BVwG W123 2011734-2

BVwGW123 2011734-223.10.2014

ABGB §914
BVergG §101 Abs1
BVergG §101 Abs4
BVergG §106 Abs1
BVergG §12 Abs3
BVergG §126 Abs4
BVergG §127
BVergG §2 Z43
BVergG §2 Z8
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312 Abs2 Z2
BVergG §316 Abs1 Z3
BVergG §318 Abs1
BVergG §319
BVergG §320 Abs1
BVergG §321 Abs1
BVergG §322 Abs2
BVergG §325 Abs1
BVergG §4
BVergG §79 Abs6
BVergG §97 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
ABGB §914
BVergG §101 Abs1
BVergG §101 Abs4
BVergG §106 Abs1
BVergG §12 Abs3
BVergG §126 Abs4
BVergG §127
BVergG §2 Z43
BVergG §2 Z8
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312 Abs2 Z2
BVergG §316 Abs1 Z3
BVergG §318 Abs1
BVergG §319
BVergG §320 Abs1
BVergG §321 Abs1
BVergG §322 Abs2
BVergG §325 Abs1
BVergG §4
BVergG §79 Abs6
BVergG §97 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W123.2011734.2.00

 

Spruch:

W123 2011734-2/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang WIMMER als Mitglied der Auftraggeberseite und Dr. Rosemarie SCHÖN als Mitglied Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren "Göllersbach Wasserverband, Rückhaltefläche und Bauaufweitung am Gmoosbach, Erd- und Baumeisterarbeiten" des Auftraggebers Göllersbach Wasserverband, Hauptplatz 1, 2020 Hollabrunn, vertreten durch RA MMag. Dr. Claus CASATI, Mariahilferstraße 1b/17, 1060 Wien, über die Anträge der XXXX, vertreten durch KESCHMANN Rechtsanwalts-GmbH, Nußdorfer Straße 38/DG, 1090 Wien, vom 09.09.2014, zu Recht erkannt:

A)

I. Dem Antrag, "nach Durchführung des Nachprüfungsverfahrens die rechtswidrige Zuschlagsentscheidung laut Schreiben des Auftraggebers vom 08.09.2014 für nichtig erklären", wird stattgegeben.

Die Entscheidung des Auftraggebers vom 08.09.2014, der Firma XXXX, den Zuschlag erteilen zu wollen, wird für nichtig erklärt.

Rechtsgrundlage: §§ 101 Abs. 1, 106 Abs. 1, 79 Abs. 6, 126 Abs. 4, iVm 312 Abs. 2 Z 2, 320 Abs. 1 und 325 Abs. 1 BVergG 2006

II. Dem Antrag, "der Antragstellerin den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren zusprechen und dem Auftraggeber die Zahlung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gemäß § 19a RAO zu Handen der Antragstellervertreterin auftragen", wird stattgegeben.

Der Auftraggeber ist verpflichtet, der Antragstellerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die für den Nachprüfungsantrag sowie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühren von insgesamt € 4.617,00 (vgl. § 1 BVwG - Pauschalgebührenverordnung 2013) binnen 14 Tagen ab Zustellung des Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage: § 319 BVergG 2006

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 09.09.2014 stellte die Antragstellerin die im Spruch ersichtlichen Begehren und führte im Wesentlichen nachfolgendes aus:

Mit Schreiben vom 02.09.2014 habe die XXXX - Ingenieurbüro für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft der Antragstellerin mitgeteilt, es werde vorgeschlagen, die Firma XXXX mit den ausgeschriebenen Arbeiten zu beauftragen. In dieser Mitteilung habe der Auftraggeber die Reihe der Angebote unter Angabe der (angeblichen) Angebotssummen inklusive Umsatzsteuer bekannt gegeben. Der Auftraggeber habe aber nicht mitgeteilt, welchen der beide Angebote der XXXX der Zuschlag erteilt werden hätte sollen; zudem seien Alternativangebote nicht zugelassen gewesen.

Mit Schreiben vom 08.09.2014 habe der Auftraggeber durch die XXXX eine "Korrektur der Vergabeempfehlung" übermittelt, in der dieser mitgeteilt habe, dass das "Variantenangebot" der XXXX auszuscheiden gewesen wäre. Eine neue Reihung der eingelangten Angebote sei in dieser Mitteilung bekannt gegeben worden.

Es falle schon auf den ersten Blick auf, dass die Reihung nicht der Reihung auf Grund der Angebotsverlesung entspreche. Darüber hinaus sei die für die XXXX angegebene Summe - auch unter Berücksichtigung von brutto/netto - völlig anders, als der verlesene Betrag. Auffällig sei jedenfalls, dass das Angebot der XXXX bei der Angebotsverlesung noch mehr als EUR 20.000,- netto teuer gewesen sei, als das Angebot der Antragstellerin. Die Veränderung des Preises dieses Angebotes der XXXX überschreite 2 % der verlesenen Angebotssumme.

