BVwG I404 2201996-1

BVwGI404 2201996-113.1.2022

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:I404.2201996.1.00

 

Spruch:

 

I404 2201996-1/28E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.12.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 21.10.2013 gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau und seinem Stiefsohn einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag zusammengefasst damit begründete, dass er im Irak bei der Sicherheitspolizei angestellt gewesen sei und von einer iranischen Gruppe aufgefordert worden sei, Häftlinge zu entlassen. Da er dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, wären er und seine Familie mit dem Tode bedroht worden.

2. Die in der Folge durchgeführte EURODAC-Anfrage ergab, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2011 in den Niederlanden und im Jahr 2013 in Bulgarien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, weshalb die belangte Behörde Konsultationen nach der Dublin-VO mit diesen beiden Staaten aufnahm.

3. Am 05.03.2014 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefasst an, dass er Sicherheitsoffizier gewesen wäre und es seine Aufgabe gewesen sei, Terroristen festzunehmen und über diese Akten anzulegen. Es wären dann von Regierungsstellen Befehle gekommen, bestimmte Akten zu überliefern, womit er nicht einverstanden gewesen sei. Er habe daher abgelehnt und habe ihn daraufhin ein befreundeter Offizier gewarnt, dass er getötet werden solle. Es habe außerdem bereits im Jahr 2009 ein Attentat auf ihn gegeben und sei der Beschwerdeführer daraufhin nach Holland geflüchtet. In Holland sei ihm Asyl gewährt worden, jedoch wären nach einem Jahr Leute des irakischen Geheimdienstes zu ihm gekommen und hätten gesagt, dass seine Familie im Irak verhaftet worden sei und getötet werde, wenn er nicht in den Irak zurückkehre. Er sei daraufhin zurückgekehrt und wäre dann seine Schwester und ihr Mann getötet worden, sein Vater ins Gefängnis gekommen und ein Bruder verhaftet worden.

4. Am 26.06.2015 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde erneut niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er dabei zusammengefasst an, dass er vor seiner Ausreise für zwei Monate inhaftiert und gefoltert wurde. Nach seiner Entlassung habe er wieder eine Stelle als Offizier bei der Sicherheitspolizei erhalten.

5. Am 06.07.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zum dritten Mal niederschriftlich einvernommen und gab er dabei an, von seiner Ehefrau seit März 2017 geschieden zu sein. Zum Fluchtgrund befragt gab er im Wesentlichen an, als Geheimdienstoffizier unter Saddam Hussein Beschuldigte einvernommen zu haben. Wegen dieser Tätigkeit sei er 2005 von Milizen festgenommen worden und eineinhalb Jahre in Haft gewesen. Nach seiner Freilassung sei er zum Geheimdienst zurückgekehrt, bis er 2010 nach Holland geflüchtet sei.

6. Zur Beurteilung der vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen ersuchte die belangte Behörde den Sachverständigen DDr. Ernst R um Beurteilung der Situation des Beschwerdeführers aus medizinischer Sicht und erstattet der Sachverständige am 10.11.2017 eine „Medizinische Befundinterpretation“.

7. Der belangten Behörde wurde zwischenzeitlich die ablehnende Entscheidung zum Asylantrag des Beschwerdeführers aus den Niederlanden vom 02.12.2011 übermittelt und beauftragte sie in der Folge die Übersetzung, welche ihr am 11.03.2018 übermittelt wurde.

8. Dazu wurde der Beschwerdeführer am 04.04.2018 niederschriftlich einvernommen und gab er dabei auf Vorhalt zahlreicher Widersprüche zwischen seinen Angaben in Holland und jenen im gegenständlichen Verfahren im Wesentlichen an, dass er in Holland nicht die Wahrheit gesagt habe bzw. nicht alles erzählt habe, um keine Nachteile zu haben.

9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.06.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (erster Spruchpunkt) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (zweiter Spruchpunkt) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (dritter Spruchpunkt), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (vierter Spruchpunkt) und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (fünfter Spruchpunkt). Für die freiwillige Ausreise wurde eine 14-tägige Frist gewährt (sechster Spruchpunkt). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben nicht glaubhaft sei und ihm keine Gefährdung durch schiitische Milizen oder auch staatliche Organe drohe.

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine damalige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 03.07.2018 rechtzeitig und zulässig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers durchgängig und eklatant und aus sich heraus nicht erklärbar wären, weshalb die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zur Abklärung der Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers beantragt werde.

11. Am 05.02.2020 brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen zu seiner medizinischen Situation in Vorlage.

12. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.02.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I404 neu zugewiesen.

13. Am 31.05.2021 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung eine „Auskunft über die psychologische Behandlung“ der Psychologin Mag. Maria H der Volkshilfe, datiert vom 25.05.2021.

14. Das Bundesverwaltungsgericht ersuchte die Staatendokumentation am 08.10.2021 um Beantwortung der Fragen:

„- Gibt es im Zusammenhang mit der s.g. „Ent-Ba‘athifizierung" nach wie vor Berichte über eine Verfolgung ehemaliger Mitglieder der Baath-Partei in Bagdad?

- Gibt es Berichte über eine Bedrohung für ehemalige Mitglieder des irakischen Geheimdienstes, welche unter Saddam Hussein (bis 2003) tätig waren, in Bagdad?

- Gibt es Berichte über eine Bedrohung für ehemalige Mitglieder des irakischen Geheimdienstes, welche im Zeitraum 2007 bis 2013 tätig waren, in Bagdad?“

und erstattete die Staatendokumentation die entsprechende Anfragebeantwortung am 18.11.2021.

15. Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer am 07.12.2021 neuerlich medizinische Unterlagen, darunter wiederum eine „Auskunft über die psychologische Behandlung“ seiner Psychologin vom 16.11.2021, in Vorlage. Ebenfalls vorgelegt wurde ein Befund des Psychiaters Dr. Gerold W, welcher den Beschwerdeführer am 02.12.2021 behandelte. Demnach würde der Beschwerdeführer an einer Anpassungsstörung und verlängerten depressiven Reaktion leiden, eine schwere depressive Episode, Psychose oder Selbstmordgefährdung sei jedoch nicht erkennbar.

16. Mit Parteiengehör vom 07.12.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mehrere Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation und bot ihm die Möglichkeit, dazu im Rahmen der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.

17. Am 16.12.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertreterin abgehalten, in der der Beschwerdeführer befragt und die Sach- und Rechtslage erörtert wurden. Dabei wiederholte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers den bereits im Beschwerdeschriftsatz gestellten Antrag, ein psychiatrisches Gutachten zur Abklärung der Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers einzuholen. Dieser Antrag wurde von der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der 51-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, stammt aus Bagdad und bekennt sich zum moslemischen Glauben, sunnitische Richtung. Er gehört der Volksgruppe der Araber an, ist geschieden und kinderlos. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Hinsichtlich seines psychischen Gesundheitszustandes wurde beim Beschwerdeführer eine depressive Anpassungsstörung und eine verlängerte depressive Reaktion diagnostiziert. Diesbezüglich befindet sich der Beschwerdeführer seit August 2019 in laufender Psychotherapie und wird er gegenwärtig medikamentös mit Escitalopram Ex, Venlafaxin retard 150mg, Trittico retard 150mg und Quetialan 25mg behandelt. Eine schwere depressive Episode, Psychose oder konkrete Selbstmordgefährdung liegt nicht vor. In physischer Hinsicht leidet der Beschwerdeführer an einer Schilddrüsenunterfunktion, welche mit Euthyrox 125mg behandelt wird. Außerdem nimmt er derzeit Allopurinol 300mg und Naproxen ein. Zudem erlitt er im Irak eine Schussverletzung, welche bereits in den Niederlanden und erneut in Österreich komplikationslos operativ behandelt wurde und mittlerweile ausgeheilt ist.

Alle benötigten Behandlungen und Medikamente sind in Bagdad erhältlich und ist der Beschwerdeführer grundsätzlich erwerbsfähig.

In Bagdad besuchte der Beschwerdeführer zwölf Jahre die Schule und absolvierte im Anschluss ein Studium der Politikwissenschaften. Entgegen seinem Vorbringen kann nicht festgestellt werden, dass er im Anschluss bei einer irakischen Sicherheitsbehörde beschäftigt war. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers kann auch nicht festgestellt werden, welcher beruflichen Tätigkeit er zu welchem Zeitpunkt nachgegangen ist.

Im Jahr 2011 verließ der Beschwerdeführer den Irak und stellte in den Niederlanden einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher am 02.12.2011 abgelehnt wurde. Der Beschwerdeführer kehrte daraufhin 2012 nach Bagdad zurück und reiste im Juli 2013 auf legalem Weg in die Türkei aus. Im Anschluss gelangte er schlepperunterstützt illegal nach Österreich, wo er am 21.10.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält.

Der Beschwerdeführer reiste mit seiner damaligen Ehefrau und deren Sohn nach Österreich ein und kam es im Jahr 2017 zur Scheidung. Zu seiner Exfrau und ihrem Sohn besteht kein Kontakt mehr und lebt der Beschwerdeführer auch nicht in einer Beziehung.

Im Irak leben nach wie vor Angehörige des Beschwerdeführers, wobei dazu aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben keine näheren Feststellungen getroffen werden können.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er hat keinen Deutschkurs besucht und spricht nicht Deutsch. Er hat sich nicht ehrenamtlich betätigt und ist kein Mitglied eines Vereins. Er hat in Österreich zwei Freunde, verfügt jedoch ansonsten über keine familiären oder maßgeblichen privaten Beziehungen im Bundesgebiet.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 05.06.2014, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt. Die Verurteilung ist mittlerweile getilgt.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war entgegen seinem Vorbringen weder unter Saddam Hussein noch zu einem sonstigen Zeitpunkt Angehöriger einer irakischen Sicherheitsbehörde und vor seiner Ausreise keiner individuellen und aktuellen Verfolgung wegen einer solchen Zugehörigkeit ausgesetzt und wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Fall seiner Rückkehr in den Irak nicht einer solchen Gefahr ausgesetzt sein.

Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Irak wird der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Irak:

Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen, soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:

COVID-19

Auswirkungen auf die Bewegungs- und die Versammlungsfreiheit

Im März und April 2020 verhängte die Regierung in Bagdad Sperren aufgrund von COVID-19, welche die Bewegungsfreiheit zwischen den Provinzen stark einschränkten und zur Schließung der Grenzübergänge führten (FH 3.3.2021). Die im föderalen Irak am 9.6.2021 verhängte Ausgangssperre ist noch aktiv. Ausgangssperren gelten zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr und sind von Freitag bis Sonntag zusätzlich verschärft (IOM 18.6.2021).

Im April und Mai 2020 nutzten die Behörden im Irak die COVID-19-Maßnahmen, um Proteste niederzuschlagen und die Pressefreiheit, das Versammlungsrecht und die Aktivitäten der Opposition stark einzuschränken (FH 3.3.2021).

Nutzer sozialer Medien und Blogger wurden mit Verleumdungsklagen konfrontiert, weil sie die schlechte Reaktion der lokalen Behörden auf die COVID-19-Pandemie kritisierten (FH 3.3.2021).

Auswirkungen auf die Religionsfreiheit

Die Hadsch- und Umrah-Behörde registriert keinen Bürger, der die Umrah- und Hadsch-Pilgerreise antreten möchte, wenn dieser keinen Impfnachweis vorweisen kann (GoI 13.4.2021).

Auswirkungen auf die Wirtschaftslage

Die von den irakischen Behörden und der kurdischen Regionalregierung (KRG) verhängten Abriegelungen verschlimmerten die finanziellen Nöte von Niedriglohnarbeitern und Kleinunternehmern (FH 3.3.2021). Die Erwerbsbeteiligung im Irak war mit 48,7% im Jahr 2019 bereits vor der Ausbreitung des COVID-19-Virus eine der niedrigsten in der Welt. Der wirtschaftliche Abschwung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat die Beschäftigungsmöglichkeiten deutlich verringert und die Löhne gesenkt. Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) wurde aufgrund der Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen ab April 2020 ein durchschnittlicher Beschäftigungsrückgang von 40% verzeichnet. Am stärksten betroffen waren KMUs im Baugewerbe und in der verarbeitenden Industrie, mit einem Verlust von 52% der Arbeitsplätze, gefolgt vom Lebensmittel- und Agrarsektor, mit einem Verlust von 45% der Arbeitsplätze (IOM 18.6.2021).

Seit dem Ausbruch der Corona-Krise haben staatliche Angestellte im gesamten Land keine regelmäßige und volle Gehaltsauszahlung erhalten (GIZ 1.2021b). Die irakische Regierung hat Schwierigkeiten, die Löhne und Gehälter der sechs Millionen im öffentlichen Sektor Angestellten zu zahlen. Millionen Menschen, die im privaten und informellen Sektor gearbeitet haben, haben ihren Arbeitsplatz und ihre Lebensgrundlage verloren. Nach Schätzungen von UNICEF und der Weltbankgruppe leben im Jahr 2020 schätzungsweise 4,5 Millionen Iraker unter die Armutsgrenze von 1,90 USD pro Tag (IOM 18.6.2021).

Auswirkungen auf die medizinische Versorgung

Die COVID-19-Pandemie hat das ohnehin schon marode irakische Gesundheitswesen stark in Mitleidenschaft gezogen, das mit der großen Zahl von Menschen, die sich mit dem Virus infiziert haben, nur schwer zurechtkommt (FH 3.3.2021).

Anfang 2020, zu Beginn der COVID-19-Krise, pausierten die Gesundheitseinrichtungen die meisten Dienstleistungen und konzentrierten sich auf die Erforschung des Virus und seine Auswirkungen. Im September 2020 nahm der öffentliche Gesundheitssektor seine Arbeit und seine Dienste wieder auf, mit zusätzlichen Vorschriften wie z. B., dass Krankenhäuser nur nach Terminvereinbarung aufgesucht werden dürfen, strengere Hygienemaßnahmen, und dass medizinisches Personal im Rotationsverfahren eingesetzt wird, was längere Wartezeiten zur Folge hat (IOM 18.6.2021).

Im Jahr 2021 arbeiteten sowohl der öffentliche als auch der private Gesundheitssektor fast wieder auf normalem Niveau, jedoch mit hohen Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 auf Anweisung des irakischen Gesundheitsministeriums (MoH) (IOM 18.6.2021).

Eine Umfrage deutet darauf hin, dass im Jahr 2020, infolge der COVID-Krise, die Zahl der Rückkehrerhaushalte, die mehr als 20% ihrer monatlichen Gesamtausgaben für Gesundheit oder Medikamente ausgeben, stark auf 38% gestiegen ist (gegenüber 7% im Jahr 2019) (IOM 18.6.2021).

Auswirkungen auf den Bildungszugang

Als Sofortmaßnahme gegen die COVID-19-Pandemie hat das Bundesbildungsministerium Ende Februar 2020 alle Schulen im Irak schließen lassen (UNICEF 20.1.2021). Die Schulen waren von März bis November 2020 geschlossen. Kinder ohne Zugang zu digitalen Lernmöglichkeiten, insbesondere Kinder von Vertriebenen und in Armut lebenden Familien, sind besonders vom Bildungsverlust betroffen. Besonders hart betroffen sind jene Kinder, die bereits vor der Pandemie durch das Leben unter IS-Herrschaft mehrere Jahre an Bildungszugang verloren haben (HRW 13.1.2021). Ende November 2020 wurden die Schulen wieder geöffnet, mit einem Tag Präsenzunterricht pro Woche für jede Klasse (UNICEF 20.2.2021).

