AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L502.2174395.4.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2022, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte in Österreich am 13.02.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25.09.2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 AsylG abgewiesen wurde. Unter einem wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 23.09.2019 als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss vom 06.02.2020 wurde die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
3. Am 03.02.2020 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 10.07.2020 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen wurde. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist. Ihm wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG ein zweijähriges Einreiseverbot gegen ihn verhängt.
4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 06.05.2021 als unbegründet abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des VwGH vom 14.09.2021 zurückgewiesen.
5. Am 11.06.2021 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ nach § 56 Abs. 1 AsylG, der mit Bescheid des BFA vom 07.09.2021 abgewiesen wurde.
6. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 13.12.2021 als unbegründet abgewiesen.
7. Der BF stellte persönlich am 08.03.2022 beim BFA den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG. Zugleich legte er eine Bevollmächtigungsanzeige einer anwaltlichen Vertretung, eine von dieser verfasste schriftliche Antragsbegründung sowie mehrere Beweismittel vor.
8. Mit Aktenvermerk vom 18.03.2022 wurde vom BFA eine telefonische Erhebung bei dem mit Arbeitsvorvertrag bekanntgegebenen Dienstgeber festgehalten.
9. Mit Schreiben vom 18.03.2022 ersuchte das BFA die Landespolizeidirektion Steiermark im Wege der Amtshilfe um Mitteilung, ob er in ihrem Zuständigkeitsbereich verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten sei.
10. Entsprechend dem behördlichen Ersuchen teilte die Landespolizeidirektion Steiermark am 21.03.2022 mit, dass keine Verwaltungsvormerkungen aufscheinen.
11. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 18.03.2022 wurde sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 08.03.2022 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.
12. Mit Information des BFA vom 21.03.2022 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
13. Gegen den seiner anwaltlichen Vertretung am 23.03.2022 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner nunmehr bevollmächtigten Vertretung vom 15.04.2022 binnen offener Frist Beschwerde erhoben.
14. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 29.04.2022 beim BVwG ein und wurde das Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung L502 zugewiesen.
15. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem sowie dem Zentralen Melderegister (ZMR).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.
1.2. Die Identität des BF steht fest. Er ist irakischer Staatsangehöriger und gehört der arabischen Volksgruppe sowie der schiitischen Glaubensgemeinschaft des Islams an.
Er stammt aus Bagdad, wo er zehn Jahre die Schule besuchte und seinen Lebensunterhalt anschließend als Betreiber eines Textilgeschäftes bestritt.
Im Irak leben keine Angehörigen.
Er stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf. Sein erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit mündlich verkündeten Erkenntnis des BVwG vom 23.09.2019 rechtskräftig negativ abgewiesen, sein am 03.02.2020 gestellter Folgeantrag mit rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 06.05.2021. Gegen ihn besteht seit Abschluss des Folgeantragsverfahrens eine rechtskräftige, mit einem zweijährigen Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG. Er kam seiner Ausreiseverpflichtungen bisher nicht nach und hält sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Er spricht Arabisch als Muttersprache. Er hat bislang keine Deutschkurse besucht. Er hat am 22.09.2021 an der Integrationsprüfung A2 des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) teilgenommen, ein Nachweis über die erfolgreiche Absolvierung wurde bis dato nicht aktenkundig. Er verfügt über alltagstaugliche Deutschkenntnisse.
Er ist bisher keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen. Er bestritt seinen hiesigen Lebensunterhalt seit seiner Einreise in das Bundesgebiet bis zum 02.10.2019 aus Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.
Er verfügt über freundschaftliche Kontakte mit österreichischen Staatsbürgern, welche seinen Aufenthalt in Österreich finanzieren. Er bewohnt seit 16.02.2022 eine Unterkunft, die ihm im Rahmen eines Leihvertrages unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird.
Er verfügt über eine bis zum 19.05.2022 gültige Selbstversicherung in der Krankenversicherung.
Er ist Mitglied in einem Fußballverein. Er hat in seiner Wohnsitzgemeinde unentgeltlich Gartenarbeiten angeboten sowie ein unentgeltliches Praktikum in einer Praxis für Augenheilkunde absolviert
Er ist ledig und kinderlos. Er führt eine Beziehung mit einer slowenischen Staatsangehörigen, welche in Slowenien lebt. Eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit zu ihr liegt nicht vor.
In Österreich lebt seine Tante, darüber hinaus verfügt er über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet oder in einem anderen Mitgliedstaat.
Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und ist voll erwerbsfähig.
Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.3. Mit dem Vorbringen des BF zur Begründung seines gegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde keine maßgebliche Änderung in Bezug auf sein hiesiges Privat- und Familienleben oder der sonstigen in seiner Person gelegenen Umstände seit Erlassung des Erkenntnisses des BVwG im Folgeantragsverfahren aufgezeigt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis erhoben wurde im gg. Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung des gestellten Antrages sowie der von ihm vorgelegten Unterlagen, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Einsichtnahme in die Entscheidungen des BVwG in den Vorverfahren sowie durch die Einholung aktueller Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Betreuungsinformationssystem, dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister.
2.2. Der gg. Verfahrensgang stellt sich im Lichte des vorliegenden Akteninhaltes in Zusammenschau mit den Entscheidungen des BVwG in den Vorverfahren als unstrittig dar.
2.3. Die Feststellungen unter 1.2. stützen sich auf das Vorbringen des BF, die von ihm vorgelegten Unterlagen, die rechtskräftigen Feststellungen des BVwG im Folgeantragsverfahren und das Ergebnis der amtswegigen Beschaffung von Informationen aus den og. Datenbanken durch das BVwG und stellen sich insoweit ebenso als unstrittig dar.
Gemeinsam mit dem gg. Antrag legte er einen mit 15.02.2022 datierten und aufschiebend bedingt abgeschlossenen Dienstvertrag für die Tätigkeit als Hilfsarbeiter in einer Bäckerei vor. Das BFA ging – im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (AS 311) – zutreffend davon aus, dass es sich hierbei lediglich um ein Gefälligkeitsschreiben handelt und folglich nicht begründet davon ausgegangen werden kann, dass er eine hinreichend konkrete Aussicht auf eine längere bzw. überhaupt vorhandene Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit habe. Einerseits aufgrund der verschiedenen Schriftarten und Schreibfehler im vorgelegten Vertrag, andererseits aufgrund einer behördlichen Nachfrage bei der Bäckerei, die zum Ergebnis hatte, dass derzeit keine freien Stellen verfügbar seien (AS 33), ist dieser Ansicht auch aus Sicht des erkennenden Gerichtes zuzustimmen. In der Beschwerdeschrift wurden die behördlichen Erwägungen nicht substantiiert bekämpft, es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass das Beweismittel nach dem Zeitpunkt der Referenzentscheidung des BVwG vom 06.05.2021 entstanden sei (AS 335). Darüber hinaus wurde auch zugestanden, dass er derzeit nicht selbsterhaltungsfähig sei (AS 338).
Dass er inzwischen über alltagstaugliche Deutschkenntnisse verfügt, gründet sich auf die bereits in den Vorverfahren getroffenen Feststellungen. Der BF legte gemeinsam mit dem gg. Antrag eine Bestätigung der Caritas über eine Teilnahme an der Integrationsprüfung A2 des ÖIF am 22.09.2021 vor (AS 23). Dem Schreiben war zu entnehmen, dass das Prüfungsergebnis in ungefähr zwei bis vier Wochen postalisch an den BF zugestellt werde. Bis dato langte ein Nachweis über eine positive Absolvierung der Integrationsprüfung beim BVwG jedoch nicht ein.
2.4. Die Feststellung unter 1.3. stützt sich auf folgende Erwägungen:
Seit der zuletzt ergangenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidung des BVwG vom 06.05.2021 ist kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervorgekommen. Es waren im Wesentlichen dieselben Tatsachenfeststellungen, die bereits der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 06.05.2021 zugrunde gelegt wurden, zu treffen.
Wie bereits oben ausgeführt wurde, war durch die Vorlage eines als bloßes Gefälligkeitsschreiben zu qualifizierenden Arbeitsvorvertrages nichts im Hinblick auf eine etwaige künftige Selbsterhaltungsfähigkeit zu gewinnen (siehe dazu darüber hinaus auch den Beschluss des VwGH vom 26.06.2020, Ra 2017/22/0183, wonach bei einer kurzen Zeitspanne von bis etwa zwei Jahren trotz verbesserter Sprachkenntnisse und Einstellungszusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung verneint werden kann). Seine berufliche Integration in Österreich erfuhr folglich keine maßgebliche Verbesserung im Vergleich zur Entscheidung des BVwG im Folgeantragsverfahren.
Seine Deutschkenntnisse blieben seit der zuletzt ergangenen Rückkehrentscheidung unverändert. Mit der bloßen Teilnahme an einer Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A2 wurde keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes aufgezeigt.