Die im Schreiben vom 08.09.2014 angeführte und die bei der Angebotsverlesung kundgetane Angebotssumme beim Angebot der XXXX würden nicht zusammen passen. Auf Grund des Ausmaßes der Veränderung kann es sich nicht um eine bloße Rechenfehlerkorrektur handeln. In einer zulässigen Aufklärung könne diese Preisänderung keine Begründung finden, weil eine Preisänderung auf Grund des strengen Verhandlungsverbotes im offenen Verfahren niemals Ergebnis eines Aufklärungsgespräches oder einer Erörterung im Sinne des § 127 BVergG sein könne. Auffallend sei, dass die verlesenen Preise sowohl bei der Antragstellerin, als auch beim nunmehr drittgereihten Bieter mit jenem laut Schreiben vom 02.09.2014 und 08.09.2014 sehr wohl zusammen passen würden. Bei der vorliegenden Diskrepanz könne es sich wohl auch nicht um das Ergebnis eines bei allen Bietern in gleicher Weise geübten Prüfvorganges beim Auftraggeber handeln. Auf nicht verlesene Preise dürfe ebenso wenig wie auf falsch verlesene Preise der Zuschlag erteilt werden, und zwar auch dann nicht, wenn in objektiv nachvollziehbarer Weise ein falscher Preis verlesen worden sei. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre also auch dann nicht zuschlagsfähig, wenn es nicht ohnedies auszuscheiden wäre. Ohne "Korrektur" wäre zudem das Angebot der XXXX nicht an erster Stelle, sondern an zweiter Stelle der Antragstellerin nachzureihen gewesen.

2. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin übermittelte am 15.09.2014 eine Stellungnahme und wies auf die im Kurzleistungsverzeichnis enthaltenen Eventualpositionen hin, die nicht in die Angebotssummen einfließen sollten. Da branchenüblich die Angebotsbearbeitung inklusive Kalkulation elektronisch erfolge, habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin einen eigenen Datenträger mit allen beschriebenen Positionen erstellt. Im (von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin) erstellten Leistungsverzeichnis sei keine explizite Unterscheidung der Eventualpositionen erfolgt und seien diese in der Gesamtsumme des dem Angebot zugrunde gelegten Kurzleistungsverzeichnisses enthalten. Im Zuge der Angebotsprüfung sei die Angebotssumme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, unter Berücksichtigung der Eventualpositionen, durch die ausschreibende Stelle richtig gestellt worden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin halte fest, dass die vorgenommene Berichtigung nicht als "Rechenfehler" im Sinne des § 126 Abs. 4 BVergG zu verstehen sei und daher die Angebotsprüfung durch die ausschreibende Stelle im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen erfolgt sei. Aufgrund des vorher angeführten Sachverhaltes erklärte die präsumtive Zuschlagsempfängerin, dass ihrerseits als betroffene Partei keine mündliche Verhandlung beantragt werde.

3. Der Auftraggeber erstattete am 18.09.2014 eine Stellungnahme und brachte insbesondere vor, dass die ausgeschriebenen Leistungen zahlreiche Eventualpositionen enthielten, die im Kurzleistungsverzeichnis und im Langtextverzeichnis jeweils mit "E" gekennzeichnet seien. Die Antragstellerin habe zwar auch diese Eventualpositionen ausgepriesen, jedoch die diesbezüglichen Preise nicht in die Angebotssumme eingerechnet. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe dagegen sowohl bei ihrem zuschlagsentscheidungsgegenständigen Hauptangebot als auch bei dem - mittlerweile ausgeschiedenen - Alternativangebot jeweils die angebotenen Eventualpositionen auch in den Gesamtpreis eingerechnet. Im Zuge der Angebotsprüfung seien im Sinne der Gleichbehandlung die Angebotssummen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mit jenen der Antragstellerin vergleichbar gemacht worden, also die Eventualpositionen aus der bewertungsrelevanten Angebotssumme bzw. der Vergabesumme herausgerechnet worden. Bei einem Vergleich der angebotenen Leistungen ohne Eventualpositionen sei das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin das billigste Angebot und sei daher für den Zuschlag vorgesehen worden. Bloß der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass auch bei einem Vergleich der Angebote unter Berücksichtigung der jeweiligen Eventualpositionen ebenfalls das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin das günstigste sei.

Der Auftraggeber wies auf die Bestimmungen der §§ 97 Abs. 3 Z 4 und 2 Z 43 BVergG hin. Der Begriff "Eventualpositionen" sei dem BVergG fremd. Funktional würden jedoch die Ausführungen zur "Wahlpositionen" auch auf Eventualpositionen zutreffen bzw. seien Eventualpositionen als "Wahlpositionen" zu verstehen. Daraus folge, dass in Ermangelung einer gegenteiligen Festlegung in den Ausschreibungsunterlagen die Auspreisungen der Eventualpositionen in die Gesamtangebotssumme einzurechnen seien, wie dies gerade die präsumtive Zuschlagsempfängerin vorgenommen habe. Der präsumtiven Zuschlagsempfängerin könne kein Vorwurf gemacht werden.

Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass in die Angebotssumme die Eventualpositionen nicht einzurechnen gewesen wären (was in Hinblick auf die gesetzliche Regelung nicht der Fall sei), sei in dieser erfolgten Einrechnung kein Rechenfehler und auch kein sonst unbehebbarer Fehler zu sehen. Die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorgenommene "Rechenoperationen" seien richtig. Sie habe lediglich ein - richtiges - Verständnis dazu, was unter der zu verlesenen Angebotssumme anzugeben gewesen sei. Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, sei eine Behebung dieser unterschiedlichen Auffassung zulässig, da die Wettbewerbssituation der Bieter durch diese Behebung nicht berührt werde. Die Angebotspreise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin seien bei Angebotsabgabe fest gestanden. Eine nachträgliche Veränderung sei nicht erfolgt; eine solche nachträgliche Veränderung sei auch denkunmöglich.

4. Die Antragstellerin nahm am 02.10.2014 zu den Schriftsätzen des Auftraggebers und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin Stellung. Das Angebot der mitbeteiligten Partei sei deshalb ausschreibungswidrig, weil die Ausschreibung den Begriff der Eventualpositionen - entgegen den Vorbringen des Auftraggebers - durchaus kenne: Gemäß Punkt 3.5 der allgemeinen Vorbemerkungen ist die ÖNORM B 2110 Ausschreibungsbestandteil. Aufgrund der normativen Verweisungen seien sowohl die ÖNORM A 2050 als auch die ÖNORM B 2063 anwendbar. Der Begriff der Eventualpositionen sei in der ÖNORM A 2050 definiert; es handle sich um Positionen, deren Bedarf der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Ausschreibung bzw. Auftragsverteilung noch nicht beurteilen könne. Damit unterscheide sich die Eventualpositionen von der Wahlposition, die Teil einer Variante sei und schon bei Auftragserteilung beauftragt werde, wohingegen die Eventualposition erst im Zuge der Ausführung - bei Feststehen des Bedarfs - beauftragt werde. Schon deshalb sei es nicht sachgerecht, die Eventualpositionen in die Angebotssumme einzurechnen.

Aufgrund der normativen Verweisungen sei zudem die ÖNORM B 2063 anzuwenden. Gemäß deren Punkt 6.9.3 beschreibe - übereinstimmend mit dem vorhin ausgeführten - eine Eventualposition eine Leistung, die nur auf besondere Anordnung des Auftraggebers zur Aufführung komme.

Unter weiter: "Eventualpositionen werden im Gesamtpreis nicht berücksichtigt." Es erweise sich somit wohl als zutreffend, wenn die mitbeteiligte Partei ausführe, es sei ihr kein Rechenfehler unterlaufen. Auch ist dem Auftraggeber streng genommen kein Verlesungsfehler unterlaufen - er habe ja den Angebotspreis verlesen wie von der mitbeteiligten Partei ausgefüllt. Hingegen sei das Angebot der mitbeteiligten Partei schlicht ausschreibungswidrig und somit mit einem unbehebbaren - weil ohne "Richtigstellung" des Preises nicht behebbarem - Mangel behaftet. Zudem habe der Auftraggeber seinen Spielraum bei der Angebotsprüfung damit überschritten, dass er das Angebot der mitbeteiligten Partei "vergleichbar gemacht" habe.

5. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin nahm am 08.10.2014 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 02.10.2014 Stellung und führte aus, dass die ÖNORM B 2063 am 01.06.2009 zurückgezogen worden sei und daher nicht vertragsrelevant sein könne.

6. In einer Replik zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 02.10.2014 brachte der Auftraggeber zunächst vor, dass in der Ausschreibung nicht auf die ÖNORM A 2050 und ÖNORM A 2063 verwiesen worden sei Der unter der Überschrift "3. Vertragsbedingungen" angeführte "Bauvertrag" regle das Vertragsverhältnis nach Auftragsvergabe. Die von der Antragstellerin behauptete "normative Verweisung" auf eine Vielzahl von ÖNORMen sei nicht Ausschreibungsgegenstand gewesen. Richtig sei, dass der Auftraggeber keine ausdrücklichen Festlegungen darüber getroffen habe, ob die mit "E" gekennzeichneten Positionen in den Gesamtpreis einzurechnen seien oder nicht. Lediglich das - nicht zwingend - zur Abgabe vorgesehene Leistungsverzeichnis enthalte zu den mit "E" gekennzeichneten Positionen in der Spalte Positionspreis "xxxxxxxx" anstatt ".....", wie dies bei den übrigen Positionen der Fall sei. Dieses ausgepreiste Leistungsverzeichnis-Formular sei jedoch nicht abzugeben gewesen. Abzugeben sei lediglich das zweiseitige Angebotsformular, in dem lediglich die - nicht näher definierten - "Angebotssummen" einzutragen gewesen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof habe entgegen der Entscheidung des Bundesvergabeamtes das unrichtige Ausfüllen des Angebotsformulars und das unrichtige Einrechnen einer Eventualposition in den Gesamtpreis nicht als ausschreibungswidriges und auszuscheidendes Angebot eingestuft. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu dem entscheidungsgegenständlichen Sachverhalt, bei dem die Abgabe eines Datenträgers gefordert gewesen sei (anders als im gegenständlichen Fall!) das Überschreiben der elektronisch gesperrten Felder als behebbaren Mangel beurteilt, der keine materielle Verbesserung der Wettbewerbsstellung des Bieters zur Folge habe, wenn der Datenträger nachträglich auf Aufforderung des Auftraggebers nachgereicht werde.