Quellen:

 FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html , Zugriff 3.3.2021

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021b): Irak - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

 GoI - Government of Iraq (13.4.2021): Covid-19: Iraqi government amends curfew hours, announces other measures, https://gds.gov.iq/covid-19-iraqi-government-amends-curfew-hours-announces-other-measures/ , Zugriff 25.8.2021

 Gov.KRD - Kurdistan Regional Governemnet (30.6.2021): Situation Update Coronavirus (COVID-19), https://gov.krd/coronavirus-en/situation-update/ , Zugriff 25.8.2021

 HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html , Zugriff 10.2.2021

 IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Zugriff 21.6.2021

 UNICEF - UN Children's Fund, Central Statistical Organization (20.1.2021): Iraq Humanitarian Situation Report (IDP Crisis): End-Year 2020, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNICEF%20Iraq%20Humanitarian%20Situation%20Report%20%28IDP%20Crisis%29%20-%20End-Year%202020.pdf , Zugriff 25.8.2021

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage im Irak hat sich seit dem Ende der groß angelegten Kämpfe gegen den sog. Islamischen Staat (IS) erheblich verbessert (FH 3.3.2021). Derzeit ist es jedoch staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen (AA 22.1.2021). Der sog. IS ist zwar offiziell besiegt, stellt aber weiterhin eine Bedrohung dar, und es besteht die ernsthafte Sorge, dass die Gruppe wieder an Stärke gewinnt (DIIS 23.6.2021). Zusätzlich agieren insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen eigenmächtig. Die ursprünglich für den Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar (AA 22.1.2021). Die Volksmobilisierungskräfte (PMF) haben erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Lage im Irak und nutzen ihre Stellung zum Teil, um unter anderem ungestraft gegen Kritiker vorzugehen. Immer wieder werden Aktivisten ermordet, welche die vom Iran unterstützten PMF öffentlich kritisiert haben (DIIS 23.6.2021). Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 22.1.2021). Siehe hierzu Kapitel: Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha‘bi

Im Jahr 2020 blieb die Sicherheitslage in vielen Gebieten des Irak instabil (USDOS 30.3.2021). Die Gründe dafür liegen in sporadischen Angriffen durch den sog. IS (UNSC 30.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021), in Kämpfen zwischen den irakischen Sicherheitskräften (ISF) und dem IS in dessen Hochburgen in abgelegenen Gebieten des Irak, in der Präsenz von Milizen, die nicht vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen, einschließlich bestimmter Volksmobiliserungskräfte (PMF) sowie in ethno-konfessioneller und finanziell motivierter Gewalt (USDOS 30.3.2021).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA, die am 3.1.2020 in der gezielten Tötung von Qasem Soleimani, Kommandant des Korps der Islamischen Revolutionsgarden und der Quds Force, und Abu Mahdi al-Muhandis, Gründer der Kataib Hisbollah und de facto Anführer der Volksmobilisierungskräfte, bei einem Militärschlag am Internationalen Flughafen von Bagdad gipfelten, haben einen destabilisierenden Einfluss auf den Irak (DIIS 23.6.2021). Schiitische Milizenführer drohen regelmäßig damit, die von den USA unterstützten Streitkräfte im Irak anzugreifen. Anschläge mit Sprengfallen (IEDs) gegen militärische Versorgungskonvois der USA sind im Irak an der Tagesordnung. Es wird häufig über Anschläge in der südlichen Region des Landes berichtet, darunter in den Gouvernements Babil, Basra, Dhi Qar, Qadisiyyah und Muthanna. Aber auch aus den zentralen Gouvernements Bagdad, Anbar und Salah ad-Din wurden Anschläge gemeldet. Konvois werden oft auf Autobahnen angegriffen, wobei diese Vorfälle selten Opfer oder größere Schäden zur Folge haben (Garda 15.7.2021). Die Zahl der Angriffe pro-iranischer Milizen hat ihren bisherigen monatlichen Höhepunkt mit 26 im April 2021 erreicht und ist seitdem zurückgegangen. Diese Gruppen versuchen, die US-Präsenz im Irak einzuschränken, was ihr auch gelungen ist, da sich die Amerikaner nun auf den Schutz ihrer Truppen konzentrieren, anstatt mit den irakischen Sicherheitskräften zusammenzuarbeiten (Wing 2.8.2021).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 22.1.2021).

Im Nordirak führt die Türkei zum Teil massive militärische Interventionen durch, die laut der Türkei gegen die PKK gerichtet sind, und die Türkei unterhält temporäre Militärstützpunkte (GIZ 1.2021a). Die Gründung weiterer Militärstützpunkte ist geplant (Reuters 18.6.2020).

Die Regierungen in Bagdad und Erbil haben im Mai 2021 eine Vereinbarung über den gemeinsamen Einsatz ihrer Sicherheitskräfte (ISF und der Peshmerga) in den Sicherheitslücken zwischen den von ihnen kontrollierten Gebieten getroffen (Rudaw 14.5.2021; vgl. Rudaw 21.6.2021). Seitdem wurden mehrere "Gemeinsame Koordinationszentren" eingerichtet (Rudaw 21.6.2021). In vier neuen Gemeinsamen Koordinationszentren, in Makhmour, in Diyala, in Kirkuks K1 Militärbasis und in Ninewa, werden kurdische und irakische Kräfte zusammenarbeiten und Informationen austauschen, um den sog. IS in diesen Gebieten zu bekämpfen (Rudaw 25.5.2021). - Jene Sicherheitslücken werden vom sog. IS erfolgreich ausgenutzt. In einigen Gebieten ist die Sicherheitslücke bis zu 40 Kilometer breit. Der sog. IS gewinnt dort an Stärke und führt tödliche Angriffe auf kurdische und irakische Kräfte und Zivilisten durch (Rudaw 14.5.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

 DIIS - Danish Institute for international Studies (23.6.2021): Security provision and external actors in Iraq, https://www.diis.dk/en/research/security-provision-and-external-actors-in-iraq , Zugriff 25.8.2021

 FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html , Zugriff 3.3.2021

 Garda World (15.7.2021): Iraq: Improvised explosive device targets convoy carrying military supplies in Dhi Qar Governorate July 15, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/502161/iraq-improvised-explosive-device-targets-convoy-carrying-military-supplies-in-dhi-qar-governorate-july-15 , Zugriff 25.8.2021

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/ , Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

 Reuters (18.6.2020): Turkey plans more military bases in north Iraq after offensive: official, https://www.reuters.com/article/us-turkey-security-iraq/turkey-plans-more-military-bases-in-north-iraq-after-offensive-official-idUSKBN23P12U , Zugriff 16.3.2021

 Rudaw (21.6.2021): Coalition ‘very happy’ with Peshmerga reform, Kurdish-Iraqi coordination: colonel, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/210620212 , Zugriff 21.6.2021

 Rudaw (25.5.2021): In Makhmour, Iraqi and Kurdish forces collaborate against common enemy ISIS, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/25052021 , Zugriff 21.6.2021

 Rudaw (14.5.2021): Erbil, Baghdad agree on joint deployment to combat ISIS threat: Peshmerga ministry, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/14052021 , Zugriff 21.6.2021

 UNSC - United Nations Security Council (30.3.2021): Conflict-related sexual violence; Report of the Secretary-General [S/2021/312], https://www.ecoi.net/en/file/local/2049397/S_2021_312_E.pdf , Zugriff 1.4.2021

 USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html , Zugriff 1.4.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (2.8.2021): Violence Picks Up Again In Iraq In July 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/08/violence-picks-up-again-in-iraq-in-july.html , Zugriff 25.8.2021

Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den gesamten Irak im Lauf des Monats Jänner 2021 77 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 92 Toten (46 Zivilisten) und 176 Verwundeten (125 Zivilisten) verzeichnet. 64 dieser Vorfälle werden dem sog. Islamischen Staat (IS) zugeschrieben und 13 pro-iranischen Milizen. Die meisten Opfer gab es in Bagdad mit 145, gefolgt von 36 in Diyala, 28 in Ninewa und 26 in Salah ad-Din (Wing 4.2.2021). Im Februar 2021 waren es 63 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 39 Toten (elf Zivilisten) und 77 Verwundeten (elf Zivilisten). 47 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 16 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Diyala mit 38, gefolgt von 26 in Kirkuk und 21 in Anbar (Wing 8.3.2021). Im März 2021 waren es 79 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 39 Toten (16 Zivilisten) und 44 Verwundeten (14 Zivilisten). 59 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 20 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Salah ad-Din mit 22, gefolgt von 19 in Diyala und 18 in Kirkuk (Wing 5.4.2021). Im April 2021 waren es 107 Vorfälle mit 54 Toten (19 Zivilisten) und 132 Verwundeten (52 Zivilisten). 80 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 27 pro-iranischen Milizen. Diyala hatte mit 62 die meisten Opfer zu beklagen, gefolgt von 39 in Kirkuk, 30 in Bagdad, 24 in Salah ad-Din und 22 in Ninewa (Wing 3.5.2021). Im Mai 2021 waren es 113 Vorfälle mit 59 Toten (elf Zivilisten) und 100 Verwundeten (24 Zivilisten). 89 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 24 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Kirkuk mit 53, gefolgt von 31 in Salah ad-Din, 26 in Diyala und 19 in Anbar (Wing 7.6.2021). Im Juni 2021 wurden 83 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Dabei wurden 36 Menschen (16 Zivilisten) getötet und 87 verwundet (50 Zivilisten). 62 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 17 pro-iranischen Milizen. Vier weitere Vorfälle konnten nicht zugewiesen werden. Die meisten Opfer gab es in Bagdad mit 47, gefolgt von 31 in Diyala und 23 in Kirkuk (Wing 6.7.2021). Im Juli 2021 waren es 107 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 106 Toten (76 Zivilisten) und 164 (114 Zivilisten) Verwundeten. 90 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 17 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Bagdad, wo ein Bombenanschlag 101 Opfer forderte, gefolgt von 65 in Salah ad-Din, 33 in Anbar, 25 in Diyala, 21 in Kirkuk und 20 in Ninewa (Wing 2.8.2021). Im August 2021 wurden schließlich 103 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 54 Toten (15 Zivilisten) und 82 Verwundeten (34 Zivilisten) verzeichnet. 73 der Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 30 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Salah ad-Din mit 48, gefolgt von 23 in Kirkuk, 19 in Bagdad und 18 in Diyala (Wing 6.9.2021).

Quellen:

 ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (25.3.2021): Iraq, third quarter 2020: Update on incidents according to the Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050684/2020q3Iraq_en.pdf , Zugriff 25.8.2021

 IBC - Iraq Bodycount (8.2021): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/ , Zugriff 25.8.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (6.9.2021): Islamic State’s Summer Offensive In Iraq Ends In August, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/09/islamic-states-summer-offensive-in-iraq.html , Zugriff 7.9.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (2.8.2021): Violence Picks Up Again In Iraq In July 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/08/violence-picks-up-again-in-iraq-in-july.html , Zugriff 25.8.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (6.7.2021): Security In Iraq June 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/07/security-in-iraq-june-2021.html , Zugriff 25.8.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (7.6.2021): Islamic State’s Offensive Appears Over While Pro-Iran Groups Maintain Campaign In May 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/06/islamic-states-offensive-appears-over.html , Zugriff 25.8.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (3.5.2021): Islamic State Ramadan Offensive Begins, Pro-Iran Groups Increase Attacks In April 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/05/islamic-state-ramadan-offensive-begins.html , Zugriff 25.8.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (5.4.2021): Violence In Iraq, March 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/04/violence-in-iraq-march-2021.html ,Zugriff 25.8.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (8.3.2021): IS Winter Break Continues In Feb While Pro-Iran Groups Picking Up Attacks, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/03/is-winter-break-continues-in-feb-while.html , Zugriff 25.8.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (4.2.2021): Violence Continues To Decline In Iraq Winter 2020-21, https://musingsoniraq.blogspot.com/2021/02/violence-continues-to-decline-in-iraq.html , Zugriff 25.8.2021

Sicherheitslage Bagdad

Das Gouvernement Bagdad ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, das seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Gebiete (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmiya, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten "Bagdader Gürtel" (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 Kilometern um die Stadt Bagdad liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).

Im Ort Tarmiya im nördlichen Teil des Gouvernement Bagdad, hat der sog. Islamische Staat (IS) eine Zelle reaktiviert (Wing 2.8.2021). Im August 2021 haben Sicherheitskräfte eine Operation gegen diese IS-Zelle gestartet, nachdem der IS seine Angriffe in den vorangegangenen Monaten verstärkt hatte (Anadolu 23.8.2021). Seit Beginn des Sommers 2021 häufen sich Angriffe auf das irakische Stromnetz, das ohnehin bereits mit schweren Stromengpässen zu kämpfen hat. Mitte August 2021 wurde beispielsweise bei Tarmiya ein Strommast gesprengt, der die dortige Pumpstation mit Strom versorgt. Deren Stillstand hatte den Ausfall der Wasserversorgung für mehrere Millionen Menschen im Westen Bagdads zur Folge. Diese Angriffe werden von den Behörden terroristischen Kräften oder dem IS zugeschrieben (AN 14.8.2021).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA, die am 3.1.2020 in der gezielten Tötung von Qasem Soleimani, Kommandant des Korps der Islamischen Revolutionsgarden und der Quds Force und Abu Mahdi al-Muhandis, Gründer der Kata'ib Hisbollah und de facto Anführer der Volksmobilisierungskräfte bei einem Militärschlag am Internationalen Flughafen von Bagdad gipfelten, haben einen destabilisierenden Einfluss auf den Irak (DIIS 23.6.2021).

Pro-iranische schiitische Milizenführer drohen regelmäßig damit, die von den USA unterstützten Streitkräfte im Irak anzugreifen. Unter anderem werden auch aus dem Gouvernement Bagdad Anschläge mit Sprengfallen (IEDs) gegen militärische Versorgungskonvois der USA gemeldet. Konvois werden oft auf Autobahnen angegriffen, wobei diese Vorfälle selten Opfer oder größere Schäden zur Folge haben (Garda 15.7.2021). Pro-iranische Milizen werden auch für Raketen- und Drohnenangriffe auf den Internationalen Flughafen Bagdad und auf die sogenannte Grüne Zone (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandsvertretungen beherbergt) verantwortlich gemacht. Siehe dazu die folgende Auflistungen der monatlichen sicherheitsrelevanten Vorfälle:

Im Jänner 2021 wurden im Gouvernement Bagdad zehn sicherheitsrelevante Vorfälle mit 34 Toten und 111 Verletzten verzeichnet. 32 der Toten und 110 der Verletzten waren Zivilisten. Sechs dieser Vorfälle werden dem sog. IS zugeschrieben, vier pro-iranischen Milizen (Wing 4.2.2021). Der IS hat im Jänner 2021 einen doppelten Selbstmordanschlag auf einem Markt am Tayaran-Platz im Zentrum Bagdads ausgeführt, bei dem 32 Menschen getötet und 110 verletzt wurden (Al Arabiya 19.7.2021; vgl. BBC 21.1.2021, Wing 4.2.2021). Pro-iranische Milizen zeichneten sich verantwortlich für drei IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der USA und für den Raketenbeschuss des Internationalen Flughafens Bagdad (Wing 4.2.2021).

Im Februar 2021 wurden zehn Vorfälle mit vier Toten und drei Verletzten verzeichnet. Je fünf Vorfälle werden dem IS und pro-iranischen Milizen zugeschrieben. Bei den IS-Vorfällen handelte es sich, bis auf ein Feuergefecht in Tarmiya im Norden Bagdads, um Angriffe von geringem Ausmaß. Bei vier der pro-iranischen Vorfälle handelte es sich um IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der USA, beim fünften um einen Raketenbeschuss der Grünen Zone in Bagdad (Wing 8.3.2021).

Im März 2021 gab es zehn sicherheitsrelevante Vorfälle mit drei Toten und sieben Verletzten, davon waren zwei der getöteten und sechs der verwundeten Personen Zivilisten. Acht dieser Vorfälle werden dem sog. IS, zwei weitere pro-iranischen Milizen zugeschrieben. Die IS-Angriffe umfassten unter anderem ein Feuergefecht, den Einsatz einer Motorradbombe und den Angriff auf das Haus eines Sheikhs mit einem Sprengsatz. Tarmiya, ein Ort im Norden Bagdads, von dem aus eine IS-Zelle operiert, war hauptsächlich von den IS-Übergriffen betroffen. Bei den pro-iranischen Vorfällen handelte es sich um zwei IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der USA (Wing 5.4.2021).

Im April 2021 wurden im Gouvernement Bagdad sieben sicherheitsrelevante Vorfälle mit sieben Toten und 23 Verletzten verzeichnet. Vier dieser Vorfälle werden dem IS, drei pro-iranischen Milizen zugeschrieben (Wing 3.5.2021). Bei einem der IS-Angriffe handelte es sich um einen Anschlag unter Verwendung einer Autobombe auf einem Markt in Sadr City, bei dem vier Menschen getötet und 20 verwundet wurden (Al Arabiya 19.7.2021; vgl. Garda 15.4.2021, Wing 3.5.2021). Bei den pro-iranischen Vorfällen handelte es sich wiederum um zwei IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der USA sowie um Raketenbeschuss einer Militärbasis (Wing 3.5.2021).

Im Mai 2021 wurden neun sicherheitsrelevante Vorfälle mit 16 Toten verzeichnet, von denen zwei Zivilisten waren. Sieben Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, wobei sich sechs im nördlichen Tarmiya Distrikt ereigneten. Zwei Vorfälle, ein Raketenbeschuss des Internationalen Flughafens Bagdad und ein vereitelter Angriff, werden pro-iranischen Milizen zugeschrieben (Wing 7.6.2021).

Im Juni 2021 wurden 16 sicherheitsrelevante Vorfälle mit acht Toten und 39 Verletzten verzeichnet. Sieben der Toten und 36 der Verletzten waren zivile Opfer. Zehn der Vorfälle werden dem sog. IS zugeschrieben. Sechs der sicherheitsrelevante Vorfälle, unter anderem ein IED-Angriff auf einen Versorgungskonvoi der USA sowie zwei Drohnenangriffe auf den Internationalen Flughafen Bagdad, werden pro-iranischen Milizen zugeschrieben. Weitere Angriffe konnten verhindert werden (Wing 6.7.2021).

Im Juli 2021 wurden im Gouvernement Bagdad 18 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten, davon 38 Zivilisten, und 59 zivile Verletzte verzeichnet. 14 dieser Vorfälle werden dem sog. IS zugeschrieben (Wing 2.8.2021). Am 19.7.2021 führte der IS ein Selbstmordattentat in einem Markt in Sadr City aus, bei dem 35 Menschen getötet und 59 verletzt wurden (Al Arabiya 19.7.2021; vgl. Wing 2.8.2021). Vier Vorfälle, ein IED-Angriff gegen einen Versorgungskonvoi der USA, zwei Raketenbeschüsse der Grünen Zone sowie die Entschärfung einer Rakete, werden pro-iranischen Milizen zugeschrieben (WIng 2.8.2021).

Im August 2021 wurden zehn Vorfälle, mit acht Toten und elf Verwundeten verzeichnet, wobei zwei der Verwundeten Zivilisten waren. Sechs Angriffe werden dem sog. IS zugeordnet, vier pro-iranischen Milizen (Wing 6.9.2021). Der IS war im Gouvernement Bagdad neuerlich in Tarmiya am aktivsten, wo unter anderem ein PMF-Brigade-Hauptquartier angegriffen wurde. Bei den vier Vorfällen unter Beteiligung pro-iranischen Milizen handelt es sich um IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der US-Streitkräfte (Wing 6.9.2021).

[Anm.: Weiterführende Informationen zu den Demonstrationen können dem Kapitel Protestbewegung entnommen werden.]

Quellen:

 Al Monitor (11.3.2016): The rise of Islamic State sleeper cells in Baghdad, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/03/iraq-baghdad-belts-harbor-islamic-state.html , Zugriff 25.8.2021

 Al Arabiya (19.7.2021): Suicide attack in Iraq's Sadr City kills at least 35, wounds dozens, https://english.alarabiya.net/News/middle-east/2021/07/19/Eight-killed-24-wounded-in-explosion-in-Iraq-s-Sadr-city , Zugriff 25.8.2021

 Anadolu Agency (23.8.2021): Iraq launches security operation against Daesh/ISIS, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/iraq-launches-security-operation-against-daesh-isis/2343607 , Zugriff 25.8.2021

 AN - Arab News (14.8.2021): West Baghdad without water after ‘attack’ on power grid, https://www.arabnews.com/node/1911056/middle-east , Zugriff 25.8.2021

 BBC (21.1.2021): Iraq attack: Twin suicide bombings in central Baghdad kill 32, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-55746676 , Zugriff 28.5.2021

 DIIS - Danish Institute for International Studies (23.6.2021): Security provision and external actors in Iraq, https://www.diis.dk/en/research/security-provision-and-external-actors-in-iraq , Zugriff 25.8.2021

 Garda World (15.7.2021): Iraq: Improvised explosive device targets convoy carrying military supplies in Dhi Qar Governorate July 15, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/502161/iraq-improvised-explosive-device-targets-convoy-carrying-military-supplies-in-dhi-qar-governorate-july-15 , Zugriff 25.8.2021

 Garda (15.4.2021): Iraq: At least five people killed, 21 injured in car bomb explosion in Baghdad April 15 /update 1, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/467636/iraq-at-least-five-people-killed-21-injured-in-car-bomb-explosion-in-baghdad-april-15-update-1 , Zugriff 25.8.2021

 ISW - Institute for the Study of War (2008): Baghdad Belts, http://www.understandingwar.org/region/baghdad-belts , Zugriff 25.8.2021

 OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides [Frankreich] (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf , Zugriff 13.3.2020

 Wing, Joel, Musings on Iraq (6.9.2021): Islamic State’s Summer Offensive In Iraq Ends In August, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/09/islamic-states-summer-offensive-in-iraq.html , Zugriff 7.9.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (2.8.2021): Violence Picks Up Again In Iraq In July 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/08/violence-picks-up-again-in-iraq-in-july.html , Zugriff 25.8.2021

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 Wing, Joel, Musings on Iraq (7.6.2021): Islamic State’s Offensive Appears Over While Pro-Iran Groups Maintain Campaign In May 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/06/islamic-states-offensive-appears-over.html , Zugriff 25.8.2021

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 Wing, Joel, Musings on Iraq (4.2.2021): Violence Continues To Decline In Iraq Winter 2020-21, https://musingsoniraq.blogspot.com/2021/02/violence-continues-to-decline-in-iraq.html , Zugriff 25.8.2021

Im Einklang mit der allgemeinen Verbesserung der Sicherheitslage im Jahr 2018 und 2019 wird auch über Bagdad berichtet, dass sich die Sicherheitslage dort weitgehend stabilisiert hat. Über das Jahr 2018 hinweg blieben Überreste des IS in den Vororten von Bagdad („Bagdad-Gürtel“) aktiv und starteten gelegentliche USBV-Angriffe auf zivile Ziele. Es wird jedoch berichtet, dass die Fähigkeit des IS, Großanschläge mit hohen Opferzahlen durchzuführen, signifikant zurückgegangen ist. Anfang 2019 wurde berichtet, dass der IS sich weitgehend zurückgezogen hat, während die ISF ihre Kontrolle über den „Bagdad-Gürtel“ verstärkte, wodurch die Sicherheitsvorfälle noch weiter abnahmen. Jedoch soll der IS im April 2019 versucht haben, seine Stützzone in den südwestlichen Gegenden des Bagdad-Gürtels auszudehnen. Während es in den vergangenen Jahren Berichte über fast tägliche Entführungen aus politischen Gründen oder gegen Lösegeld gab, wurde für das Jahr 2018 und Anfang 2019 diesbezüglich von einem Rückgang berichtet. In Bagdad ereignen sich nach wie vor Fälle gezielter Tötungen hochrangiger Persönlichkeiten.

In Bezug auf die Lage in der Stadt Bagdad vertritt UNHCR die Ansicht, dass die einzigen Personengruppen, hinsichtlich derer keine externe Unterstützung vorauszusetzen ist, arabisch-schiitische und arabisch-sunnitische alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer und kinderlose Ehepaare im arbeitsfähigen Alter ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten sind. Abhängig von den jeweiligen Umständen sind solche Personen möglicherweise in der Lage, in der Stadt Bagdad ohne Unterstützung durch ihre Familie und/oder ihren Stamm zu bestehen.

Quelle:

 - UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen: https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2020/01/Schutzerw%C3%A4gungen-Irak-2019-korrigiert.pdf , S 23f sowie S 141, Zugriff 17.12.2020

Im Gouvernement Bagdad ereignen sich nach wie vor sicherheitsrelevante Vorfälle, jedoch nicht flächendeckend und mit derartiger Regelmäßigkeit, dass automatisch Gründe vorliegen würden um die Annahme zu rechtfertigen, dass eine nach Bagdad zurückkehrende Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Quelle:

 - EASO Country Guidance: Iraq, Guidance note and common analysis, June 2019, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Iraq_2019.pdf , S 29, Zugriff 17.12.2020

Minderheiten

Die genaue ethno-konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung des Iraks ist unklar, da die letzten Volkszählungen manipulativ waren und beispielsweise nur die Angaben "Araber" und "Kurde" zuließen. Andere Bevölkerungsgruppen wurden so statistisch marginalisiert. Laut Schätzungen teilen sich die Einwohner Iraks folgendermaßen auf: in etwa 75-80% Araber, 15-20% Kurden und etwa 5%, Tendenz fallend, Minderheiten, zu denen unter anderem Assyrer, Armenier, Mandäer/Sabäer und Turkmenen zählen (GIZ 1.2021c).

Die wichtigsten ethno-konfessionellen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60-65% der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17-22%) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15-20%) (AA 22.1.2021).

Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten faktisch unter weitreichender Diskriminierung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 22.1.2021). Mitglieder bestimmter ethnischer oder religiöser Gruppen erleiden in Gebieten, in denen sie eine Minderheit darstellen, häufig Diskriminierung oder Verfolgung, was viele dazu veranlasst, Sicherheit in anderen Stadtteilen oder Gouvernements zu suchen (FH 3.3.2021). Es gibt Berichte über rechtswidrige Verhaftungen, Erpressung und Entführung von Angehörigen von Minderheiten, wie Kurden, Turkmenen, Christen und anderen, durch PMF-Milizen, in den umstrittenen Gebieten, insbesondere im westlichen Ninewa und in der Ninewa-Ebene (USDOS 30.3.2021).

Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Kurdischen Region im Irak (KRI), oft benachteiligt (AA 22.1.2021).

Die Hauptsiedlungsgebiete der meisten religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des Islamischen Staates (IS) standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäer/Sabäern, Kaka‘i, Schabak und Christen. Aus dieser Zeit liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 22.1.2021).

In der KRI sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 22.1.2021). Es gibt jedoch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Schabak und Christen) durch KRI-Behörden in den sogenannten "umstrittenen Gebieten" (USDOS 12.5.2021). Darüber hinaus empfinden dort Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und vor allem der schiitischen Milizen (AA 22.1.2021).

Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden besonders in den zwischen der Zentralregierung und der KRI sogenannten "umstrittenen Gebieten" (Gouvernement Kirkuk, sowie Teile von Ninewa, Salah Ad-Din und Diyala) Tendenzen zur gewaltsamen ethnisch-konfessionellen Homogenisierung festgestellt. Die Mission der Vereinten Nationen für den Irak (UNAMI) und Amnesty International haben dokumentiert, wie angestammte Bevölkerungsgruppen vertrieben bzw. Binnenvertriebene an der Rückkehr gehindert wurden. Dabei handelte es sich oft um die sunnitische Bevölkerung, die häufig unter dem Generalverdacht einer Zusammenarbeit mit dem IS steht, aber auch um Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen. Beschuldigt werden sowohl kurdische Peshmerga als auch PMF-Milizen und in geringerem Ausmaß auch Armee und Polizei (AA 22.1.2021).

Die territoriale Niederlage des sog. IS im Jahr 2017 beendete dessen Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes. Dennoch können Hunderttausende Iraker, die vom IS vertrieben wurden nicht in ihre Häuser zurückkehren, sowohl aus Sicherheits- als auch aus wirtschaftlichen Gründen (FH 3.3.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

 BMI - Bundesministerium für Inneres; BMLVS - Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (2016): Atlas: Middle East & North Africa, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf , Zugriff 15.5.2021

 FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html , Zugriff 3.3.2021

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021c): Irak - Gesellschaft, https://www.liportal.de/irak/gesellschaft/ , Zugriff 16.3.2021

 Lattimer EASO - Lattimer, Mark in EASO - European Asylum Support Office (26.4.2017): Minorities and Vulnerable Groups - EASO COI Meeting Report Iraq: Practical Cooperation Meeting, 25-26 April 2017, Brussels, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90_1501570991_easo-2017-07-iraq-meeting-report.pdf , Zugriff 25.8.2021

 USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html , Zugriff 15.5.2021

 USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html , Zugriff 1.4.2021

Sunnitische Araber

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt (AA 22.1.2021).

Oft werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Auch unbeteiligte Familienangehörige tatsächlicher oder vermeintlicher IS-Anhänger sind davon betroffen (AA 22.1.2021). Berichten zufolge halten die Behörden Ehepartner und andere Familienangehörige von Flüchtigen Personen, zumeist sunnitische Araber, die wegen Terrorismusvorwürfen gesucht werden, fest, damit diese sich stellen (USDOS 30.3.2021). Unter Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes können Personen ohne ordnungsgemäßes Verfahren inhaftiert werden. Die Behörden berufen sich auf dieses Gesetz, wenn sie junge sunnitische Männer festnehmen, die im Verdacht stehen, Verbindungen zum IS zu haben (USDOS 12.5.2021). Wie in den Vorjahren gibt es auch weiterhin glaubwürdige Berichte darüber, dass Regierungskräfte, einschließlich der Bundespolizei, des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS) und der PMF, Personen, insbesondere sunnitische Araber, während der Festnahme, in der Untersuchungshaft und nach der Verurteilung misshandeln und foltern (USDOS 30.3.2021). Einige schiitische Milizen, darunter auch solche, die unter dem Dach der PMF operieren, sind für Angriffe auf sunnitische Zivilisten verantwortlich, mutmaßlich als Vergeltung für IS-Verbrechen an Schiiten (USDOS 12.5.2021).

Im Zuge von Anti-Terror-Operationen, aber auch an Kontrollpunkten, wurden seit 2014 junge, vorwiegend sunnitische Männer festgenommen. Den Sicherheitskräften werden dabei zahlreiche Fälle von Verschwindenlassen zur Last gelegt (AA 22.1.2021). Es gibt zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, den NSS, PMF, Peshmerga und Asayish (USDOS 30.3.2021).

Über eine Million sunnitische Araber sind vertrieben. Viele von ihnen werden verdächtigt den IS zu unterstützen und fürchten Vergeltungsmaßnahmen, wenn sie in ihre Häuser in den früher vom IS-kontrollierten Gebieten zurückkehren (USCIRF 4.2021). Die kurdischen Behörden haben Tausende von Arabern daran gehindert, in ihre Dörfer im Unterbezirk Rabia und im Bezirk Hamdaniya im Gouvernement Ninewa zurückzukehren, Gebiete, aus denen kurdische Einheiten 2014 den IS vertrieben und dort die territoriale Kontrolle übernommen hatten. Gleichzeitig jedoch erlaubte die KRG kurdischen Dorfbewohnern, in diese Gebiete zurückzukehren (HRW 13.1.2021).

Im August 2020 berichtet ein sunnitischer ehemalige Parlamentsabgeordneter aus Bagdad, dass regierungsnahe schiitische Milizen (PMF) sunnitische Bewohner des Bezirks al-Madain am Stadtrand von Bagdad gewaltsam vertreiben würden und versuchen, die Demografie des Bezirks zu verändern. Im September 2020 erklärte ein sunnitischer Parlamentarier aus dem Gouvernement Diyala, dass regierungsnahe schiitische Milizen weiterhin Sunniten in seiner Provinz gewaltsam vertreiben würden, was zu einem weitreichenden demografischen Wandel entlang der irakisch-iranischen Grenze führt (USDOS 12.5.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.202

 HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html , Zugriff 28.1.2021

 USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2021): United States Commission on International Religious Freedom 2021 Annual Report; USCIRF – Recommended for Special Watchlist: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052974/Iraq+Chapter+AR2021.pdf , Zugriff 2.2.2021

 USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html , Zugriff 15.5.2021

 USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html , Zugriff 1.4.2021

Grundversorgung und Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Einige Städte und Siedlungen sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 22.1.2021). Wiederaufbauprogramme liefen vor der Corona-Krise vorsichtig an (GIZ 1.2021b).

Versorgungsengpässe bei Strom und Wasser sowie die mangelnde Arbeitsbeschaffung sind die Gründe für die andauernden Proteste in Iraks großen Städten (GIZ 1.2021b). Die Versorgungslage für die irakische Wohnbevölkerung stellt sich, je nach Region, sehr unterschiedlich dar. Die Knappheit an Strom und sauberem Trinkwasser hat 2018 zu mehreren, zum Teil gewalttätigen Protesten im Süden geführt (GIZ 1.2021d).

Nach Angaben der Weltbank (2018) leben 70% der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung ist prekär, ohne ausreichenden Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen. Die über Jahrzehnte durch internationale Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig (AA 22.1.2021).

Wirtschaftslage

Die größtenteils staatlich geführte Wirtschaft Iraks wird vom Ölsektor dominiert (Fanak 5.6.2020). Dieser erwirtschaftet seit Jahren rund 90 bis 95% der Staatseinnahmen (AA 22.1.2021; vgl. GIZ 1.2021b). Abseits des Ölsektors besitzt der Irak kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 22.1.2021).

Die seit 2020 sinkenden Ölpreise und die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben sich negativ auf die Wirtschaftsentwicklung niedergeschlagen, die wirtschaftlichen Probleme des Iraks verstärkt und zwei Jahre der stetigen Erholung zunichte gemacht (WB 5.4.2021; vgl. GIZ 1.2021b). Der Ölpreis fiel im April 2020 auf einen Tiefststand von 13,8 US-Dollar (Wing 2.6.2021). Im Zuge dessen haben sich auch die bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Schwachstellen vertieft und den öffentlichen Unmut, der bereits vor COVID-19 bestand, noch verstärkt. Die Fähigkeit der irakischen Regierung ein Konjunkturpaket für eine Wirtschaft zu schnüren, die in hohem Maße von Ölexporten abhängig ist, um Wachstum und Einnahmen zu erzielen, wird durch den fehlenden fiskalischen Spielraum eingeschränkt. Infolgedessen hat das Land die größte Schrumpfung seiner Wirtschaft seit 2003 erlebt (WB 5.4.2021). Die Prognosen der ökonomischen Entwicklung im Irak sind schlechter denn je (GIZ 1.2021b). Die wirtschaftlichen Aussichten des Irak hängen von der weiteren Entwicklung der COVID-19-Pandemie, den globalen Aussichten am Ölmarkt und von der Umsetzung von Reformen ab (WB 5.4.2021). Seit Februar 2021 liegt der Ölpreis wieder über 60 US-Dollar/Barrel (Wing 2.6.2021). Es wird daher erwartet, dass sich die irakische Wirtschaft allmählich erholen wird (WB 5.4.2021).

Ein wichtiger Faktor für die Landwirtschaft, vor allem im Süden des Irak, sind die Umweltzerstörung und der Klimawandel. Abnehmende Niederschläge, höhere Temperaturen und flussaufwärts gelegene Staudämme in der Türkei und im Iran haben den Wasserfluss im Euphrat und Tigris Becken verringert, in dem die Gouvernements Basra, Dhi Qar und Missan liegen. Die Verringerung des Wasserflusses hat Auswirkungen auf den Zugang zu Wasser, der für den Anbau von Pflanzen entscheidend ist (Altai 14.6.2021).

Die Arbeitslosenquote im Irak stieg von 12,76% im Jahr 2019 auf 13,74% im Jahr 2020 (TE 2021). Laut Schätzung der Vereinten Nationen beträgt die Arbeitslosenquote 11%, bei Jugendlichen unter 24 Jahren ist sie doppelt so hoch und liegt bei 22,8%. Unter den IDPs sind fast 24% arbeitslos oder unterbeschäftigt (im Vergleich zu 18% im Landesdurchschnitt) (GIZ 1.2021b). Verschiedene Quellen geben, mit Verweis auf Regierungsquellen, Arbeitslosenquoten im Land zwischen 13,8% und 40% an (ACCORD 28.9.2021). Darüber hinaus ist fast ein Viertel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nicht ausgelastet, also entweder arbeitslos oder unterbeschäftigt. Bei Frauen, die am Arbeitsmarkt teilnehmen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie arbeitslos, unter- oder teilzeitbeschäftigt sind (ILO 2021). Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit bei IDPs, die in Lagern leben, wo 29% der Haushalte angaben, dass mindestens ein Mitglied arbeitslos ist und aktiv nach Arbeit sucht. Bei IDPs, die außerhalb von Lagern leben, sind es 22% und 18% bei Rückkehrern (OCHA 2.2021).

Die Arbeitsmarktbeteiligung im Irak war mit 48,7% im Jahr 2019 bereits vor der Ausbreitung des COVID-19-Virus eine der niedrigsten der Welt (IOM 18.6.2021; vgl. ILO 2021). Der wirtschaftliche Abschwung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat die Beschäftigungsmöglichkeiten deutlich reduziert und die Löhne gesenkt (IOM 18.6.2021). Die Weltbank schätzt den Anteil der Arbeitssuchenden unter 24-Jährigen auf ca. 32%. Die Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen liegt wesentlich unter dem Durchschnitt der MENA-Region (GIZ 1.2021b). Je nach Quelle liegt sie bei rund 12% (DFAT 17.8.2020), bzw. wird sie auf rund 20% geschätzt (ILO 2021). Die Frauenarbeitslosigkeit liegt bei etwa 29,7% (DFAT 17.8.2020).

Einer Befragung vom Februar 2021 zufolge liegt das Durchschnittsgehalt für Fachkräfte im Irak bei 384 USD (~561.180 IQD), das für ungelernte Arbeiter bei 215 USD (~314.200 IQD). Es zeigt sich dabei ein deutlicher Unterschied im Lohnniveau zwischen den vom Islamischen Staat (IS) zurückeroberten Gebieten und jenen, die nicht durch den IS besetzt waren. Für Fachkräfte liegt das Durchschnittsgehalt in den zurückeroberten Gebieten bei 289 USD (~422.350 IQD) und in Gebieten, die nicht vom Konflikt betroffen waren, bei 460 USD (~672.250 IQD). Für ungelernten Arbeitskräften betragen die Durchschnittslöhne in den zurückeroberten Gebieten 158 USD (~230.900 IQD) und in Gebieten die nicht vom Konflikt betroffen waren 263 USD (~384.350 IQD).

Die Armutsrate ist infolge der Wirtschaftskrise bis Juli 2020 auf ca. 30% angestiegen (AA 22.1.2021; vgl. ILO 2021), Laut Weltbank lag sie Anfang 2021 bei 22,5% (WB 5.4.2021). Dabei ist die Armutsrate in ländlichen Gebieten deutlich höher als in städtischen (ILO 2021). Aufgrund der COVID-19-Pandemie hatte die irakische Regierung Schwierigkeiten, die Gehälter der sechs Millionen Staatsbediensteten zu zahlen, und Millionen von Menschen, die im privaten und informellen Sektor arbeiten, haben ihre Beschäftigung und ihre Lebensgrundlage verloren. Nach Schätzungen von UNICEF und der Weltbankgruppe fielen im Jahr 2020 schätzungsweise 4,5 Millionen Iraker unter die Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag (IOM 18.6.2021). Einhergehend mit dem neuerlichen Ansteigen der Ölpreise wird auch eine Reduktion der Armutsrate um 7 bis 14% erwartet (WB 5.4.2021).

Die Löhne liegen zwischen 200 und 2.500 USD (163,8 und 2.047,45 EUR), je nach Qualifikation und Ausbildung. Für ungelernte Arbeitskräfte liegt das Lohnniveau etwa zwischen 200 und 400 USD (163,8 und327,59 EUR) pro Monat (IOM 18.6.2021).

Nahrungsmittelversorgung

Der Irak ist in hohem Maße von Nahrungsmittelimporten (schätzungsweise 50% des Nahrungsmittelbedarfs) abhängig (FAO 30.6.2020). Grundnahrungsmittel sind in allen Gouvernements verfügbar (IOM 18.6.2021).

Aufgrund von Panikkäufen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie kam es in den letzten beiden Märzwochen 2020 zu einem vorübergehenden Preisanstieg für Lebensmittel. Strenge Preiskontrollmaßnahmen der Regierung führten ab April 2020 zuerst zu einer Stabilisierung der Preise und ab Mai 2020 wieder zu einer Normalisierung (FAO 30.6.2020). Die lokalen Märkte haben sich in allen Gouvernements als widerstandsfähig angesichts der Pandemie bewährt (OCHA 2.2021).

Vor der Covid-19-Krise war eines von fünf Kindern unter fünf Jahren unterernährt. 3,3 Millionen Kinder sind laut UNICEF immer noch auf humanitäre Unterstützung angewiesen (AA 21.1.2021). Etwa 4,1 Millionen Iraker benötigen humanitäre Hilfe (FAO 11.6.2021).

Alle Iraker, die als Familie registriert sind und über ein monatliches Einkommen von höchstens 1.000.000 IQD (558,14 EUR) verfügen, haben Anspruch auf Zugang zum Public Distribution System (PDS) (IOM 18.6.2021). Das PDS ist ein universelles Lebensmittelsubventionsprogramm der irakischen Regierung, das als Sozialschutzprogramm kostenlose Lebensmittel subventioniert oder verteilt (WB 2.2020). Formal erfordert die Registrierung für das PDS die irakische Staatsbürgerschaft sowie die Anerkennung als "Familie", die durch einen rechtsgültigen Ehevertrag oder eine Verwandtschaft ersten Grades (Eltern, Kinder) erreicht wird. Alleinstehende Rückkehrer können sich bei ihren Verwandten ersten Grades registrieren lassen, z.B. bei ihrer Mutter oder ihrem Vater. Sollten alleinstehende Rückkehrer keine Familienangehörigen haben, bei denen sie sich anmelden können, erhalten sie keine PDS-Unterstützung (IOM 18.6.2021). Die angeschlagene finanzielle Lage des Irak wirkt sich auch auf das PDS aus (WB 5.4.2021), insbesondere der niedrige Ölpreis schränkt die Mittel ein (USDOS 30.3.2021). Der Anteil der Haushalte, der im Rahmen des PDS Überweisungen erhalten hat, ist um etwa 8% gesunken. Der Verlust von Haushaltseinkommen und Sozialhilfe hat die Anfälligkeit für Ernährungsunsicherheit erhöht (WB 5.4.2021).

Das Programm wird von den Behörden jedoch nur sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Die Behörden verteilen nicht jeden Monat alle Waren, und nicht in jedem Gouvernement haben alle Binnenvertriebenen (IDPs) Zugang zum PDS. Es wird berichtet, dass IDPs den Zugang zum PDS verloren haben, aufgrund der Voraussetzung, dass Bürger nur an ihrem registrierten Wohnort PDS-Rationen und andere Dienstleistungen beantragen können (USDOS 30.3.2021).

Aufgrund der Dürre kam es 2021 zu Ernteausfällen im Gouvernement Ninewa, sodass das Landwirtschaftsministerium (MoA) im April 2021 den Transport von Weizen und Gerste zwischen der KRI und dem Rest des Landes einschränkte, mit Ausnahme des Transfers in die Lagerhäuser des MoA, um Spekulanten und Schmuggler einzudämmen (FAO 11.6.2021).

Wasserversorgung

Die Hauptwasserquellen des Irak sind der Euphrat und der Tigris, die 98% des Oberflächenwassers des Landes liefern (AGSIW 27.8.2021). Etwa 70% des irakischen Wassers haben ihren Ursprung in Gebieten außerhalb des Landes (GRI 24.11.2019). Beide Flüsse entspringen in der Türkei, während der Euphrat durch Syrien fließt und einige Nebenflüsse durch den Iran fließen (AGSIW 27.8.2021). Der Wasserfluss aus diesen Ländern wurde durch Staudammprojekte stark, um etwa 80% reduziert (GRI 24.11.2019; vgl. AGSIW 27.8.2021). Das verbleibende Wasser wird zu einem großen Teil für die Landwirtschaft genutzt, die rund 13 der 38 Millionen Einwohner des Landes ernährt (GRI 24.11.2019). 2019 berichtete die Internationale Organisation für Migration der Vereinten Nationen (IOM), dass 21.314 Iraker in den südlichen und zentralen Gouvernements des Irak aufgrund von Trinkwassermangel vertrieben wurden. Spannungen zwischen den Stämmen um Wasser nehmen zu. Der Wassermangel in den südlichen Gouvernements wie Missan und Dhi Qar und die immer wiederkehrenden Dürreperioden sind bereits die Hauptursache für lokale Konflikte (AGSIW 27.8.2021). Da die Niederschlagsperiode 2020/2021 die zweit niedrigste seit 40 Jahren war, kam es zu einer Verringerung der Wassermenge im Tigris und Euphrat um 29% bzw. 73% (UNICEF 29.8.2021).

Trinkwasser ist in allen Gouvernements verfügbar (IOM 18.6.2021). Fast drei von fünf Kindern im Irak haben jedoch keinen Zugang zu einer sicheren Wasserversorgung, und weniger als die Hälfte aller Schulen im Land haben Zugang zu einer grundlegenden Wasserversorgung (UNICEF 29.8.2021).

Die Wasserversorgung im Irak wird durch marode und teilweise im Krieg zerstörte Leitungen in Mitleidenschaft gezogen. Dies führt zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. (Industrie)abfälle führen zusätzlich zu Verschmutzung (AA 22.1.2021).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 22.1.2021). Die meisten irakischen Städte haben keine 24-Stunden-Stromversorgung (DW 8.7.2021). Die Stromversorgung deckt nur etwa 60% der Nachfrage ab, wobei etwa 20% der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Die verfügbare Kapazität variiert je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 2020). Besonders in den Sommermonaten wird die Versorgungslage strapaziert (DW 8.7.2021). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten häufig unterbrochen (AA 22.1.2021).

Das irakische Stromnetz verliert bei der Stromübertragung zwischen 40 und 50%. Dieser Verlust hat sowohl technische Gründe, z.B. beschädigte, unzureichend funktionierende oder veraltete Stromübertragungsanlagen, als auch nichttechnische Gründe wie Diebstahl oder Manipulation. So wird zum Beispiel dem Islamischen Staat (IS) vorgeworfen Strommasten sabotiert zu haben (DW 8.7.2021). Der IS hat im Jahr 2021 vermehrt das irakische Stromnetz angegriffen, indem er wiederholt Strommasten gesprengt hat (Wing 6.9.2021; vgl. Anadolu 2.7.2021). Allein im August 2021 wurden Masten in Bagdad, Babil, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din sabotiert (Wing 6.9.2021). Sabotageakte werden in jüngster Zeit zunehmend an Umspannwerken in Städten verübt und zielen auch auf die Trinkwasserversorgung, die Wasseraufbereitung und auf den Krankenhausbetrieb ab (VOA 14.8.2021). Am 2.7.2021 kam es zu einem stundenlangen, landesweiten Stromausfall (Anadolu 2.7.2021; vgl. BBC 2.7.2021). Nur die Kurdische Region im Irak war davon nicht betroffen (BBC 2.7.2021). Häufige Stromausfälle führen zu Protesten. Mitte 2021 haben wütende Iraker Kraftwerke in Bagdad und Diyala gestürmt. Ende Juni 2021 ist der irakische Elektrizitätsminister, Majed Mahdi Hantoush, zurückgetreten (DW 8.7.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

 ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (28.9.2021): Anfragebeantwortung zum Irak: Kirkuk: Arbeitsmarktlage [a-11674-2], https://www.ecoi.net/en/document/2061064.html , Zugriff 1.10.2021

 AGSIW - The Arab Gulf States Institute bin Washington (27.8.2021): Iraq’s Water Crisis: An Existential But Unheeded Threat, https://agsiw.org/iraqs-water-crisis-an-existential-but-unheeded-threat/ , Zugriff 1.9.2021

 Altai Consulting (14.6.2021): Economic relief, recovery, and resilience - Assessment for Southern Iraq, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---arabstates/---ro-beirut/documents/publication/wcms_802486.pdf , Zugriff 25.8.2021

 Anadolu Agency (2.7.2021): العراق.. إعادة تشغيل كامل منظومة الكهرباء بعد توقفها لساعات [Irak.. Neustart des gesamten Stromsystems nach stundenlangem Stillstand], https://www.aa.com.tr/ar/%D8%A7%D9%84%D8%AF%D9%88%D9%84-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A8%D9%8A%D8%A9/%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82-%D8%A5%D8%B9%D8%A7%D8%AF%D8%A9-%D8%AA%D8%B4%D8%BA%D9%8A%D9%84-%D9%83%D8%A7%D9%85%D9%84-%D9%85%D9%86%D8%B8%D9%88%D9%85%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D9%83%D9%87%D8%B1%D8%A8%D8%A7%D8%A1-%D8%A8%D8%B9%D8%AF-%D8%AA%D9%88%D9%82%D9%81%D9%87%D8%A7-%D9%84%D8%B3%D8%A7%D8%B9%D8%A7%D8%AA/2292230 , Zugriff 30.8.2021

 BBC News (2.7.2021): انقطاع الكهرباء في العراق: #ماكو_كهرباء يتصدر وسوم العراق تعبيرا عن معاناة الشعب مع الحر [Stromausfälle im Irak: Mako_ Electricity führt die Schlagzeilen des Irak an und drückt das Leid der Menschen mit der Hitze aus], https://www.bbc.com/arabic/trending-57698908 , Zugriff 30.8.2021

 DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.8.2020): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036511/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 25.8.2021

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 Fanack (2020): Energy file: Iraq, https://fanack.com/fanack-energy/iraq/ , Zugriff 15.8.2021

 FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (11.6.2021): GIEWS Country Brief, The Republic of Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/IRQ_13.pdf , Zugriff 15.8.2021

 FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (30.06.2020): Food Security in Iraq - Impact of Coiv-19, April - June 2020 https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Food%20Security%20in%20Iraq%20-%20Impact%20of%20Covid-19%20-%20April-June%202020.pdf , Zugriff 25.8.2021

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021b): Irak - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021d): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/ , Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

 GRI - Global Risk Insights (24.11.2019): Water Shortage and Unrest in Iraq, https://globalriskinsights.com/2019/11/water-shortage-and-unrest-in-iraq/ , Zugriff 15.8.2021

 ILO - International Labour Organization (2021): Promoting decent work in Iraq, https://www.ilo.org/beirut/countries/iraq/WCMS_433682/lang--en/index.htm , Zugriff 1.9.2021

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 IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Zugriff 21.6.2021

 OCHA - Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (2.2021): Humanitarian Needs Overview Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Iraq%20Humanitarian%20Needs%20Overview%20%28February%202021%29.pdf , Zugriff 29.9.2021

 TE - Trading Economics (2021): Iraq Unemployment Rate, 1991-2020 Data | 2021-2023 Forecast | Historical | Chart, https://tradingeconomics.com/iraq/unemployment-rate , Zugriff 1.9.2021

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 WB - World Bank, The (5.4.2021): Republic of Iraq, https://pubdocs.worldbank.org/en/527001554825517687/mpo-irq.pdf , Zugriff 10.4.2021

 WB - World Band (2.2020): Iraq’s Universal Public Distribution System, Utilization and Impacts During Displacement, https://documents1.worldbank.org/curated/en/239031582135436157/pdf/Iraqs-Universal-Public-Distribution-System-Utilization-and-Impacts-During-Displacement.pdf , Zugriff 14.10.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (6.9.2021): Islamic State’s Summer Offensive In Iraq Ends In August, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/09/islamic-states-summer-offensive-in-iraq.html , Zugriff 7.9.2021

 Wing, Joel, Musings on Iraq (2.6.2021): Iraq’s Oil Revenues Continue To Climb In May 2021, https://musingsoniraq.blogspot.com/2021/06/iraqs-oil-revenues-continue-to-climb-in.html , Zugriff 6.6.2021

Grundversorgung und Wirtschaft in Bagdad

Bagdad ist das Zentrum des irakischen Wirtschafts-, Handels-, Banken- und Finanzsektors. Bagdad ist ebenso ein wichtiges Zentrum für die Erdölindustrie (NCCI 12.2015; vgl. EASO 9.2020). Bis auf die Schwerindustrie ist ein großer Teil der irakischen Produktion in Bagdad angesiedelt. Die Regierung ist dabei der wichtigste Arbeitgeber in der Stadt (EASO 9.2020). Einige Sektoren waren besonders betroffen von Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, darunter das Transportwesen, das Baugewerbe, die Lebensmittelindustrie, das Bildungswesen, der Tourismus, die Geflügel- und Fischzucht, sowie der Einzelhandel, insbesondere für Bekleidung. Die meisten Frauen sind in den Bereichen Nähen, Friseurhandwerk, Unterricht und Einzelhandel tätig, die alle von Auswirkungen der COVID-19- Pandemie negativ beeinflusst wurden (IOM 9.2021a).

Laut einer Befragung im Distrikt Mahmoudiya vom Februar 2021 liegen die derzeitigen Durchschnittsgehälter für Fachkräfte bei 264 USD (~385.813 IQD) und reichen von von 170 bis 540 USD (~248.440 bis 789.160 IQD). Etwa die Hälfte der befragten Arbeitgeber gab jedoch an, keine Fachkräfte zu beschäftigen, obwohl dies in der Vergangenheit der Fall war, und zahlten ihnen ein Durchschnittsgehalt von 291 USD (~425.270 IQD) (IOM 9.2021a).

Im Jahr 2016 lag die Arbeitslosenquote in Bagdad zwischen 6% und 10%. Für 2017 betrug sie 9,3%. Unter jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren wird die Arbeitslosigkeit im Jahr 2016 in Bagdad mit 18,6 % und für 2017 mit 5-7% beziffert (EASO 9.2020). Im Jahr 2018 war über 1% der Bevölkerung des Gouvernements Bagdad von akuter Armut betroffen und 4% waren armutsgefährdet (OPHI 10.9.2020; vgl. EASO 9.2020).

Etwa 6,39% der Bevölkerung Bagdads (rund 456.500 Personen) sind unzureichend ernährt. Für rund 0,46% (rund 32.600 Personen) ist die Deckung des Nahrungsmittelbedarfs kritisch (WFP 9.2021). Bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und anderen Waren hat Bagdad im Zuge einer Untersuchung vom Juli 2020 zehn von zehn möglichen Punkten erhalten [Anm.: Verfügbarkeit ist hier nicht gleichzusetzen mit Leistbarkeit] (WB, WFP, FAO, IFAD 9.2020).

Im Jahr 2017 lag der Anteil der Bevölkerung mit Trinkwasserversorgung in Bagdad bei 86,9% (CSO 2018a). 2019 war für etwa 70% der Einwohner Bagdads ständige Verfügbarkeit von Trinkwasser gegeben, während 30% nur unregelmäßigen Zugang zu Trinkwasser hatten (WFP 2019). Mitte Juli 2021 wurde die Wasserversorgung in Karkh, im Westen Bagdads durch einen Sabotageakt an Strommasten in Tarmiya, die die Pumpstation versorgen, unterbrochen (Siwssinfo 17.7.2021). Auch Mitte August 2021 wurde durch einen Anschlag auf einen Strommasten in Tarmiya, der die dortige Pumpstation mit Energie versorgte, die Trinkwasserversorgung für mehrere Millionen Bewohner im Westen der Stadt Bagdad unterbrochen (AN 14.8.2021).

Die öffentliche Stromversorgung ist in Bagdad vor allem in den Sommermonaten häufig unterbrochen (AA 22.1.2021). Stromausfälle führen häufig zu Protesten. Mitte 2021 haben wütende Iraker Kraftwerke in Bagdad und Diyala gestürmt (DW 8.7.2021). Seit Beginn des Sommers 2021 häufen sich Angriffe auf das irakische Stromnetz, das ohnehin bereits mit schweren Stromengpässen zu kämpfen hat. Diese Angriffe werden von den Behörden terroristischen Kräften oder dem IS zugeschrieben (AN 14.8.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

 ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (23.8.2021): Anfragebeantwortung zum Irak: Provinz Dhi Qar: Aktuelle sozioökonomische Lage (Nahrungsmittel, Trinkwasser, Wohnungsmarkt; Schulen; Gesundheitsversorgung) [a-11636-1], https://www.ecoi.net/en/document/2058957.html , Zugriff 29.9.2021

 ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (9.8.2021): Anfragebeantwortung zum Irak: Wassit: Aktuelle sozioökonomische Lage (Nahrungsmittel, Trinkwasser, Wohnungsmarkt (Wohnung für fünf- oder siebenköpfige Familie), Schulen (Probleme beim Zugang), Gesundheitsversorgung (Probleme beim Zugang)) [a-11633-1], https://www.ecoi.net/de/dokument/2058035.html , Zugriff 25.8.2021

 Al-Ahad News (4.6.2021): النجف تدق ناقوس الخطر بشأن عجز المياه الصالحة للشرب [Najaf schlägt Alarm wegen Trinkwasserknappheit], https://alahadnews.net/182025/%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82/%D9%85%D8%AD%D9%84%D9%8A%D8%A7%D8%AA/ , Zugriff 30.8.2021

 Al-Ahad News (19.9.2021): بعد الانقطاع التام.. عودة تدريجية للتيار الكهربائي في النجف [Nach dem kompletten Ausfall die schrittweise Rückkehr der Elektrizität in Najaf], https://alahadnews.net/235970/%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82/%D9%85%D8%AD%D9%84%D9%8A%D8%A7%D8%AA/ , Zugriff 30.8.2021

 Al Monitor (18.8.2021): Electrical towers again become targets in Iraq, https://www.al-monitor.com/originals/2021/08/electrical-towers-again-become-targets-iraq , Zugriff 29.9.2021

 Al-Sumaria (25.7.2020): ماء النجف" توضح أسباب شح المياه في المحافظة" ["Najaf Water" erklärt die Gründe für die Wasserknappheit in der Provinz], https://www.alsumaria.tv/news/%D9%85%D8%AD%D9%84%D9%8A%D8%A7%D8%AA/352690/%D9%85%D8%A7%D8%A1-%D8%A7%D9%84%D9%86%D8%AC%D9%81-%D8%AA%D9%88%D8%B6%D8%AD-%D8%A3%D8%B3%D8%A8%D8%A7%D8%A8-%D8%B4%D8%AD-%D8%A7%D9%84%D9%85%D9%8A%D8%A7%D9%87-%D9%81%D9%8A-%D8%A7%D9%84%D9%85%D8%AD%D8%A7%D9%81%D8%B8%D8%A9 , Zugriff 30.8.2021

 Altai Consulting (14.6.2021): Economic relief, recovery, and resilience - Assessment for Southern Iraq, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---arabstates/---ro-beirut/documents/publication/wcms_802486.pdf , Zugriff 25.8.2021

 Anadolu Agency (19.7.2020): Iraqis protest power outage in Karbala, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/iraqis-protest-power-outage-in-karbala/1915386 , Zugriff 29.9.2021

 AN - Arab News (14.8.2021): West Baghdad without water after ‘attack’ on power grid, https://www.arabnews.com/node/1911056/middle-east , Zugriff 25.8.2021

 CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018a): الموجز الاحصائي بغداد 2018 [Bagdad Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/1205-2019-11 , Zugriff 29.9.2021

 CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018b): الموجز الاحصائي بابل 2018 [Babil Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1217 , Zugriff 29.9.2021

 CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018c): الموجز الاحصائي البصرة 2018 [Basra Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1206 , Zugriff 25.8.2021

 CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018d): الموجز الاحصائي ذي قار2018 [Dhi Qar Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1216 , Zugriff 25.8.2021

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 CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018f): الموجز الاحصائي ميسان 2018 [Maysan Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/1211-2018-11 , Zugriff 25.8.2021

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 CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018h): الموجز الاحصائي نجف 2018 [Najaf Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1219 , Zugriff 25.8.2021

 CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018i): الموجز الاحصائي القادسية 2018 [Qadisiyah Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/1207-2018-9 , Zugriff 25.8.2021

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 EASO – European Asylum Support Office (9.2020): Iraq; Key socio-economic indicators; For Baghdad, Basra and Erbil, https://www.ecoi.net/en/file/local/2037976/2020_09_EASO_COI_Report_Iraq_Key_socio_economic_indicators_Baghdad_Basra_Erbil.pdf , Zugriff 25.8.2021

 DW - Deutsche Welle (8.7.2021): How to solve Iraq's hellishly hot power crisis, https://www.dw.com/en/why-are-iraqs-electricity-issues-so-hard-to-solve/a-58189500 , Zugriff 15.8.2021

 IOM - International Organization for Migration (9.2021a): Labour Market Assessment, Al-Musayyab Babylon Governorate, https://iraq.iom.int/files/Mahmoudiya%20-%20Baghdad%20Governorate.pdf , Zugriff 1.10.2021 [Anm.: ein Fehler im Titel: es behandelt den Mahmoudiya Distrikt in Bagdad]

 IOM - International Organization for Migration (9.2021b): Labour Market Assessment, Al-Musayyab Babylon Governorate, https://iraq.iom.int/files/Mahmoudiya%20-%20Baghdad%20Governorate.pdf , Zugriff 1.10.2021

 IOM - International Organization for Migration (9.2021c): Labour Market Assessment, Qurna District, Basra Governorate, https://iraq.iom.int/files/Qurna%20District ,%20Basra%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021

 IOM - International Organization for Migration (9.2021d): Labour Market Assessment, Suq Al-Shoyokh District, Thi-Qar Governorate, https://iraq.iom.int/files/Suq%20Al-Shoyokh%20District ,%20Thi-Qar%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021

 IOM - International Organization for Migration (9.2021e): Labour Market Assessment, Kerbala District, Kerbala Governorate, https://iraq.iom.int/files/Kerbala%20District%20-%20Kerbala%20Governorate.pdf , Zugriff 1.10.2021

 IOM - International Organization for Migration (9.2021f): Labour Market Assessment, Amara District, Missan Governorate, https://iraq.iom.int/files/Amara%20District ,%20Missan%20Governorate_0.pdf, Zugriff 1.10.2021

 IOM - International Organization for Migration (9.2021g): Labour Market Assessment, Kufa District, Najaf Governorate, https://iraq.iom.int/files/Kufa%20District%20-%20Najaf%20Governorate.pdf , Zugriff 1.10.2021

 LSE - London School of Econonomics and Political Science (2.4.2020): Failure of Governance in Basra puts all of Iraq at Risk, https://blogs.lse.ac.uk/mec/2020/04/02/failure-of-governance-in-basra-puts-all-of-iraq-at-risk/ , Zugriff 25.8.2021

 NCCI - NGO Coordination Commitee for Iraq (12.2015): Baghdad Governorate Profile, https://www.ncciraq.org/images/infobygov/NCCI_Baghdad_Governorate_Profile.pdf , Zugriff 25.8.2021

 NINA - National Iraqi News Agency (19.9.2021): كهرباء النجف : اعادة التيار الكهربائي الوطني بصورة تدريجية بعد انقطاع مفاجئ في عموم المحافظة, https://ninanews.com/Website/News/Details?Key=927910&__cf_chl_jschl_tk__=pmd_xnuCmLoupgfLQxXD37xqkX6WG3liuWUx.7JOnxSr9fM-1632489715-0-gqNtZGzNAfujcnBszQi9 , Zugriff 30.8.2021

 OPHI - Oxford Poverty and Human Development Initiative (10.9.2020): Iraq: Global Multidimensional Poverty Index (MPI), https://data.humdata.org/dataset/iraq-mpi , Zugriff 25.8.2021

 Rudaw (14.8.2021): ً منطقة في النجف بلا ماء منذ 45 يوماً [Ein Gebiet in Najaf ohne Wasser für 45 Tage], https://www.rudaw.net/arabic/business/14082021 , Zugriff 30.8.2021

 Swissinfo (17.7.2021): انقطاع المياه في جزء من بغداد إثر عمل تخريبي طال شبكة الكهرباء [Wasserknappheit in einem Teil von Bagdad wegen Sabotage des Stromnetzes], https://www.swissinfo.ch/ara/afp/%D8%A7%D9%86%D9%82%D8%B7%D8%A7%D8%B9-%D8%A7%D9%84%D9%85%D9%8A%D8%A7%D9%87-%D9%81%D9%8A-%D8%AC%D8%B2%D8%A1-%D9%85%D9%86-%D8%A8%D8%BA%D8%AF%D8%A7%D8%AF-%D8%A5%D8%AB%D8%B1-%D8%B9%D9%85%D9%84-%D8%AA%D8%AE%D8%B1%D9%8A%D8%A8%D9%8A-%D8%B7%D8%A7%D9%84-%D8%B4%D8%A8%D9%83%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D9%83%D9%87%D8%B1%D8%A8%D8%A7%D8%A1/46868162 , Zugriff 29.9.2021

 WB, WFB, FAO, IFAD - World Bank (WB), World Food Programme (WFP), Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), International Fund for Agricultural Development (IFAD) (2.7.2020): Food Security in Iraq - Impact of COVID-19, April - Juni 2020, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000117361/download/?_ga=2.67020393.616067374.1626875776-315491719.1617105906 , Zugriff 25.8.2021

 WB, WFP, FAO, IFAD - World Bank (WB), World Food Programme (WFP), Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), International Fund for Agricultural Development (IFAD) (9.2020): Food Security in Iraq - Impact of COVID-19, with a Special Feature on Digital Innovation, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Iraq%20Food%20Security%20Report%20August%202020%20-%20Arabic.pdf , Zugriff 1.10.2021

 WFP - World Food Programme (9.2021): Hunger Map Live, Iraq, https://hungermap.wfp.org/ , Zugriff 27.9.2021

 WFP - World Food Programme (1.2021): Iraq - Annual Country Report 2020, Country Strategic Plan 2020 – 2024, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000125441/download/ , Zugriff 29.9.2021

 WFP - World Food Programme (2019): Iraq Socio-Economic Atlas 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2020086/WFP-0000110173.pdf , Zugriff 25.8.2021

Medizinische Versorgung

Der Gesundheitssektor im Irak hat unter den Kriegen, den Sanktionen, der Korruption und den mangelnden Investitionen gelitten. Mithilfe der Vereinten Nationen und ausländischer Hilfsorganisationen kann meist nur das Nötigste gesichert werden (GIZ 1.2021b).

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor (IOM 1.4.2019). Öffentliche Krankenhäuser berechnen niedrigere Kosten für Untersuchungen und Medikamente als der private Sektor. Allerdings sind nicht alle medizinischen Leistungen in öffentlichen Einrichtungen verfügbar und von geringerer Qualität als jene im privaten Sektor. Vor allem in größeren Städten und für spezialisierte Behandlungen kann es zu langen Wartezeiten kommen. Die Qualität der Gesundheitsversorgung hängt stark davon ab, ob die Gesundheitsinfrastruktur seit dem jüngsten bewaffneten Konflikt wiederhergestellt wurde, und ob Ärzte und Krankenschwestern zurückgekehrt sind (IOM 18.6.2021).

Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 1.2021d). Medizinische Kosten und Gesundheitsleistungen werden im Irak nicht von einer Krankenversicherung übernommen (IOM 18.6.2021).

Es gibt im Irak 1146 primäre Gesundheitszentren, die von Mitarbeitern der mittleren Ebene geleitet werden und 1185, die von Ärzten geleitet werden. Des weiteren gibt es im Irak 229 allgemeine und spezialisierte Krankenhäuser, darunter 61 Lehrkrankenhäuser (WHO o.D.). Im Zuge der COVID-19 Krise hat die Regierung einen spürbaren Bedarf an medizinischer Ausrüstung festgestellt. Die Regierung hat Initiativen ergriffen, um die Verfügbarkeit von Gesichtsmasken und Handdesinfektionsmitteln zu erhöhen sowie Krankenhäuser mit mehr Sauerstofftanks und Notaufnahmen auszustatten. Im April 2021 hat die Regierung eine COVID-19-Unterstützung für abgelegene Gebiete initiiert, die Arztbesuche in abgelegenen Orten, die Verteilung von Medikamenten und die Bereitstellung kostenloser medizinischer Beratung umfasst. Daten über konkrete Initiativen und die Wirksamkeit der Maßnahmen sind jedoch nicht verfügbar (IOM 18.6.2021)

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 22.1.2021). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustregel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 1.2021d). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 22.1.2021). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Anfang des Jahres 2020, mit Beginn der COVID-19-Pandemie stellten die medizinischen Fakultäten und Gesundheitseinrichtungen die meisten ihrer zur Verfügung gestellten Dienste ein und verlagerten sich auf die Untersuchung des Virus und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft. Im September 2020 nahm der öffentliche Gesundheitssektor seine Arbeit und Dienstleistungen wieder auf, mit neuen Regelungen, wie dem Zugang zu Krankenhäusern nur nach Terminvereinbarung, Rotationsschichten des medizinischen Personals, längeren erforderlichen Wartezeiten und strengeren Hygienemaßnahmen. Im Jahr 2021 bieten sowohl der öffentliche als auch der private Gesundheitssektor ihre Arbeit beinahe wieder normal an, jedoch mit hohen Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19, wie vom irakischen Gesundheitsministerium (MoH) angewiesen (IOM 18.6.2021).

Aufgrund der COVID-19-Pandemie steht die Bereitstellung grundlegender Gesundheitsdienste unter Druck. Familien haben nicht im gleichen Maße wie 2019 Zugang zu grundlegenden Diensten, einschließlich Impfungen und Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind. Schätzungsweise 300.000 Kinder laufen Gefahr, nicht geimpft zu werden, was zu Masernausbrüchen oder der Rückkehr von Polio führen könnte (UN OCHA 2021).

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich (AA 22.1.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021b): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021d): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/ , Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

 IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Zugriff 21.6.2021

 IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2 , Zugriff 15.8.2021

 UN OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2021): Global Humanitarian Overview 2021, Iraq, https://gho.unocha.org/iraq , Zugriff 25.8.2021

 WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html , Zugriff 3.3.2021

 

ACCORD Anfragebeantwortung zum Irak: Versorgung von PatientInnen mit psychischen Erkrankungen [a-11521-1], Stand 26.03.2021 [auszugsweise]:

[…]

Der Bericht der finnischen Einwanderungsbehörde von einer Fact-Finding-Mission im Februar 2019 beschreibt die Gesundheitsinfrastruktur als unzureichend, es bestehe ein anhaltender Mangel an bestimmten Arzneimitteln und Medizinprodukten. (FIS, 17. Juni 2019, S. 4) Die Kosten für die Gesundheitsversorgung im Irak, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor, würden in den meisten Fällen direkt von den Menschen im Irak getragen. Die Verwendung öffentlicher Mittel zur Subventionierung der Dienstleistungen des öffentlichen Sektors sei im Vergleich zur Vergangenheit zurückgegangen. (FIS, 17. Juni 2019, S. 6)

Ob eine Person die Mittel hat, um für Gesundheitsdienstleistungen zu bezahlen, wirke sich stärker als früher auf die Verfügbarkeit von Dienstleistungen aus. Ein Vertreter einer internationalen Organisation habe angegeben, dass kürzlich eine Studie zur Aufteilung der Kosten für das Gesundheitswesen abgeschlossen worden sei. Zuvor seien die Familien für etwa 30 bis 35 Prozent der Gesundheitskosten verantwortlich gewesen. Zum Zeitpunkt des Interviews hätten die Familien 70 Prozent der Kosten selbst tragen, was eine große Belastung darstelle. Informationen von MedCOI aus dem Jahr 2017 würden zeigen, dass ein Termin im öffentlichen Sektor bei einem Psychiater entweder kostenlos sei oder zwischen 10.000 und 25.000 Dinar (7,67 bis 19,17 €) koste, wobei der Preis im privaten Sektor bei 25.000 Dinar liege.

Es sei angemerkt worden, dass Medikamente für PatientInnen teuer seien. Im Gegensatz zu einigen anderen Arten von Medikamenten müssten Psychopharmaka häufig über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. NGOs würden normalerweise nicht bei Therapien zu psychischer Gesundheit einspringen, da sie unter Druck stünden, Dienste anzubieten, die besser sichtbar und für die Allgemeinheit verständlich seien. Es gebe Kirchen, die solche Dienste anbieten würden, doch auch diesen sei es nicht immer möglich, eine stetige Versorgung mit Medikamenten aufrechtzuerhalten. (FIS, 17. Juni 2019, S. 17)

Psychiatrische Dienste stünden allen offen. Der Zugang zu Dienstleistungen sei nicht aus Gründen wie der Zugehörigkeit zu einem Stamm, dem Leben in einer abgelegenen Gegend oder aufgrund des Geschlechts eingeschränkt. Das Problem sei, dass einige der Dienstleistungen von schlechter Qualität seien und es nicht genügend Fachpersonal gebe. Um qualitativ hochwertige Dienstleistungen zu finden, würde eine Person möglicherweise viel Zeit und Geld benötigen. (FIS, 17. Juni 2019, S. 18-19)

Es wird im Bericht von FIS festgestellt, dass der Privatsektor im Bereich der psychischen Gesundheit floriere. Der Privatsektor biete qualitativ hochwertige Dienstleistungen an und verfüge über qualifizierte Ärzte. Die vom privaten Sektor angebotenen Gesundheitsdienstleistungen seien teurer als die im öffentlichen Sektor. Im öffentlichen Sektor gebe es lange Wartelisten. Es wird von den Befragten darauf hingewiesen, dass der Privatsektor hauptsächlich Psychiater beschäftige und nicht viele Psychologen. Auf dieser Grundlage entstand für FIS der Eindruck, dass der Privatsektor in ähnlicher Weise nur wenig Gesprächstherapie oder Therapiedienstleistungen anbiete. Es gebe 92 private allgemeine Krankenhäuser im Land. Die meisten von ihnen würden sich in den großen Städten wie Bagdad, Erbil und Basra befinden. (FIS, 17. Juni 2019, S. 19-20)

Laut einem Vertreter einer internationalen Organisation seien Psychopharmazeutika meistens verfügbar, aber die Verteilung von Medikamenten sei streng reguliert. Es gebe verwirrende und widersprüchliche Ansichten zum Recht der Ärzte, Psychopharmaka zu verschreiben. Gesundheitszentren und ÄrztInnen hätten manchmal Angst, eine medikamentöse Therapie anzubieten, da einige Richtlinien darauf hinweisen würden, dass dies in der Verantwortung spezialisierter Kliniken liege, von denen es nicht genug gebe. Auf der anderen Seite seien einige spezialisierte Kliniken der Ansicht, dass ihre Aufgaben nur Prävention und Diagnostik umfassen, nicht die tatsächliche Behandlung, die an anderer Stelle angeboten werden sollte. Manchmal werde PatientInnen wegen Angst vor Suchtgefahr keine Medikamente verschrieben. Dies habe zu einer Situation geführt, in der Menschen, die Medikamente benötigen, manchmal keinen Zugang zu diesen hätten. (FIS, 17. Juni 2019, S. 20)

Es gebe Probleme von schlechter Qualität bei Arzneimitteln. Arzneimittel von minderer Qualität würden aus Ländern wie Indien und der Türkei importiert. Viele PatientInnen würden dazu tendieren, diese medizinischen Produkte zu verwenden, weil sie billiger seien als Produkte von besserer Qualität und kontrollierte/registrierte Arzneimittel. (FIS, 17. Juni 2019, S. 21)

Aws Sadik erklärt in seinem Artikel, dass häufig verwendete Psychopharmaka in öffentlichen Krankenhausapotheken erhältlich sein sollten. Jedoch könne es vorkommen, dass ein anderes Medikament verschrieben würde, nicht weil es medizinisch geboten sei, sondern weil es in den Lagern verfügbar sei. Die Versorgung mit Markenmedikamenten schwanke auch in privaten Apotheken. Daher müssten Patienten auf minderwertige Alternativen zurückgreifen, was zu einer Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit führen könne. (Sadik, 24. April 2020, S. 2)

[…]

Available medications:

Escitalopram, Psychiatry: antidepressants, Fawzy Pharmacy, 14 Ramadan Street, Baghdad (private facility)

Venlafaxine, Psychiatry: antidepressants Bana Pharmacy, Pigeons Peace Street, Erbil (private facility) Al Ameer Pharmacy, Doctors Street, Erbil (private facility)

Quetiapine, Psychiatry: antipsychotics; modern atypical, Bana Pharmacy, Pigeons Peace Street, Erbil (private facility)

[…]

 

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Irak, Verfügbarkeit von Medikamenten, Escitalopram, Trazodon, Stand 14.02.2018:

Sind in Basra Medikamente mit den Wirkstoffen Escitalopram und Trazodon (Markenname Trittico Retard) verfügbar?

Medikamente mit den besagten Wirkstoffen sind im Irak in Basra erhältlich.

 

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Irak, Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad, Stand 30.01.2018 [auszugsweise]:

[…]

3. Würden dem Antragsteller die Medikamente (Wirkstoffe), die er in Österreich verschrieben bekommt auch in Bagdad zur Verfügung stehen?

[…]

Medikamente mit den Wirkstoffen […] Levothyroxin […] sind im Irak in Bagdad erhältlich.

[…]

 

Medical Country of Origin Information, Medical Advisors Office, Immigration and Naturalization Service, The Netherlands, Quelle: BMA 13936, Stand 22.08.2020 [auszugsweise]:

[…]

Medication: allopurinol

Medication Group: Rheumatology and gout/hyperuricema: anti-gout

Type: Current Medication

Availability: Available

Ibn Rushid Hospital Pharmacy Al Sadr area Baghdad (Private Facility)

[…]

 

Medical Country of Origin Information, Medical Advisors Office, Immigration and Naturalization Service, The Netherlands, Quelle: BMA 14189, Stand 19.11.2020 [auszugsweise]:

[…]

Medication: naproxen

Medication Group: Rheumatology: NSAID ( Nonsteroidal anti-inflammatory medication)

Type: Alternative Medication

Availability: Available

Vajeen Pharmacy located Vajeen Private Hospital beside Azadi Teaching Hospital in Azadi neighborhoo Dohuk (Private Facility)

[…]

 

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten, auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, unter anderem von ihrer ethnischen und konfessionellen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort (AA 22.1.2021).

Zu den größten Herausforderung für Rückkehrer zählen die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychische und psychologische Probleme, sowie negative Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018).

Reintegration und Sicherheit werden durch Schutz, Stabilisierung, Rechtsstaatlichkeit und sozialen Zusammenhalt beeinflusst. An vielen Orten bleiben auch nach der Niederlage des sog. Islamischen Staates (IS) Quellen der Gewalt bestehen, die Rückkehrer betreffen können. In einigen Fällen kann Gewalt sogar durch die tatsächliche Rückkehr verschiedener Bevölkerungsgruppen an einen bestimmten Ort geschürt werden. Gewaltrisiken bleiben anhaltende Angriffe des IS oder anderer bewaffneter Gruppen, aber auch soziale Konflikte in Form von ethnisch-konfessionellen oder stammesbedingten Spannungen und Gewalt, darunter auch Racheakte. Auch politische Konkurrenz spielt bei diesem Risiko eine Rolle, da verschiedene Sicherheitsakteure in der fragmentierten Sicherheitskonfiguration nach dem Konflikt im Irak um territoriale Vorherrschaft ringen (IOM 2021).

Eine Untersuchung von 2020, zu der fast 7.000 Binnenvertriebene und 2.700 Rückkehrer befragt wurden, hat ergeben, dass die Zahl der Rückkehrerhaushalte, die mehr als 20% ihrer monatlichen Gesamtausgaben für Gesundheit oder Medikamente ausgeben, im Jahr 2020 stark, auf 38% gestiegen ist (im Vergleich zu 7% im Jahr 2019) (IOM 18.6.2021).

Hinsichtlich der Beschäftigung berichteten etwa 12% der befragten Rückkehrerhaushalte von vorübergehender und 1% von dauerhafter COVID-19-bedingter Arbeitslosigkeit. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) waren mehrere Distrikte im Gouvernement Erbil besonders von COVID-19-bedingter Arbeitslosigkeit betroffen. 71% der IDP- und Rückkehrerhaushalte im Distrikt Rawanduz meldeten vorübergehende oder dauerhafte Arbeitslosigkeit aufgrund von COVID-19, im Distrkt Shaqlawa waren es 56%. Im Gouvernement Sulaymaniyah war der Distrikt Dokan mit 52% am stärksten betroffen. Im föderalen Irak war der Distrikt Al-Kut im Gouvernement Wassit am stärksten von COVID-19-bedingter Arbeitslosigkeit betroffen. 56% seiner IDP- und Rückkehrerhaushalte meldeten vorübergehende oder dauerhafte Arbeitslosigkeit aufgrund von COVID-19 (IOM 18.6.2021).

Im Jahr 2020 hatten 59% der Rückkehrer ein durchschnittliches Monatseinkommen von weniger als 480.000 Irakischen Dinar (IQD) (~267,90 EUR) (im Vergleich zu 55% im Jahr 2019 und 71% im Jahr 2018). Bei Rückkehrerhaushalten, die von alleinstehenden Frauen geführten wurden, lag der Anteil sogar bei 79%. In der KRI waren die Haushaltseinkommen von Binnenvertriebenen- und Rückkehrerhaushalten im Jahr 2020 besonders niedrig: In den Bezirken Chamchamal, Halabcha, Rania und und Dokan im Gouvernement Sulaymaniyah und im Bezirk Koysinjag im Gouvernement Erbil hatten im Berichtszeitraum der MCNA-VIII-Erhebung (Juli - September 2021) zwischen 92% und 93% der Rückkehrerhaushalte ein Monatseinkommen von weniger als 480.000 IQD (IOM 18.6.2021).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser, jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote. In der Zeit nach Saddam Hussein sind die Besitzverhältnisse von Immobilien zuweilen noch ungeklärt. Nicht jeder Vermieter besitzt auch eine ausreichende Legitimation zur Vermietung (GIZ 1.2021d).

Um die Rückkehr von Flüchtlingen in die Herkunftsgebiete zu erleichtern, fianziert das UNDP die Umsetzung von Projekten zur Wiederherstellung der Infrastruktur, der Existenzgrundlagen und des sozialen Zusammenhalts in Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din. Darüber hinaus führte das Programm der Vereinten Nationen für Won- und Siedlungswesen (UN-Habitat) Schnellbewertungen von zerstörten Häusern in Gebieten von Ninewa durch und unterstützte 2.190 Familien, deren Häuser zerstört wurden, bei der Registrierung von Entschädigungsansprüchen. UN-Habitat stellte weiterhin Wohnberechtigungsscheine für jesidische Rückkehrer in Sinjar aus (UNSC 3.8.2021).

Es gibt mehrere Organisationen, die Unterstützung bei der Wiedereingliederung anbieten, darunter ETTC (Europäisches Technologie- und Ausbildungszentrum), IOM (Internationale Organisation für Migration) und GMAC (Deutsche Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration). Ebenso gibt es mehrere NGOs, die bedürftigen Menschen finanzielle und administrative Unterstützung bereitstellen sowie Institutionen, die Darlehen für Rückkehrer anbieten. Beispielsweise Bright Future Institution in Erbil, die Al-Thiqa Bank, CHF International/Vitas Iraq, die National Bank of Iraq, die Al-Rasheed Bank und die Byblos Bank (IOM 18.6.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

 GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021d): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/ , Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

 IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Zugriff 21.6.2021

 IOM - International Organization for Migration (2021): Home Again? Categorising Obstacles to Returnee Reintegration in Iraq, https://iraq.iom.int/files/IOM%20Iraq%20Home%20Again%2C%20Categorising%20Obstacles%20to%20Returnee%20Reintegration%20in%20Iraq.pdf , Zugriff 13.3.2021

 IOM - International Organization for Migration (2.2018): Iraqi returnees from Europe: A snapshot report on Iraqi Nationals upon return in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/DP.1635%20-%20Iraq_Returnees_Snapshot-Report%20-%20V5.pdf , Zugriff 21.6.2021

 UNSC - UN Security Council (3.8.2021): Implementation of resolution 2576 (2021); Report of the Secretary-General [S/2021/700], https://www.ecoi.net/en/file/local/2058500/S_2021_700_E.pdf , Zugriff 15.5.2021

 

Staatsbürgerschaft und Dokumente

Artikel 18 der irakischen Verfassung besagt, dass jede Person, die zumindest über einen irakischen Elternteil verfügt, die Staatsbürgerschaft erhält und somit Anspruch auf Ausweispapiere hat (Irakische Nationalversammlung 15.10.2005; vgl. USDOS 30.3.2021). Dies wird in Artikel 3 des irakischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 2006 bestätigt, jedoch wird in Artikel 4 darauf hingewiesen, dass Personen, die außerhalb des Iraks von einer irakischen Mutter geboren werden und deren Vater entweder unbekannt oder staatenlos ist, vom Minister für die irakischen Staatsbürgerschaft in Betracht gezogen werden können. Dies geschieht, wenn sich die besagte Person innerhalb eines Jahres nach ihrer Vollmündigkeit für die irakische Staatsbürgerschaft entscheidet. Wenn dies aus schwierigen Gründen unmöglich ist, kann die Person trotzdem noch um die irakische Staatsbürgerschaft ansuchen. In jedem Fall muss der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Bewerbung aber im Irak ansässig sein (Irakische Nationalversammlung 7.3.2006). Eine Doppelstaatsbürgerschaft ist per Staatsbürgerschaftsgesetz No.26/2006, Artikel 10 erlaubt (RoI MoFA 2021b).

Für die Ausstellung einer Geburtsurkunde für ein im Ausland geborenes Kind ist eine Registrierung bei der Konsularabteilung einer irakischen Botschaft notwendig. Der Vater der Kindes muss in der Konsularabteilung der Botschaft anwesend sein. Im Fall seines Ablebens ist der Ehevertrag ein erforderliches Dokument, um die Vaterschaft des Kindes zu belegen. Innerhalb von zwei Monaten nach dem Geburtstermin muss eine beglaubigte Geburtsbestätigung von der zuständigen Behörde des Landes, in dem die Geburt erfolgte, vorgelegt werden. Bei Verspätung ist eine Gebühr für die verzögerte Registrierung in Höhe von zehntausend irakischen Dinar [Anm.: 5,69 € (Stand April.2021)] zu bezahlen (RoI MoFA 2021a).

Laut dem irakischen Passgesetz kann jede Person über 18 Jahren, unabhängig von ihrem Geschlecht und ohne Erlaubnis des Vormunds einen Pass erhalten (Irakisches Innenministerium 2017). Ein Personalausweis wird etwa für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Wohnen benötigt (USDOS 30.3.2021; vgl. FIS 17.6.2019). Er wird auch für die Beantragung anderer amtlicher Dokumente, wie den Reisepass, benötigt (FIS 17.6.2019). Im Oktober 2015 ist ein neues nationales Ausweisgesetz in Kraft getreten. Laut diesem soll ein neuer biometrischer Personalausweis vier Karten ersetzen: den alten Personalausweis, den Staatsangehörigkeitsnachweis, den Aufenthaltsnachweis und den Lebensmittelausweis. Seit der Jahreswende 2015/2016 werden die neuen Ausweise sukzessive ausgestellt, bisher mehr als zehn Millionen (FIS 17.6.2019). In den seit 2016 ausgestellten Personalausweisen ist die Religionszugehörigkeit des Inhabers nicht mehr vermerkt, obwohl bei der Online-Beantragung immer noch nach dieser Information gefragt wird, und ein Datenchip auf dem Ausweis weiterhin Angaben zur Religion enthält (USDOS 12.5.2021). Viele Iraker besitzen nach wie vor ihren alten Personalausweis und den erforderlichen Staatsbürgerschaftsnachweis. Zwar haben die alten Ausweise kein Ablaufdatum, doch werden sie laut irakischen Behörden im Jahr 2024 ihre Gültigkeit verlieren. Die alten Ausweise werden dabei nach wie vor an Orten ausgegeben, an denen die notwendigen Gegebenheiten für die Ausstellung der neuen Dokumente nicht vorhanden sind. Da Ausweise in der Regel nur an den Orten der Aufenthaltsmeldung ausgestellt werden, benötigen IDPs häufig die Hilfe anderer, um zumindest an einen alten Ausweis zu kommen (FIS 17.6.2019).

Jedoch können Frauen ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters weder einen Reisepass beantragen (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021) noch einen Personalausweis bekommen, der etwa für den Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Wohnen benötigt wird (USDOS 30.3.2021).

Auch Personen, denen ein Naheverhältnis zum sog. Islamischen Staat (IS) vorgeworfen wird, in der Regel aufgrund ihres Familiennamens, ihrer Stammeszugehörigkeit oder ihres Herkunftsgebiets, sind von Auswirkungen der Verweigerung eines Passes betroffen (HRW 13.1.2021). Der sog. IS konfiszierte und zerstörte routinemäßig zivile und andere staatlich ausgestellte Dokumente und stellte stattdessen eigene Dokumente aus, die vom irakischen Staat nicht anerkannt werden. Heiratsurkunden, die in den vom sog. IS kontrollierten Gebieten ausgestellt wurden, werden zum Beispiel von der irakischen Regierung nicht anerkannt (CCiC 1.4.2021; vfl. NRC 4.2019). Viele Familien haben ihre Dokumente während der Kämpfe verloren oder sie wurden von Sicherheitskräften konfisziert - entweder nachdem sie aus den vom IS kontrollierten Gebieten geflohen waren oder als sie in den Lagern für Binnenvertriebene (IDPs) ankamen. Fehlende Sicherheitsfreigaben hindern Familien daran, zivile Dokumente zu erhalten oder zu erneuern. Bis heute fehlen schätzungsweise 37.980 Irakern, die in Binnenvertriebenenlagern leben, diverse zivile Dokumente (CCiC 1.4.2021).

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind in Umlauf. Zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 22.1.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

 CCiC - Center for Civilians in Conflict (1.4.2021): Ignoring Iraq’s Most Vulnerable: The Plight of Displaced Persons, https://civiliansinconflict.org/wp-content/uploads/2021/04/CIVIC_Iraq_Report_Final-Web.pdf , Zugriff 8.6.2021

 FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html , Zugriff 3.3.2021

 FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (17.6.2019): Irak: Tiendonhankintamatka Bagdadiin Helmikuussa 2019 Paluut Kotialueille (Entisille ISIS-Alueille); Ajankohtaista Irakilaisista Asiakirjoista, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Irak+Tiedonhankintamatka+Bagdadiin+helmikuussa+2019+Paluut+kotialueille+%28entisille+ISIS-alueille%29%3B+ajankohtaista+irakilaisista+asiakirjoista.pdf/c5019f7f-e3f7-981b-7cea-3edc1303aa78/Irak+Tiedonhankintamatka+Bagdadiin+helmikuussa+2019+Paluut+kotialueille+%28entisille+ISIS-alueille%29%3B+ajankohtaista+irakilaisista+asiakirjoista.pdf , Zugriff 13.3.2020

 HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html , Zugriff 10.2.2021

 Irakische Nationalversammlung [Irak] (9.9.2015): Iraq: Passports Law (2015), inoffizielle englische Übersetzung, https://www.refworld.org/docid/5c755e247.html , Zugriff 10.2.2021

 Irakische Nationalversammlung [Irak] (7.3.2006): Iraqi Nationality Law, Law 26 of 2006,inoffizielle englische Übersetzung, https://www.refworld.org/docid/4b1e364c2.html , Zugriff 10.2.2021

 Irakische Nationalversammlung [Irak] (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, inoffizielle englische Übersetzung, http://www.refworld.org/topic ,50ffbce524d,50ffbce525c,454f50804,0,,LEGISLATION,IRQ.html, Zugriff 10.2.2021

 NRC - Norwegian Refugee Council [Norwegen] (4.2019): Barriers from birth: Undocumented children in Iraq sentenced to a life on the margins, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/barriers-from-birth---report.pdf , 1.4.2021

 RoI MoFA - Republic of Iraq, Ministry of Foreign Affairs [Irak] (2021a): Birth Certificate, https://www.mofa.gov.iq/birth-certificate , Zugriff 3.3.2021

 RoI MoFA - Republic of Iraq, Ministry of Foreign Affairs [Irak] (2021b): Passport Issuance, https://www.mofa.gov.iq/passport-issuance , Zugriff 8.6.2021

 USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html , Zugriff 15.5.2021

 USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html , Zugriff 1.4.2021

 

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht. Mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokumentes steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu den diagnostizierten Erkrankungen des Beschwerdeführers sowie den jeweiligen Medikamenten beruhen auf den vorgelegten Unterlagen und wurden vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage bestätigt. Bei den medizinischen Unterlagen handelt es sich im Wesentlichen um Mitteilungen der Psychologin des Beschwerdeführers, datierend vom 16.01.2020, 25.05.2021 und 16.11.2021, die Befundberichte einer Fachärztin für Psychiatrie vom 10.09.2019 und 03.02.2020, die „Bescheinigung über das Vorliegen einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung“ eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie aus Berlin, datierend vom 14.06.2019 sowie den Arztbrief des Facharztes für Psychiatrie Dr. Gerold W vom 02.12.2021. Aus diesem jüngsten Arztbrief gehen die Diagnosen im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit des Beschwerdeführers zweifelsfrei hervor und kam der Psychiater Dr. W zu dem Schluss, dass eine schwere depressive Episode, Psychose oder konkrete Selbstmordgefährdung derzeit nicht vorliegen. Aus den getroffenen Länderfeststellungen geht zweifelsfrei hervor, dass alle Medikamente im Irak verfügbar sind und auch die Behandlung psychischer Erkrankungen möglich ist. Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, arbeitsunfähig zu sein und hat die erkennende Richterin einen solchen Eindruck vom Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung nicht gewonnen, zumal dies auch aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht hervorgeht.

Die Feststellungen zur ausgeheilten Schussverletzung beruhen auf der „Medizinischen Befundinterpretation“ des Sachverständigen DDr. Ernst R vom 10.11.2017 (AS 667 ff).

Die Feststellungen zur Schulbildung und zum Studium des Beschwerdeführers beruhen auf den diesbezüglichen plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Zu seiner beruflichen Laufbahn machte der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben. So gab er in seinem Asylverfahren in den Niederlanden noch an, von März 2007 bis März 2011 beim Geheimdienst tätig gewesen zu sein, wie dem holländischen Asylbescheid, welcher im Verwaltungsakt einliegt, zu entnehmen ist (AS 787 ff). In der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 05.03.2014 gab der Beschwerdeführer dann an, von 1991 bis Juli 2013 für den irakischen Staat gearbeitet zu haben (AS 240). In einer weiteren Einvernahme am 06.07.2017 gab er wiederum an, von 1987 bis 2003, 2007 bis 2010 und 2011 bis 2013 Geheimdienstmitarbeiter gewesen zu sein (AS 487 ff). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.12.2021 konnte er seinen beruflichen Werdegang auch auf mehrfache Nachfrage nicht stringent wiedergeben. So gab er dabei an, von 1987 bis 2004 beim Sicherheitsdienst für Saddam Hussein gearbeitet zu haben und von 2004 bis 2013 - abgesehen von Gelegenheitsjobs in der Landwirtschaft - nicht mehr gearbeitet zu haben (Verhandlungsprotokoll, S. 5 f). Auch auf Nachfrage betonte er erneut, nach 2004 nicht mehr beim Sicherheitsdienst gearbeitet zu haben (Verhandlungsprotokoll, S. 6). Auf den Vorhalt dieses Widerspruchs behauptete der Beschwerdeführer, dass ihm nicht die Chance gegeben worden sei, zu antworten (Verhandlungsprotokoll, S. 6). Dem steht jedoch die im Verhandlungsprotokoll zweifelsfrei dokumentierte Nachfrage der erkennenden Richterin entgegen. In weiterer Folge gab der Beschwerdeführer an, dass er nach seiner Flucht in die Niederlande und der anschließenden Rückkehr in den Irak 2012 zunächst für eineinhalb Monate inhaftiert worden sei und anschließend wieder für den Sicherheitsdienst tätig gewesen wäre (Verhandlungsprotokoll, S. 9). Dieses Vorbringen ist jedoch völlig lebensfremd und entbehrt jedweder Plausibilität, weshalb in einer Zusammenschau mit den übrigen Widersprüchlichkeiten, welche im Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen aufzuzeigen sein werden, feststeht, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nie für irakische Sicherheitsbehörden tätig war. An dieser Einschätzung vermögen auch die vorgelegten Dokumente (Sicherheitsausweis, Polizeiausweis, AS 433 ff) nichts zu ändern, da jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung im Irak zu beschafften ist.

Die Reisebewegungen entsprechen dem in dieser Hinsicht übereinstimmenden Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren. Die ablehnende Entscheidung aus den Niederlanden liegt im Verwaltungsakt in Übersetzung ein (AS 783 ff). Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers und zum Beginn seines Aufenthalts in Österreich beruhen auf seinen Aussagen im Zuge der Erstbefragung am 21.10.2013. Dass er sich seither in Österreich aufhält, geht aus dem eingeholten Melderegisterauszug hervor.

Die Feststellungen zu seiner Exfrau, ihrem Sohn und zur fehlenden Beziehung beruhen auf den diesbezüglichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen im Irak wiesen im Laufe des Verfahrens gravierende Unstimmigkeiten auf: Während er etwa in der niederschriftlichen Einvernahme am 05.03.2014 und zu Beginn der Einvernahme am 26.06.2015 noch angab, einen Bruder zu haben (AS 241 und 389), führte er im weiteren Verlauf dieser Einvernahme aus, zwei Brüder zu haben (AS 390). Zwei Jahre später, bei der Einvernahme am 06.07.2017, gab er dann an, drei Brüder zu haben, wobei zwei davon entweder in Haft oder ermordet wären (AS 486). Auch zum Verbleib seiner Angehörigen machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben. Während er etwa in der Einvernahme am 05.03.2014 noch angab, dass sein Vater nach wie vor in Haft sei (AS 242), gab er in der Einvernahme am 26.06.2015 an, dass seine Eltern nach seiner Rückkehr 2011 aus der Haft entlassen worden und zwei seiner Brüder inhaftiert wären (AS 360). Noch im weiteren Verlauf dieser Einvernahme widersprach sich der Beschwerdeführer selbst, indem er angab, dass seine Eltern und nur einer seiner Brüder nach wie vor in Haft wären (AS 392). Der vorgelegten „Auskunft über die psychologische Behandlung“ vom 16.01.2020 (OZ 9) ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer gegenüber seiner Psychologin angegeben hat, dass sein Vater am 24.11.2020 verstorben sei, weswegen ab diesem Zeitpunkt wieder vermehrt depressive Symptome aufgetreten wären. Dem vorgelegten Befundbericht seiner Psychiaterin vom 10.09.2019 ist wiederum zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ihr gegenüber angegeben hat, dass seine Eltern vor zwei Jahren (somit bereits 2017) verstorben wären. Dem völlig entgegenstehend gab der Beschwerdeführer schließlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.12.2021 an, dass sein Vater seinem letzten Wissensstand nach im Gefängnis sei, aber 2019 die Todesstrafe bekommen habe, weshalb der Beschwerdeführer annehme, dass er Tod sei (Verhandlungsprotokoll, S. 13). Der Beschwerdeführer hat sich somit im gesamten Verfahren regelmäßig selbst widersprochen, weshalb sein Vorbringen zu seinen Familienmitgliedern den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden konnte. Es war daher bei lebensnaher Betrachtungsweise festzustellen, dass seine Angehörigen entgegen seinem Vorbringen nicht verstorben sind, sondern sich nach wie vor im Irak aufhalten.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht und Leistungen der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung von vorübergehender Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.

Dass er über keine familiären Beziehungen in Österreich verfügt, gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ebenso ausdrücklich an, wie den Umstand, dass er keinen Deutschkurs besucht hat, sich nicht ehrenamtlich betätigt hat, keinem Verein beigetreten ist und zwei Freunde hat. Die Feststellung, wonach er nicht Deutsch spricht, konnte aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks getroffen werden, da der Beschwerdeführer an ihn gerichtete einfache Fragen auf Deutsch nicht verstehen konnte.

Eine Kopie der Urteilsausfertigung des Landesgerichtes XXXX liegt im Verwaltungsakt ein und beruhen darauf die Feststellungen zu den begangenen Straftaten. Auch die polizeilichen Anzeigen liegen im Verwaltungsakt ein, wobei aus dem eingeholten Strafregisterauszug zweifelsfrei hervorgeht, dass der Beschwerdeführer kein weiteres Mal verurteilt wurde.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Im Rahmen des Asylverfahrens trifft den Asylwerber eine Mitwirkungspflicht. Er muss eine ihm drohende Behandlung oder Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft machen.

Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Das Vorbringen des Asylwerbers ist auch nicht hinreichend substantiiert, wenn Sachverhalte nur sehr vage geschildert werden und der Asylwerber nicht in der Lage ist, detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

Im Rahmen seiner Erstbefragung am 21.10.2013 begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag damit, dass er im Irak bei der Sicherheitspolizei angestellt gewesen sei und von einer iranischen Gruppe aufgefordert worden sei, Häftlinge zu entlassen. Da er dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, wären er und seine Familie mit dem Tode bedroht worden.

Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer dann am 05.03.2014 an, dass er Sicherheitsoffizier gewesen wäre und es seine Aufgabe gewesen sei, Terroristen festzunehmen und über diese Akten anzulegen. Es wären dann von Regierungsstellen Befehle gekommen, bestimmte Akten zu überliefern, womit er nicht einverstanden gewesen sei. Er habe daher abgelehnt und habe ihn daraufhin ein befreundeter Offizier gewarnt, dass er getötet werden solle. Es habe außerdem bereits im Jahr 2009 ein Attentat auf ihn gegeben und sei der Beschwerdeführer daraufhin nach Holland geflüchtet. In Holland sei ihm Asyl gewährt worden, jedoch wären nach einem Jahr Leute des irakischen Geheimdienstes zu ihm gekommen und hätten gesagt, dass seine Familie im Irak verhaftet worden sei und getötet werde, wenn er nicht in den Irak zurückkehre. Er sei daraufhin zurückgekehrt und wäre dann seine Schwester und ihr Mann getötet worden, sein Vater ins Gefängnis gekommen und ein Bruder verhaftet worden.

Am 26.06.2015 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde erneut niederschriftlich einvernommen und gab er dabei zu seinem Fluchtgrund befragt zusammengefasst an, dass er vor seiner Ausreise für zwei Monate inhaftiert und gefoltert wurde. Nach seiner Entlassung habe er wieder eine Stelle als Offizier bei der Sicherheitspolizei erhalten.

Am 06.07.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zum dritten Mal niederschriftlich einvernommen und gab er dabei zum Fluchtgrund im Wesentlichen an, als Geheimdienstoffizier unter Saddam Hussein Beschuldigte einvernommen zu haben. Wegen dieser Tätigkeit sei er 2005 von Milizen festgenommen worden und eineinhalb Jahre in Haft gewesen. Nach seiner Freilassung sei er zum Geheimdienst zurückgekehrt, bis er 2010 nach Holland geflüchtet sei.

