BVwG W249 2236725-1

BVwGW249 2236725-118.11.2020

AVG §64 Abs2
AVG §68 Abs6
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs3
VwGVG §13 Abs4
VwGVG §22 Abs2
VwGVG §22 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W249.2236725.1.00

 

Spruch:

 

W249 2236725-1/4E

 

TEILERKENNTNIS

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid der Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mit beschränkter Haftung vom XXXX , hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht erkannt (Pkt. A) 1.) bzw. beschlossen (Pkt. A) 2.):

 

A)

1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wird nicht stattgegeben.

 

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom XXXX widerrief die Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mit beschränkter Haftung (im Folgenden: belangte Behörde) gemäß § 68 (6) AVG iVm VO (EU) Nr. 1178/2011 (zuletzt geändert durch VO (EU) 2020/723 ) Anhang VI (Teil-ARA) ARA.GEN.350 (d) (3) iVm (1) die an die XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) erteilte Genehmigung vom XXXX , der Verwendung von alternativen Nachweisverfahren zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen ohne anwesenden Gesprächspartner (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus.

1.1. Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass ein Pilot, der sich um einen Sprachenvermerk bewerbe, gemäß VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) nachweisen müsse, dass er in der Lage sei, effektiv zu kommunizieren, sowohl bei rein akustischem Kontakt als auch mit einem anwesenden Gesprächspartner. Dafür erarbeite die EASA (European Aviation Safety Agency) annehmbare Nachweisverfahren (Acceptable Means of Compliance, AMC), die zur Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen verwendet werden können (Anhang VI ARA.GEN.120 (a) leg.cit.).

1.2. Gemäß AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) idF des Anhangs zur Entscheidung des Exekutivdirektors 2011/016/R sollte die Bewertung entweder bei rein akustischem Kontakt („voice-only“) oder mit anwesendem Gesprächspartner („face-to-face“) erfolgen, während gemäß AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) idF des Anhangs zur Entscheidung des Exekutivdirektors 2020/005/R diese Bewertung nunmehr bei rein akustischem Kontakt („voice-only“) und mit anwesendem Gesprächspartner („face-to-face“) erfolgen solle.

Dabei könnten alternative Nachweisverfahren verwendet werden, um die Einhaltung der Durchführungsbestimmungen zu erreichen (Anhang VI ARA.GEN.120 (b) leg.cit.), die die zuständige Behörde mittels einer Analyse der von einer Organisation vorgelegten Unterlagen und, falls dies für notwendig erachtet werde, einer Inspektion der Organisation, überprüfe (Anhang VI ARA.GEN.120 (c) leg.cit.). Bei Beanstandungen bzw. Verstößen sehe Anhang VI ARA.GEN.350 leg.cit. ein zweistufiges Verfahren vor, das u.a. bis zum Widerruf oder Aussetzungen von Zulassungen führen könne.

1.3. Am XXXX habe die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Genehmigung zur Verwendung eines alternativen Nachweisverfahrens zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen erteilt, das – als wesentlichsten Unterschied zum davor verwendeten Testverfahren – lediglich eine Bewertung bei rein akustischem Kontakt beinhalte. Nachdem die AMC der EASA, AMC1 FCL.055 (l) (2) (i), zum Zeitpunkt dieser Entscheidung eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Bewertung bei rein akustischem Kontakt („voice-only“) und einer Bewertung mit anwesendem Gesprächspartner („face-to-face“) enthielten, habe das beantragte alternative Nachweisverfahren in dem Punkt der rein akustischen Bewertung den annehmbaren Nachweisverfahren entsprochen, weshalb die belangte Behörde gemäß Anhang VI ARA.GEN.120 (a) leg.cit. davon ausgegangen sei, dass bei Erfüllung der AMC auch Anhang I FCL.055 (b) (1) Genüge getan werde.