"Wahlpositionen" und "Eventualpositionen" seien bei allgemeiner Betrachtung miteinander vergleichbar. In beiden Fällen gehe es um Positionen, die zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht mit 100%iger Wahrscheinlichkeit zur Ausführung gelangen würden und in beiden Fällen liege die Entscheidung beim Auftraggeber. Wenn dies das Bundesvergabegesetz nun in Bezug auf Wahlpositionen ausdrücklich vorsehe (§ 97 Abs. 3 Z 4) und zu den Eventualpositionen keine Festlegungen treffe, könne beim gleichartigen Regelungszweck der "Wahlpositionen" und "Eventualpositionen" die gleiche Rechtsfolge auch für Eventualpositionen abgeleitet werden, nämlich, dass diese ebenfalls in den bewertungsrelevanten Gesamtpreis einzurechnen und zu verlesen seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der Auftraggeber hat die gegenständlichen Leistungen im Wege eines offenen Verfahrens ausgeschrieben. Die Veröffentlichung der Ausschreibung im Lieferanzeiger erfolgte am 29.07.2014.

2. Die Ausschreibung enthält keinen Hinweis, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote iSd § 126 Abs. 4 ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung in Folge der Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist. In den Vertragsbedingungen der allgemeinen Vorbemerkungen (vgl. Punkt 3) findet sich lediglich ein Verweis auf die ÖNORM B 2110. Auch diese enthält keine Regelungen im Hinblick auf die Vorgehensweise gemäß § 126 Abs. 4 BVergG.

3. Das Kurzleistungsverzeichnis enthält folgende mit "E" gekennzeichnete Positionen:

020203a Bäume fällen und aufarbeiten

040101y Drainagesammler inkl. Auslauf Bauwerk herstellen Süd

040101x Drainagenkopf herstellen

300402a Transportkosten Baurestmassendeponie

300402b Deponiekosten Baurestmassendeponie

300403a Transportkosten Reststoffdeponie

300403b Deponiekosten Reststoffdeponie

300404a Abtransport dichte Transportbehälter

4. Auch im Langtextverzeichnis finden sich diese Positionen. Bis auf die Position 300404a "Abtransport dichte Transportbehälter" sind alle oben genannten Positionen ausdrücklich mit "E" gekennzeichnet.

5. Im Kurzleistungsverzeichnis findet sich bei den mit "E" gekennzeichneten Positionen beim jeweiligen Positionspreis folgendes: "XXXXXXXXXXXX"

6. Aus dem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin geht folgendes hervor: Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat die mit "E" gekennzeichneten Positionen ausgepreist und beim Berechnen des Gesamtpreises mitaddiert. Der Angebotspreis inkl. 20 % Umsatzsteuer lautet: € 347.387,87.

7. Am 22.08.2014 fand im Amt der Niederösterreichischen Landesregierung die Angebotsöffnung statt. Der Niederschrift ist zu entnehmen, dass eine Teilnehmerin der Antragstellerin anwesend war.

Folgende Preise inkl. MwSt. wurden verlesen:

Nr. 1. TEERAG-ASDAG: € 363.544,86

Nr. 2. XXXX: € 347.387,87 (Variante: € 308.787,23)

Nr. 3. XXXX: € 316.674,73

8. Dem korrigierten Prüfbericht vom 08.09.2014 ist folgendes zu entnehmen:

1.5 Prüfung und Reihung der Bieter

Die Angebote wurden nach der Eröffnung einer rechnerischen und sachlichen Prüfung durch XXXX unterzogen. Bei den beiden Angeboten der Firma XXXXwurden die Eventualpositionen in die Angebotssumme eingerechnet - dies wurde richtig gestellt. Das Alternativangebot GEB. HAIDER war nicht zulässig und war auszuscheiden. Diese falsche Aufsummierung veränderte die Reihung dahingehend, dass das Angebot der Firma Gebr. Haider das Billigste ist.

..........

1.5.2 Angebot der Firma GEBR. HAIDER, 4436 Großraming

Das Leistungsverzeichnis ist rechnerisch in Ordnung bis auf die ausgefüllten Eventualpositionen [...], welche in die Angebotssumme gerechnet wurden - diese wurden durch XXXX korrigiert und die Angebotssumme Netto sowie Brutto neu errechnet. Die Änderung beträgt € 33.301.35. An der Reihung verändert sich dieses Angebot um einen Rang auf Rang 1.

9. Mit Schreiben vom 08.09.2014 (Betreff "Korrektur zur Vergabeempfehlung") wurde dem Bieter mitgeteilt, dass dem Hauptangebot der Firma Gebr. Haider Bauunternehmung GmbH, 4463 Großraming, - nach Ausscheiden ihres Variantenangebotes - mit einer Angebotssumme von € 314.086,52 nach Ablauf einer 7 tägigen Stillhaltefrist der Zuschlag erteilt werden soll.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der vorliegenden Unterlagen des Vergabeverfahrens keine Bedenken ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 292 Abs 1 BVergG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung handelt, in Senaten.

Auftraggeber iSd § 2 Z 8 BVergG ist der Wasserverband Göllersbach. Dieser ist ein Wasserverband nach den §§ 87 Abs. 1 und 88 Abs. 1 WRG 1959 (vgl. dazu die § 1 der Satzung des Auftraggebers) und daher gemäß der ständigen Rechtsprechung Auftraggeber gemäß 3 Abs 1 Z 2 BVergG (siehe dazu Holoubek/Fuchs in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel [Hrsg.), § 3 Rz 88). Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 4 BVergG. Nach den Angaben des Auftraggebers beträgt der geschätzte Auftragswert EUR 139.602,29, sodass gemäß § 12 Abs 3 BVergG ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich vorliegt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 312 Abs. 2 BVergG iVm Art 14b Abs. 2 Z 1 lit e B-VG ist sohin gegeben.

Da das Vergabeverfahren weder widerrufen noch ein Zuschlag erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht in concreto gemäß § 312 Abs 2 Z 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers zuständig.

Der Antrag wurde innerhalb der Anfechtungsfrist gemäß § 321 Abs 1 BVergG eingebracht. Die Pauschalgebühr wurde jedenfalls in entsprechender Höhe entrichtet (§ 318 Abs 1 Z 1 BVergG iVm § 1 BVwG-PauschGebV). Ein sonstiger Grund für die Unzulässigkeit des Antrages nach § 322 Abs 2 BVergG liegt nicht vor.

Inhaltliche Beurteilung des Antrages

Zu A

Zu Spruchpunkt I.

Zunächst ist festzuhalten, dass die gegenständliche Ausschreibung nicht angefochten wurde und sohin Bestandskraft erlangt hat und folgedessen nach ständiger Rechtsprechung selbst dann unveränderliche Grundlage für die Prüfung und Bewertung der Angebote ist, wenn deren Bestimmungen unzweckmäßig oder gar vergaberechtswidrig sein sollten (siehe VwGH vom 7. November 2005, 2003/04/0135; dem folgend ua BVA vom 16. April 2008, N/0029-BVA/09/2008-27 = ZVB 2008, 209 [Hackl]). Sowohl der Auftraggeber als auch die Bieter sind an die in der Ausschreibung festgelegten Bestimmungen gebunden. Ein nachträgliches Abgehen von den Bestimmungen der Ausschreibung ist im Sinne der Gleichbehandlung aller Bieter nicht mehr möglich (vgl EuGH vom 25. April 1996, Rs C-87/94 , Wallonische Busse, RN 89). Bei der Erstellung der Angebote sind die Bieter auch im Verhandlungsverfahren an die Ausschreibung gebunden und dürfen davon nicht abweichen (BVA vom 16. August 2012, N/0070-BVA/10/2012-39 mwN; BVA vom 14. Dezember 2012, N/0102-BVA/09/2012-46). Umso mehr gilt dies aber - wie gegenständlich - für das offene Verfahren, wonach gemäß § 101 Abs 4 BVergG während eines offenen Verfahrens mit den Bietern über eine Angebotsänderung nicht verhandelt werden darf (Verhandlungsverbot!). Auch ist auf § 106 Abs 1 BVergG hinzuweisen, wonach sich der Bieter bei offenen oder nicht offenen Verfahren bei der Erstellung des Angebotes an die Ausschreibungsunterlagen zu halten hat. Der vorgeschriebene Text der Ausschreibungsunterlagen darf weder geändert noch ergänzt werden. (siehe dazu bereits BVA 26.9.2009 N/0056-BVA/13/2009-24). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verlangt, dass alle Angebote den Vorschriften der Ausschreibungsunterlagen zu entsprechen haben, um einen objektiven Vergleich der Angebote zu ermöglichen (EuGH vom 22. Juni 1993, Rs C-243/89 , Kommission/Dänemark). Alle Bieter müssen darauf vertrauen können, dass der Auftraggeber seine eigenen Ausschreibungsbedingungen einhält (ua BVA vom 25. November 2009, N/0110-BVA/09/2009-28; Latzenhofer in Gast (Hrsg.), BVergG-Leitsatzkommentar, E 53 zu § 321). Das bedeutet in weiterer Folge auch, dass es dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt ist, derart bestandskräftige Entscheidungen im Zuge der Anfechtung späterer Auftraggeberentscheidungen inzident in Prüfung zu ziehen (siehe grundlegend VwGH vom 15. September 2004, 2004/04/0054; VwGH vom 7. September 2009, 2007/04/0090; VwGH vom 27. Juni 2007, 2005/04/0234; VwGH vom 7. November 2005, 2003/04/0135; für viele ua BVA vom 8. Februar 2008, N/0008-BVA/06/2008-29, mwN).

