Normen
BVergG 2006 §131
LVergRG Bgld 2006 §3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018040097.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Die revisionswerbende Partei hat als Auftraggeberin im Wege eines zweistufigen Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung einen Dienstleistungsauftrag (nicht prioritäre Dienstleistungen der Kategorie 25 des Anhangs IV BVergG 2006) ausgeschrieben, wobei die Vergabe nach dem Bestbieterprinzip erfolgen sollte. Konkret geht es um die Erbringung von Dienstleistungen betreffend die Familienbetreuung (Los 1), die Sozialpädagogische Kinder- und Jugendbetreuung (Los 2), die Familienhilfe (Los 3) sowie die Diagnostische Abklärung (Los 4) im Land Burgenland. Beabsichtigt ist, zu jedem Los eine Rahmenvereinbarung mit einer Laufzeit von drei Jahren mit den jeweils fünf bestgereihten Bietern abzuschließen.
2 Am 24. November 2017 erging die Auswahlsentscheidung der Auftraggeberin. Mit Nachprüfungsantrag vom 4. Dezember 2017 begehrte die im Verfahren an sechster (Los 1), vierter (Los 2) und fünfter (Los 3) Stelle gereihte erstmitbeteiligte Partei die Nichtigerklärung dieser Entscheidung.
3 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis erklärte das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht) die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin hinsichtlich der Lose 1 bis 3 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für nichtig (I.) und verpflichtete die Auftraggeberin, der Antragstellerin die entrichteten Pauschalgebühren zu ersetzen (II.). Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig erklärt (III.).
4 2.2. In der Begründung hielt das Verwaltungsgericht zusammenfassend fest, dass die Bewertung des Angebots der (antragstellenden) erstmitbeteiligten Partei zu den Losen 1 bis 3 bezüglich des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“ weder für den Bieter noch für die Nachprüfungsbehörde eine objektive nachvollziehbare Grundlage darstelle. So habe die erstmitbeteiligte Partei zwar einen den formellen Kriterien entsprechenden Nachprüfungsantrag einbringen können, allerdings sei dieser weitgehend unsubstantiiert geblieben, was nicht zuletzt auf die vage gehaltene verbale Bewertung zurückzuführen sei.
Auch wenn die Anforderungen an die Begründungspflicht nicht überspannt werden dürften, handle es sich ‑ so das Verwaltungsgericht ‑ um eine sehr komplexe und für das Land Burgenland wichtige Auswahlentscheidung. So sei den Bietern auch die Ausarbeitung eines Konzepts abverlangt worden, das „sich an aktuell üblichen geistes- bzw. sozialwissenschaftlich fundierten Kriterien, an Methoden der Sozialen Arbeit wie Empowerment, Netzwerkansatz, Lebensweltorientierung sowie pädagogischen Grundsätzen zu orientieren“ habe. Es könne daher keinesfalls von einem Überspannen der Begründungspflicht gesprochen werden, wenn eine ordnungsgemäß dokumentierte, fachlich begründete, klare Bewertung, aus der die tragenden Tatsachenumstände verständlich und objektive nachvollziehbar hervorgingen, verlangt werde.
Die Auswahlentscheidung sei somit ungenügend begründet und daher bereits aus diesem Grund für nichtig zu erklären.
5 Darüber hinaus werde nicht nur die in der Auswahlentscheidung enthaltene Begründung den näher dargestellten Anforderungen nicht gerecht. Es fänden sich auch weder im Kommissionsbeschluss über die Bewertung vom 13. Oktober 2017 noch in den einzelnen Prüfprotokollen vom 16. Oktober 2017 hinsichtlich der Bewertung des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“ nähere verbale Spezifikationen zu den erreichten Punkten. Die verbale Bewertung im Beschluss der Kommission, in den einzelnen Prüfprotokollen und in der Bekanntgabe der „Auswahlentscheidung“ seien ident.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei der Erfüllung einzelner Sub- und Sub‑Subkriterien des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“ naturgemäß subjektive Elemente der bewertenden Person eine Rolle spielen und auch in diesen Bereichen Prüfungsmaßstab für die Vergabekontrolle nur sei, ob die punktgemäßen und verbalen Bewertungen plausibel und nachvollziehbar und ob die inhaltlichen und verfahrensmäßigen Vorgaben eingehalten worden seien, erweise sich die „Auswahlentscheidung“ der Auftraggeberin als objektiv nicht nachvollziehbar. Bei einem Vergabeverfahren mit stark konzeptionellen Elementen, bei dem es maßgeblich auch auf die Ideen bzw. die wissenschaftlich fundierte Methodik der Bieter ankomme, erscheine es geradezu unerlässlich, dass die Angebote der Bieter von der Bewertungskommission in diesen Punkten auch kurz und jedenfalls nachvollziehbar untereinander begründet würden, ohne die Begründungspflicht zu überspannen. Anders sei die Bewertung in diesen Punkten ‑ wenn es hier keinen klar umrissenen Leistungskatalog gebe, an dem man die Angebote messen könne ‑ kaum möglich. Das wirtschaftlich beste Angebot definiere sich hier immer aus dem Vergleich zu den bestehenden Konkurrenzangeboten und es sei daher ohne nachprüfbare vergleichende Begründung für die Antragstellerin nicht möglich, einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen.
All dies wiege umso schwerer als auch beim Zustandekommen des Kommissionsbeschlusses gegen das Transparenzgebot und das Recht auf ein gesetzeskonformes Verfahren (Geheimhaltungsverpflichtungen und Vertraulichkeitsprinzip) verstoßen worden sei.
Dem Gebot der Transparenz komme hier fundamentale Bedeutung zu, weil die Entscheidung, aus welchem Grund jemand ausgewählt worden sei, und ob das Verfahren, das dazu geführt habe, unparteiisch durchgeführt worden sei, und die verfahrensmäßigen Vorgaben eingehalten worden seien, objektiv nachvollziehbar sein müsse. Aus diesem Grund sei es für den Auftraggeber wichtig, den Entscheidungsvorgang transparent zu halten und nachvollziehbar zu dokumentieren. Dabei werde nicht verkannt, dass der Nachprüfung inhaltlich nicht unterliege, wie intern in den Gremien bzw. hier in der Bewertungskommission die Entscheidung zustande gekommen sei (etwa in wie vielen Schritten man sich der endgültigen, bindenden Bewertung angenähert habe, welche Diskussionsbeiträge es gegeben habe, usw.).
6 Aus dem in der Angebotsunterlage enthaltenen Zeitplan gehe hervor, dass die „Verhandlungsrunden/Hearings“ nach Einlangen der Erstangebote stattfinden sollten. Das sei gegenständlich der Fall gewesen. Das letzte Hearing habe am 8. Februar 2017 stattgefunden. Die Beschlussfassung in der Kommission über die Bewertung dieses Hearings und der Konzepte sei allerdings erst am 13. Oktober 2017 ‑ somit mehr als acht Monate später ‑ erfolgt. Die Erklärung der Auftraggeberin dafür, dass man erst das Ergebnis der vertieften Angebotsprüfung abgewartet habe, sei nicht nachvollziehbar. In der Ausschreibung finde sich nämlich keine Bestimmung, wonach vor der Bewertung des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“ die Prüfung der Letztangebote abgewartet werden sollte. Auch sei inhaltlich kein Zusammenhang zwischen der Bewertung dieses Zuschlagskriteriums durch die Kommission und der sonstigen Angebotsprüfung ersichtlich, insbesondere hinsichtlich der von der Auftraggeberin angesprochenen vertieften Preisangebotsprüfung und des diesbezüglich eingeholten Gutachtens.
Die Bewertung des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“ durch die Kommission sei ein von der Preisbewertung getrennter und damit nicht in Zusammenhang stehender Vorgang. Die Gestaltung des Verhandlungsverfahrens in den Ausschreibungsunterlagen zeige, dass die Bewertung des Zuschlagskriteriums „Preis“ und die Ermittlung der Bewertungspunkte nach der in der Angebotsunterlage festgelegten (mathematischen) Formel durch die Auftraggeberin zu berechnen sei. Der Kommission komme dabei keine Rolle zu.
7 Dem Gebot der Transparenz komme im Vergabeverfahren, insbesondere in der Wahl des Angebots für den Zuschlag, eine elementare Bedeutung zu. Eine Vergabeentscheidung sei dann transparent, wenn die unterlegenen Bieter und die Nachprüfungsinstanzen sie nachvollziehen und ihre Rechtmäßigkeit überprüfen können. Aus diesem Grund sehe das BVergG 2006 eine Reihe von Dokumentationspflichten vor, die neben dem formalen Verfahrensablauf auch materiell die Maßnahmen, Feststellungen und Begründungen der einzelnen Entscheidungen erfassten. Um dem Transparenzerfordernis Genüge zu tun, müsse die Dokumentation von Beginn an fortlaufend erfolgen und jede Stufe des Vergabeverfahrens erfassen. Das Erfordernis einer zeitnahen Dokumentation lasse sich auch auf das vorliegende Vorgehen der Bewertungskommission übertragen. Zwar sei der Beschluss zeitnah dokumentiert worden. Allerdings seien zwischen Hearing und Beschluss mehr als acht Monate verstrichen, ohne dass im Vergabeakt in irgendeiner Form dokumentiert worden sei, wann konkret die Willensbildung tatsächlich stattgefunden habe. Auch finde sich über den Vorgang der Willensbildung nichts im Akt, obwohl dem einstimmigen Beschluss laut Auftraggeberin „ausführliche Beratungen der Kommission“ vorangegangen sein sollten. Eine nachvollziehbare Bewertung der Konzepte und eines Hearings habe wohl unbestritten unmittelbar nach der Präsentation der Konzepte und unmittelbar nach dem Hearing zu erfolgen und nicht erst Monate später.
8 Wenn gegenständlich aber die Willensbildung tatsächlich erst acht Monate später erfolgt sei, dann erweise sich diese Vorgehensweise als intransparent, weil sie eine nachvollziehbare Bewertung nicht mehr zulasse. Dem Auftraggeber verbleibe hier nämlich ein noch größerer Spielraum und bestehe eine Manipulationsgefahr, weil die Kommission nunmehr nur noch eine Bewertung nachträglich konstruieren könne. Die Kommissionsmitglieder würden sich wohl kaum an alle Hearings für jedes Los (28 Angebote bei vier Losen) im Detail erinnern können.
Wenn aber (wie von der Auftraggeberin behauptet) die Bepunktung und Meinungsbildung unmittelbar nach Abschluss des Hearings erfolgt seien, dann stelle sich die Frage, warum man dieses Vorgehen nicht „zeitnah“ und damit transparent dokumentiert habe. Zwar könne das Ausarbeiten einer entsprechenden verbalen Begründung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Das Verstreichenlassen eines Zeitraumes von mehr als acht Monaten verfehle aber jedenfalls das Ziel einer unmittelbaren Dokumentation. Dieser lange Zeitraum berge die Gefahr von Manipulation oder des Einfließens sachfremder Kriterien (zB Interventionen oder Kenntnisse über die Preisangemessenheit); dies umso mehr, als dem Protokoll über den Bewertungsbeschluss nicht reine Dokumentationsfunktion zukomme, sondern sich gerade aus diesem Protokoll die Begründung für eine (elementare) Entscheidung ergebe.
9 An den gravierenden Bedenken an diesem Vorgehen ändere auch der Umstand nichts, dass die Auftraggeberin nunmehr auf gerichtliche Aufforderung hin eine Excel‑Datei vorgelegt habe, aus der hervorgehe, dass eine Bepunktung des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“ unmittelbar nach dem Hearing erfolgt sei. Die nachträglich vorgelegte Excel‑Datei sei im Vergabeakt nicht protokolliert. Wenn also ohnehin eine zeitnahe Meinungsbildung stattgefunden habe, stelle sich umso mehr die Frage, warum diese dann nicht dokumentiert worden sei. Es falle ebenso auf, dass dieses Vorgehen nicht bereits früher offengelegt worden sei, obwohl die Nichtbewertung durch die Kommission unmittelbar nach den Hearings schon damals kritisiert worden sei. Schon dieses Vorgehen verdeutliche die Gefahr, dass derartige nicht dokumentierte Unterlagen nur „nach Bedarf“ offengelegt würden, etwa dann, wenn schlussendlich das Ergebnis „passe“ und die damalige Bepunktung mit der nunmehr beschlossenen übereinstimme.
10 Nicht unerheblich ins Gewicht falle schließlich, dass in der Excel‑Datei auch die Preise und die Preispunkte eingetragen worden seien und eine Reihung auf Grund der Bewertung in den Zuschlagskriterien „Preis“ und „Konzept und Hearing“ von den Kommissionsmitgliedern vorgenommen worden sei. Die Kommission habe gemäß der Ausschreibungsunterlage nur die Aufgabe der Bewertung des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“. Aus der Ausschreibungsunterlage ergebe sich keine Grundlage für eine Offenlegung der Preise an die Kommissionsmitglieder, noch dazu bevor eine abschließende, formell von der Kommission beschlossene und dokumentierte Meinung über die Bewertung des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“ vorliege. Die Bekanntgabe der Preise der Erstangebote an die Kommissionsmitglieder verstoße gegen den im BVergG 2006 verankerten Vertraulichkeitsgrundsatz und das Geheimhaltungsgebot.
11 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 5. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von den in der (näher bezeichneten) höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur erforderlichen Begründungstiefe einer Auftraggeberentscheidung ab.
16 Das Verwaltungsgericht leite eine vermeintlich unzureichende Begründung im Qualitätskriterium zusammengefasst daraus ab, dass es eine Reihe von Einzelaspekten aus den Konzepten herausgreife, auf die aus seiner Sicht im Rahmen der verbalen Begründung einzugehen gewesen wäre und dass es die verbale Begründung inhaltlich als nicht nachvollziehbar erachte. Darüber hinaus werde (vom Verwaltungsgericht) neben der verbalen Begründung der Bewertung auch ein Erfordernis einer „nachvollziehbaren vergleichbaren Begründung“ angenommen und von einem Erfordernis einer „eingehenden verbalen Begründung“ ausgegangen. Schließlich gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass „bei steigender Komplexität und Wichtigkeit der Auswahlentscheidung auch die Anforderungen an deren Begründung steigen“ sollten und würden in den Zuschlagskriterien so gar nicht vorgesehene „Sub‑Subkriterien“ zugrunde gelegt und diese dann gegenübergestellt.
Dem könne nicht gefolgt werden. Einerseits würden hier die Anforderungen an die Begründungspflicht in nicht nachvollziehbarer Weise überspannt und andererseits das Formerfordernis einer hinreichenden Begründungstiefe mit Fragen der materiellen Richtigkeit einer Bewertung vermengt. Im Ergebnis mache das Verwaltungsgericht genau das, worauf es nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ankomme: Anstatt anhand der Auswahlentscheidung zu betrachten, ob oder inwieweit es weiterer Begründungselemente bedurft hätte, um einen Nachprüfungsantrag zu begründen, zähle das Verwaltungsgericht (unmittelbar anhand der Konzepte) eine Reihe von ihm vermisster Begründungselemente zu Einzelaspekten dieser Konzepte auf. Das sei genau jene ‑ ad infinitum fortsetzbare ‑ Forderung nach Präzisierung einer Begründung, auf die es nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ankomme. Das Verwaltungsgericht berücksichtige hier weder den Zweck noch den nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung anzulegenden Maßstab an eine verbale Begründung.
17 Die Begründungspflicht dürfe nach der näher genannten Rechtsprechung vielmehr auch dann nicht überspannt werden, wenn es keine diese limitierenden Festlegungen in der Ausschreibung gebe. Auch in diesem Fall bedürfe es keiner „eingehenden“ verbalen Begründung. Nach dieser Maßgabe sei es auch nicht nachvollziehbar, dass ‑ wie das Verwaltungsgericht vermeine ‑ bei steigender Komplexität und Wichtigkeit der Auswahlentscheidung auch die Anforderungen an deren Begründung steigen sollten oder gegenständlich ein gesondertes Erfordernis einer nachprüfenden vergleichenden Begründung bestehen solle.
Der anzulegende Maßstab sei nach der (näher dargestellten) Rechtsprechung vielmehr immer derselbe, nämlich ob es dem Bieter auch ohne Kenntnis zusätzlicher, detaillierter Begründungselemente unschwer möglich sei, einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen. Es gehe bei der formalen Anforderung einer hinreichend verbalen Begründung einer Zuschlags- und Auswahlentscheidung darum, dass der Bieter ersehen könne, welche Gründe aus Sicht des Auftraggebers für die Bewertung ausschlaggebend gewesen seien. Ob ein Bieter (oder auch die Nachprüfungsbehörde) diese Gründe für nachvollziehbar bzw. zutreffend erachte oder eine solche Bewertung bzw. Begründung nach Maßgabe der Zuschlagskriterien objektiv zutreffend sei, stelle hingegen keine Frage der hinreichenden Begründung einer Zuschlags- bzw. Auswahlentscheidung dar, sondern eine Frage der materiellen Richtigkeit, die aber jedenfalls nach einem anderen Maßstab zu beurteilen sei als das Formerfordernis einer hinreichenden Begründung.
Warum es aber genau jener vom Verwaltungsgericht aufgezählten Begründungselemente bedurft hätte, damit die erstmitbeteiligte Partei ihren Nachprüfungsantrag begründe könne, werde in der angefochtenen Entscheidung nicht angeführt. Das sei auch nicht der Fall gewesen. Das Verwaltungsgericht übergehe insoweit seine eigenen Feststellungen zu der in der Auswahlentscheidung erfolgten verbalen Begründung sowie zu den von der erstmitbeteiligten Partei im Nachprüfungsantrag geltend gemachten Beschwerdegründen.
Die erstmitbeteiligte Partei habe in ihrem Nachprüfungsantrag in erste Linie eine aus ihrer Sicht unrichtige Bewertung geltend gemacht. Auch wenn die erstmitbeteiligte Partei hier anderer Auffassung sein möge, ändere dies nichts daran, dass sie jedenfalls habe ersehen können, welche Gründe für die Bewertung ausschlaggebend gewesen seien, und sie diesbezüglich unschwer einen begründeten Nachprüfungsantrag habe einbringen können.
18 Die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts, eine Reihe von Einzelaspekten aus den Konzepten herauszugreifen, auf die aus seiner Sicht im Rahmen der verbalen Begründung einzugehen gewesen wäre, sei auch unter dem Aspekt der inhaltlichen Nachprüfung einer angefochtenen Zuschlags- oder Auswahlentscheidung nicht nachvollziehbar. Zum einen vermenge das Verwaltungsgericht die Frage der Begründungstiefe mit Fragen der materiellen Richtigkeit der Bewertung. Zum anderen lege es damit aber auch in Bezug auf die Nachprüfung der materiellen Richtigkeit einer durch eine Fachjury vorgenommene Bewertung einen von der Rechtsprechung abweichenden Maßstab zugrunde. Die materielle Richtigkeit einer durch eine Fachjury vorgenommene Bewertung sei nicht Gegenstand einer Nachprüfung durch die Vergabekontrollbehörde. Prüfungsmaßstab sei in einem derartigen Fall vielmehr, ob eine Kommission bei der Bewertung ihr Ermessen im Rahmen der Vorgaben der Ausschreibung ausgeübt oder ob sie den ihr eingeräumten Ermessensrahmen überschritten habe. Genau das sei vom Verwaltungsgericht aber nicht gemacht worden. Dieses habe nämlich die Konzepte gewissermaßen originär selbst geprüft.
19 6. Nach der ‑ auch von der Revision ins Treffen geführten ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Zuschlagsentscheidung (unter anderem) dann objektiv mit Rechtswidrigkeit behaftet, wenn sie nicht jene Begründungstiefe aufweist, die ein Bieter zur Einbringung eines berechtigten Nachprüfungsantrages benötigt. Entscheidend ist demnach, ob es dem Bieter auch ohne Kenntnis zusätzlicher, detaillierterer Begründungselemente unschwer möglich ist, gegen die Zuschlagsentscheidung einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen (vgl. VwGH 9.4.2013, 2011/04/0224; 21.1.2014, 2011/04/0133, jeweils mwN).
20 Letzteres hat das Verwaltungsgericht ‑ ebenfalls Bezug nehmend auf diese Rechtsprechung ‑ im vorliegenden Fall mit näherer Begründung verneint und schon aus diesem Grund die Auswahlentscheidung für rechtswidrig erachtet. Das Verwaltungsgericht kam zum Ergebnis, dass die Bewertung des Angebots der (antragstellenden) erstmitbeteiligten Partei bezüglich des Zuschlagskriteriums „Konzept und Hearing“ weder für den Bieter noch für die Nachprüfungsbehörde eine objektiv nachvollziehbare Grundlage gebildet habe; dies unter anderem auch deshalb, weil dieses Zuschlagskriterium in Sub‑Kriterien und diese wieder in Sub‑Sub‑Kriterien gegliedert sei und die Relation zwischen der Anzahl der zu vergebenden Punkte und dem Erfüllungsgrad der betreffenden (messbaren) Sub‑Kriterien bzw. Sub‑Sub‑Kriterien nicht definiert sei.
Das Verwaltungsgericht stellt nicht die inhaltliche Bewertung der Auftraggeberin in Frage und nimmt auch nicht „originär selbst“ eine Prüfung vor, sondern bemängelt die fehlende Begründung der Entscheidung.
Somit vermag die Revision mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe das Formerfordernis einer hinreichenden Begründungstiefe mit Fragen der materiellen Richtigkeit einer Bewertung vermengt, kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen.
21 Ausgehend von dieser die Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung bereits tragenden Begründung erübrigt sich ein Eingehen auf das weiter erstattete Revisionsvorbringen zu den vom Verwaltungsgericht angenommenen Verstößen gegen den Transparenzgrundsatz bzw. gegen Geheimhaltungspflichten (vgl. zur insoweit vergleichbaren Nichtigerklärung einer Ausscheidensentscheidung zuletzt etwa VwGH 8.9.2021, Ro 2020/04/0007, Rn. 26).
22 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. Oktober 2021
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