VwGH 94/05/0183

VwGH94/05/01832.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Otto Kotzab in Wien, vertreten durch Dr. Richard Proksch, Rechtsanwalt in Wien III, Am Heumarkt 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. Mai 1994, Zl. MD-VfR - B IX - 30 und 31/93, betreffend einen Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AVG §53;
BauO Wr §129 Abs2;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §52;
AVG §53;
BauO Wr §129 Abs2;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zufolge Vorstellung des Beschwerdeführers gegen einen Mandatsbescheid führte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (im folgenden: MA 37), am 11. Oktober 1993 im Haus Wien IX., Hörlgasse 13, eine Verhandlung durch. Dabei wurde folgendes festgestellt:

"Im Innenhof rechts ist ein Putzschacht vorhanden; von diesem in beiden Fließrichtungen gesehen weist der Steinzeug-Rohrkanal mehrere Rohrsetzungen bis ca. 4 cm auf. Von diesem Schacht in der Fließrichtung gesehen, ist noch ein Putzschacht vorhanden; von diesem Putzschacht, nach ca. 3 m in der Fließrichtung gesehen, ist der Rohrkanal abgesenkt.

Bei der Innenhoftüre ist ein Putzschacht vorhanden, der in der Fließrichtung Rohrstöße bis ca. 3 cm aufweist.

Im Keller ist der Rohrkanal bis zur Einmündung in den Straßenkanal mehrmals abgesenkt und weist Rohrstöße bis ca. 3 cm auf seiner ganzen Länge auf.

Alle Putzstückdeckel sind verrostet, undicht oder fehlen zur Gänze. Die Schachtabdeckungen sind ebenfalls verrostet und sehr schadhaft.

Das Schachtmauerwerk der Schächte ist teilweise sehr schadhaft; es sind vereinzelt Rattenminierungen vorhanden.

In den Putzschächten fehlen die Steigeisen, bzw. sind die Steigeisen abgerostet."

Dem Protokoll über diese Verhandlung ist nicht zu entnehmen, daß sich der dort vertretene Beschwerdeführer gegen irgendeine dieser Feststellungen ausgesprochen hätte.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1993 erteilte die MA 37 gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien den Eigentümern dieses Hauses den Auftrag, innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides

"1) durch Beseitigen der Rohrsetzungen und Rohrstöße im

Bereich der gesamten Hauskanalanlage vom

Aufstandsbogen im Lichthof an der rechten Grundgrenze

(Front Hörlgasse) bis zur Einmündung in den

öffentlichen Straßenkanal in ordnungsgemäßen Zustand

versetzen,

2) sämtliche Putzstückdeckel in der im Punkt 1

angeführten Hauskanalanlage instandsetzen bzw.

erneuern,

3) das schadhafte Schachtmauerwerk in sämtlichen

Schächten der betreffenden Hauskanalanlage

instandsetzen,

4) in sämtlichen Putzschächten der betreffenden

Hauskanalanlage die Steigeisen erneuern und

5) die Rattenminierungen in sämtlichen Schächten

beseitigen zu lassen."

Dieser Bescheid erging an den Beschwerdeführer und an die A.-Ges.m.b.H, jeweils als Miteigentümer. Grundlage war auch ein Grundbuchsauszug vom 8. Oktober 1993, nach welchem der Beschwerdeführer zu 10/12, die A.-Ges.m.b.H zu 2/12 Miteigentümer waren. In seiner gegen den erwähnten Bescheid erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die erste Instanz sei auf die Problematik der Eigentumsverhältnisse nicht eingegangen und es bestehe für ihn die Situation, daß er nicht wisse, wer nun tatsächlich Miteigentümer sei. Im übrigen lägen die Mängel nicht in dem Ausmaße bzw. in der aufgezeigten Konsenswidrigkeit vor, was ja auch daraus ersichtlich sei, daß einer Berufung die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt worden sei. Schließlich sei die bemessene Frist zu kurz.