Gemäß § 2 Z 43 BVergG ist eine Wahlposition die Beschreibung einer Leistung, die vom Auftraggeber als Teil einer Variante zur Normalausführung vorgesehen ist. Punkt 3.15.3 der ÖNORM A 2050 (2006) definiert die Eventualposition ("Bedarfsposition") folgendermaßen: Beschreibung einer zusätzlichen Leistung, die nur auf besondere Anordnung des AG zur Ausführung kommt. Nach Heiermann/Riedl/Rusam handelt es sich bei Bedarfspositionen (Eventualposition) um Leistungen, bei welchen bei Fertigstellung der Ausschreibungsunterlagen noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie tatsächlich zur Ausführung kommen. Die Entscheidung über die Ausführung trifft der Auftraggeber in der Regel erst bei Auftragserteilung oder während der Ausführung (Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 10. Auflg., A § 9 Rdn. 134).

Der Auftraggeber weist in der Stellungnahme vom 18.09.2014 selbst darauf hin, dass die ausgeschriebenen Leistungen zahlreiche Eventualpositionen (mit "E" gekennzeichnet) enthalten. In der Folge führte er aber - ohne dies näher zu begründen - aus, dass die Darlegungen zur "Wahlposition" funktional auch auf Eventualpositionen zutreffen würden bzw. Eventualpositionen als "Wahlpositionen" zu verstehen seien. Entgegen diesen Ausführungen sind aber Eventualpositionen nicht vom Begriffsinhalt der Wahlposition umfasst, da diese Positionen nur bei tatsächlichem und zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht vorhersehbaren Bedarf beauftragt werden (Pachner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel [Hrsg], § 2 Z 43 Rz 2).

Gemäß § 79 Abs. 6 BVergG ist in den Ausschreibungsunterlagen anzugeben, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote gemäß § 126 Abs. 4 ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung in Folge der Berichtigungen eines Rechenfehlers zulässig ist. Nach dieser Bestimmung ist der Auftraggeber verpflichtet, in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote iSd Abs. 4 ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 126 Rz 32).

§ 126 Abs. 4 BVergG lautet: "Rechnerisch fehlerhafte Angebote sind, sofern dies in der Ausschreibung festgelegt wurde, dann nicht weiter zu berücksichtigen, wenn die Summe der Absolutbeträge aller Berichtigungen - erhöhend oder vermindernd - 2 vH oder mehr des ursprünglichen Gesamtpreises ohne Umsatzsteuer beträgt. Berichtigungen von Seitenüberträgen der Zwischensummen im Angebot (Übertragungsfehler), mit denen nicht weiter gerechnet wurde, bleiben dabei unberücksichtigt. Eine Vorreihung in Folge der Berichtigungen eines Rechenfehlers ist, ausgenommen der Auftraggeber hat in der Ausschreibung ausdrücklich anderes festgelegt, unzulässig."

§ 126 Abs. 4 BVergG enthält eine subsidiäre Regelung für den Fall, dass der Auftraggeber - entgegen § 79 Abs. 6 - keine Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen getroffen hat. Demnach ist die Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig; das rechnerisch fehlerhafte Angebot verbleibt im Wettbewerb und darf nicht ausgeschieden werden. Eine Vorreihung in Folge einer vorgenommenen Berichtigung ist jedoch unzulässig (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 126 Rz 33).

Das BVergG 2006 enthält keine explizite Definition des Rechenfehlers. Die Materialien halten hierzu fest, dass es sich bei einem Angebot mit einem Rechenfehler um eine mit einem evidenten Erklärungsirrtum behaftete Willenserklärung des Bieters handelt (RV 1171 BlgNR XXII. GP 69). Nach der Rechtsprechung des VwGH stellt das (irrtümliche) Mitaddieren oder Mitübertragen von (nach dem klaren, sonstigen Inhalt des Angebotes nicht mitzuaddierenden) Eventualpositionen einen solchen Rechenfehler dar. Auf die Richtigkeit der rechnerischen Operation kommt es nach dieser Bestimmung nicht an. Werden aus Versehen die Eventualpositionen vor Abgabe des Angebotes nicht wieder als Eventualpositionen gekennzeichnet und somit bei der Erstellung des Angebotes diese Eventualpositionen in die Gesamtsumme des Angebotes eingerechnet, so stellt dieses (irrtümliche) Einrechnen von Eventualpositionen in den Gesamtpreis einen Rechenfehler iSd § 94 Abs. 4 BVergG 2002 dar (VwGH 27.06.2007, 2005/04/0111; vgl. zu dieser Rechtsprechung auch Hackl/Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 79 Rz 154 bzw. /Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 129 Rz 125 sowie Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht³ [2010] Rz 1382).

