BVergG 2018 §91 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2024:LVwG.VG.1.002.2024
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vergabesenat 1 unter dem Vorsitz von Dr. Maier sowie der weiteren Berufsrichter Dr. Becksteiner (Berichter) und Mag. Marihart (Beisitzerin) sowie der fachkundigen Laienrichter Dr. Stief-Kótrnec (Auftraggeberseite) und Mag. Schrötter (Auftragnehmerseite) über den Antrag der A GmbH, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 19.12.2023 im Vergabeverfahren „Leistungen betreffend der Planung für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes „***“ in der Marktgemeinde ***“ (öffentlicher Auftraggeber: Marktgemeinde ***) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16.02.2024 zu Recht:
1. Die von der Marktgemeinde *** als öffentlichem Auftraggeber erlassene und mit 19.12.2023 datierte Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der C GmbH in ***, ***, wird für nichtig erklärt.
2. Die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 Verwaltungsgerichtverfahrensgesetz – VwGVG
§§ 1, 4 ,6, 8 10, 12, 16 und 19 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz – NÖ VNG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
I. ANTRÄGE:
A) der Antragstellerin:
Die A GmbH (im nachfolgenden „Antragstellerin“ genannt) hat durch ihren Rechtsvertreter einen mit 29.12.2023 datierten und am selben Tag nach Ablauf der Amtsstunden beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangten Nachprüfungsantrag (einschließlich eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) wie folgt eingebracht (geschwärzte Version):
„1. Nachprüfungsantrag
2. Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
1. Bezeichnung der Auftraggeberin
Die Auftraggeberin der betroffenen Vergabe ist die Marktgemeinde ***, ***, ***. Sie hat 2023 ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich im Hinblick auf den Abschluss eines Werkvertrages über die Erbringung von Planungsleistungen und der ÖBA für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes „***" in der Marktgemeinde *** eingeleitet, am dem sich die Antragstellerin beteiligte und in dessen zweiter Stufe (Zuschlagsverfahren) ein Leistungsangebot abgab.
Beweis: Ausschreibung der Marktgemeinde ***, Beilage ./A
2. Zulässigkeit des Antrages
a. Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts
aa. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine Auftraggeberin, die gemäß Art. 14 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in den Vollziehungsbereich des Landes Niederösterreich fällt. Gemäß § 54 Abs 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (NÖ VNG) obliegt die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens für die betreffende Auftraggeberin dem LVwG NÖ.
ab. Gemäß § 4 Abs. 2 NÖ VNG ist bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerrufdes Vergabeverfahrens das LVwG NÖ zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art 14b Abs 1 und 5 B-VG) oder von Verstößen gegen unmittelbares Unionsrecht zuständig.
b. Angefochtene Entscheidung und Rechtzeitigkeit des Antrags
ba. Die Antragstellerin bekämpft die Zuschlagsentscheidung der Marktgemeinde *** vom 19.12.2023, die ihr am 20.12.2023 per E-Mail übermittelt wurde. Es handelt sich gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG) um eine gesondert anfechtbare Entscheidung.
bb. Nachdem diese, wie oben erwähnt am 20.12.2023 per E-Mail übermittelt wurde, endet die Antragsfrist gemäß § 12 Abs 1 NÖ VNG iVm § 33 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetzl991 (AVG) mit Ablauf des 30.12.2023. Der gegenständliche Nachprüfungsantrag wird daher fristgerecht gestellt. Durch die Stellung des konkreten Antrags innerhalb der vorgegebenen Anfechtungsfrist bleibt auch die Zulässigkeit des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom 29.12.2023 gewahrt.
Beweis: Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vom 19.12.2023, Beilage ,/B
Mail der Marktgemeinde *** vom 20.12.2023, Beilage ./C
3. Pauschalgebühr
Die Auftraggeberin führt ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages aus. Der betreffende Pauschalgebührensatz beläuft sich gern. § 1 Abs.l Zif.5. Vergabe-Pauschalgebührenverordnung (NÖ Vergabe-PauschGebV) auf € 300.-. Der angeführte Betrag ist bereits entrichtet worden und der betreffende Einzahlungsbelegt liegt diesem Schriftsatz bei.
Beweis: Einzahlungsnachweis für die Pauschalgebühr, Beilage ./D
4. Angaben über das Interesse und einen drohenden Schaden
a. Das Interesse der Antragstellerin als Architekturbüro ergibt sich daraus, dass die Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen in ihrer zentralen Geschäftstätigkeit liegt und ihr durch die rechtswidrige Zuschlagsentscheidung ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Dies betrifft einerseits mit den potentiellen Gewinnentgang und andererseits mit der Nichterlangung einer wichtigen kommunalen Referenz einher.
Nach der einschlägigen Judikatur ist ein der Antragstellerin drohender Schaden iSd § 342 Abs 31 Z 2 BVergG bereits dann gegeben, wenn die Möglichkeit der Antragstellerin, den Auftrag zu erlangen, durch die behauptete Rechtsverletzung beeinträchtigt werden kann. Dem Erfordernis, einen drohenden oder eingetretenen Schaden darzutun, wird im Nachprüfungsantrag bereits dann entsprochen, wenn die entsprechende Behauptung plausibel ist (VwGH 22.6.2011, 2009/04/0128).
b. Aufgrund der bisherigen Anstrengungen der Antragstellerin zur Wahrung ihrer Rechtsposition sind außerdem Kosten in Höhe von zumindest XXXXXX angefallen (Kosten für die Rechtsverfolgung und sonstige mit der Verfahrensteilnahme verbundene Kosten). Diese werden vom Vertreter der Antragstellerin mit der Unterfertigung der gegenständlichen Eingabe bescheinigt. Durch die im Folgenden näher ausgeführte Rechtswidrigkeit ist daher zumindest ein Schaden in dieser Höhe entstanden. Bestandteil des Schadens sind auch die für diesen Antrag entrichteten Pauschalgebühren.
5. Beschwerdepunkte und Bezeichnung der verletzten Rechte
Die Antragstellerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens verletzt. Insbesondere ist die Antragstellerin verletzt in ihrem Recht
• auf Gleichbehandlung aller Bieter und der Nichtdiskriminierung
• auf Einhaltung eines fairen Wettbewerbs
• auf eine sachliche Angebotsprüfung und Anwendung der Zuschlagskriterien
• auf Transparenz im Vergabeverfahren
• auf Zuschlagserteilung sowie
• auf Durchführung eines Vergabeverfahrens im Einklang mit den vergaberechtlichen Bestimmungen.
6. Sachverhalt
a. Die Auftraggeberin hat ein Verhandlungserfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich Hinblick auf den Abschluss eines Werkvertrages über die Erbringung von Planungsleistungen und ÖBA für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes „***" in der Marktgemeinde *** eingeleitet. Aus den Verfahrensergebnissen ergibt sich, dass der Auftrag tatsächlich im Oberschwellenbereich angesiedelt ist, da sämtliche Angebote den maßgeblichen Schwellenwert von EUR *** (exkl. USt) überschreiten.
b. In den Ausschreibungsbedingungen (Beilage ./A) wird unter der Überschrift „Verfahrensart / Zuschlagskriterien" Folgendes festgehalten:
„Die Auswahl des Bestbieters erfolgt in der 2. Stufe (=Zuschlagsverfahren) auf Grundlage der nachfolgenden Zuschlagskriterien:
a) Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag (Bewertung durch „Realisierungskommission" (Gewichtung 50%)
b) Kostenrahmen gern. ÖNORM B 1801-1: KB 2-6 (Gewichtung 20%)
c) Honoraranbot (Gewichtung 20%)
d) Zusatzkriterien (Gewichtung 20%)
Gemäß Pkt. 15 letzter Absatz werden die Einreichungen nach folgenden Zuschlagkriterien bewertet:
Arbeitsprobe mit Lösungsvorschläge max. 20 Punkte
Kostenrahmen max. 6 Punkte
Honorarangebot max. 6 Punkte
Zusatzkriterium-Lehrlingsbeschäftigung max. 4 Punkte
Zusatzkriterium - Eigenpersonal max. 4 Punkte
Subkriterien für eine (vergleichbare) Ermittlung und Zuordnung der für das Bestbieterergebnis relevanten Punktezahlen sind insbesondere für das Zuschlagskriterium „Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag" aus der Ausschreibung nicht ersichtlich. Die Zuschlagskriterien dürfen dem Auftraggeber und seinen Erfüllungsgehilfen jedoch keine uneingeschränkte Wahlfreiheit übertragen und müssen die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbes gewährleisten sowie mit Spezifikationen einhergehen, die eine wirksame Überprüfung der von den Bietern übermittelten Informationen gestatten, damit bewertet werden kann, wie gut die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Auch das Zusatzkriterium-Lehrlingsbeschäftigung ist nicht nachvollziehbar, da die teilnahmeberechtigten Ziviltechnikerbüros generell keine Lehrlinge beschäftigen und somit die dafür vorgesehene Maximalpunktezahl von 4 allenfalls auf die anderen Kriterien aufzuteilen gewesen bzw. diese insgesamt neu zu gewichten gewesen wären.
Die Antragstellerin hat fristgerecht ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt. Mit E-Mail vom 20.12.2023 (Beilage ,/C) hat die Antragstellerin die gegenständlich bekämpfte Zuschlagsentscheidung erhalten. Diese enthält nicht die Mindestinhalte gemäß § 143 Abs 1 BVergG. Insbesondere werden darin nicht die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots genannt und kann auch in keiner Weise die der Antragstellerin zugeordnete Punktezahl nachvollzogen und der Zuschlagsentscheidung entnommen werden, aus welchem Grund die Antragstellerin nicht Bestgereihte wurde.
7. Vergabeverstöße
a. Die Zuschlagsentscheidung ist zunächst aus formaler Sicht rechtswidrig. In § 143 Abs 1 BVergG werden die Mindestinhalte einer Zuschlagsentscheidung abschließend angeführt. Demnach ist den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern,
• die Gründe für die Ablehnung des konkreten Angebots
• der Gesamtpreis sowie
• die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots bekannt zu geben.
Dabei handelt es sich um eine Bringschuld des jeweiligen Auftraggebers. Diese kann auch nicht nachgereicht werden, da nach ständiger Rechtsprechung ein nicht zum Zuge gekommener Bieter nämlich schon am Beginn der Stillhaltefrist jene Informationen besitzen muss, die er für einen allfälligen Nachprüfungsantrag benötigt.
b. Es fehlt die konkret entscheidende Information in Form einer Gegenüberstellung der Merkmale des erfolgreichen Angebots mit dem Angebot der Antragstellerin bei sämtlichen in der Ausschreibung genannten Zuschlagskriterien, weshalb die Zuschlagsentscheidung vom 19.12.2023 bereits aus formaler Sicht rechtswidrig ist. Die Antragstellerin kann somit auch nicht nachvollziehen, wie bei der Punktevergabe vorgegangen wurde und beispielsweise auch nicht, weshalb seiner auf Erhaltung des wertvollen Baubestandes abzielenden Lösungsvariante (die im Gegensatz zu den anderen Anbietern sogar zu 100% Co2-neutral ist) mit den aus diesem Grund niedrigeren Baukosten ein schlechteres Ergebnis attestiert wird.
c. Die Zuschlagskriterien und allenfalls erforderliche Subkriterien sind so klar und eindeutig zu formulieren, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können. Aus den vorliegenden Vergabeunterlagen, insbesondere den Ausschreibungsunterlagen, ist jedenfalls zum Zuschlagskriterium „Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag" ist nicht mit ausreichender Klarheit und Nachvollziehbarkeit ersichtlich, welche konkreten Gesichtspunkte der öffentliche Auftraggeber darunter verstanden wissen möchte und wie die Erfüllung dieses Kriteriums bei den einzelnen Angeboten durch die „Realisierungskommission" geprüft wurde. Im gegenständlichen Fall hat es somit der öffentliche Auftraggeber in der Hand, unter Heranziehung von beliebigen Gesichtspunkten und deren ebenso beliebigen Gewichtung eine Punktevergabe zumindest zu einem Zuschlagskriterium vorzunehmen. Die Vorgehensweise des öffentlichen Auftraggebers stellt somit einen Verstoß gegen die vergaberechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung aller Bieter, Verbot der Diskriminierung und Transparenz dar (VwGH 1.10.2008,2004/04/0237, 0238; BVA 31.8.2006, N/0062-BVA/12/2006-22 = ZVB 2006, 303).
