VwGH 2007/05/0026

VwGH2007/05/002625.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der I H in Klagenfurt, vertreten durch Brand Lang Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Maria-Theresien-Straße 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. Dezember 2006, Zl. BOB-572/05, betreffend baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §52;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs5;
BauRallg;
VVG §1 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §52;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs5;
BauRallg;
VVG §1 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf die Punkte 4 und 10 des Bescheides der Baubehörde erster Instanz bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Anlässlich einer am 25. Mai 2005 an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung zur Liegenschaft in 1180 Wien, Haizingergasse 11, samt dem darauf befindlichen Haus, wurde unter anderem Folgendes festgestellt:

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Nach § 129 Abs. 2 BO hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u.dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der BO entsprechendem Zustand erhalten werden. Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können nach § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden (vgl. dazu sowie zum Folgenden das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010, Zl. 2009/05/0162, mwH). Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit der vorgenommenen Abweichungen von der Baubewilligung ist im Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist demnach auch keine für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO zu lösende Vorfrage. Selbst ein allfälliges noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch hindert die Erlassung eines solchen Auftrages nicht, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung und nach der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung nicht (mehr) vollstreckt werden.

Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Die Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -

Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist.

4.2. Das Vorbringen, die Schäden an der Hoffassade würden von einem im Hof befindlichen Baum verursacht, versagt, zumal nach der hg. Rechtsprechung für die Qualifikation eines Baugebrechens dessen Ursache grundsätzlich ohne Bedeutung ist und es auf die Frage des Verschuldens oder der Verursachung nicht ankommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1997, Zl. 94/05/0183, und vom 26. April 2000, Zl. 99/05/0276).

4.3. Mit dem Hinweis, der Baumstamm befinde sich so nahe an der Hausmauer, dass ein Aufstellen des Gerüstes ohne die Instabilität des Baumes herbeizuführen bzw. die Rechtsvorschriften des Wiener Baumschutzgesetzes zu verletzen, nicht möglich sei, vermag die Beschwerdeführerin die auf die nachvollziehbaren Ausführungen des Amtssachverständigen gestützten gegenläufigen - oben wiedergegebenen - Ausführungen der belangten Behörde, die im Einklang mit dem bei den vorgelegten Verwaltungsakten befindlichen Fotos stehen, nicht zu entkräften. Entgegen der Beschwerde kann auch nicht gesagt werden, die belangte Behörde habe diesen Hinweis überhaupt übergangen. Durch die Punkte 1 und 2 des Bauauftrags vom 3. Oktober 2005 wurde die Beschwerdeführerin daher nicht in subjektiven Rechten verletzt.

4.4. Bezüglich des Punktes 6 (Funktionsfähigkeit des WC neben der Waschküche) und des Punktes 8 (schadhafte Fensterverglasung) dieses Auftrags bringt die Beschwerde keine konkreten Einwände vor. Die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde sind in Anbetracht der unstrittigen konsensgemäßen Widmung des WC sowie der ebenfalls nicht in Abrede gestellten Verletzungsgefahr durch die schadhafte Verglasung nicht als rechtswidrig zu erkennen.

4.5. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe im Verwaltungsverfahren zu den Punkten 4 und 10 des Auftrages einen Befund des "sachverständigen Zeugen" Baumeister Ing. Kalcher vorgelegt, den die belangte Behörde nicht hinreichend berücksichtigt habe.

Dieser mit 3. November 2005 datierte (ursprünglich offenbar in einer versicherungsrechtlichen Angelegenheit erstellte) "Bericht", der sich unter 1.) und 3.) offensichtlich auf Punkt 4, unter Punkt 2.) offensichtlich auf Punkt 10 des Auftrags bezieht, lautet nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten (Blatt 91) wie folgt:

"Bericht

Beschreibung des Schadens bzw. des Schadensherganges:

Es wurden bei der Besichtigung 3 Schäden von Fr. Hofer-Ogris angeführt.

1.) Schaden rechts des Haustores ist ein ca. 1 m2 großer nasser Fleck mit schadhaften Verputz. Es ist kein kausaler Schaden sondern es handelt sich um kapillare Feuchtigkeit.

2.) Schaden befindet sich im Hof. Im Hof befindet sich eine ca. 4,00 x 6,00 ml große Betonplatte mit dem Hofgully in der Mitte. Die Betonplatte wiest starke Risse auf. Es handelt sich um kein Kanalgebrechen sondern um einen Zeitschaden.

3.) Schaden befindet sich im Vestibül links im Hohlkehlenbereich ein ca. 50 cm langer Verputzschaden. Ursache dieses Schadens ist eine undichte Abflussleitung im Bad der Wohnung 7. Die Ursache des Schadens ist auf Grund der nicht mehr vorhandenen Feuchtigkeit bereits behoben."

Die den Punkten 4 und 10 des Auftrags zu Grunde liegende Bestimmung des § 129 Abs. 5 BO lautet:

"(5) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ist verpflichtet, deren Bauzustand zu überwachen. Lässt dieser das Vorliegen eines Baugebrechens vermuten, hat er den Befund eines Sachverständigen einzuholen. Lassen sich Art und Umfang eines vermuteten Baugebrechens nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist er über Auftrag der Behörde verpflichtet, über das Vorliegen des vermuteten Baugebrechens und gegebenenfalls über dessen Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zugrunde gelegte Sachverhalt muß durch die Behörde überprüfbar sein."

Diese Bestimmung dient offensichtlich der Überwachung des Bauzustandes zur Hintanhaltung von Baugebrechen. Ein Baugebrechen, das nach der BO beseitigt werden muss, liegt immer dann vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit so verschlechtert, dass dadurch öffentliche Interessen berührt werden; dies kann durch eine gröbliche Störung des Stadtbildes oder durch die Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit gegeben sein, wobei es genügt, wenn eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit auch nur einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (vgl. dazu Moritz, Bauordnung für Wien, 20094, 306, einschließlich der dort zitierten hg. Rechtsprechung, sowie weiters etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 1996, Zl. 96/05/0045, und vom 3. Juli 2001, Zlen. 2000/05/0118, 0223, mwH). Die Ursache eines Baugebrechens ist - wie schon erwähnt - baurechtlich nicht maßgeblich.

Anhand eines nach § 129 Abs. 5 BO bei Vermutung eines Baugebrechens einzuholenden Befundes eines Sachverständigen muss aus rechtlicher Sicht die Beurteilung getroffen werden können, ob bzw. - nach Art und Umfang - welches Baugebrechen gegeben ist. Schon angesichts der nach dem letzten Satz des § 129 Abs. 5 BO gebotenen Überprüfbarkeit des dem Befund zugrunde gelegten Sachverhalts ist es erforderlich, dass der Befund nachvollziehbar die örtliche Situation einschließlich der für ein Baugebrechen charakteristischen Merkmale so detailliert beschreibt, dass darauf die Beurteilung gestützt werden kann, ob bzw. inwieweit ein Baugebrechen vorliegt.

Der angefochtene Bescheid geht auf die im vorliegenden Bericht vorgenommene nähere Umschreibung der Schäden nicht weiter ein. Angesichts dieser Umschreibung ist die von der belangten Behörde getroffene Beurteilung, dass dieser Bericht jedenfalls nicht als Befund gemäß § 129 Abs. 5 gelten könne, nicht nachvollziehbar. Dieser Verfahrensmangel erscheint wesentlich, ist doch nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde bei seiner Unterlassung zu einem anderen für die Beschwerdeführerin günstigen Ergebnis gekommen wäre.

4.6. Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4.7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, weil in dem pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 25. März 2010

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