Er hat zwar zwei Unterstützungsschreiben (datiert mit 17.02.2022 und 16.02.2022) in Vorlage gebracht, die ihm eine gelungene Integration attestierten. Aus diesen sind jedoch keine neuen maßgeblichen Änderungen in Bezug auf sein Privatleben in Österreich hervorgekommen. Bereits in den Vorverfahren wurde festgestellt, dass er über einen Freundeskreis in Österreich verfügt, er Mitglied in einem Fußballverein ist und er in seiner Wohnsitzgemeinde unentgeltlich gearbeitet hat. Wenngleich angesichts seines ehrenamtlichen Engagements in der Wohnsitzgemeinde und seines jahrelangen Aufenthalts im Bundesgebiet durchaus von einer gewissen sozialen Vernetzung in Österreich auszugehen war, wurden von ihm keine Umstände ins Treffen geführt, denen zufolge diesen normalen Anknüpfungspunkten außergewöhnliches Gewicht beizumessen wäre. Auch damit hat er keine maßgebliche Änderung der Umstände aufgezeigt, die eine neuerliche Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK erfordern würde.
Auch der vorgelegte Leihvertrag über eine unentgeltliche Wohnmöglichkeit und der Nachweis einer Krankenversicherung machten keine Neubeurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK erforderlich.
Weitere Gründe, die eine maßgebliche Sachverhaltsänderung begründen würden, waren für das BVwG auch sonst nicht zu erkennen.
Zwischen der zuletzt ergangenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung sind nur zehn Monate vergangen. Sein Aufenthalt hat sich daher nicht maßgeblich verlängert. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ein „relativ geringer zeitlicher Abstand“ von ungefähr zwei Jahren (vgl. VwGH 22.07.2011, 2011/22/0138 bis 0141), aber auch ein etwas mehr als zweieinhalbjähriger Zeitablauf (vgl. VwGH 15.12.2011, 2010/21/0228), für sich allein noch keine maßgebliche Sachverhaltsänderung sei, die eine Neubeurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK erforderlich macht (VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196 mwN).
Zur Aufenthaltsdauer ist zusätzlich noch anzumerken, dass sich der BF auch nicht mehr als zehn Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält. Er hält sich seit Februar 2016 in Österreich auf und ist sohin mit einer Aufenthaltsdauer von sechs Jahren immer noch deutlich von einer zehnjährigen Aufenthaltsdauer entfernt, sodass er sich auch nicht auf die Judikatur des VwGH berufen kann, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist.
Auch im Hinblick auf seine Beziehung mit einer slowenischen Staatsangehörigen, welche in Slowenien wohnt, kamen seit der zuletzt ergangenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidung weder in der Antragsbegründung noch in der Beschwerdeschrift neue Umstände hervor.
Es ist zudem festzuhalten, dass eine allfällige seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung erfolgte Intensivierung seines Privatlebens im Bundesgebiet erst zu einem Zeitpunkt entstand, zu dem bereits zwei rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorgelegen sind, weshalb unter Berücksichtigung des erst kurzen Zeitraums seit Rechtskraft der Entscheidung des BVwG vom 06.05.2021 auszuschließen war, dass nun eine andere Beurteilung im Hinblick auf sein Privat- und Familienleben geboten wäre.
Insofern in der Beschwerde darauf hingewiesen wurde, dass der BF unbescholten und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei (AS 334), war anzumerken, dass die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes bloß aufgrund der weiterhin gegebenen Unbescholtenheit war daher nicht zu erkennen.
Von einer weiteren persönlichen Befragung des BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil sich aus Sicht des erkennenden Gerichts keine konkreten Anhaltspunkte für eine Ergänzungsbedürftigkeit des von der belangten Behörde geführten Ermittlungsverfahrens und des von ihr erhobenen Sachverhaltes ergaben. In der Beschwerde wurde nicht dargetan, welche entscheidungsdienlichen weiterführenden Erkenntnisse das Gericht aus einer neuerlichen Anhörung des BF gewinnen hätte können.
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zu A)
1.1. § 55 AsylG idgF lautet:
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
§ 58 AsylG lautet auszugsweise:
(1) […]
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) […]
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(5a) […]
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 5 des Amtssitzgesetzes – ASG, BGBl. I Nr. 54/2021, über einen Lichtbildausweis verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) – (12) […]
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14) […]
1.2. Eingangs war im Hinblick auf die in der Beschwerde gestellten Anträge, das BVwG möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und ihm ein Aufenthaltstitel nach § 55 Abs. 1 AsylG erteilt werde, festzuhalten, dass Sache des Beschwerdeverfahrens bei einer Zurückweisung ausschließlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung ist (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002; VwGH 26.02.2015, Ra 2014/22/0152; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082) und gegenständlich auch keine Rückkehrentscheidung durch das BFA erlassen wurde (vgl. VwGH 03.03.2022, Ra 2020/21/0400, Rz 14). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).
Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG als unzulässig zurück. Prüfungsgegenstand war daher nur, ob die Zurückweisung durch das BFA zu Recht erfolgt ist.
1.3.1. In Abschnitt E) des angefochtenen Bescheides hielt die belangte Behörde zunächst fest, dass der BF aufgrund der aufrechten Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot verbunden ist, bereits die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 1 Z. 1 AsylG nicht erfüllen würde. Darüber hinaus zog sie die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG in Erwägung und stellte fest, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht eingetreten sei. Zwischen dem Zeitpunkt der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung und der nunmehrigen Bescheiderlassung liege nur ein sehr kurzer Zeitraum, sodass sich auch der Inlandsaufenthalt des BF nicht wesentlich verlängert habe. Die Umstände seiner Lebensführung seien weitgehend unverändert. Mit seiner zwischenzeitlich erfolgten Teilnahme an der Integrationsprüfung A2 habe er keine maßgebliche Sachverhaltsänderung aufgezeigt. Es habe sich auch keine hinreichend konkrete Aussicht auf eine längere bzw. überhaupt vorhandene Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit ergeben, sodass von keiner Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen sei. Die vorgelegte Versicherungspolizze sei bereits im Erkenntnis des BVwG vom 13.12.2021 berücksichtigt worden. Auch dem vorgelegten Leihvertrag über eine unentgeltliche Wohnmöglichkeit sei keine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu entnehmen. Mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet sei auch keine Änderung im Familienleben zu erblicken. Unter Bedachtnahme auf diese Faktoren könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung derart wesentlich geändert habe, dass eine erneute Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gewesen wäre. Der gestellte Antrag stelle aus Sicht der Behörde zweifellos eine Umgehungshandlung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen dar.
Dem wurde in der Beschwerde mit Verweis auf die Judikatur des VwGH entgegengehalten, dass das Bestehen eines aufrechten Einreiseverbotes der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht von vornherein entgegenstehe. Seit der Entscheidung des BVwG vom 06.05.2021 seien berücksichtigungswürdige Neuumstände hinzugekommen, die eine ergänzende oder neue Abwägung nach Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätten.
1.3.2. Die Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist jener wegen entschiedener Sache nachgebildet, sodass die diesbezüglichen (zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten) Grundsätze herangezogen werden können. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann bzw. eine andere Entscheidung zumindest möglich ist. Die Behörde hat daher eine Prognose anzustellen, in deren Rahmen die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach jener Wertung zu beurteilen ist, die das geänderte Sachverhaltselement seinerzeit erfahren hat. Dabei sind die nach Art. 8 MRK relevanten Umstände einzubeziehen, indem zu beurteilen ist, ob es als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen nun eine andere Beurteilung geboten sein könnte (vgl. VwGH 26.06.2020, Ra 2017/22/0183, mit Hinweis auf die E vom 03.10.2013 ZI. 2012/22/0068).
Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt ist schon dann gegeben, wenn die geltend gemachten Umstände nicht von vornherein eine neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK ausgeschlossen erscheinen lassen (vgl. VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0444, mit Hinweis auf die E vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0356).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom BFA unter dem Gesichtspunkt „entschiedene Sache“ vorgenommenen Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist jener der Erlassung des behördlichen Bescheides. Es ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 58 Abs. 10 AsylG 2005, dass für das BFA maßgebliche Beurteilungsgrundlage nur das „Antragsvorbringen“ ist und dass das Verwaltungsgericht bloß die Richtigkeit der vom BFA – auf dieser Basis – ausgesprochenen Zurückweisung zu prüfen hat (vgl. VwGH 22.01.2021, Ra 2020/21/0520, mwN).
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 hat eine Interessenabwägung iSd Art. 8 MRK zu unterbleiben; das Verwaltungsgericht hat bloß die Richtigkeit der in erster Instanz ausgesprochenen Zurückweisung zu prüfen (vgl. VwGH 26.06.2020, Ra 2017/22/0183).
1.3.3. Den rechtlichen Ausführungen in der Beschwerde war insofern grundsätzlich zuzustimmen, dass einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht von Vornherein das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 60 Abs. 1 Z. 1 AsylG entgegensteht (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).
Gemäß den ErläutRV zu § 58 Abs. 10 FPG idF FNG 2014 (1803 BlgNR 24. GP 50) hat im Rahmen eines Verfahrens nach § 55 AsylG auch eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 oder 3 FPG verbunden ist, im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens zu erfolgen. Ergibt diese Neubewertung, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt iSd Art. 8 EMRK vorliegt, so ist der begehrte Aufenthaltstitel, ungeachtet des bestehenden Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 und 3 FPG, zu erteilen und die Rückkehrentscheidung wird gemäß § 60 Abs. 3 Z. 2 FPG gegenstandslos, sodass auch dem – deshalb ebenfalls gegenstandslos werdenden – Einreiseverbot der Boden entzogen ist. Vor diesem Hintergrund ist die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z. 1 AsylG dergestalt einschränkend auszulegen, dass sie sich – wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z. 2 AsylG ausdrücklich – nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG beziehen kann. Dieses Verständnis liegt auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe, ermöglicht es doch, Einreiseverbote, die mangels fristgerechter Ausreise des Drittstaatsangehörigen keiner Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FPG zugänglich sind, bei zwingenden Gründen des Art. 8 EMRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG gegenstandslos werden zu lassen (VwGH 12.2015, Ro 2015/21/0037 mit Verweis auf VfGH 03.12.2012, G 74/12).
Zwar wird vom BVwG nicht übersehen, dass die belangte Behörde rechtlich zunächst irrig annahm, dass eine aufrechte Rückkehrentscheidung gem. § 52 iVm § 53 Abs. 2 FPG vorliege und der BF „bereits deswegen schon eine der grundsätzlichen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 AsylG nicht“ erfülle (AS 309), jedoch wies sie den Antrag nicht aufgrund des Versagungsgrundes nach § 60 Abs. 1 Z. 1 AsylG ab, sondern stützte sie die Zurückweisung im Ergebnis auf den Tatbestand des § 58 Abs. 10 AsylG.
Im Zeitpunkt der zurückweisenden Entscheidung der belangten Behörde vom 18.03.2022 lag eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot vor. Das Erkenntnis des BVwG vom 06.05.2021, mit welchem unter anderem die Beschwerde gegen die vom BFA am 10.07.2020 erlassene Rückkehrentscheidung abgewiesen wurde, wurde durch Zustellung an den BF ordnungsgemäß erlassen und erwuchs am 07.05.2021 in Rechtskraft.
Es liegt daher unstrittig eine in Rechtskraft erwachsene Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot gegen den BF vor, weshalb die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages voraussetzt, dass aus dem Antragsvorbringen kein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht. Ausgangspunkt für die behördliche Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzung war daher der im Erkenntnis des BVwG vom 06.05.2021 festgestellte Sachverhalt in Bezug auf das hiesige Privat- und Familienleben des BF (vgl. VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196; VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0173), dieser in Relation gesetzt zum im nunmehrigen erstinstanzlichen Verfahrensgang hervorgekommenen Sachverhalt.
1.3.4. Wie oben in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, konnte der BF im gegenständlichen Verfahrensgang mit den nunmehr „neu“ vorgebrachten Umständen sein hiesiges Privat- und Familienleben betreffend keine maßgebliche Änderung zum schon im Folgeantragsverfahren in diesem Zusammenhang festgestellten Sachverhalt aufzeigen.
Es war sohin in Übereinstimmung mit der Beurteilung des BFA festzuhalten, dass zwischenzeitlich keine maßgebliche Änderung seiner hiesigen privaten und familiären Interessen eingetreten ist, die eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machen würde, folglich war eine neue Beurteilung des Sachverhalts aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK von vornherein ausgeschlossen.
In Anbetracht dessen hat die belangte Behörde den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 08.03.2022 zu Recht gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen, sodass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das BFA von der Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung im Hinblick auf § 59 Abs. 5 FPG Abstand nahm, da gegen den BF eine aufrechte und mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung vorliegt und für die Behörde offensichtlich keine neuen Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorgekommen sind (vgl. VwGH 10.09.2021, Ra 2021/14/0256). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des (bescheidmäßigen) Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Eine Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und der Abschiebung war nicht Inhalt des Spruchs des bekämpften Bescheids und daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
2. Im Zusammenhang mit einer Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG ist die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht einschlägig, sondern die Frage nach dem zulässigen Unterbleiben einer Verhandlung auf der Basis des § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG zu beurteilen. Demnach kann eine Verhandlung (unter anderem) dann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenso bereits klargestellt, dass es in den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG im Ermessen des Verwaltungsgerichts liegt, trotz Antrag eine mündliche Verhandlung nicht durchzuführen (VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196, mwN).
Vorliegend war das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung durch § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG gedeckt, zumal der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen war.
3. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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