Da die festgestellten Rechtswidrigkeiten einen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens haben können und durch die Verwendung eines untauglichen Zuschlagskriteriums auch haben, ist daher auch aus diesem Grund die bekämpfte Zuschlagsentscheidung als nichtig anzusehen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass die Ausschreibung für sich nicht bekämpft wurde und daher bestandfest geworden ist.
Da aber im gegenständlichen Fall zumindest ein Zuschlagskriterium so unpräzise gehalten ist, dass nach diesem Kriterium eine nachvollziehbare und sachgerechte Punktevergabe nicht möglich ist, kann auch eine bestandfest gewordene Ausschreibung die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung nicht verhindern.
d. Die Zuschlagsentscheidung ist aber auch aus inhaltlicher Sicht rechtswidrig. Die Beurteilung hat alleine aufgrund der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen in sachlicher Weise zu erfolgen. Alleine aufgrund der widersprüchlichen Angaben in der Ausschreibung zu den bestehenden Schutzzonen (Pkt. 4 der 2. Verfahrensstufe) wäre jedenfalls im Zuge einer zwingenden „Schutzzonenbeurteilung" sachgerecht und nachvollziehbar zu prüfen gewesen, ob sich im Falle von wesentlichen Neu-, Zu- oder Umbauten die vorgesehenen Maßnahmen hinsichtlich Bebauungsdichte, Volumen und Proportionen der Baukörper, Fassadengestaltung, Konstruktion, Dimensionierung, Material, Proportion und Unterteilung der Fenster, Türen und Tore sowie Form, Deckungsmaterial und Aufbauten von Dächern in die charakteristische Struktur des Ortsbildes, der Schutzzone und des Objektes harmonisch einfügen. Dies geht aus der gegenständlichen Zuschlagsentscheidung ebenfalls nicht hervor.
Das Projekt der Antragstellerin ist das einzige, welches die Erhaltung des in einem äußerst guten baulichen Zustand befindlichen Bestandes vorsieht und dadurch erhebliche Baukosten einspart. Bei einer inhaltlich rechtsrichtigen Beurteilung hätte daher der Antragstellerin der Zuschlag als Bestbieterin erteilt werden müssen.
8. Anträge
Aus all diesen Gründen beantragt die Antragstellerin wie folgt:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge
• die formal und inhaltlich vergaberechtswidrige Zuschlagsentscheidung vom 19.12.2023 für nichtig erklären;
• der Antragstellerin Einsicht in den Vergabeakt der Auftraggeberin gewähren;
• das Angebot der Antragstellerin sowie alle von ihr im Vergabeverfahren vorgelegten Unterlagen von der Akteneinsicht durch allfällige sonstige Verfahrensteilnehmer ausnehmen;
• eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen;
• die Auftraggeberin verpflichten, der Antragstellerin die für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühren binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Händen des Rechtsvertreters der Antragstellerin zu ersetzen.
Aufgrund der im Falle des von der Auftraggeberin angekündigten Zuschlages an die „C GmbH" drohenden Vermögensschädigung der Antragstellerin stellt diese unter Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen den
ANTRAG AUF ERLASSUNG EINER EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG
mit der dem öffentlichen Auftraggeber bis zur Entscheidung im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren die Zuschlagserteilung untersagt wird.
A GmbH“
B) der präsumtiven Zuschlagsempfängerin:
Nach der gemäß § 13 Abs. 3 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (NÖ VNG) durchgeführten öffentlichen Bekanntmachung des eingelangten Nachprüfungsantrages sowie der nach § 13 Abs. 5 leg. cit. vorgenommenen Verständigung des öffentlichen Auftraggebers und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hat Letztgenannte durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter einen mit 09.01.2024 datierten Schriftsatz wie folgt eingebracht:
„In umseits rubrizierter Vergabeangelegenheit hat die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin, die C GmbH (nachstehend „Antragsgegnerin“ genannt), Herrn Rechtsanwalt D, ***, *** mit der rechtsfreundlichen Vertretung betraut und erhebt durch ihren ausgewiesenen Vertreter nachstehende
EINWENDUNGEN
zum Antrag auf Nichtigerklärung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom 29.12.2023, bekanntgemacht am 02.01.2024, binnen offener Frist.
1. Allgemeine Bestreitung:
Das Vorbringen der Antragstellerin wird zur Gänze bestritten, soweit es nicht nachstehend ausdrücklich außer Streit gestellt wird.
2. Beeinträchtigung rechtlicher Interessen:
Die als Antragsgegnerin bezeichnete C GmbH erhielt aufgrund der Zuschlagsentscheidung vom 19.12.2023 im Rahmen einer öffentlichen Auftragsvergabe durch die Marktgemeinde *** den Zuschlag betreffend Leistungen zur Planung eines multifunktionalen Gebäudes „***“ in der Marktgemeinde ***. Die von der Antragstellerin mit 29.12.2023 gestellten Anträge hinsichtlich einer Nachprüfung sowie Erlassung einer einstweiligen Verfügung zielen darauf ab, die Zuschlagserteilung an die Antragsgegnerin für nichtig zu erklären bzw. die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zu untersagen. Durch beide Entscheidungen würde erheblich in die rechtliche und wirtschaftliche Sphäre der Antragsgegnerin C GmbH eingegriffen werden, weshalb diese gern. § 8 Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz Partei des gegenständlichen Verfahrens ist.
3. Zum Sachverhalt:
Die Marktgemeinde *** ist Auftraggeberin eines Dienstleistungsauftrags hinsichtlich eines Werkvertrags über die Erbringung von Planungsleistungen und ÖBA für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes „***“ in der Marktgemeinde ***. Der Teilnahmeantrag war bis 11.08.2023, das Angebot bis 22.09.2023 abzugeben. Eine Verhandlung mit anschließender kommissioneller Sitzung fand am 27.09.2023 statt. Die Zuschlagsentscheidung wurde am 19.12.2023 bekanntgegeben.
3.a. Unterschwellenbereich:
Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin war der Auftrag ursprünglich im Unterschwellenbereich angesiedelt. Die geschätzten Baukosten wurden gern. Punkt B.1. der Ausschreibung mit EUR *** bekanntgegeben. Das Angebot der Antragsgegnerin belief sich auf ein Pauschalhonorar von gesamt netto EUR *** zzgl. ÖBA und zzgl. Brandschutzplanung. Der von der Antragsgegnerin angeführte Schwellenwert von netto € *** wurde somit nicht erreicht. Die Planungsleistungen wurden korrekt im Unterschwellenbereich angesiedelt.
Beweis: Preis- und Kalkulationsblatt (./1)
bereits von der Antragstellerin vorgelegte Ausschreibung
PV
3.b. Zuschlagskriterien:
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sind die Zuschlagskriterien in der Ausschreibung ersichtlich und nachvollziehbar.
Das Zuschlagskriterium der Lehrlingsbeschäftigung findet sich einer Vielzahl von Ausschreibungen im Land Niederösterreich für vergleichbare Projekte. Offenbar handelt es sich um eine Vorgabe des Landes Niederösterreich. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist der für dieses Zuschlagskriterium vorgesehene Punktewert jedoch nicht aufzuteilen. Vielmehr haben Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, die Möglichkeit, hier gegenüber anderen Betrieben, die dies nicht tun, Vorteile in der Bewertung zu erringen. Es ist nicht zutreffend, das Ziviltechnikerbüros generell keine Lehrlinge beschäftigen. Überdies muss dem Auftraggeber die Möglichkeit offenstehen, durch Festsetzung derartiger Kriterien entsprechende Lenkungseffekte zu erzielen.
Beweis: wie bisher
Festzuhalten ist jedenfalls, dass die gegenständliche Ausschreibung nicht bekämpft wurde und bestandfest wurde. Die von der Antragstellerin angeführten angeblichen Verstöße hätten bereits im Zuge der Ausschreibung bekämpft werden müssen.
3.c. Schutzzonen:
Die Ausführungen zu diesem Punkt seitens der Antragstellerin hinsichtlich der Zuschlagsentscheidung sind nicht nachvollziehbar. Sämtliche Bieter hatten gemäß Punkt G.8.a der Ausschreibung (Seite 35) eine Arbeitsprobe in skizzenhafter Ausarbeitung der Planungsaufgabe abzugeben. Die Ausarbeitung hatte jedenfalls einen Lageplan, einen Grundrissplan aller Geschoße, einen Schnitt und eine Ansicht des Baukörpers zu enthalten. Die Ansicht des Baukörpers musste eine Darstellung jener Gebäudefront, die vom *** aus zu sehen ist und weiters jener Gebäudefront, die von der *** aus zu sehen ist, beinhalten. Für die Gebäudefront der *** war auch die Auswirkung der architektonischen Gestaltung auf die unmittelbare Umgebung darzustellen. Die Antragsgegnerin hat weiters auch ein Schaubild abgegeben, aus dem die maximale Bebauungsdichte, Volumen und Proportionen der Baukörper, Fassadengestaltung, Konstruktion, Dimensionierung, Material, Proportion und Unterteilung der Fenster, Türen und Tore, das Deckungsmaterial, etc. ersichtlich sind und wie diese sich in die charakteristische Struktur des Ortsbildes sowie der Schutzzone harmonisch einfügen. Die von der Antragstellerin monierten Punkte konnten somit anhand der Arbeitsprobe und insbesondere der beiden Ansichten und dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Schaubild gut und nachvollziehbar beurteilt werden.
Beweis: wie bisher
3.d. ausschreibungswidrige Erhaltung des Bestandes:
Die Antragstellerin übersieht in diesem Punkt, dass es Teil der Planungsaufgabe war, das bestehende Gebäude abzubrechen und ein neues Gebäude zu errichten. Aus Seite 27, Punkt E.1. der Ausschreibung ist ersichtlich, dass ein „neues, multifunktionales „***“ entstehen“ soll. Weiters wird „das zur Zeit auf der Liegenschaft bestehende Gebäude zu diesem Zweck abgebrochen“.
Die diesbezüglichen Vorgaben ergaben sich bereits aus dem im Internet bereitgestellten Protokoll der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 23.3.2023. Auf den Seiten 37 und 38 des Protokolls wird dargelegt, dass ein Gutachten vorliegt, das einen Abbruch und Neubau empfiehlt. Der Gemeinderat hat darüber einen entsprechenden Beschluß in dieser Sitzung gefasst.
Beweis: bereits vorgelegte Ausschreibung Seite 27,
Auszug Gemeinderatsprotokoll vom 23.3.2023,
wie bisher
Die Antragstellerin hat sich in ihrem Angebot nicht an die Planungsaufgabe in der Ausschreibung gehalten. Richtigerweise hätte sie auf die Vorgabe des Abbruchs und Neubaues in der Ausschreibung Rücksicht nehmen müssen, anstatt eine Gebäudesanierung des Altbestandes anzubieten.
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin vermeint, dass ihr der Zuschlag als Bestbieterin hätte erteilt werden müssen, zumal sie sich bei dem von ihr eingereichten Projekt nicht an die Planungsaufgabe, ersichtlich aus Punkt E.1., gehalten hat.
Einwendungen gegen die Ausschreibung hätten bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung erhoben werden müssen. Da jedoch die Planungsaufgabe durch Punkt E.1. der Ausschreibung definiert und bestandfest ist, hatte die Auftraggeberin überhaupt nicht die Möglichkeit, dem Projekt der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen.
Schon aus diesem Grund sind deshalb die Anträge der Antragstellerin vom 29.12.2023 abzuweisen.
Da somit die Antragstellerin gar kein Angebot gelegt hat, das einer Zuschlagserteilung im Zusammenhang der gegenständlichen Ausschreibung zugänglich gewesen wäre, ist sie auch nicht hinsichtlich der von ihr behaupteten Verstöße beschwert. Die Antragstellerin hätte keinesfalls mit dem von ihr eingereichten Projekt beauftragt werden können, weil dieses nicht der bestandsfesten Ausschreibung entspricht.
Beweis: wie bisher
4. Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung:
Da - wie oben ausgeführt, die Antragstellerin unter keinen Umständen den Zuschlag hätte erhalten können, besteht auch die von ihr behauptete Gefahr einer Vermögensschädigung durch die Zuschlagserteilung an die Antragsgegnerin nicht. Es ist deshalb auch der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Beweis: wie bisher
Aus allen obigen Gründen wird deshalb
beantragt:
1. dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Folge zu geben und diesen abzuweisen.
2. dem Antrag auf Nichtigerklärung sowie den übrigen Anträgen vom 29.12.2023 keine Folge zu geben und diese abzuweisen.
***, am 09.01.2024
C GmbH“
C) des öffentlichen Auftraggebers:
Seitens der Marktgemeinde *** als öffentlichem Auftraggeber wurde schließlich mit Schriftsatz vom 12.01.2024 zum vorliegenden Nachprüfungsantrag wie folgt Stellung genommen (geschwärzte Fassung):
„I. In umseits bezeichnetem Vergabe-Nachprüfungsverfahren hat der öffentliche Auftraggeber Marktgemeinde *** der E Rechtsanwälte OG, ***, ***, Auftrag und Vollmacht zu dessen Vertretung erteilt und beruft sich die ausgewiesene Vertreterin auf die ihr erteilte Vollmacht gemäß § 8 RAO.
II. Entsprechend der d.g. Verständigung vom 2.1.2024 zu LVwG-VG-1/001-2024 und LVwG-VG-1/002-2024 erstattet der öffentliche Auftraggeber durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin zum Nachprüfungsantrag der A GmbH vom 29.12.2023 binnen offener Frist nachfolgende
STELLUNGNAHME
und bringt vor wie folgt:
1. Zur Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit des Antrages:
Zutreffend ist, dass der öffentliche Auftraggeber ein Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages über Architekturleistungen für Planung und ÖBA für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes „***" in der *** in der Marktgemeinde *** durchgeführt hat. Die Antragstellerin wurde in diesem Vergabeverfahren zur 2. Stufe zugelassen und hat ein Angebot gelegt, das eine „...auf Erhaltung des wertvollen Baubestandes abzielende Lösungsvariante ..." (Seite 6 des Nachprüfungsantrages vom 29.12.2023), somit nicht einen Neubau, sondern eine Abänderung des alten Gebäudebestandes, beinhaltet.
Richtig ist, dass der Antragstellerin die Zuschlagsmitteilung am 20.12.2023 übermittelt worden und somit der Nachprüfungsantrag rechtzeitig eingebracht worden ist.
2. Zu den vermeintlichen Vergabeverstößen:
2.1. Keine reale Chance der Antragstellerin auf den Zuschlag
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung ergibt sich, dass das von der Antragstellerin gelegte Angebot gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden gewesen wäre.
Nach dieser Bestimmung sind vom öffentlichen Auftraggeber vor der Wahl des Angebots für die Zuschlagsentscheidung aufgrund des Ergebnisses der Prüfung Angebote, die den Ausschreibungsbestimmungen widersprechen bzw. Alternativangebote darstellen, wenn sie nicht zugelassen worden sind, auszuscheiden.
Das von der Antragstellerin gelegte Angebot widerspricht den Ausschreibungsbestimmungen und stellt ein von den Ausschreibungsbestimmungen nicht zugelassenes Alternativangebot dar. Schon in der Kurzbeschreibung des Dienstleistungsauftrages auf Seite 8 der Ausschreibungsunterlage, letzter Absatz, ist ausgeführt, dass der verfahrensgegenständliche Dienstleistungsauftrag „…Planerleistungen samt ÖBA für den Neubau des multifunktionalen Gebäudes in der ***...“ umfasst.
Auch in Punkt II.B.1. der Ausschreibungsunterlage, Seite 14, ist völlig eindeutig festgehalten, dass Gegenstand des Auftrages die Vergabe der „...Architekturleistungen für Planung und ÖBA für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes - *** - in der *** in der Marktgemeinde *** ...“ ist.
Abgesehen davon, dass die Festlegung des Auftragsgegenstandes als „Architekturleistungen für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes“ in den Ausschreibungsunterlagen bestandfest geworden ist, liegt der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, gegenständlich für das multifunktionale Gebäude den Abbruch des Altbestandes und einen Neubau vorzusehen, eine sachlich fundierte Entscheidungsfindung in Form einer Machbarkeitsstudie des Architekt F zugrunde, nach deren Conclusio zu der Variante einer Bestandsanierung/Zubau/Aufstockung des Altbestandes des bestehenden Gebäudes aus baurechtlichen, nutzungsspezifischen, wirtschaftlichen und gestalterischen Aspekten nicht geraten werden kann, sondern demhingegen die Variante der Verwirklichung des Projektes in Form des Abbruchs und Neubaus eines Gebäudes eindeutig vorgeschlagen wurde.
Dementsprechend wurde der verfahrensgegenständliche Dienstleistungsauftrag in den Ausschreibungsunterlagen und im Vergabeverfahren als Erbringung der Planungsleistungen und der ÖBA für den Abbruch des Altbestandes und den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes definiert und festgelegt.
Nebenbei sei bemerkt, dass die Ausführungen der Antragstellerin, dass sich das Bestandsgebäude „...in einem äußerst guten baulichen Zustand ...“ befinde und die Abänderung eines bestehenden Bauwerks und Zubau „...Baukosten einspare...“ im evidentem Widerspruch zu den vom öffentlichen Auftraggeber eingeholten bautechnischen Sachverständigen-Gutachten über die Qualität des Baubestandes und auch zur Machbarkeitsstudie, Beilage .12 stehen. Die Vertreter der Antragstellerin selbst haben gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber angegeben, dass die Abänderung des Gebäudebestandes und Zubau mit maßgeblichen bautechnischen Schwierigkeiten und Nachteilen (zB notwendige Anbringung des Wärmeschutzes innen mit entsprechenden bauphysikalischen Nachteilen und erheblichem Nutzflächenverlust, notwendige Abänderung der Fassade, etc.) verbunden sein würde.
Beweis: Ausschreibung eines Dienstleistungsauftrages betreffend Planung für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes „***" in der Marktgemeinde ***, Beilage ./1;
Machbarkeitsstudie zur Bebauung der ***/*** des F, ***, ***, vom 29.10.2022, Beilage .12;
Das Angebot der Antragstellerin, das vom Lösungsansatz her eine Abänderung des bestehenden Bauwerks und einen Zubau vorsieht, widerspricht daher eindeutig den oben genannten Ausschreibungsbestimmungen, stellt ein unzulässiges Alternativangebot im Sinne des Punktes II.G.12. der - bestandfest gewordenen - Ausschreibungsunterlage (Seite 36) dar und wäre daher gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG auszuscheiden gewesen.
Beweis: Angebot der Antragstellerin, Beilage ./3.1;
Protokoll zur Vergabeverhandlung vom 27.9.2023, Beilage ./3.2;
Einem Bieter, der in dem dem Nachprüfungsantrag zugrunde liegenden Vergabeverfahren auszuscheiden gewesen wäre, fehlt es an der Antraglegitimation und wäre nach Rechtsansicht des öffentlichen Auftraggebers daher der gegenständliche Nachprüfungsantrag zurückzuweisen (vgl. EuGH Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich [EuGH 21.12.2016 C-355/15] sowie Archus & Gamas /EuGH 11.5.2017, 0-131/16/
Selbst wenn man aber entgegen der aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers völlig zweifelsfreien Rechtslage davon ausgehen sollte, dass einem zwar auszuscheidenden, jedoch nicht ausgeschiedenen Bieter grundsätzlich die Antragslegitimation für einen Nachprüfungsantrag zukommen könnte, wäre im konkreten Fall bezüglich der Antragstellerin die Antragslegitimation zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages aus einem weiteren Grund zu verneinen, weil die Antragstellerin, selbst wenn ihr Angebot nicht auszuscheiden wäre, keine reale Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.
Nach - völlig anonymer - Bewertung der fünf in der 2. Verfahrensstufe gelegten Angebote im 1. Schritt des Vergabeverfahrens und danach erfolgter Verhandlung mit den Bietern zum Zuschlagskriterium II.G.8. lit c) - Honorarangebot, im 2. Schritt des Vergabeverfahrens erfolgte durch den öffentlichen Auftraggeber - zweifelsfrei nachvollziehbar und transparent - die Bewertung und Reihung der Angebote durch die vom öffentlichen Auftraggeber eingerichtete Kommission für die Ausschreibung der Planerleistungen und ÖBA - Neubau „***“. Nach dem Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung der Kommission für die Ausschreibung der Planerleistungen und ÖBA - Neubau „***“ vom 16.10.2023 ergab sich folgendes Bewertungsergebnis und Reihung der Bieter:
1. C - Anonyme Bieterkennzahl *** 30,81 Punkte
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXX
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXX
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXX
5. A - Anonyme Bieterkennzahl *** 22,52 Punkte
Nach der vom öffentlichen Auftraggeber vorgenommenen Angebotsbewertung war die Antragstellerin sohin Fünftgereihte und damit letztgereihte Bieterin in der 2. Stufe des Vergabeverfahrens.
Beweis: Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung der Kommission für die Ausschreibung der Planerleistungen und ÖBA - Neubau „***" vom 16.10.2023, Beilage .14;
Nach der völlig klaren Judikatur des VwGH (VwGH 9.1.2023, Ra 2021/04/0153) fehlt es dem fünftgereihten Bieter an der Antragslegitimation für einen Nachprüfungsantrag, wenn er nicht plausibilisieren kann, dass alle ihm vorgereihten Bieter auszuscheiden oder ihm nachzureihen sind.
Die Antragstellerin hat jegliche Ausführungen zu diesem laut eindeutiger Judikatur des VwGH für die Antragslegitimation notwendigen Vorbringen unterlassen. Es gibt auch keinen einzigen sachlichen Grund, warum der Antragstellerin vorgereihte Bieter auszuscheiden oder ihr nachzureihen wären. Daher fehlt es der Antragstellerin auch insoweit an der Antragslegitimation für den gegenständlichen Nachprüfungsantrag.