Daraufhin ersuchte die belangte Behörde die MA 37 um Darlegung, inwiefern durch die einzelnen festgestellten Gebrechen eine Gefahr im Verzug gegeben gewesen sei, die die Erlassung und Bestätigung eines Mandatsbescheides erforderlich gemacht habe. Die MA 37 teilte mit Schreiben vom 1. Februar 1994 mit, daß durch Rohrsetzungen, Rohrstöße, fehlende und undichte Putzdeckel sowie das sehr schadhafte Schachtmauerwerk Unterspülungen der Fundamente des Gebäudes wahrscheinlich seien und deren Folge Setzungen von Gebäudeteilen verursachen können. Außerdem wurde auf die Verunreinigungen des Grundwassers durch Fäkalwässer, insbesondere bei stärkeren Regenfällen, hingewiesen. Schließlich wurde der insgesamt sehr schlechte Gesamtzustand des Gebäudes hervorgehoben, wonach bereits Setzungen im größeren Ausmaß durch bloßen Augenschein sichtbar geworden seien. Es sei nicht zielführend, nur das Schachtmauerwerk der Putzschächte instandzusetzen und verputzen zu lassen, ohne vorher die schadhaften bzw. fehlenden, für den Zutritt erforderlichen Steigeisen erneuern zu lassen. Es bestehe erhöhte Verletzungsgefahr für Personen, die für die Instandhaltung der Kanalanlage Sorge zu tragen haben.

In seiner Äußerung dazu wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß ein Verfahren vor dem Handelsgericht Wien wegen Anfechtung des Kaufvertrages nach wie vor anhängig sei. Die Rechtslage sei daher weiterhin unklar.

Aus dem Grundbuchsauszug vom 8. Februar 1992 ergibt sich keine Änderung der Eigentumsverhältnisse; hinsichtlich des Anteils des Beschwerdeführers ist eine Klage wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft angemerkt. Hinsichtlich des Anteiles der A.-Ges.m.b.H sind Klagen auf Aufhebung von Kaufverträgen bezüglich je eines Zwölftelanteiles angemerkt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mit der Maßgabe ab, daß auch die Abweisung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid im Bescheidspruch kenntlich gemacht wurde. Ein Baugebrechen liege dann vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtere, daß hiedurch öffentliche Interessen berührt würden; als Beeinträchtigung öffentlicher Interessen sei u.a. die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Gesundheit anzusehen. Aufgrund der unbestritten gebliebenen Feststellungen der Baubehörde erster Instanz und der Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen in der Stellungnahme vom 1. Februar 1994 ging die belangte Behörde davon aus, daß durch die festgestellten Schäden und Gebrechen öffentliche Interessen beeinträchtigt würden und somit zweifelsfrei Baugebrechen vorlägen.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, daß die belangte Behörde "ihm in unrichtiger Anwendung des § 129 Wiener BO als angeblicher Eigentümer des Objektes Hörlgasse 13 aufgetragen habe, angeblich vorgelegene Kanalgebrechen zu beseitigen". Weiters erachtet er sich in seinem Recht auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 2 erster Satz der Bauordnung für Wien (BO) hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Gemäß Abs. 4 erster Satz dieser Bestimmung hat die Behörde nötigenfalls den Eigentümer (Miteigentümer) zur Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist zu verhalten; sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen und ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Baugebrechen dann vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtert, daß hiedurch öffentliche Interessen berührt werden. Als Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, die ein Einschreiten der Behörden rechtfertigt, sind u.a. die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit anzusehen. Ein öffentliches Interesse, das die Behörde zum Einschreiten ermächtigt, ist schon immer dann gegeben, wenn durch den bestehenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (siehe die Nachweise bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften3, 556 ff). Eine Hauskanalisation bildet eine zum Haus gehörige Anlage im Sinne des § 129 Abs. 2 BO, deren Instandhaltung, ebenso wie die Instandhaltung des Gebäudes, dem Eigentümer obliegt. Schon aufgrund dieser Vorschrift ist der Hauseigentümer verpflichtet, seinen Hauskanal instand zu halten. Baugebrechen an einem Kanal führen letztlich zu sanitären Übelständen, die früher oder später zu einem Schaden am Leben oder an der Gesundheit von Menschen führen müssen (siehe gleichfalls die Nachweise bei Geuder/Hauer, a.a.O., 557f.). Völlig zu Recht hat daher auch im vorliegenden Fall die belangte Behörde die festgestellten Schäden an der Kanalisationsanlage als Baugebrechen qualifiziert, deren Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten ist.