Zuletzt vernahm die belangte Behörde den Beschwerdeführer am 04.04.2018 niederschriftlich ein und gab er dabei auf den Vorhalt zahlreicher Widersprüche zwischen seinen Angaben in Holland und jenen im gegenständlichen Verfahren im Wesentlichen an, dass er in Holland nicht die Wahrheit gesagt habe bzw. nicht alles erzählt habe, um keine Nachteile zu haben.

Wie schon die belangte Behörde erachtet auch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aufgrund folgender Überlegungen als unglaubwürdig:

Der Beschwerdeführer verstrickte sich im Laufe des Verfahrens in zahlreiche Widersprüche in Bezug auf zentrale Elemente seiner Fluchtgeschichte. So gab er im Wesentlichen an, aufgrund seiner Tätigkeit beim Geheimdienst bedroht worden und deshalb geflüchtet zu sein. Wie jedoch bereits umseits unter Punkt II.2.1 ausgeführt, ist schon aufgrund der unterschiedlichen Angaben zur Dauer der Tätigkeit nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer je für eine irakische Sicherheitsbehörde gearbeitet hat. Auch zu seinen angeblichen Aufgaben beim Geheim- bzw. Sicherheitsdienst machte der Beschwerdeführer nur äußerst widersprüchliche Angaben. Während er im Zuge seines Asylverfahrens in den Niederlanden noch angab, für die Postsendungen verantwortlich gewesen zu sein (AS 791 ff), behauptete er vor der belangten Behörde am 06.07.2017, dass seine Hauptaufgabe die Vernehmung von Beschuldigten gewesen wäre (AS 488 ff). Davon war in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.12.2021 keine Rede mehr, sondern gab der Beschwerdeführer bei dieser Gelegenheit an, Wächter in einem amerikanischen Gefängnis gewesen zu sein und auch bei Gerichtsverhandlungen Protokoll geführt zu haben (Verhandlungsprotokoll, S. 7 f).

Auch sein Vorbringen, selbst inhaftiert gewesen zu sein, ist aufgrund erheblicher Widersprüche nicht plausibel. So gab er in der Einvernahme am 05.03.2014 noch ausdrücklich an, selbst nie im Gefängnis gewesen zu sein (AS 241), wohingehend er am 26.06.2015 angab, nach seiner Rückkehr im Jahr 2012 für zwei Monate inhaftiert gewesen zu sein (AS 389 ff). In der Einvernahme am 06.07.2017 erwähnte der Beschwerdeführer erstmals, dass er bereits ab 2005 eineinhalb Jahre in Haft gewesen sei (AS 06.07.2017) und steigerte er im Übrigen sein Vorbringen aus der letzten Einvernahme dahingehend, dass er nach seiner Rückkehr nicht zwei, sondern vier Monate inhaftiert gewesen sei (AS 489). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer wiederum an, nach seiner Rückkehr nicht zwei oder vier Monate, sondern eineinhalb Monate inhaftiert worden zu sein.

Die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers wird im Übrigen auch dadurch belastet, dass er zu mutmaßlichen Nebenumständen seiner Fluchtgeschichte widersprüchliche Angaben gemacht hat. So gab er zur Entstehung seiner ausgeheilten Schussverletzung im Asylverfahren in Holland noch an, dass diese auf einen Anschlag der Al-Quaida im Jahr 2008 zurückgehe (AS 791). Dem entgegenstehend gab der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde am 05.03.2014 an, dass das Attentat im Jahr 2009 stattgefunden habe und beim Verlassen seines Hauses acht Personen mit Waffen mit Schalldämpfern auf ihn gefeuert hätten (AS 242). In der Einvernahme am 06.07.2017 behauptete der Beschwerdeführer dann, dass der Anschlag im Jahr 2010 stattgefunden habe und er dabei von mehreren Fahrzeugen auf dem Weg von der Arbeit nach Hause gestoppt worden wäre. Die Täter hätten verlangt, dass er mitkommt, was er ablehnt habe. In diesem Moment wäre eine amerikanische Patrouille gekommen und die Milizen hätten auf ihn geschossen (AS 491). Der Beschwerdeführer nannte damit bei drei Gelegenheiten drei verschiedene Jahre des Anschlages und drei völlig konträre Tathergänge.

Schließlich sind auch weitere Umstände hervorgekommen, welche das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers höchst unplausibel erscheinen lassen. So wurde bereits umseits unter Punkt II.2.1. dargelegt, dass der Beschwerdeführer offenbar unrichtige Angaben zu seinen Familienmitgliedern gemacht hat, was seine persönliche Glaubwürdigkeit weiter schwer belastet. Es ist außerdem völlig lebensfremd, dass ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter unter dem Regime Saddam Husseins zunächst nach Holland flüchten muss, dann durch Druck auf seine Familie zurückkehrt und nach einer kurzen Inhaftierung seine Stelle als Offizier zurückerhält, nur um ein Jahr später wieder flüchten zu müssen. Auf den Vorhalt dieses Umstandes gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nur an, dass er unter dem Druck seine Familie zu befreien alles getan hätte und die Regierung diese Situation ausgenutzt habe (Verhandlungsprotokoll, S. 9). Es ist ihm damit in einer Zusammenschau nicht gelungen, ein stringentes, nachvollziehbares und plausibles Vorbringen zu seinen ausreisekausalen Gründen zu erstatten und vermochte er aus diesem Grund nicht glaubhaft zu machen, dass er im Irak je für eine Sicherheitsbehörde tätig war und somit tatsächlich der Gefahr einer individuell gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt war bzw. ist.

Dem Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens - mit dem die Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers geklärt werden sollte - wurde in der mündlichen Verhandlung aus folgenden Überlegungen nicht stattgegeben: Hinsichtlich seiner psychischen Beeinträchtigung bescheinigen die aktuellen medizinischen Unterlagen - allen voran der Arztbrief des Facharztes für Psychiatrie Dr. W vom 02.12.2021 - den derzeitigen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung am selben Tag wurde der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers somit erst kürzlich fachärztlich bewertet. Dabei hielt der Psychiater die Diagnosen depressive Anpassungsstörung und eine verlängerte depressive Reaktion aus den vorangegangenen medizinischen Unterlagen vollinhaltlich aufrecht. Die vorgelegten medizinischen Unterlagen sind schlüssig und überzeugen das Bundesverwaltungsgericht vom Vorliegen dieser psychischen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers und ist der Beschwerdeführer dieser Diagnose im Übrigen auch nicht entgegengetreten. Aus sämtlichen vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer nicht dispositionsfähig wäre und hat auch die erkennende Richterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen solchen Eindruck vom Beschwerdeführer nicht gewonnen. Der Beschwerdeführer wirkte klar und orientiert und war auch in der Lage, die an ihn gestellten Fragen problemlos zu verstehen und zu beantworten.

Aufgrund der vorliegenden aktuellen medizinischen Unterlagen iVm dem gewonnenen persönlichen Eindruck konnte daher die Einholung des beantragten Gutachtens zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers unterbleiben.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0210).

Dem Beschwerdeführer wurden im Vorfeld der Verhandlung auf die Feststellungen und Berichte zur allgemeinen Situation im Irak hingewiesen und zur Akteneinsicht angeboten. Darüber hinaus wurden ihm die zitierten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit von Behandlungen und Medikamenten mit der Ladung und ergänzend mit Parteiengehör vom 07.12.2021 übermittelt. Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zur Verfügbarkeit von Medikamenten, wurden mit ihm und seiner Rechtsvertreterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.12.2021 erörtert und verwies seine Rechtsvertreterin dabei auf die angespannte Versorgungssituation, die Überlastung des Gesundheitssystems, den Mangel an psychiatrischen Fachkräften und Therapiemöglichkeiten sowie die Engpässe bei Verfügbarkeiten von Medikamenten. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang keineswegs die angespannte Versorgungslage im Irak, gerade im Bereich der psychischen Gesundheit, jedoch geht aus den getroffenen Länderfeststellungen auch hervor, dass eine grundlegende Versorgung erhältlich und auch alle benötigten Medikamente verfügbar sind.

Zusammengefasst ist sohin festzuhalten, dass sich die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak zweifelsfrei aus den unter Punkt II.1.3. zitierten Quellen ergeben.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (erster Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abs. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2. ausführlich dargestellt, konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall keine Gründe glaubhaft machen, die für eine asylrelevante Verfolgung sprächen. Seinem Fluchtvorbringen hinsichtlich der Gefahr eine Verfolgung wegen seiner Tätigkeit als Angehöriger einer irakischen Sicherheitsbehörde war unter Abwägung aller in der Beweiswürdigung dargelegten Gründe die Glaubhaftigkeit zu versagen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen den ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (zweiter Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk“ einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs 1 AsylG ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Überdies ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk“ einer Verletzung von Art. 3 EMRK durch die Abschiebung in seinen Heimatstaat droht, weil der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK angenommen werden kann (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht im Irak keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art. 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art. 3 EMRK - was im Irak aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die im Irak leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des Beschwerdeführers kein stichhaltiger Grund dafür vor anzunehmen, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak zu erleiden. Zwar ist die Sicherheitslage im Irak nicht mit der österreichischen vergleichbar, jedoch erreicht die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im Irak vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderberichte nicht ein so hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat alleine durch seine Anwesenheit im Staatsgebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation im Irak und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt betroffen wäre. Daher ist auch diese Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Eine Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Beschwerdeführers im Irak liegt ebenfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer gehört weder einer Bevölkerungsgruppe an, die im Irak allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen vor, die dazu führen könnten, dass er bei einer Rückkehr in den Irak einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Auch ergeben sich aus den einschlägigen Länderberichten keine Gründe, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe besteht.

In Hinblick auf die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B 2400/07).

In Bezug auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung nicht, dass hier außergewöhnliche Umstände gegeben wären, die eine Rückkehr in den Herkunftsstaat - unbeschadet des möglichen Umstandes, dass dort eine mit österreichischen Verhältnissen vergleichbare qualitativ hochwertige medizinische Behandlung nicht zu erwarten ist - ausschließen würden. Wie sich aus der dargestellten Rechtsprechung ergibt, ist nämlich der Umstand allein, dass ein vergleichbarer Standard in der medizinischen Behandlung nicht besteht, nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Fallbezogen erreicht die sich aus den Bescheinigungsmitteln ergebende Gesundheitsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers auch nicht jenes sehr außergewöhnliche Ausmaß an Leidenszuständen, wie es in der Rechtsprechung des EGMR für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses nach Art. 3 EMRK gefordert wird. Selbiges gilt für die geltend gemachte depressive Erkrankung, da nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nämlich selbst schwere psychische Krankheiten wie PTBS und sogar Selbstmordgefahr (EGMR 22.09.2005, Fall Kaldik, Appl. 28526) sowie schwere Depression und Selbstmordgefahr (EGMR 31.05.2005, Ovidenko, Appl. 1383/04), der Abschiebung nicht im Wege stehen. Aus den unter Punkt II.1.3. zitierten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation geht zweifelsfrei hervor, dass alle vom Beschwerdeführer derzeit benötigten Medikamente, nämlich Escitalopram, Venlafaxin retard, Trittico retard, Quetialan, Euthyrox, Allopurinol und Naproxen im Irak zur Verfügung stehen. Auch psychiatrische Dienste stehen allen Irakern offen, wenn die Kosten auch häufig privat zu tragen sind (vgl. Punkt II.1.3.).

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage im Irak (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für den Irak ebenfalls nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr in den Irak mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.

Dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall ebenfalls keinen Anhaltspunkt. Der 51-jährige Beschwerdeführer ist erwerbsfähig und sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb er im Falle seiner Rückkehr nach Bagdad nicht durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können sollte.

Der Beschwerdeführer kann somit in seine Heimatstadt Bagdad vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage zurückkehren, ohne dass die Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bzw. eine für sie als Zivilpersonen ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts besteht.

Der Umstand, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers im Irak möglicherweise bescheidener ausfallen mag als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihm wäre im Falle der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten (zur „Schwelle“ des Art. 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059).

Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse im Hinblick auf den 51-jährigen Beschwerdeführer.

Damit erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen den zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet und war dementsprechend gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (dritter Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Rechtslage

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG zwar ausgesprochen hat, dass ein „Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG („Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich des dritten Spruchpunktes des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (vierter Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides):

3.4.1. Rechtslage:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2. Anwendung der Rechtslage im gegenständlichen Fall:

Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 21.10.2013 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung zwar eine gewisse, auch auf - dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnende - Verzögerungen zurückgehende Dauer. Der seit Oktober 2013 andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Daher des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100). Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht, und im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon ausgeht, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“, ist die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall wohl zwar nicht als sehr kurz, aber auch nicht als besonders lange zu bewerten. Von der in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Judikatur, die bei einem über zehnjährigen Aufenthalt (sofern diese Dauer nicht durch gewisse Umstände relativiert wird) regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich ausgeht, ist die Länge des Aufenthalts des Beschwerdeführers jedoch eine erhebliche Zeitspanne entfernt und seine Aufenthaltsdauer somit nicht als so lange zu bewerten, dass sie sein Interesse an einem Verbleib in Österreich automatisch zum Überwiegen bringen würde. Sein Aufenthalt wird zusätzlich dadurch relativiert, dass er illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und sich lediglich auf Grundlage des verfahrensgegenständlichen, letztlich unbegründeten Asylantrags in Österreich aufhielt.

Der nunmehr knapp über acht Jahre andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhte somit auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb er während der gesamten Dauer seines Aufenthaltes auch nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. So hat der Verwaltungsgerichtshof erst in drei jüngst ergangenen Entscheidungen, bei annähernd gleicher Aufenthaltsdauer wie im Fall des Beschwerdeführers, jedoch bei wesentlich gewichtigeren Integrationsschritten wie im vorliegenden Beschwerdefall (Ausbildung in Sozial- und Pflegeberuf, Lehre zum Bäcker), ausführlich dargelegt, dass es maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste und eine zuvor ergangene Rückkehrentscheidung bestätigt (vgl. VwGH 06.05.2020, Ra 2020/20/0093; 27.02.2020, Ra 2019/01/0471; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Der darin angeführte Aspekt, es müsse unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden, dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen, trifft auch auf den vorliegenden Beschwerdefall zu.

Der Beschwerdeführer ist kinderlos, geschieden und hat zu seiner Exfrau und ihrem Sohn seit 2017 keinen Kontakt mehr. Eine Beziehung führt er nicht und leben auch sonst keine Angehörigen in Österreich, weshalb ein Familienleben im Bundesgebiet nicht vorliegt.

Auch wenn im gegenständlichen Fall schon aufgrund der Dauer des Aufenthaltes vom Vorliegen gewisser privater Interessen an einem Verbleib auszugehen ist, so wird das Gewicht seiner privaten Interessen letztlich dadurch gemindert, dass sie allesamt über einen Zeitraum entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste und ergibt auch eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Ausreise als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Es fällt wesentlich ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer keinen Deutschkurs besucht hat und nicht Deutsch spricht und auch sonst keine nennenswerten Schritte hin zu einer Integration unternommen hat. Er ist auch zu keinem Zeitpunkt in Österreich einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern bestreitet er seinen Lebensunterhalt seit seiner Einreise über die staatliche Grundversorgung. Eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung kann daraus nicht geschlossen werden.

Demgegenüber kann nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat Irak ausgegangen werden, zumal er dort den weit überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat. Er spricht nach wie vor seine Muttersprache und ist mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der irakischen Kultur weiterhin vertraut. Zudem ist bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass nach wie vor Angehörige des Beschwerdeführers in Bagdad leben, wenn auch mangels Mitwirkung dazu keine näheren Feststellungen getroffen werden konnten (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.2.1.). Raum für die Annahme einer völligen Entwurzelung im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat besteht sohin nicht.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 09.09.2014, 2013/22/0246), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privatleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007; vgl. dazu auch VfSlg 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang erklärt, dass „eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde“).

Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Erkrankungen medizinische Behandlung benötigt, vermag zu keiner anderen Entscheidung führen, zumal die benötigte Behandlung auch in Bagdad möglich ist.

Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit im Rahmen einer Gesamtschau zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Ausreise aus. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Ausreise als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann und war die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung daher nicht zu beanstanden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind ebenfalls erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (z.B. vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl. § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des vierten Spruchpunktes des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak (fünfter Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides):

3.5.1. Rechtslage:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.5.2. Anwendung der Rechtslage im gegenständlichen Fall:

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des fünften Spruchpunktes des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.6. Frist zur freiwilligen Ausreise (sechster Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was auf solche „besonderen Umstände“ iSd § 55 Abs. 2 FPG schließen ließen. Aus dem Verwaltungsakt sind keine Umstände hervorgekommen, die als „besondere Umstände“ iSd § 55 Abs. 2 FPG zu werten wären. Daher traf die belangte Behörde zu Recht den Ausspruch, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage beträgt.

Die Beschwerde erweist sich daher auch insofern als unbegründet, als sie sich gegen den Ausspruch über die Frist zur freiwilligen Ausreise wendet und war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende, einen Einzelfall betreffende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

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