Die in § 126 Abs. 4 letzter Satz BVerG enthaltene subsidiäre Regelung findet auf den gegenständlichen Sachverhalt Anwendung, da der Auftraggeber - entgegen § 79 Abs. 6 BVergG - keine Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen getroffen hat, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote iSd Abs. 4 ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist (vgl. Sachverhaltsfeststellungen). Unstrittig ist ferner, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin die - laut Ausschreibungsvorgaben (vgl. "XXXX") nicht einzurechnenden Eventualpositionen - in den Gesamtpreis eingerechnet hat, womit aber - nach der Rechtsprechung des VwGH - ein Rechenfehler beim Angebot der präsumtive Zuschlagsempfängerin vorliegt. Die vom Auftraggeber durchgeführte Korrektur überschreitet jedenfalls die Grenze des § 126 Abs. 4 BVergG. Die Vorreihung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hätte somit - aufgrund der subsidiären Regelung in § 126 Abs. 4 letzter Satz BVerG - nicht vorgenommen werden dürfen, womit aber bereits aus diesem Grunde die Zuschlagsentscheidung mit Rechtswidrigkeit behaftet und auch für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss iSd § 325 Abs. 1 Z 2 BVergG ist. Entgegen dem Vorbringen des Auftraggebers wurde nämlich durch das Herausrechnen der Eventualpositionen beim Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin die Wettbewerbssituation der Bieter sehr wohl berührt, da - nach erfolgter Korrektur des Auftraggebers - ein Bietersturz zu Gunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eingetreten ist.

Gemäß § 106 Abs. 1 BVergG hat sich der Bieter bei offenen oder nicht offenen Verfahren bei der Erstellung des Angebotes an die Ausschreibungsunterlagen zu halten. Der vorgeschriebene Text der Ausschreibungsunterlagen darf weder geändert noch ergänzt werden.

Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen hat nach ständiger Rechtsprechung und dem einschlägigen Schrifttum auch im Vergaberecht nach den Regeln der §§ 914f ABGB zu erfolgen (VwGH vom 21.11.2011, 2006/04/0024; VwGH vom 25.01.2011, 2006/04/0200; BVA vom 14.06.2012, N/0048-BVA/03/2012-23 ua; BVA vom 18.01.2008, N/0118- BVA/04/2007-36; BVA vom 11.01.2008, N/0112-BVA/14/2007-20; BVA vom 28.06.2007, N/0057-BVA/11/2007-25; Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1). Ausschreibungsunterlagen sind demnach nach ihrem objektiven Erklärungswert zu interpretieren. Es ist daher zunächst vom Wortlaut in seiner üblichen Bedeutung auszugehen. Dabei ist die Absicht der Parteien zu erforschen und sind rechtgeschäftliche Erklärungen so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind danach zu beurteilen, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war und somit, wie diese ein redlicher Erklärungsempfänger zu verstehen hatte. Dabei kommt es nicht auf den von einer Partei vermuteten Zweck der Ausschreibungsbestimmungen an, sondern ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibung maßgeblich (siehe VwGH vom 19.11.2008, 2007/04/0018 und 2007/04/0019; VwGH vom 29.03.2006, 2004/04/0144, 0156, 0157; ebenso ua BVA vom 11.01.2008, N/0112-BVA/14/2007-20; BVA vom 02.05.2011, N/0021-BVA/10/2011-33 mwN).

Soweit der Auftraggeber vorbringt, dass keine ausdrücklichen Festlegungen darüber getroffen worden seien, ob die mit "E" gekennzeichneten Positionen in den Gesamtpreis einzurechnen seien oder nicht und somit offenbar davon ausgeht, dass die Ausschreibungsunterlagen den Bietern die Möglichkeit gegeben hätten, die mit "E" gekennzeichneten Positionen in den Gesamtpreis mitzuaddieren oder nicht, verkennt er zunächst die Begriffsdefinition von "Eventualpositionen" (vgl. dazu bereits die obigen Ausführungen) und ferner, wie die vorliegenden Ausschreibungsvorgaben für einen redlichen Erklärungsempfänger zu verstehen waren. Auch wenn man - mit dem Auftraggeber - davon ausgeht, dass in der Ausschreibung nicht explizit auf die ÖNORM A 2050 und die ÖNORM B 2063 verwiesen wurde und zudem das BVergG 2006 den Begriff der "Eventualposition" nicht definiert, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass die in der ÖNORM A 2050 enthaltene Definition zur Eventualposition bzw. Bedarfsposition (vgl. Punkt 3.15.3) nicht für das allgemeine vergaberechtliche Verständnis herangezogen werden darf; gleiches gilt für die einschlägigen Kommentare zur Definition von Eventual- bzw. Bedarfspositionen.