2.2. Verfahren im Ober- oder Unterschwellenbereich
Ob ein Vergabeverfahren im Ober- oder Unterschwellenbereich zu führen ist, ergibt sich aus einer vom Auftraggeber vorzunehmenden Schätzung des Auftragswertes. Nach durchaus sorgfältig vorgenommener Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers sollte der Auftragswert des gegenständlichen Dienstleistungsauftrages die maßgebliche Grenze für den Oberschwellenbereich nicht überschreiten.
Festzuhalten ist dazu eingangs, dass das gegenständliche Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung auch im Oberschwellenbereich hätte geführt werden dürfen, weil gemäß § 34 Z 2 BVergG 2018 der gegenständliche Dienstleistungsauftrag zweifelsfrei eine konzeptionelle Lösung entsprechend dem Zuschlagskriterium 1 (definierte Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag laut Punkt II. G. 8. lit a) der Ausschreibungsunterlage) verlangt.
Konkret der Antragstellerin ist im gegenständlichen Vergabeverfahren weiters aber aus dem Umstand, dass die tatsächlich von den Bietern im gegenständlichen Vergabeverfahren angebotenen Honorare einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich ergeben würden, weder eine Rechtswidrigkeit widerfahren, noch ihr in irgendeiner Weise ein Schaden entstanden. Sie wurde zur 2. Verfahrensstufe zugelassen, konnte ein Angebot legen und wurde sogar -obwohl ihr Angebot bei richtiger rechtlicher Beurteilung auszuscheiden gewesen wäre - zur Verhandlung über das Honorar entsprechend Zuschlagskriterium 3 (laut Punkt II. G. 8. lit c) der Ausschreibungsunterlage) eingeladen.
Ein vermeintlicher Vergabeverstoß liegt daher auch insoweit nicht vor.
2.3. Behauptete formale Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise des Auftraggebers
Die Antragstellerin rügt, dass ihr gegenüber in der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers vom 19.12.2023, ***, die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots nicht bekannt gegeben worden seien. Das ist nach Rechtsansicht des öffentlichen Auftraggebers unrichtig.
Der Antragstellerin wurden in der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vom 19.12.2023 sowohl ihre nach Angebotsbewertung erreichte eigene Punktezahl als auch die für einen Vergleich zum Angebot des Bestbieters relevante, sich nach Bewertung ergebende Punkteanzahl des Bestbieters bekannt gegeben. Es wurde auch weiters in der Mitteilung über die beabsichtigte Zuschlagserteilung bekannt gegeben, nach welchen Kriterien die Angebote bewertet wurden und zu welchem Angebotspreis exklusive USt die beabsichtigte Vergabe des Dienstleistungsauftrages an den Bestbieter erfolgen sollte. Dies ist nach Ansicht des öffentlichen Auftraggebers ausreichend.
Selbst wenn man aber davon ausgehen sollte, dass die Angaben in der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vom 19.12.2023 nicht ausreichend gewesen sein sollten, ist dadurch für die Antragstellerin weder eine Rechtswidrigkeit noch ein Schaden entstanden, da sie ohnehin einen Nachprüfungsantrag gestellt hat und im Vergabe-Nachprüfungsverfahren die Möglichkeit hat, ein entsprechendes Vorbringen hinsichtlich der Vor- oder Nachteile des eigenen Angebots im Verhältnis zum Angebot des in Aussicht genommenen Bestbieters zu erstatten.
2.4. Vermeintlicher Verstoß gegen die vergaberechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, Verbot der Diskriminierung und fehlenden Transparenz
Die Antragstellerin moniert, dass das Zuschlagskriterium „Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag" gemäß Punkt II.G.8. lit a) der Ausschreibungsunterlage nicht mit ausreichender Klarheit und Nachvollziehbarkeit ersichtlich mache, welche konkreten Gesichtspunkte der öffentliche Auftraggeber darunter verstanden wissen möchte und dieses Zuschlagskriterium unter Heranziehung „...von beliebigen Gesichtspunkten und deren ebenso beliebiger Gewichtung...“ eine Punktevergabe zu diesem Zuschlagskriterium vorzunehmen ermögliche.
Dieses Vorbringen ist in mehrfacher Hinsicht unzutreffend.
Zum ersten ist festzuhalten, dass nach ständiger Judikatur der Vergabeinstanzen die Textierung in der Ausschreibungsunterlage betreffend das maßgebliche Zuschlagskriterium gemäß Punkt II.G.8. lit a) „Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag" mangels Anfechtung durch die Antragstellerin bestandfest geworden ist. Jegliche Rüge hinsichtlich der vorgebrachten ausreichenden Klarheit oder Unklarheit der Textierung des genannten Zuschlagskriteriums scheitert nach Rechtsansicht des öffentlichen Auftraggebers schon von vornherein mangels Anfechtung durch die Antragstellerin an der durch Bestandfestigkeit eingetretenen Präklusion.
Allfällige Rechtswidrigkeiten einer bestandfesten gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers können im Rahmen der Nachprüfung einer späteren Auftraggeberentscheidung nicht aufgegriffen werden (VwGH 12.6.2013, 2011/04/0169; VwGH 27.6.2007, 2005/04/0234 zur Bestandfestigkeit der Ausschreibung; VwGH 18.5.2016, Ro2014/04/0054; VwGH 21.12.2016, Ra2016/04/0132; VwGH 18.8.2017, Ra2017/04/0077). Wird eine Ausschreibung nicht angefochten, erlangt sie Bestandskraft und wird infolge dessen nach ständiger Rechtsprechung selbst dann unveränderliche Grundlage für die Prüfung und Bewertung der Angebote, wenn deren Bestimmungen unzweckmäßig oder sogar vergaberechtswidrig sein sollten (BVwG 23.10.2014, W123 2011734-2).
Unbeschadet der eingetretenen Präklusion liegt auch keine objektive Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise des öffentlichen Auftraggebers bei der Angebotsbewertung hinsichtlich des mit einer Gewichtung von 50 % bewerteten 1. Zuschlagskriteriums gemäß Punkt II.G.8. lit a) der Ausschreibungsunterlagen vor.
Ganz im Gegenteil ist der öffentliche Auftraggeber hinsichtlich der Angebotsbewertung zu diesem Zuschlagskriterium äußerst sorgfältig vorgegangen, wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird.
Entgegen der Ausführungen im Nachprüfungsantrag ist für den öffentlichen Auftraggeber und für jeden sachverständigen Planer klar ersichtlich, welche Zielsetzungen der Auftraggeber mit der Errichtung des multifunktionalen Gebäudes verfolgt. Diese Zielsetzungen sind schon in Punkt I.A. der Ausschreibungsunterlagen rudimentär festgelegt. In Punkt II.E. 1. bis 4. der Ausschreibungsunterlagen ist detailliert definiert, wie sich die von den Bietern in einem Konzept darzustellende Planungsaufgabe definiert, was einerseits jedem sachverständigen Bieter ermöglicht, eine nach diesen Kriterien definierte Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag gemäß Punkt II.G.8. lit a) der Ausschreibungsunterlage zu konzipieren, wie auch der in dem zuletzt genannten Punkt der Ausschreibung genannten Realisierungskommission, bestehend u.a. auch aus Architektur-Sachverständigen entsprechend den dargelegten Kriterien zweifelsfrei eine transparente und nachvollziehbare Angebotsbewertung der eingereichten Angebote möglich war.
In Punkt II.G.8, lit a) der Ausschreibungsunterlage ist ausdrücklich ausgeführt, wie die Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag auszuarbeiten ist. Entsprechend diesen Kriterien konnte auch eine Bewertung erfolgen.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die von der Antragstellerin in Punkt 7. lit d) des Nachprüfungsantrages vermeinten „...widersprüchlichen Angaben in der Ausschreibung zu den bestehenden Schutzzonen..." von der Antragstellerin bekämpft hätten werden müssen und demnach sowohl der öffentliche Auftraggeber wie auch die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen entsprechend den - bestandfesten - Ausschreibungsunterlagen vorzugehen haben.
Wenn überdies der öffentliche Auftraggeber - unbeschadet dessen, welche raumordnungsrechtlichen und baurechtlichen Vorschriften im Zeitpunkt der Durchführung des Vergabeverfahrens noch gelten - völlig klar und eindeutig definiert, dass die Planung eines Neubaus eines Gebäudes zu erfolgen hat, haben die Bieter dieser Vorgabe zu entsprechen und nicht eigene Überlegungen anzustellen, ob der vom Auftraggeber klar für den Planungsauftrag verlangte Neubau des multifunktionalen Gebäudes unter raumordnungsrechtlichen oder baurechtlichen Vorschriften möglich ist. Wiederum der Vollständigkeit halber sei hier anzufügen, dass der öffentliche Auftraggeber nach Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt mit Beschluss des Gemeinderates noch vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde *** dahingehend abgeändert hat, dass das bauvorhabensgegenständliche Grundstück nicht mehr in einer Schutzzone liegt. Der diesbezügliche Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde *** liegt derzeit bei der NÖ Landesregierung zur Genehmigung auf. Auch die Bebauungsbestimmungen für die dem Vergabeverfahren zugrunde liegende Liegenschaft wurden entsprechend durch Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde *** dahingehend geändert, dass die Errichtung des Gebäudes, wie in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehen, zulässig ist. Diesbezügliche Veranlassungen liegen jedoch allein beim öffentlichen Auftraggeber in dessen Hoheitsgewalt und sind in Überlegungen der Bieter in einem Vergabeverfahren nicht einzubeziehen.
Entsprechend den Ausschreibungsbestimmungen wurden beim Zuschlagskriterium 1 gemäß Punkt II.G 8. lit a) der Ausschreibungsunterlage die anonymisierten Arbeitsproben mit Lösungsvorschlägen der Bieter von der Realisierungskommission, bestehend aus den Mitgliedern des Ausschusses des öffentlichen Auftraggebers für „Liegenschaften und Projekte" sowie drei Standesvertreterlnnen der Kammer für Ziviltechnikerinnen, Architektinnen und Ingenieurinnen für Wien, NÖ und Bgld, insgesamt 10 Personen, mit einem Punkte-Bewertungsbogen transparent und objektiv beurteilt.
Da insgesamt bei allen Zuschlagskriterien maximal 40 Punkte für die Bieter zu erreichen waren und das Zuschlagskriterium 1 gemäß Punkt II.G.8. lita) der Ausschreibungsunterlage mit 50 % gewichtet war, konnte sohin für die Bieter beim 1. Zuschlagskriterium eine Maximalpunkteanzahl von 20 Punkten erreicht werden.
Die Antragstellerin hat beim Zuschlagskriterium 1 von fünf Bietern nachvollziehbar mit 8,30 Punkten den letzten Platz belegt.
Beweis: Bewertungsbögen der einzelnen Mitglieder der 10-köpfigen Realisierungskommission entsprechend anonymer Bieterkennzeichnung, Beilage ./5;
Bewertungsauswertung (maßgeblich die Spalte „Arbeitsprobe“ zum Zuschlagskriterium 1
gemäß Aufstellung Bewertung laut Punkteschema „***“ Beilage ./6;
2.5. Zusammenfassende Erwägungen
Nach Rechtsansicht des öffentlichen Auftraggebers wird der gegenständliche Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mangels Antragslegitimation zurückzuweisen sein, da das Angebot der Antragstellerin bei richtiger rechtlicher Beurteilung aufgrund Widerspruchs zu den Ausschreibungsbestimmungen auszuscheiden gewesen wäre und jedenfalls unbeschadet dessen keine reale Chance auf einen Zuschlag gehabt hätte.
Die von der Antragstellerin vermeinten Vergabeverstöße sind entweder nicht mehr relevierbar, weil die Ausschreibung mangels Anfechtung durch die Antragstellerin bestandfest geworden ist oder liegen darüber hinaus hinsichtlich der Bewertung der Angebote und der Zuschlagsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers in keiner Weise vor.
Aus diesen Gründen wird gestellt an das Landesverwaltungsgericht Nö seitens des öffentlichen Auftraggebers der
ANTRAG,
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin A GmbH vom 29.12.2023 als unzulässig zurückzuweisen,
in eventu
den Nachprüfungsantrag der A GmbH vom 29.12.2023 als unbegründet abzuweisen.
Marktgemeinde ***“
II. BEWEISAUFNAHME:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vergabesenat 1 am 16.02.2024 gem. § 15 Abs. 1 NÖ VNG eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt, in dieser erfolgte eine Beweisaufnahme durch Einsicht in den gesamten Vergabeakt, Vorbringen (teils über Befragung) der Rechtsvertreter aller Parteien und Befragung der geschäftsführenden Gemeinderätin G sowie eines Mitarbeiters der Marktgemeinde *** (H) als weitere Vertreter des öffentlichen Auftraggebers.
III. FESTGESTELLTER SACHVERHALT:
Aufgrund dieser Beweisaufnahme ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Marktgemeinde *** ist öffentlicher Auftraggeber im Vergabeverfahren „Leistungen betreffend der Planung für den Neubau eines multifunktionalen Gebäudes „***“ in der Marktgemeinde ***“. Dabei handelt es sich um die Ausschreibung eines Dienstleistungs-auftrages im Unterschwellenbereich, als Vergabeverfahren wurde das Verhandlungs-verfahren mit vorheriger Bekanntmachung gewählt.
Als Spätesttermin zur Abgabe eines Teilnahmeantrages (1. Verfahrensstufe) wurde laut Ausschreibung der 11.08.2023, 12:00 Uhr, festgelegt. In der 2. Verfahrensstufe waren Angebote bis spätestens 22.09.2023, 12:00 Uhr, beim öffentlichen Auftraggeber abzugeben.
Laut Ausschreibung wurden die Gesamtbaukosten für das zu errichtende Gebäude mit € *** geschätzt, errichtet werden soll das Gebäude auf Grundstück Nr. *** (EZ ***) der KG *** unter der Adresse *** (Punkt II., B, Z 1. und 2. der Ausschreibung). Die Baukostenschätzung stützt sich auf eine vom öffentlichen Auftraggeber beauftragte und in den Jahren 2021 oder 2022 erstellte Machbarkeitsstudie. Darauf fußend wurde auch die Entscheidung getroffen, die Ausschreibung im Unterschwellenbereich vorzunehmen.
Des Weiteren finden sich in der Ausschreibung folgende für die Planung relevanten Vorgaben (Punkt II., E.):
„1. Planungsaufgabe
Am Standort ***, ***, soll ein neues, multifunktionales „***“ entstehen. Das zurzeit auf der Liegenschaft bestehende Gebäude wird zu diesem Zweck abgebrochen. In dem neu zu errichtenden Gebäude soll neben einer Tagesbetreuungseinrichtung mit mindestens 3 Kinderbetreuungsgruppen auch eine Tageshorteinrichtung (Nachmittagshort) für Kinder im Volksschulalter mit ebenfalls mindestens 3 Gruppen, sowie Vereinsräumlichkeiten mit Schwerpunkt musikalische Proberäumlichkeiten, errichtet werden.
Die besondere Herausforderung des neuen Gebäudes liegt neben seiner Funktionalität für unterschiedliche Nutzergruppen mit verschiedenen Ansprüchen bzw. Interessen vor allem in seiner architektonischen Ausgestaltung. Der neue Baukörper soll sich harmonisch in das Ortsbild einfügen, aber gleichzeitig ein Statement für moderne Architektur darstellen; er soll Aufmerksamkeit erregen und die Zeitachse zwischen Moderne und Historie überbrücken, liegt er doch – aus Sicht der täglich vielen Betrachter, die die *** von der Unterführung kommend Richtung Ortszentrum fahrend – genau gegenüber der altehrwürdigen Kirche der Gemeinde.
Zur Ausführung soll ein viergeschossiges Bauwerk kommen, welches sich in ein Kellergeschoß, ein Erdgeschoß und ein 1. und ein 2. Obergeschoß gliedert. Die maximal verbaute Fläche soll im Kellergeschoß rund 300 m², im Erdgeschoß und im 1. Obergeschoß jeweils rund 400 m² und im 2. Obergeschoss rund 320 m² betragen. Bei der Konzeptionierung des Raumprogrammes ist das Mindesterfordernis der Richtlinien des Landes NÖ, Abteilung Schulen, (Beilage B.1: NÖ Plichtschulgesetz 2018, B.2: NÖ Tagesbetreuungsverordnung, B.3: Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen im Sinne des NÖ Schul- und Kindergartenfondsgesetz 2018), zu beachten. Das Raumprogramm für die Kleinstkindergruppe ist analog zu den Bestimmungen aus den Richtlinien des NÖ Schul- und Kindergartenfondsgesetzes 2018 abzuleiten.
Im Kellergeschoß sollen Lager- und Wirtschaftsräume sowie der Technikraum untergebracht werden.
Im Erdgeschoß sollen Räume für eine Tagesbetreuungseinrichtung mit mindestens 3 (ev. 4) Kleinstkindergruppen situiert werden. Für die Tagesbetreuungseinrichtung ist ein eigener Bewegungsraum, ein Aufenthaltsraum für das Personal, ein Leiterbüro und eine eigene Küche unterzubringen. Die Gruppenräume selbst sollen multifunktional gestaltbar sein, um allenfalls zukünftig geänderten Nutzungsansprüchen gerecht zu werden. Die genaue Abstimmung der Erfordernisse ist dabei mit den Vertreter*innen des zukünftigen Betreibers der Tagesbetreuungseinrichtung, des Vereins Kinderheim, vorzunehmen.
Im 1. Obergeschoß sollen Hortbetreuungsgruppen (Nachmittagsbetreuung) im größtmöglichen Umfang für Schüler*innen der VS *** mit allen erforderlichen Sanitärräumen untergebracht werden. Ebenso ist ein eigener Bewegungsraum, ein Aufenthaltsraum für das Personal, ein Leiterbüro und eine eigene Küche unterzubringen
Das 2. Obergeschoß soll für eine Nutzung durch Vereine, getrennt von den Kinderbetreuungseinrichtungen, geplant werden. Besonders gilt es hier einen Proberaum für die Trachtenmusikkapelle samt Lagerraum für Musikinstrumente zu konzipieren; die benötigten Nutzflächen und deren Mindestausstattung ist mit den Vertreter*innen der Trachtenmusikkapelle im Vorhinein abzusprechen. Sanitärräume sind vorzusehen. Sollten danach noch Flächen zur Verfügung stehen, so können weitere Räumlichkeiten für anderweitige Nutzungen vorgesehen werden.
Aufgrund der notwendigen Barrierefreiheit ist der Einbau eines Personenaufzuges mit zu berücksichtigen. Für die Kleinstkinderbetreuung ist ein eigener Eingang vorzusehen. Sind auch für Nachmittagsbetreuung und Vereinsräume ohne große Nutzflächeneinbuße separate Zugänge möglich, sind auch für diese jeweils eigene Zugänge vorzusehen.
Neben der Richtlinie des NÖ Schul- und Kindergartenfondsgesetzes 2018 sind auch die Vorgaben der „Klimaaktiv Basiskriterien 2020“ des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (Beilage B.2) und des Pflichtenheftes „Energieeffizienz und Nachhaltigkeit für NÖ Landesgebäude“ des Landes NÖ (Beilage B.3) in Bezug auf die Errichtung von Gebäuden bei der Planung zu berücksichtigen. Die Mindesterfordernisse des Baukörpers in Bezug auf den Energieverbrauch werden mit dem Passivhausstandard festgelegt. Nach Möglichkeit soll ein über ein Kalenderjahr berechneter, neutraler Energieverbrauch geplant werden. Bei der Wahl der Wärmeversorgung des Gebäudes hat diese auf Basis erneuerbarer Energieträger zu erfolgen und ist entsprechend zu planen. Bauliche Maßnahmen sind daher so auszuführen, dass eine sommerliche
Überwärmung ausgeschlossen wird und kein externer Energiebedarf für Kühlzwecke erforderlich ist.
Bei der Planung des Gebäudekomplexes gilt es weiters zu berücksichtigen, dass für eine ökologische Energieversorgung bzw. auch zur Energiegewinnung eine Photovoltaikanlage (ev. bestehend aus mehreren Teilen) in maximaler Ausführungsgröße (mindestens jedoch eine 70 kWp-Anlage) zur Verfügung steht. Dabei gilt es, alle Gebäudeteile (z.B. auch Seitenwände, Überdachung im Gartenbereich) die für eine Produktion in Frage kommen, in die Planung miteinzubeziehen.
Für die Gestaltung der Außen- bzw. Freiflächen ist im Besonderen darauf Rücksicht zu nehmen, dass keine Bodenversiegelung stattfindet. Die natürliche Sickerfähigkeit der Gartenfläche ist zu erhalten. Bei der Wahl von Gestaltungselementen ist darauf zu achten, dass den Kindern bei ihren Außenaktivitäten eine ausreichende Beschattung zur Verfügung steht.
Die gegenständliche Planungsaufgabe umfasst folgende übergeordnete Aspekte:
• die Umsetzung des Raum- und Funktionsprogramms (in Ansprache mit den jeweiligen Betreibern),
• die Einhaltung des angegebenen finanziellen Rahmens und des Zeitplans,
• Nachhaltigkeit und ökologische Qualität des Objektes,
• Schaffung attraktiver Außenanlagen,
• Alleinstellungscharakter des Gebäudekomplexes durch seine architektonische Gestaltung,
• barrierefreie Erschließung,
• die Einhaltung von Brandschutzrichtlinien und der notwendigen Fluchtwege,
• Projektplanung unter funktionellen, technischen, betrieblichen und wirtschaftlichen
Gesichtspunkten.
Weitere Planungsleistungen:
Mit Beschluss des Niederösterreichischen Antidiskriminierungsgesetzes (NÖ ADG) ist die Marktgemeinde *** verpflichtet, alle öffentlichen Gebäude barrierefrei zugängig zu machen bzw. zu erschließen.
Folgende Maßnahmen sind Gegenstand der Arbeitsprobe:
Details gemäß Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen im Sinne des NÖ Schul- und Kindergartenfondsgesetzes 2018 (gilt für Kleinkinder- und Hortbetreuung).
2. Lage in der Marktgemeinde
Die Liegenschaft auf der das multifunktionale „***“ neu errichtet werden soll, befindet sich in der *** Ecke *** und liegt im Ortszentrum der Marktgemeinde ***.
3. Bearbeitungsgebiet
Das Planungsgebiet umfasst die Liegenschaft ***, ***, Grundstück Nr. ***, KG ***. Aufgrund der architektonischen Komplexität der Gebäudecharakteristik ist jedoch die direkte Umgebung im Umkreis von rd. 100 Meter in die Planungsaufgabe mitaufzunehmen.
4. Flächenwidmung und Bebauungsbestimmungen
Die Liegenschaft ***, Parzelle Nr. *** und Baufläche Nr. ***, beide EZ ***, mit einer Größe von insgesamt 1.102 m² weißt derzeit folgende Bebauungsbestimmungen auf:
Bebauungsdichte - keine
geschlossene Bebauung
Bebauungshöhe - 9m
Weiters befindet sich derzeit eines Schutzzonenkategorie II: Schutzwürdige Objekte, auf dieser Liegenschaft die folgendes besagt:
Es gelten prinzipiell die Bestimmungen der Schutzzonenkategorie I, so sind vor allem Gebäudestruktur und äußere Erscheinungsform unbedingt zu erhalten und ein Abbruch nicht zulässig.
Die historischen Fenster, Putze und Dachdeckungen sind möglichst zu bewahren. Sollte dies nicht möglich sein, sind sie in gleicher Konstruktion und gleichem Material zu erneuern bzw. rückzuführen. Bei der Fassadenfärbelung ist auf den historischen Bestand aufzubauen.
Der Abbruch von schutzwürdigen Bauteilen ist unzulässig, wobei diese im Anlassfall im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes definiert werden. Die betreffende Schutzzone ist in der Plandarstellung mit „OK02“ gekennzeichnet und mit den jeweiligen Bebauungsbestimmungen definiert.
In der Sitzung des Gemeinderates vom 23.03.2023, TOP 13.5, wurden folgende Änderungen der Bebauungsbestimmungen für die o.a. Liegenschaft beschlossen. Nach Auflage dieser Änderungen gelten folgende NEUE Bebauungsbestimmungen für dieses Grundstück:
Bebauungsdichte - 50 %
geschlossene Bebauung
Bebauungshöhe - 9m
Neue Schutzzonenkategorie IV. Pufferzonen:
Bei Neu-, Zu- und Umbauten ist hinsichtlich Kubatur und Gestaltung auf die harmonische Einfügung in die Umgebung Bedacht zu nehmen. Liegenschaften dürfen, ausgenommen in begründeten Einzelfällen (z.B. Grundstückszusammenlegungen), nicht mehr als eine Ein- bzw. eine Ausfahrt zum öffentlichen Gut aufweisen. Die betreffende Schutzzone ist in der Plandarstellung mit „OK04“ gekennzeichnet, im Bebauungsplan sind spezifische Bebauungsbestimmungen festgelegt.
5. Terminrahmen
Planungsbeginn: unmittelbar nach Auftragserteilung
Baubeginn: Mai 2024
Fertigstellung: August 2025“
Hinsichtlich der Verfahrensart und der Zuschlagskriterien werden in der Ausschreibung (Punkt II., G., Ziffer 8) folgende Ausführungen getroffen:
„8. Verfahrensart / Zuschlagskriterien
Das Vergabeverfahren wird gemäß den Bestimmungen des BVergG 2018 als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich durchgeführt.
In der 1. Stufe (= Bewerber-Auswahlverfahren) sind vom Bewerber Teilnahmeanträge abzugeben. Im Anschluss an die Prüfung von Ausschlussgründen und der Eignung der Bewerber werden auf Basis der Auswahlkriterien 5 Bewerber ausgewählt, die zur Abgabe ihrer Angebotsunterlagen aufgefordert und anschließend in der 2. Stufe zu einem kommissionellen Verhandlungsverfahren eingeladen werden. Bewerber mit Punktegleichstand oder einem Rückstand von maximal einem Punkt zu dem auf Rang 5 gereihten Bewerber werden zusätzlich in die 2. Stufe nominiert.
Die Auswahl des Bestbieters erfolgt in der 2. Stufe (= Zuschlagsverfahren) auf Grundlage der nachfolgenden Zuschlagskriterien:
a) Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag (Bewertung durch eine „Realisierungskommission“) (Gewichtung 50 %)
b) Kostenrahmen gemäß ÖNORM B 1801-1: Kostenbereich 2 – 6 (Gewichtung 20 %)
c) Honoraranbot (Gewichtung 20 %)
d) Zusatzkriterien (Gewichtung 10 %)
zu a) Die Arbeitsprobe hat aus der skizzenhaften Ausarbeitung der in Abs. II.E.1 gestellten Planungsaufgabe zu bestehen. Für die Bewertung der skizzenhaften Ausarbeitung ist vom Bieter ein entsprechender färbiger Ausdruck (Format A3, max. 2 Seiten) auszuarbeiten. Diese Ausarbeitung hat jedenfalls einen Lageplan, einen Grundrissplan aller Geschoße, einen Schnitt und eine Ansicht des Baukörpers zu enthalten. Die Ansicht des Baukörpers muss jedenfalls eine Darstellung jener Gebäudefront, die vom *** aus zu sehen ist, und jener Gebäudefront, die von der *** aus zu sehen ist, beinhalten. Für die Gebäudefront der *** ist auch die Auswirkung der architektonischen Gestaltung auf die unmittelbare Umgebung darzustellen. Die Bewertung der Arbeitsprobe erfolgt durch eine Realisierungskommission, bestehend aus den Mitgliedern des Ausschusses für „Liegenschaften und Projekte“ sowie drei Standesvertreter*innen der Kammer der Ziviltechniker*innen, Architekt*innen und Ingenieur*innen für Wien, NÖ und Bgld.
zu b) alle Angaben in EUR – exkl. Mehrwertsteuer;
Im angeführten Kostenrahmen (Formblatt F. 12, Beilage B.4) müssen alle Arbeiten und Lieferungen enthalten sein, die zur vollständigen Herstellung der beauftragten Leistung gehören, auch wenn diese im Leistungsverzeichnis oder in der Leistungsbeschreibung nicht gesondert angeführt oder näher beschrieben werden. Der Kostenrahmen muss daher alle zur fachgerechten Herstellung der beauftragten Leistung, insbesondere unter Berücksichtigung der Vorgaben im Leistungsverzeichnis, samt allen erforderlichen Nebenleistungen, Personalkosten sowie Maschinen- und Geräteeinsätzen beinhalten.
zu c) Das Honorarangebot ist unter Angabe des Prozentsatzes der Einzelleistungen im Formblatt F.12 (Beilage B.4) wie folgt aufzugliedern:
• Architektenleistungen (Vorentwurf, Entwurf, Einreichung, Ausführungsplanung, Kostenermittlung)
• Ausführung (Ausschreibung der Gewerke, Bauabwicklung, Übergabe)
• Gewährleistungszeitraum (Nachbetreuung)
• Leistungen in allen Phasen (künstlerische Oberleitung, technische Oberleitung, geschäftliche Oberleitung, Berichtwesen)
• Sonstige Planerleistungen in allen Projektphasen (Planung Oberflächenentwässerung, Planung Abfallwirtschaftskonzept, Planung Innenraumgestaltung, Raumbuch, Freibereichsplanung mit Spielgeräten)
• Örtliche Bauaufsicht
• Brandschutzplanung
zu d) die Zusatzkriterien betreffen die Ausbildung von Lehrlingen innerhalb des Betriebes und die Beschäftigung ausschließlich von Stammpersonal innerhalb des Betriebes.
Der Zuschlag wird nach dem Bestbieterprinzip dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt.
Die Auswahl des Bestbieters erfolgt zweistufig:
Erste Verfahrensstufe – Teilnahmeantrag
Zweite Verfahrensstufe – Angebotslegung“
Gemäß Punkt II., G, Ziffer 12. der Ausschreibung sind sowohl Alternativangebote als auch Abänderungsangebote iSd §§ 96, 125 BVergG 2018 nicht zulässig.
Aufgrund der vorgenannten Zuschlagskriterien können laut Ausschreibung (Punkt II., G, Ziffer 15) Angebote für den Teilbereich „Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag“ maximal 20 Punkte erzielen, für den Kostenrahmen“ sind maximal 6 Punkte zu erzielen, ebenso maximal 6 Punkte für das „Honorarangebot“, weiters maximal 4 Punkte für das Zusatzkriterium „Lehrlingsbeschäftigung“ und ebenfalls maximal 4 Punkte für das Zusatzkriterium „Eigenpersonal“. Die insgesamt zu erzielende Maximalpunktezahl beträgt daher 40.
Die vorliegende Ausschreibung wurde von keinem der teilnehmenden Bieter angefochten (vgl. § 2 Z. 15 lit. a) sub.lit. dd) BVergG 2018), sie ist somit bestandfest geworden.
In der 2. Verfahrensstufe wurden von insgesamt fünf Bietern (einschließlich der Antragstellerin und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin) Angebote abgegeben. Das Angebot der Antragstellerin hat nicht – wie in der Ausschreibung vorgegeben – einen Abbruch des bestehenden Gebäudes und den gewünschten Neubau zum Gegenstand, sondern einen Umbau des bestehenden Gebäudes. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hat den vorgegebenen Abbruch des bestehenden Gebäudes und den gewünschten Neubau zum Inhalt.
Die in der 2. Verfahrensstufe von den Bietern an den öffentlichen Auftraggeber gestellten Fragen wurden in der Form beantwortet, dass jeder Bieter über die Antwort informiert wurde und somit jeder Bieter über denselben Kenntnisstand verfügte. Auf Grund einer Rückmeldung von Bietern, dass Architekten Lehrlinge nicht beschäftigen würden, erfolgte eine Information durch den öffentlichen Auftraggeber an die Bieter, dass für das Zusatzkriterium „Lehrlinge“ daher keine Punkte vergeben werden würden. Nach Aussage eines Vertreters des öffentlichen Auftraggebers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung wäre für den Fall, dass ein Bieter dennoch Lehrlinge beschäftigen würde, unabhängig von der Zahl der beschäftigten Lehrlinge die maximale Punktezahl vergeben worden.
In der Ausschreibung selbst finden sich keine Hinweise, nach welchen konkreten Kriterien bei den Zusatzkriterien „Lehrlinge“ und „Stammpersonal“ die individuelle Punktevergabe (von 0 Punkte bis zur Maximalpunktezahl von 4) vorzunehmen ist.
Die Prüfung und Bewertung der insgesamt fünf abgegebenen Angebote erfolgte durch ein in der Ausschreibung als „Realisierungskommission“ bezeichnetes Gremium, laut Ausschreibung besteht dieses Gremium aus den Mitgliedern des Ausschusses „Liegenschaften und Projekte“ der Marktgemeinde *** (dabei handelt es sich um einen aus zehn Personen bestehenden Ausschuss des Gemeinderates der Marktgemeinde ***) und drei weiteren externen Personen (Standesvertreter der Kammer der Ziviltechniker*innen, Architekt*innen und Ingenieur*innen für Wien, NÖ und Bgld.).
Bei den Mitgliedern des vorgenannten Gemeinderatsausschusses handelt es sich um Personen verschiedenster Berufsgruppen, eine einschlägige Ausbildung im Bereich Bauwirtschaft bzw. Architektur hat kein Ausschussmitglied.
Die Realisierungskommission ist insgesamt drei Mal zusammengetreten (das erste Mal in der 1. Verfahrensstufe zu Prüfung der Referenzprojekte, das zweite Mal in der 2. Verfahrensstufe am 27.09.2023 zur Bewertung der Angebote und das dritte Mal zur Beschlussfassung am 16.10.2023). Fünf Mitglieder des Ausschusses waren bei allen drei Sitzungen der Realisierungskommission anwesend, die weiteren fünf Mitglieder teilweise nur bei einer oder zwei Sitzungen.
Bei der zweiten Sitzung der Realisierungskommission (Bewertung der Angebote) haben sich drei Ausschussmitglieder entschuldigt, somit wurde die Bewertung von den verbliebenen sieben Ausschussmitgliedern und den drei externen Experten (insgesamt sohin zehn Personen anstelle der in der Ausschreibung vorgesehenen 13 Personen) vorgenommen. Die Entscheidung, ob bei Ausfall eines oder mehrerer Ausschussmitglieder die Sitzung der Realisierungskommission und insbesondere die Bewertung dennoch vorgenommen wird, lag im freien Ermessen der Vorsitzenden des genannten Ausschusses. Die Zahl der Mitglieder der Realisierungskommission, die letztendlich die Bewertung tatsächlich vorgenommen haben, hatte somit Zufallscharakter. Die Entscheidung, dass auch die drei externen Experten bei der Angebotsbewertung stimmberechtigt sind, hat der genannte Ausschuss getroffen.
Drei Tage vor der in der 2. Verfahrensstufe durchgeführten zweiten Sitzung der Realisierungskommission (Bewertung der Angebote) sind die fünf abgegebenen Angebote anonymisiert den drei externen Experten zur Vorbereitung auf die Sitzung übermittelt worden. In der Sitzung der Realisierungskommission selbst wurden die Angebote den (nicht fachkundigen) Mitgliedern des Ausschusses durch die drei externen Experten vorgestellt, deren Eigenschaften, Vor- und Nachteile erläutert und die Ausschussmitglieder auch darauf hingewiesen, worauf bei der Bewertung (Bepunktung) zu achten ist. Auch diese Vorstellung der einzelnen Angebote erfolgte sowohl bei den drei externen Experten als auch den sieben Ausschussmitgliedern ohne Kenntnis davon, von welchen Bietern die jeweiligen Angebote stammen.
In weiterer Folge hat jedes der zehn Mitglieder der Realisierungskommission für sich eine Punktevergabe vorgenommen (mögliche Punktevergabe beim Kriterium „Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag“ zwischen 1 und 20 pro zu bewertendem Angebot). Die Summe aller von den zehn Mitgliedern der Realisierungskommission vergebenen Punkte wurde durch den Faktor „10“ dividiert (weil zehn Personen gewertet haben), auf diese Weise gelangte man zu den Gesamtpunkten.
Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erzielte auf Basis der dargelegten Ermittlungsmethode insgesamt 30,81 Punkte und damit die höchste Punktezahl aller fünf bewerteten Angebote. Das Angebot der Antragstellerin erzielte insgesamt 22,52 Punkte und damit die geringste Punktezahl aller bewerteten Angebote.
Von den fünf in der 2. Verfahrensstufe abgegebenen, geprüften und bewerteten Angeboten wurde keines ausgeschieden, sämtliche fünf Angebote wurden entsprechend der erreichten Punktezahl gereiht, wodurch sich die vorgenannte Platzierung des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der Antragstellerin ergab.
Letztendlich hat der öffentliche Auftraggeber mit dem mit 19.12.2023 datierten und am 20.12.2023 per E-Mail an die Antragstellerin übersendeten Schreiben wie folgt die Zuschlagsentscheidung getroffen und bekanntgegeben:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
die Marktgemeinde *** nimmt hiermit im Vergabeverfahren für die Ausschreibung der Planerleistungen und OBA — Neubau „***", die Bekanntgabe der Zuschlagserteilung vor.
Dem Angebot des Architekturbüros C GmbH, Punkteanzahl 30,81, soll nach Ablauf der Stillhaltefrist der Zuschlag erteilt werden. Die Stillhaltefrist gem. § 144 BVergG endet mit Ablauf des 29.12.2023. Ihr Angebot hat eine Punkteanzahl von 22,52 erreicht
Die Vergabesumme (Angebotspreis exkl. USt.) beträgt EUR ***. Die Zuschlagsentscheidung begründet sich mit der Punktebewertung, die sich aus der Arbeitsprobe, dem Kostenrahmen und Honorarangebot sowie den beiden Zusatzkriterien Lehrlingsbeschäftigung und Eigenpersonal, zusammensetzt. Zur Beauftragung gelangende Planungsbüro hat eine Punkteanzahl von 30,81.
Wir danken für die Teilnahme am Vergabeverfahren und würden uns freuen, wenn Sie sich bei unserem nächsten Projekt wieder beteiligen!
Mit freundlichen Grüßen,
der Bürgermeister:
I“
Der gegenständliche Nachprüfungsantrag wurde von der Antragstellerin am 29.12.2023 nach Ablauf der Amtsstunden dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übermittelt.
IV. BEWEISWÜRDIGUNG:
Die Feststellungen stützen sich auf die unbedenkliche Aktenlage, insbesondere die in ihrer Textierung unstrittige Ausschreibung, ebenso auf das glaubwürdige und unbestrittene Vorbringen der Vertreter des öffentlichen Auftraggebers (G als Vorsitzende des mehrfach erwähnten Gemeinderatsausschusses für Liegenschaften und Projekte und des Sachbearbeiters H).
V. RECHTLICHE BEURTEILUNG:
Der festgestellte Sachverhalt ist in rechtlicher Hinsicht wie folgt zu beurteilen:
Gemäß § 1 Abs. 3 NÖ VNG ist das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zuständig u.a. zur Entscheidung über Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers wegen Rechtswidrigkeit (§ 16).
Die steht auch im Einklang mit den Bestimmungen nach § 4 Abs. 1 und 2 Z 2 leg.cit.
Gemäß § 6 Abs. 1 leg.cit. kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines den Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) unterliegenden Vertrages behauptet, die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. In einem kann beantragt werden, nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen, die dieser gesondert anfechtbaren Entscheidung zeitlich vorangegangen sind, nachzuprüfen.
Gemäß § 16 Abs. 1 NÖ VNG hat das Landesverwaltungsgericht eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Im gegenständlichen Fall weist der von der Antragstellerin eingebrachte Nachprüfungsantrag jedenfalls die in § 10 NÖ VNG geforderten Voraussetzungen auf und wird dies vom öffentlichen Auftraggeber in diesem Umfang auch nicht bestritten. Gleiches gilt für die Rechtzeitigkeit des gestellten Antrages. Die mit 19.12.2023 datierte Zuschlagsentscheidung wurde am 20.12.2023 der Antragstellerin per E-Mail übermittelt, der Nachprüfungsantrag wurde noch am 29.12.2023 nach Ablauf der Amtsstunden beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingebracht. Damit ist der Nachprüfungsantrag fristgerecht innerhalb der zehntägigen Stillhaltefrist eingebracht worden, gleichzeitig ist aber die achtwöchige Entscheidungsfrist für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gemäß § 19 Abs. 3 NÖ VNG ab 02.01.2024 zu berechnen. Es erübrigen sich daher weitere Ausführungen zum Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für einen Nachprüfungsantrag.
Bezüglich der Antragslegitimation der Antragstellerin bringt der öffentliche Auftraggeber vor, dass das Angebot der Antragstellerin ausgeschieden werden müsse, da es sich um ein ausschreibungswidriges Angebot handle. Laut Ausschreibung müsse das derzeit noch bestehende Gebäude abgebrochen und ein neues entsprechend den Vorgaben in der Ausschreibung errichtet werden. Das Angebot der Antragstellerin habe jedoch den Umbau des bestehenden Gebäudes zum Inhalt und wäre daher alleine schon deswegen gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG auszuscheiden.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG sind den Ausschreibungsbestimmungen wider-sprechende Angebote, Teil-, Alternativ-, Varianten- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungs-angebote oder Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, auszuscheiden.
Dem eindeutigen Wortlaut der vorliegenden Ausschreibung ist zu entnehmen, dass das noch bestehende Gebäude abgebrochen und ein entsprechender Neubau nach den Ausschreibungsvorgaben zu errichten ist. Ebenso unzweifelhaft und auch unbestritten hat das Angebot der Antragstellerin nicht den Abbruch des bestehenden Gebäudes und die Errichtung eines Neubaus zum Inhalt sondern den Umbau des bestehenden Gebäudes. Damit widerspricht das Angebot der Antragstellerin unzweifelhaft den Bestimmungen der Ausschreibung und wäre daher gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG auszuscheiden.
Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang jedoch der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber das Angebot der Antragstellerin bis dato nicht ausgeschieden hat. Nach der zu dieser Thematik ergangenen Judikatur führt der Umstand, dass das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden gewesen wäre aber nicht ausgeschieden wurde, nicht automatisch zum Verlust der Antragslegitimation. Vielmehr kommt einem Bieter, dessen Angebot auszuscheiden gewesen wäre (aber nicht ausgeschieden wurde) nur dann keine Antragslegitimation im Nachprüfungs-verfahren zu, wenn er für die Zuschlagserteilung ohnehin nicht in Betracht käme und ihm daher durch die behauptete Rechtswidrigkeit kein Schaden entstehen bzw. drohen kann (VwGH 25.03.2010, 2005/04/0144, 16.10.2013, 2012/04/0027 und Ra 2016/04/0086 vom 29.01.2018).
Der öffentliche Auftraggeber verweist in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass die Antragstellerin aufgrund der Reihung ihres Angebotes an fünfter Stelle für die Zuschlagserteilung ohnehin nicht in Betracht käme und somit in Verbindung mit dem von ihr gelegten ausschreibungswidrigen Angebotes keine Antragslegitimation im Nachprüfungsverfahren besitze. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass – wie im nachfolgenden noch auszuführen sein wird – die Reihung der Angebote zwar aufgrund einer bestandfesten, jedoch im Bereich der Bewertung nach den Zuschlagskriterien auf Grund einer nicht nachvollziehbaren Ausschreibung vorgenommen wurde. Damit kann die vom öffentlichen Auftraggeber vorgenommene Reihung nicht als Argument dafür dienen, dass die Antragstellerin ohnehin für die Zuschlagserteilung nicht in Betracht gekommen wäre.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass das von der Rechtsprechung neben dem Ausscheidungsgrund selbst zusätzlich geforderte Element, dass das auszuscheidende Angebot für die Zuschlagserteilung ohnehin nicht in Betracht käme, nicht vorliegt, sodass der Antragstellerin trotz ausschreibungswidrigen Angebotes die Antragslegitimation für das gegenständliche Nachprüfungsverfahren zukommt.
In materieller Hinsicht erachtet sich die Antragstellerin im Recht auf Gleichbehandlung aller Bieter und der Nichtdiskriminierung, Einhaltung eines fairen Wettbewerbs, eine sachliche Angebotsprüfung und Anwendung der Zuschlagskriterien, Transparenz im Vergabeverfahren, Zuschlagserteilung sowie Durchführung eines Vergabeverfahrens im Einklang mit den vergaberechtlichen Bestimmungen verletzt.
Mit diesem Vorbringen ist die Antragstellerin im Recht.
Gemäß Punkt II., G., Ziffer 8 der Ausschreibung erfolgt die Bewertung der Arbeitsprobe durch eine Realisierungskommission, bestehend aus den Mitgliedern des Ausschusses für „Liegenschaften und Projekte“ sowie drei StandesvertreterInnen der Kammer der ZiviltechnikerInnen, ArchitektInnen und IngenieurInnen für Wien, NÖ und Bgld.
Aus diesem Wortlaut ergibt sich unzweifelhaft, dass dem Gremium „Realisierungskommission“ neben den drei externen Vertretern der „gesamte“ vom Gemeinderat aus seiner Mitte gewählte Ausschuss für „Liegenschaften und Projekte“ angehört. Laut Auskunft der G und auch nach Einsicht in die Homepage der Marktgemeinde *** besteht dieser Ausschuss aus insgesamt zehn Mitgliedern.
Bei der tatsächlichen Bewertung waren aber nur sieben dieser Ausschussmitglieder zuzüglich der drei externen Mitglieder der Realisierungskommission anwesend. Laut Aussage der G (Vorsitzende des genannten Ausschusses) oblag es ihrer freien Entscheidung darüber zu befinden, ob im Falle der Verhinderung von Ausschussmitgliedern – und bejahendenfalls bei wie viel verhinderten Mitgliedern – die Sitzung und Bewertung noch bzw. nicht mehr durchgeführt wird.