1.4. Am XXXX sei mit der Entscheidung 2020/005/R des Exekutivdirektors der EASA eine Änderung der annehmbaren Nachweisverfahren erfolgt, welche nun in dem für die Genehmigung der alternativen Nachweisverfahren ausschlaggebenden Punkt von den zum Zeitpunkt der Entscheidung gültigen annehmbaren Nachweisverfahren abgewichen sei; so werde nunmehr eine Bewertung mit anwesendem Gesprächspartner für notwendig erachtet, woraus sich ergebe, dass das genehmigte alternative Nachweisverfahren nicht (mehr) im Einklang mit Anhang l FCL.055 (b) (1) leg.cit. stehe.

Mit Schreiben vom XXXX habe die EASA eine offizielle Feststellung an die belangte Behörde übermittelt, dass das von der belangten Behörde genehmigte alternative Nachweisverfahren nicht Anhang I FCL.055 (b) (1) leg.cit. entspreche und die belangte Behörde aufgefordert, den rechtskonformen Zustand wiederherzustellen.

1.5. Diese Rechtsmeinung der EASA sei der Beschwerdeführerin bereits mit Schreiben der belangten Behörde vom XXXX mitgeteilt und diese aufgefordert worden, die Nichteinhaltung von Anhang I FCL.055 (b) (1) leg.cit. binnen 14 Tagen ab Erhalt der Mitteilung abzustellen. Vor Ablauf dieser Frist habe die Beschwerdeführerin am XXXX eine Stellungnahme mit rechtlichen Ausführungen zu der von der belangten Behörde erhobenen Beanstandung und am XXXX einen Abhilfeplan („Corrective Action Plan“) übermittelt. Letzterer habe jedoch bis auf die stichprobenartige Einführung von „face-to-face“-Gesprächen bei Kandidaten nach Abschluss des Online-Tests (zur Beurteilung, ob diese das Testergebnis beeinflusst hätten, und zur fortlaufenden Beobachtung/Statistik) keine Abänderung des Verfahrens iSe Tests mit anwesendem Gesprächspartner beinhaltet. Somit sei das gegenständliche genehmigte Testverfahren in diesem Punkt nicht (mehr) in Übereinstimmung mit Anhang l FCL.055 (b) (1) leg.cit.

1.6. Nachdem diese Bestimmung bezwecke, dass behördlich sichergestellt werde, dass sich Inhaber einer Lizenz gemäß dieser Verordnung effektiv verständigen können, verfolge sie, wie sämtliche sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung, den Zweck, die Flugsicherheit zu wahren. Eine Nichteinhaltung dieser Bestimmung sei somit gemäß (c) leg.cit. jedenfalls geeignet, die Flugsicherheit zu gefährden bzw. zumindest den Sicherheitsstatus zu senken. Es komme nicht darauf an, dass eine konkrete Sicherheitsbeeinträchtigung vorliege, da nach dem Wortlaut der Bestimmung („...den Sicherheitsstatus senken oder die Flugsicherheit gefährden könnte.“) bereits die abstrakte Möglichkeit einer solchen ausreiche, die sich dadurch ergebe, dass Anhang I FCL.055 (b) (1) leg.cit. nicht eingehalten werde.

1.7. Gemäß § 68 Abs. 6 AVG könne vom Gesetzgeber des jeweiligen Materiengesetzes vorgesehen werden, dass eine erteilte Berechtigung auch außerhalb des Berufungsverfahrens wieder zurückgenommen oder abgeändert werden könne. Vorliegend sei dies die Bestimmung Anhang VI ARA.GEN.350 (d) (1) leg.cit., welche die zuständige Behörde ermächtige, „das Zeugnis oder bestimmte Zulassungen“ zu widerrufen oder „einzuschränken“, wenn ein Verstoß der Stufe 1 („Level 1 Finding“) vorliege. Nachdem diese Zulassungen nicht ex lege be-/entstünden, sondern, wie die gegenständliche Genehmigung der Verwendung des Testverfahrens als alternative Nachweisverfahren, per Bescheid erteilt würden, könnten diese Bescheide unter den in Anhang VI ARA.GEN.350 leg.cit. genannten Voraussetzungen auch widerrufen werden.