Dass auch die gegenständlichen Ausschreibungsunterlagen dahingehend zu verstehen sind, dass die mit "E" gekennzeichneten Positionen nicht in den Gesamtpreis einzurechnen waren, ergibt sich bereits offenkundig aus den differenzierten Vorgaben des Auftraggebers im Kurz-LV. Daraus ist ersichtlich, dass ausschließlich die mit "E" gekennzeichneten Positionen in der Spalte "Positionspreis" den Hinweis "XXXXXXXXX" enthielten, während bei den übrigen ("normalen")

Positionen eine "freie" Fläche zum Einsetzen (vgl. "........")

vorgegeben war. Für einen redlichen Erklärungsempfänger konnten diese bestandkräftigen Vorgaben in der Ausschreibung nur dahingehend verstanden werden, dass die mit "E" gekennzeichneten Positionen nicht in den Gesamtpreis einzurechnen waren, ansonsten wäre die vom Auftraggeber selbst vorgenommene Differenzierung sinnentleert. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass die beiden übrigen Bieter des Vergabeverfahrens (Antragstellerin und TEERAG-ASDAG) die Ausschreibungsvorgaben korrekterweise verstanden und die Spalte "Positionspreis" bei den mit "E" gekennzeichneten Positionen freigelassen haben.

Auch wenn - wie der Auftraggeber nunmehr vorbringt - dieses ausgepreiste Leistungsverzeichnis-Formular nicht abzugeben gewesen sei, sondern lediglich das zweiseitige Angebotsformular, ändert das nichts am Ergebnis der Beurteilung. Die auf Seite 57 auszufüllende Zusammenstellung der Preise stellt lediglich eine Zusammenfassung der auszupreisenden Positionspreise dar und beruht daher letztlich auf den seitens der Bieter auszufüllenden Angaben. Sowohl die handschriftlich ausgefüllte Angebotssumme auf Seite 57 des LV, als auch die computerausgedruckte beim Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ergeben den Gesamtpreis von € 347.387,87 (inkl. MwSt). Dieser Preis enthielt die mit "E" gekennzeichneten Positionen und wurde auch bei der Angebotsöffnung verlesen. Zu diesem Zeitpunkt war die präsumtive Zuschlagsempfängerin jedenfalls noch (nach der Antragstellerin) zweitgereihte Bieterin. Eine Vorreihung zugunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hätte - aus den bereits oben ausgeführten Gründen - nicht erfolgen dürfen.

Soweit der Auftraggeber schließlich auf das zitierte VwGH-Erkenntnis vom 27.06.2007, 2005/04/0111, hinweist und vermeint, dass der dort behandelte Sachverhalt mit dem gegenständlichen Fall vergleichbar wäre, verkennt der Auftraggeber seine eigenen (Nicht)Vorgaben in der gegenständlichen Ausschreibung. Entgegen dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt wurde im vom VwGH zu beurteilenden Fall die Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers iSd § 126 Abs. 4 letzter Satz BVergG explizit für zulässig erklärt. Zudem befand sich der (damalige) Rechenfehler - wie der VwGH ausführte - innerhalb der Toleranzgrenzen des § 94 Abs. 4 BVergG 2002 (nunmehr § 126 Abs. 4 BVergG). Im gegenständlichen Fall überschreitet die korrigierte Angebotssumme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin die 2 %-Grenze jedoch deutlich. Auch aus diesem Grunde sind die beiden Sachverhalte nicht miteinander vergleichbar.

Gemäß § 316 Abs 1 Z 3 BVergG kann - soweit dem weder Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen - die Verhandlung ungeachtet eines Parteiantrages entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass dem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben oder dass er abzuweisen ist.

Die Voraussetzungen für den Entfall einer mündlichen Verhandlung liegen im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren vor. Sämtliche entscheidungsrelevanten Unterlagen ergaben sich aus den Schriftsätzen der Parteien sowie dem vorgelegten Vergabeakt. Das Parteiengehör gemäß § 45 Abs 3 AVG zugunsten des Auftraggebers sowie der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wurde durch Übermittlung sämtlicher Schriftsätze der Antragstellerin in Verbindung mit der Möglichkeit zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme jedenfalls gewahrt. Abgesehen davon handelt es sich bei dem vom Senat zu beurteilenden Fragestellungen (Definition eines Rechenfehlers, Interpretation von Ausschreibungsbestimmungen) um reine Rechtsfragen. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass weder der Auftraggeber noch die präsumtive Zuschlagsempfängerin einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 316 Abs. 2 BVergG gestellt haben; die präsumtive Zuschlagsempfängerin sah sogar ausdrücklich davon ab (vgl. Schriftsatz vom 15.09.2014).

Zu Spruchpunkt II.

Gemäß § 319 Abs 1 BVergG hat der vor dem Bundesverwaltungsgericht wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 BVergG entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber.

Die Antragstellerin hat die Pauschalgebühr in der gesetzlich geschuldeten Höhe tatsächlich bezahlt. Die Antragstellerin hat mit ihrem Nachprüfungsantrag obsiegt, da das Bundesverwaltungsgericht dem Nachprüfungsantrag stattgegeben hat. Der Auftraggeber ist daher verpflichtet, der Antragstellerin die tatsächlich geschuldete und bezahlte Pauschalgebühr in der Höhe von jeweils € 4.617,00 zu ersetzen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe dazu das bereits zitierte Erkenntnis vom 27.06.2007, 2005/04/0111), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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