Wenngleich grundsätzlich – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – im Falle der Bewertung durch eine Kommission (Jury) die Zusammensetzung dieser Jury nicht bereits in der Ausschreibung verbindlich festgelegt sein muss, so kann dies aber nichts daran ändern, dass von der im gegenständlichen Fall bereits in der Ausschreibung festgelegten Zahl der Mitglieder (zehn Ausschussmitglieder zuzüglich drei externe Personen) nicht nach freiem Ermessen Abstand genommen werden kann. Gegenständlich haben sich drei Ausschussmitglieder bei der Bewertung entschuldigt und konnte die Ausschussvorsitzende nach freiem Ermessen entscheiden, ob in der reduzierten Zusammensetzung die Bewertung vorgenommen wird oder nicht. Somit war trotz festgelegter Zahl der Kommissionsmitglieder in der Ausschreibung (insgesamt 13) die tatsächliche Zahl (10) einerseits vom Zufall und andererseits vom freien Ermessen der Ausschussvorsitzenden abhängig. Wenngleich davon sämtliche Bieter betroffen waren, ändert dies nichts daran, dass bei Teilnahme sämtlicher Mitglieder es durchaus zu einem anderen Punkteergebnis hätte kommen können und somit eine Verletzung der Grundsätze der Transparenz und das Recht der Bieter auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Verfahrens gegeben ist.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass Bewertungskommissionen insbesondere dann zum Einsatz kommen, wenn eine Bewertung nicht nach mathematisch streng nachvollziehbaren Regeln (harte Kriterien) vorgenommen wird sondern bei Anwendung sogenannter „weicher Kriterien“. Damit ist aber auch erforderlich, dass die Mitglieder einer Beurteilungskommission über ausreichendes Fachwissen im Bereich der zu beurteilenden Materie aufweisen. § 134 BVergG bestimmt in diesem Zusammenhang, dass die Prüfung und Beurteilung eines Angebotes nur solchen Personen zu übertragen ist, welche die fachlichen Voraussetzungen hiefür erfüllen. Erforderlichenfalls sind unbefangene und von den Bietern unabhängige Sachverständige beizuziehen. Wenngleich es nicht erforderlich ist, dass sämtliche Mitglieder einer Bewertungskommission für alle Bereiche des zu beurteilenden Projektes fachkundig sind, so ist aber Fachkunde bei jedem Jurymitglied zumindest für Teilbereiche erforderlich.
Die Mitglieder des Ausschusses „Liegenschaften und Projekte“ der Marktgemeinde *** sind gewählte Gemeinderäte, die vom Gemeinderat aus seiner Mitte in diesen Ausschuss gewählt wurden. Laut Aussage der Vorsitzenden dieses Ausschusses in der öffentlichen mündlichen Verhandlung gehören die Ausschussmitglieder verschiedensten Berufsgruppen an, eine einschlägige Ausbildung im Bereich Bauwirtschaft/Architektur weist jedoch kein Ausschussmitglied auf.
Damit ist davon auszugehen, dass von der gesamten Realisierungskommission nur die drei externen Mitglieder die entsprechende Fachkunde aufweisen. Dadurch ist alleine schon aus diesem weiteren Grund eine Verletzung elementarer vergaberechtlicher Grundsätze (fairer Wettbewerb, Gleichbehandlung aller Bieter und Nichtdiskriminierung) verletzt, sodass aus diesem Grund alleine die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären ist.
Zur Rüge der unzureichend präzisierten Zuschlagskriterien ist wie folgt auszuführen:
Gemäß § 91 Abs. 4 letzter Satz BVergG erfolgt die Ermittlung des aus der Sicht des öffentlichen Auftraggebers technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebotes aufgrund der Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses entweder anhand eines Kostenmodells oder anhand von bekannt gegebenen Zuschlagskriterien. In Ergänzung dazu bestimmt § 135 Abs. 1 BVergG, dass die Prüfung der Angebote in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien erfolgt. Diesen gesetzlichen Vorgaben kann begrifflich nur dann entsprochen werden, wenn diese Kriterien für jeden durchschnittlich fachkundigen Bieter nachvollziehbar und verschiedene Interpretationen ausgeschlossen sind.
Hinsichtlich des Kriteriums „Arbeitsprobe mit Lösungsvorschlag“ finden sich nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich in der Ausschreibung Vorgaben für die Erstellung einer derartigen Arbeitsprobe. Allerdings ist der Ausschreibung nicht zu entnehmen, nach welchen konkreten Gesichtspunkten die Realisierungskommission die Bewertung und damit die Punktevergabe vorzunehmen hat. Wenngleich es sich dabei – wie bereits dargelegt – um sogenannte „weiche“ Kriterien handelt, müssen diese dennoch in nachvollziehbarer Weise bereits in der Ausschreibung dargelegt werden. Dies trifft gegenständlich nicht zu.
Gleiches gilt im Wesentlichen auch für die Kriterien „Kostenrahmen“, „Honoraranbot“ und „Zusatzkriterien“. Auch hier ist nicht im mindesten erkennbar und damit auch nicht nachvollziehbar, nach welchen Gesichtspunkten eine Punktevergabe (0 Punkte bis Maximalpunkteanzahl) zu erfolgen hat. Damit wurde die Beurteilung dem freien Ermessen den Mitgliedern der Realisierungskommission überlassen und stellt dies ebenfalls einen Verstoß gegen vergaberechtliche Grundsätze, insbesondere Transparenz im Vergabeverfahren, dar. Auch aus diesen Gesichtspunkten ist die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären.
Wenn in diesem Zusammenhang die Antragstellerin auch vorbringt, dass wegen Nichtvergabe der vorgesehenen Punkte für Lehrlinge die Punkteverteilung geändert werden hätte müssen, so ist damit die Antragstellerin nicht im Recht. Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass in Architekturbüros Lehrlinge (z.B. Bürokauffrau/Bürokaufmann) beschäftigt werden. Damit ist grundsätzlich die Möglichkeit einer Punktevergabe dafür nicht rechtswidrig. Rechtswidrig ist hingegen im gegenständlichen Fall – wie bereits dargelegt – der Umstand, dass die Art der Punktevergabe von 0 Punkte bis zur maximalen Punktezahl nicht nachvollziehbar ist.
Die dargelegten Gründe für die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung können durch den Umstand der Bestandfestigkeit der Ausschreibung nicht beseitigt werden, da auch bei Vorliegen einer bestandfesten Ausschreibung bei nicht nachvollziehbaren Zuschlagskriterien eine Angebotsbewertung und damit auch die Ermittlung eines Bestangebotes nicht möglich ist.
Letztendlich rügt die Antragstellerin auch den Umstand, dass die ergangene Zuschlagsentscheidung den Anforderungen von § 143 Abs. 1 BVergG nicht genüge. Es handle sich dabei um eine Bringschuld des jeweiligen Auftraggebers. Diese könne auch nicht nachgereicht werden, da nach ständiger Rechtsprechung ein nicht zum Zuge gekommener Bieter nämlich schon am Beginn der Stillhaltefrist jene Informationen besitzen müsse, die er für einen allfälligen Nachprüfungsantrag benötige. Die Antragstellerin könne aus der ergangenen Zuschlagsentscheidung nicht nachvollziehen, wie bei der Punktevergabe vorgegangen wurde und beispielsweise auch nicht, weshalb seiner auf Erhaltung des wertvollen Bau-bestandes abzielenden Lösungsvariante mit den aus diesem Grund niedrigeren Baukosten ein schlechteres Ergebnis attestiert wird.
Gemäß § 143 Abs. 1 BVergG hat der öffentliche Auftraggeber den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. In dieser Mitteilung sind den verbliebenen Bietern das jeweilige Ende der Stillhaltefrist, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes, der Gesamtpreis sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekanntzugeben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder dem berechtigten Geschäftsinteressen eines Unternehmers widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.
Die mit 19.12.2023 datierte und am 20.12.2023 übermittelte Zuschlagsentscheidung hat lediglich zum Inhalt, welchem Bieter nach Ablauf der Stillhaltefrist der Zuschlag erteilt werden soll, wann die Stillhaltefrist endet und welche Punktezahl das Angebot der Antragstellerin erreicht hat. Ebenso wurde die erreichte Punktezahl für das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angegeben. Auch beinhaltet die Zuschlagsentscheidung die Vergabesumme (€ *** exkl. USt). Als Begründung wird lediglich angeführt, dass sich die Entscheidung mit der „Punktebewertung“, die sich aus der Arbeitsprobe, dem Kostenrahmen und Honorarangebot sowie den beiden Zusatzkriterien Lehrlingsbeschäftigung und Eigenpersonal ergibt, zusammensetzt.
Nach der zu dieser Thematik ergangenen Judikatur ist eine Zuschlagsentscheidung u.a. dann objektiv mit Rechtswidrigkeit behaftet, wenn sie nicht jene Begründungstiefe aufweist, die ein Bieter zur Einbringung eines berechtigten Nachprüfungs-antrages benötigt. Entscheidend ist demnach, ob es dem Bieter auch ohne Kenntnis zusätzlicher, detaillierterer Begründungselemente unschwer möglich ist, gegen die Zuschlagsentscheidung einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen (vgl. VwGH 09.04.2013, 2011/04/0224; 21.01.2014, 2011/04/0133; Ra 2018/04/0097 vom 15.10.2021 u.a.).
Die vorliegende „Begründung“, wonach sich die Punkte aus den aufgelisteten Kriterien ergeben würden, hat letzten Endes keinen Informationswert in der durch § 143 Abs. 1 BVergG sowie der zitierten Judikatur geforderten Form. Ein Bieter kann daraus nicht im mindesten die für die Einbringung eines berechtigten Nachprüfungsantrages geforderten Informationen gewinnen. Der Verweis auf eine bestimmte Punktezahl ist ebenso wenig informativ wie der Verweis auf bereits in der Ausschreibung aufgelistete und damit von vornherein bekannte Kriterien. Somit ist auch aus diesem Grunde die bekämpfte Zuschlagsentscheidung mit Nichtigkeit bedroht.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die bekämpfte Zuschlagsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers in mehrfacher Hinsicht mit Nichtigkeit bedroht ist, sie war daher spruchgemäß für nichtig zu erklären. Aus diesem Grunde erübrigt sich auch ein Eingehen auf weiteres Vorbringen der Antragstellerin zur Frage, ob die tatsächlich im Unterschwellenbereich vorgenommene Ausschreibung nicht im Oberschwellenbereich vorgenommen hätte werden müssen. Gleiches gilt für das Vorbringen, wonach die Ausschreibung im Hinblick auf die erwähnten Schutzzonen in sich widersprüchlich sei.
Hingewiesen wird darauf, dass die mit 09.01.2024 datierte einstweilige Verfügung zur GZ. LVwG-VG-1/001-2024 mit der Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses gemäß § 14 Abs. 6 zweiter Satz NÖ VNG ex lege außer Kraft tritt.
Hinsichtlich des Antrages der Antragstellerin auf Ersatz der von ihr für den Nachprüfungsantrag einschließlich des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühren wird eine gesonderte Entscheidung ergehen, da hiefür gemäß § 4 Abs. 8 NÖ VNG die Zuständigkeit eines Einzelmitgliedes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vorliegt.
Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG war nicht zuzulassen, da die Entscheidung im Einklang mit der hiezu ergangenen und zitierten Judikatur steht, es ist daher auch nicht von fehlender oder divergierender Judikatur auszugehen. Somit ist nur die außerordentliche Revision zulässig.
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