgestellten 39 Facebook-Angebote umschrieben worden. Die nunmehrige Entscheidung des BVwG hätte zur Folge, dass der ORF die verfahrensgegenständlichen Angebote ohne entsprechende Angebotskonzepte (bzw Auftragsvorprüfungen) bereitstellen dürfte, wovon die Revisionswerberin nicht ausgehe.

Da es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu gebe, ob für die verfahrensgegenständlichen Angebote Angebotskonzepte vorgelegt bzw eine Auftragsvorprüfung durchgeführt werden hätte müssen, und es nach Auffassung der Revisionswerberin auch um die Lösung einer Rechtsfrage gehe, der schon aufgrund der großen Zahl der Nutzer der Angebote (Ö3 habe ca 421.000 Follower) grundsätzliche Bedeutung zukomme, lägen die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer außerordentlichen Revision vor.

4. Mit diesem Revisionsvorbringen zeigt die Revisionswerberin keine grundsätzliche Rechtsfrage auf, von deren Lösung der gegenständliche Revisionsfall abhängt:

Ob die verfahrensgegenständlichen Angebote die Erstellung eines Angebotskonzepts (§ 5a ORF-G) bzw eine Auftragsvorprüfung (§§ 6 bis 6b ORF-G) erfordert hätten, die nicht vorgenommen worden seien, braucht im vorliegenden Verfahren nicht geklärt zu werden.

Die von der Revisionswerberin geforderte Prüfung der oben angesprochenen Fragen hätte nämlich die "Sache" des Berufungs- bzw Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG überschritten und war diesem daher verwehrt:

"Sache" des Berufungs- bzw (nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Regulierungsbehörde zwar die rechtliche Beurteilung eines ihr (mit einer Beschwerde nach § 36 ORF-G) zugetragenen Sachverhalts ohne Bindung an die Rechtsausführungen der beschwerdeführenden Partei vorzunehmen. Aus § 37 Abs 1 ORF-G ergibt sich, dass die Entscheidung der Regulierungsbehörde in der Feststellung besteht, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung des ORF-G verletzt worden ist. Im Hinblick auf den Wortlaut dieser Norm ist die Regulierungsbehörde zur Prüfung verpflichtet, ob durch einen in Beschwerde gezogenen Sachverhalt irgendeine Bestimmung des ORF-G verletzt worden ist (vgl VwGH vom 18. September 2013, 2012/03/0162, mwN).

Dem vorliegenden Fall lag jedoch keine Beschwerde nach § 36 Abs 1 Z 1 ORF-G zugrunde, sondern die Revisionswerberin hat im Rahmen der ihr obliegenden Rechtsaufsicht über den ORF von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet und durchgeführt, demzufolge der ORF durch die Bereitstellung von 39 näher bezeichneten Online-Angeboten gegen eines der in § 4f Abs 2 ORF-G genannten Verbote verstoßen habe. Ausgehend davon war "Sache" des Beschwerdeverfahrens die Frage, ob die Bereitstellung der näher umschriebenen Angebote durch den ORF gegen die oben genannten Verbotsnormen des ORF-G verstoßen hat. Die weitergehende Prüfung, ob diesen Angeboten Angebotskonzepte zugrunde gelegen sind und ob es sich dabei um neue Angebote gehandelt hat, die eine Auftragsvorprüfung im Sinne der §§ 6 bis 6b ORF-G erforderlich gemacht hätten, war weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht Gegenstand des von der Regulierungsbehörde in die Wege geleiteten Rechtsaufsichtsverfahrens. Diese Frage war daher auch nicht Inhalt des Spruchs der erstinstanzlichen Entscheidung und somit nicht "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG.

Wenn das BVwG in seinem Erkenntnis ausgeführt hat, es sei vor dem Hintergrund des konkreten Verfahrensgegenstandes keine andere Bestimmung ersichtlich, gegen die vom ORF verstoßen worden wäre, kann dies nur im Zusammenhang mit der oben umschriebenen "Sache" des Beschwerdeverfahrens gelesen werden. Demnach wurde mit der Behebung des erstinstanzlichen Bescheides auch nicht abschließend und verbindlich darüber entschieden, ob der ORF für die strittigen Angebote Angebotskonzepte legen hätte müssen oder über diese Angebote eine Auftragsvorprüfung durchzuführen gewesen wäre. Der Revisionswerberin steht es nach wie vor offen, diese Frage im Rahmen der ihr obliegenden Rechtsaufsicht einer Prüfung zu unterziehen.

Die Revision war daher mangels Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2014

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