Als "formelle" Rechtswidrigkeit sieht es der Beschwerdeführer an, daß notwendige Feststellungen über die Eigentumsverhältnisse nicht getroffen worden seien. Im Akt erliegen zwei Grundbuchsauszüge, die den Beschwerdeführer jeweils als 10/12-Eigentümer ausweisen. Anfechtungsprozesse sind nach den Grundbuchsauszügen nur hinsichtlich des Minderheitseigentümers anhängig. Welchen Einfluß der Ausgang dieser Anfechtungsprozesse auf den Beschwerdeführer haben soll, zumal gemäß § 129 Abs. 2 BO jeder Miteigentümer dafür zu sorgen hat, daß die Gebäude und baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden, vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen. Er läßt auch nicht erkennen, worauf er die Zweifel an seiner Eigentümerschaft ("angeblicher" Eigentümer) gründet.

Des weiteren rügt der Beschwerdeführer, daß eine Befundaufnahme in der im Hochparterre gelegenen Wohnung Top Nr. 4 nicht stattgefunden habe, was aber notwendig gewesen wäre, um allfällige Ursachen für die von der Behörde behaupteten Gebrechen feststellen zu können. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer derartige Sachverhaltsbehauptungen erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufstellt, ist für die Qualifikation eines Baugebrechens die Ursache grundsätzlich ohne Bedeutung; auf die Frage des Verschuldens oder der Verursachung kommt es nicht an. Es ist für die Baubehörde völlig unbeachtlich, welche Gründe dazu geführt haben, daß Baugebrechen entstehen konnten. Die Bauordnung für Wien stellt einzig und allein darauf ab, ob Baugebrechen festgestellt werden, und verpflichtet die Behörde, für deren unverzügliche Beseitigung Sorge zu tragen (siehe abermals die Nachweise bei Geuder/Hauer, a.a.O., 556 f).

Schließlich macht der Beschwerdeführer (erstmals in der Beschwerde) der belangten Behörde zum Vorwurf, sie hätte einen Sachverständigen im Sinne des § 52 in Verbindung mit § 54 AVG beiziehen und ein entsprechendes Gutachten einholen müssen. Dazu ist zunächst darauf zu verweisen, daß ein Ortsaugenschein im Sinne des § 54 AVG am 11. Oktober 1993 stattgefunden hat; diese Verhandlung wurde von einem sachverständigen Organwalter der Baubehörde erster Instanz (Werkmeister) geleitet und es wurde den dort getroffenen Feststellungen weder vom Beschwerdeführer noch von seinem Rechtsvertreter widersprochen. Daß der in der Folge von der belangten Behörde herangezogene bautechnische Amtssachverständige (die Stellungnahme der MA 37 vom 1. Februar 1994 weist als Sachbearbeiter Baurat Dipl. Ing. S. aus) der Baubehörde erster Instanz angehört, vermag keinen Widerspruch zur Bestimmung des § 52 Abs. 1 AVG (der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende amtliche Sachverständige) herbeizuführen (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 379, wiedergegebene hg. Rechtsprechung, wonach es keine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellt, wenn zur Begutachtung im Verfahren erster in zweiter Instanz derselbe Sachverständige herangezogen worden ist).

Die Beschwerde erwies sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Da die anstehenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung geklärt sind, konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Die schon im Verwaltungsverfahren herbeigeführte Klärung des Sachverhaltes insbesondere dadurch, daß in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters die entscheidenden Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, ließ nicht erwarten, daß die mündliche Erörterung in einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Klärung herbeiführen würde, weshalb gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen wurde. Die Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK geboten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte