VwGH 2011/04/0224

VwGH2011/04/02249.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17- 19, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 18. November 2011, Zl. N/0102-BVA/13/2011-21, betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Partei: A GmbH in Y; weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

62008CJ0406 Uniplex VORAB;
62011CJ0629 Evropaiki Dynamiki;
BVergG §131 Abs1;
BVergG §131;
BVergG §325 Abs1 Z2;
62008CJ0406 Uniplex VORAB;
62011CJ0629 Evropaiki Dynamiki;
BVergG §131 Abs1;
BVergG §131;
BVergG §325 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden auch: Auftraggeberin) hat ein Verfahren zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages ("Outsourcing von IT-Dienstleistungen") im Wege eines Verhandlungsverfahrens nach vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich mit dem Ziel des Abschlusses eines Rahmenvertrages nach dem Bestbieterprinzip (Preiskriterium 60 %, Qualitätskriterien 40 %) bestandfest ausgeschrieben. Als Qualitäts-Subkriterium war u.a. die "Qualitative Übererfüllung der benannten Service-Experten" vorgesehen. Nach der aktenkundigen Ausschreibung sollte bei diesem Subkriterium die fachliche Qualifikation der vom Bieter benannten Service-Experten beurteilt werden, und zwar einerseits anhand deren Lebensläufe und andererseits anhand von Interviews einer Expertenkommission der Auftraggeberin mit durch Los ausgewählten Service-Experten, bei denen letztere nach dem Schulnotensystem beurteilt wurden.

Die mitbeteiligte Partei legte ein Angebot. Mit Schreiben vom 28. September 2011 hat die Beschwerdeführerin die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten des K. (im Folgenden: Zuschlagsempfänger) getroffen. Aus der nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Begründung der Zuschlagsentscheidung geht hervor, dass der Zuschlagsempfänger beim genannten Subkriterium "Qualitative Übererfüllung der benannten Service-Experten" mehr Punkte erreichte als die mitbeteiligte Partei und dadurch im Ergebnis das beste Angebot hatte.

Aufgrund eines Nachprüfungsantrages der mitbeteiligten Partei erklärte die belangte Behörde die genannte Zuschlagsentscheidung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 312 BVergG 2006 für nichtig (Spruchpunkt I.) und verpflichtete die Beschwerdeführerin gemäß § 319 BVergG 2006, der mitbeteiligten Partei die von dieser entrichteten Pauschalgebühren in näher genannter Höhe zu ersetzen (Spruchpunkt II.).

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die mitbeteiligte Partei habe in ihrem Nachprüfungsantrag zusammengefasst die nicht ausreichende Begründung der Zuschlagsentscheidung vom 28. September 2011 iSd § 131 BVergG 2006 geltend gemacht. In der Zuschlagsentscheidung werde zwar hinsichtlich des Angebotes der mitbeteiligten Partei die Punktevergabe nach den Qualitätssubkriterien begründet, eine solche Begründung fehle jedoch hinsichtlich des Angebotes des Zuschlagsempfängers. Damit sei für die mitbeteiligte Partei nicht nachvollziehbar, ob die Qualität des Angebotes des Zuschlagsempfängers richtig bewertet worden sei. Der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte § 131 Abs. 1 letzter Satz BVergG 2006, auf den in der Zuschlagsentscheidung verwiesen werde, und die dort vorgesehene Wahrung berechtigter Geschäftsinteressen könne nach Ansicht der mitbeteiligten Partei keinesfalls das Fehlen einer Begründung beim Qualitätssubkriterium "Qualitative Übererfüllung der benannten Service-Experten" rechtfertigen, weil es möglich gewesen wäre, in der Begründung der Zuschlagsentscheidung zur Wahrung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse die betreffenden Service-Experten zu anonymisieren.

Die Beschwerdeführerin als Auftraggeberin habe gegen diesen Nachprüfungsantrag im Wesentlichen vorgebracht, dass in der Zuschlagsentscheidung neben den Gründen, aus denen das Angebot der mitbeteiligten Partei unberücksichtigt geblieben sei, ohnehin auch die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes offen gelegt worden seien, indem auch die vom Zuschlagsempfänger lukrierten Punkte, und zwar sogar hinsichtlich der einzelnen Qualitätssubkriterien, bekannt gegeben worden seien. Aus den in der Zuschlagsentscheidung angegebenen Punkten, die der Zuschlagsempfänger beim Subkriterium "Qualitative Übererfüllung der benannten Service-Experten" erhalten habe, lasse sich zumindest die durchschnittliche Bewertung der interviewten Service-Experten des Zuschlagsempfängers ermitteln, wenngleich die tatsächliche Benotung der Qualität der einzelnen Service-Experten nicht erkennbar sei.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin habe eine verbale Begründung betreffend die Bewertung der Qualität der Service-Experten des Bestbieters in der Zuschlagsentscheidung nicht bekannt gegeben werden können, weil dies zu einer Verletzung von Geschäftsgeheimnissen führen würde. Eine solche Offenlegung ließe nämlich Rückschlüsse auf das Personal des Zuschlagsempfängers zu und könnte zu einem allfälligen Abwerben von Personen führen. Eine Offenlegung der verbalen Beurteilung des Angebotes des Bestbieters stehe nach Ansicht der Beschwerdeführerin außerdem im Widerspruch zu § 128 Abs. 3 BVergG 2006, wonach ein Bieter nur das Recht auf Einsicht in den Teil der Prüfniederschrift habe, der seinen eigenen Teil des Angebotes betreffe. Abgesehen davon wäre eine Offenlegung der einzelnen Benotungen der jeweiligen Service-Experten des Zuschlagsempfängers mit keinem Mehrwert an Information für die mitbeteiligte Partei verbunden gewesen.

Im Anschluss an das Parteienvorbringen gab die belangte Behörde die Begründung der in Rede stehenden Zuschlagsentscheidung vom 28. September 2011 wie folgt wieder:

"(...)

Der folgenden Ausführung können Sie die Merkmale und Vorteile

des erfolgreichen Angebotes sowie die Gründe für die Ablehnung

Ihres Angebotes entnehmen:

Preisbewertung (max. 60 Punkte):

 

T‑Systems

K.

Bewertungspreis

2.062.619,77

1.871.317,60

Preispunkte

28,25

31,76

Die Preispunkte wurden aufgrund des Mittelwertes aller

Bewertungspreise vergeben. Der Mittelwert aller Bewertungspreise

beträgt EUR 1.966.995,68.

(...)

Zusammenfassung der Qualitätspunkte:

 

T‑Systems

K.

10 % Migrationskonzept Rechenzentrum

10,00

6,17

5 % Migrationskonzept Exchange

3,50

2,25

10 % Betriebskonzept

10,00

6,17

10 % Qualitative Übererfüllung der benannten Service‑Experten

2,89

6,17

5 % Quantitative Übererfüllung der benannten Service‑Experten

0,97

5

Qualitätspunkte

27,36

25,75

Gesamtbewertung (max. 100 Punkte):

 

T‑Systems

K.

Gesamtbewertung (max. 100 Punkte)

Preispunkte

28,25

31,76

Qualitätspunkte

27,36

25,75

Gesamtpunkte

55,61

57,50

Rang

2

1

Ihr Angebot kommt aus den oben angeführten Gründen somit

nicht für den Zuschlag in Frage.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass nähere Details zu den erreichten Qualitätspunkten des Bestbieters nicht gemacht werden können, da andernfalls berechtigte Geschäftsinteressen dieser Unternehmen verletzt würden (vgl hierzu § 131 Abs 1 letzter Satz BVergG 2006).

(...)"

Die belangte Behörde führte aus, in der Zuschlagsentscheidung fehle zwar nicht gänzlich eine Bekanntgabe im Sinne des § 131 Abs. 1 zweiter Satz BVergG 2006, weil in der Zuschlagsentscheidung einerseits mitgeteilt worden sei, wie viele Punkte der Bestbieter bei den einzelnen Qualitäts-Subkriterien erhalten habe, und dort andererseits auch die Bewertungsergebnisse betreffend das Angebot der mitbeteiligten Partei zusammengefasst worden seien. Jedoch seien, so die belangte Behörde weiter, entgegen § 131 BVergG 2006 die Gründe für die Ablehnung des Angebotes der mitbeteiligten Partei sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes nicht mitgeteilt worden. Dabei vertrat die belangte Behörde erkennbar die Meinung, dass die Beschwerdeführerin "die Noten der Experten" des Zuschlagsempfängers hätte bekannt geben müssen, zumal bei "entsprechender Anonymisierung von Namen der bewerteten Personen" berechtigte Geschäftsinteressen des Zuschlagsempfängers nicht verletzt worden wären.

Außerdem (so die belangte Behörde ohne weitere Präzisierung) wäre es zur Erfüllung der Informationspflicht iSd § 131 BVergG 2006 erforderlich gewesen, in der Zuschlagsentscheidung "weitere … Informationen insbesondere über das Ergebnis der Arbeit Expertenkommission" bekannt zu geben.

Dieser Bekanntgabeverpflichtung stehe nach Ansicht der belangten Behörde der von der Beschwerdeführerin eingewendete § 128 Abs. 3 BVergG 2006 nicht entgegen (wird näher ausgeführt).

Das gegenständliche Fehlen einer dem § 131 Abs. 1 BVergG 2006 entsprechenden Begründung der Zuschlagsentscheidung sei dann wesentlich iSd § 325 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006, wenn die Einbringung eines begründeten Nachprüfungsantrages dadurch erschwert oder behindert werde. Dies sei, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. April 2009, Zl. 2009/04/0081, unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt habe, "in der Regel anzunehmen" und daher auch im gegenständlichen Fall gegeben.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde auf § 319 BVergG 2006.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die gegenständlich maßgebenden Bestimmungen des BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006 idF BGBl. I Nr. 15/2010, lauten:

Niederschrift über die Prüfung

§ 128. (1) Über die Prüfung der Angebote und ihr Ergebnis ist eine Niederschrift zu verfassen, in welcher alle für die Beurteilung der Angebote wesentlichen Umstände festzuhalten sind.

...

(3) Der Bieter kann in den sein Angebot betreffenden Teil der Niederschrift Einsicht nehmen. Bei der Gestaltung der Niederschrift ist darauf Bedacht zu nehmen.

Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung

§ 131. (1) Der Auftraggeber hat den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern nachweislich mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. In dieser Mitteilung sind den verbliebenen Bietern das jeweilige Ende der Stillhaltefrist gemäß § 132 Abs. 1, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes, die Vergabesumme sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmern widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.

(2) Eine Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung besteht nicht, wenn

1. der Zuschlag dem einzigen bzw. dem einzigen im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter erteilt werden soll, oder

2. ein Verhandlungsverfahren gemäß § 28 Abs. 2 Z 3, § 29 Abs. 2 Z 3, 6 oder 7 oder § 30 Abs. 2 Z 3 durchgeführt wurde, oder

3. eine Leistung auf Grund einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems vergeben werden soll.

§ 325. (1) Das Bundesvergabeamt hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn

1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller in dem von ihm nach § 322 Abs. 1 Z 5 geltenden gemachten Recht verletzt, und

2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

…"

1.2. Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte, dass einer der Ausnahmetatbestände des § 131 Abs. 2 BVergG 2006 (insbesondere jener der Z. 2) erfüllt wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 131 Abs. 1 BVergG 2006 zur Bekanntgabe ihrer Zuschlagsentscheidung in der in dieser Bestimmung genannten Weise verpflichtet war.

1.3. In ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin zusammengefasst geltend, dass sie in der Zuschlagsentscheidung nicht bloß die Preise und die dafür vergebenen Preispunkte offen gelegt habe, sondern auch die Qualitätspunkte und sogar die vergebenen Punkte für die einzelnen Qualitäts-Subkriterien, wie insbesondere die vergebene Punktezahl für das in Rede stehende Subkriterium "Qualitative Übererfüllung der benannten Service-Experten".

Zu Unrecht gehe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nun davon aus, die Beschwerdeführerin hätte weitere Informationen zur Bewertung des Subkriteriums "Qualitative Übererfüllung der benannten Service-Experten" bekannt geben müssen, indem nicht nur die Summe der bei diesem Kriterium erreichten Punkte, sondern auch das Zustandekommen dieser Punkte durch die Benotungen der jeweiligen Service-Experten hätte offen gelegt werden müssen. Damit verkenne die belangte Behörde einerseits, dass mit der Bekanntgabe der "Einzelnoten" (gemeint: Benotungen der jeweiligen Service-Experten) keine Mehrinformation verbunden gewesen wäre. Die Kenntnis dieser Einzelnoten hätte nämlich zu keiner Erhöhung der Nachvollziehbarkeit der Zuschlagsentscheidung geführt, weil nach den bestandfesten Ausschreibungsbestimmungen lediglich der Durchschnitt der Einzelwertungen für die Punktevergabe relevant gewesen sei. Andererseits wäre der Bekanntgabe dieser Einzelnoten die Wahrung der Geschäftsinteressen des Zuschlagsempfängers (§ 131 Abs. 1 letzter Halbsatz BVergG 2006) entgegengestanden, dies selbst im Falle der Anonymisierung der Betroffenen (wird in der Beschwerde näher ausgeführt).

2.1. Im vorliegenden Beschwerdefall geht es im Kern um die Frage der erforderlichen Begründungstiefe der Zuschlagsentscheidung.

Gemäß § 131 Abs. 1 BVergG 2006 sind dem verbliebenen Bieter in der Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung (abgesehen vom Ende der Stillhaltefrist und der Vergabesumme) einerseits die Gründe für die Ablehnung seines Angebotes und andererseits die "Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes" bekannt zu geben (sofern einer solchen Bekanntgabe nicht die in dieser Bestimmung genannten Interessen entgegen stehen).

Gegenständlich ist strittig, ob die Beschwerdeführerin in ihrer Zuschlagsentscheidung der Verpflichtung, die "Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes" bekannt zu geben, entsprochen hat, indem sie die Punktebewertungen der jeweiligen Angebote - und zwar aufgeschlüsselt sowohl nach Zuschlagskriterien als auch nach Subkriterien - mitgeteilt hat. Die belangte Behörde vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass diese Mitteilung die Anforderungen des § 131 Abs. 1 BVergG 2006 deshalb nicht erfüllt, weil hinsichtlich des Bestangebotes auch das Zustandekommen der vergebenen Punktezahl zum Subkriterium "Qualitative Übererfüllung der benannten Service-Experten" hätte offen gelegt werden müssen, konkret durch die Bekanntgabe der dieser Punktezahl zugrunde liegenden Benotungen der jeweiligen Service-Experten.

Die belangte Behörde meint, dass das Fehlen dieser Begründungselemente der Zuschlagsentscheidung wesentlich iSd § 325 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006 sei, weil dadurch die Einbringung eines begründeten Nachprüfungsantrages erschwert oder behindert werde, was - so die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, Zlen. 2009/04/0081, 0085 - "in der Regel anzunehmen" sei.

2.2. Diese Rechtsauffassung ist aus folgenden Gründen unzutreffend:

2.2.1. Im zitierten hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, Zlen. 2009/04/0081, 0085, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage der Konsequenzen einer (gänzlich) unterlassenen Begründung der Zuschlagsentscheidung auseinander zu setzen. Nach diesem Erkenntnis ist eine Zuschlagsentscheidung, in welcher (u.a.) die Gründe für die Ablehnung des Angebotes der verbliebenen Bieter sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes nicht bekannt gegeben wurden, eine objektiv rechtswidrige Entscheidung des Auftraggebers, weil § 131 BVergG 2006 nach den Gesetzesmaterialien gewährleisten soll, "dass ein nicht zum Zuge gekommener Bieter schon am Beginn der Stillhaltefrist die Informationen besitzt, die er für einen allfälligen Nachprüfungsantrag benötigt". Die Wesentlichkeit dieser Rechtswidrigkeit liegt nach dem zitierten Erkenntnis schon dann vor, wenn dadurch die Einbringung eines begründeten Nachprüfungsantrages erschwert oder behindert wird, was im Fall der "Unterlassung der Begründung" (somit bei - gänzlichem - Fehlen der Begründung einer Zuschlagsentscheidung; dieser Fall lag dem zitierten Erkenntnis Zlen. 2009/04/0081, 0085, zu Grunde) "in der Regel anzunehmen" ist.

2.2.2. Der vorliegende Beschwerdefall unterscheidet sich zwar von jenem dem zitierten hg. Erkenntnis, Zlen. 2009/04/0081, 0085, zugrunde liegenden Fall, weil die gegenständliche Zuschlagsentscheidung unstrittig eine Begründung enthielt. Strittig ist, ob diese Begründung ausreichend präzise war. Auch im vorliegenden Fall ist im Sinne der Ausführungen des hg. Erkenntnisses, Zlen. 2009/04/0081, 0085 (vgl. ebenso das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/04/0173), zuerst zu prüfen, ob die Zuschlagsentscheidung objektiv mit Rechtswidrigkeit behaftet ist. Dies wäre dann der Fall, wenn die Zuschlagsentscheidung nicht jene Begründungstiefe enthielte, die ein Bieter zur Einbringung eines berechtigten Nachprüfungsantrages benötigt (die Wesentlichkeit einer angenommenen Rechtswidrigkeit iSd § 325 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006 ist danach in einem zweiten Schritt zu prüfen).

Entscheidend ist daher zunächst, ob es dem Bieter auch ohne Kenntnis zusätzlicher, detaillierterer Begründungselemente unschwer möglich ist, gegen die Zuschlagsentscheidung einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen. Dies entspricht vor allem auch der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union: So hat der EuGH im Urteil vom 28. Jänner 2010, Rechtssache C-406/08 "Uniplex", Rn 30f, ausgesprochen, dass es für den effektiven Rechtsschutz darauf ankommt, ob der Bieter in die Lage versetzt wird, wirksam einen Nachprüfungsantrag einzubringen (vgl. in diesem Sinne auch das Urteil des EuGH vom 4. Oktober 2012, Rechtssache C-629/11 P "Evropaiki Dynamiki", Rn 21 bis 23, in dem auch auf die Frage der Detailliertheit der Gründe einer Zuschlagsentscheidung eingegangen wird).

Das bedeutet allerdings, dass nicht jedes vom Bieter in der Zuschlagsentscheidung vermisste Begründungselement zur objektiven Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung führt. Abgesehen davon, dass dies auf eine unzulässige Überspannung der Begründungspflicht hinausliefe (vgl. dazu auch Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006, Rz 28 ff zu § 131), weil sich die Forderung nach der Präzisierung einer Begründung ad infinitum fortsetzen ließe, kommt es nach dem Gesagten vielmehr darauf an, ob es dem Bieter auch ohne Kenntnis zusätzlicher, detaillierterer Begründungselemente unschwer möglich ist, gegen die Zuschlagsentscheidung einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen. Im vorliegenden Fall hätte sich die belangte Behörde daher mit der Frage auseinander setzen müssen, weshalb die mitbeteiligte Partei - trotz Kenntnis der bei den einzelnen Zuschlags- und Subkriterien erreichten Punkte (insoweit ist der Beschwerdefall im Sachverhalt anders gelagert, als jener des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2011/04/0173) - einen begründeten Nachprüfungsantrag ohne Schwierigkeiten nur dann einbringen konnte, wenn sie Informationen über die Benotung der Kenntnisse der jeweiligen Service-Experten hatte.

Indem die belangte Behörde eine Auseinandersetzung mit dieser Frage unterließ, hat sie schon die Frage der objektiven Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Zuschlagsentscheidung nicht hinreichend geklärt (sodass hier auf die für die Nichtigerklärung zusätzliche Voraussetzung der Wesentlichkeit iSd § 325 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006 nicht weiter einzugehen ist).

Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen, ob die (allenfalls) erforderlich gewesene Bekanntgabe einer detaillierteren Begründung der Zuschlagsentscheidung den im § 131 Abs. 1 letzter Halbsatz BVergG 2006 genannten Interessen widersprochen hätte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 9. April 2013

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