Da der von der Beschwerdeführerin vorgelegte Abhilfeplan die Beanstandung in Bezug auf einen zwingend bei jedem Sprachkompetenzprüfungsverfahren miteinzubeziehenden anwesenden Gesprächspartner nicht bzw. nicht zur Gänze behebe, habe die belangte Behörde gemäß (2) (ii) iVm (1) leg.cit. die Genehmigung vom XXXX der Verwendung von alternativen Nachweisverfahren zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen ohne anwesenden Gesprächspartner einzuschränken, auszusetzen oder zu widerrufen gehabt. Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgend, sei dabei das gelindeste, aber dennoch den Zweck der Behebung der Beanstandung erfüllende Mittel zu wählen. Da im konkreten Fall weder eine Aussetzung noch eine Einschränkung zielführend seien, sei der belangten Behörde nur der Widerruf der Genehmigung des Testverfahrens möglich gewesen, um die Beanstandung gänzlich zu beheben.

Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid würde dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip zuwiderlaufen, da diesfalls die gemäß der VO (EU) Nr. 1178/2011 vorgesehenen sofortigen Maßnahmen zwar im Wege eines entsprechenden Bescheides gesetzt, jedoch erst nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens exekutiert werden könnten. Folge man einer teleologischen Interpretation dieser Bestimmung, so bedinge das Setzen von sofortigen Maßnahmen denklogisch zwingend auch deren sofortige Wirkung, weshalb der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid somit notwendig gewesen sei, um das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip zu wahren.

2. Mit am XXXX erhobener Beschwerde führte die Beschwerdeführerin insbesondere aus, dass das Sprachprüfungsverfahren XXXX durch die belangte Behörde eingehend untersucht und beurteilt worden sei. Dass dieses Prüfungsverfahren in Form eines ausschließlich semi-direkten konzipiert sein würde, sei von Anfang an festgestanden. Die prinzipielle Zulässigkeit eines rein semi-direkten Tests sei dabei bereits in einem sehr frühen Entwicklungsstadium als gegeben erachtet worden, basierend darauf, dass die Entwicklung eines alternativen Nachweisverfahrens gemäß VO (EU) 1178/2011 , Anhang 6 (Teil-ARA), ARA.GEN.120 immer möglich sei, VO (EU) 1178/2011 Anhang 1 (Teil-FCL), FCL.055 nicht vorschreibe, dass ein Gesprächsteil mit einem Prüfer stattzufinden habe und sich außerdem auch aus den internationalen Standards in ICAO Doc 9835 und ICAO Circ 318 ableiten lasse, dass rein semi-direkte Tests zulässig seien.

2.1. Die belangte Behörde sei als nationale Luftfahrtbehörde gemäß ARA.GEN.120 (d) (2) dazu verpflichtet, sämtliche alternativen Nachweisverfahren, die sie genehmigt habe, an die EASA weiterzuleiten, der diesbezüglich jedoch keine exekutiven Kompetenzen zukämen. Nach Rechtsansicht der EASA liege ein Verstoß gegen FCL.055 (b) (1) vor, da ein Sprachkompetenztest zwingend ein Gespräch mit einem Prüfer beinhalten müsse (was jedoch den internationalen Standards der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation, ICAO Doc 9835 und ICAO Circ 318, auf die auch die annehmbaren Nachweisverfahren der EASA verwiesen, widerspreche).

2.2. Nach ausführlicher Darlegung der Beschwerdebehauptung und der Beschwerdegründe – insbesondere, dass den annehmbaren Nachweisverfahren der EASA gemäß VO (EU) 1178/201 1 Artikel 2 Ziffer 14 keine Rechtsverbindlichkeit zukomme und sich die Rechtslage (d.h. VO (EU) 1178/2011 , FCL.055) nicht geändert habe – wurde von der Beschwerdeführerin zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen dargelegt, dass sie aufgrund des Widerrufbescheides ihr Prüfsystem eingestellt hätten. Die aufschiebende Wirkung könne gemäß § 64 Abs. 2 AVG jedoch nur dann ausgeschlossen werden, wenn dies wegen des öffentlichen Wohles oder bei Gefahr im Verzug dringend geboten sei, was im gegenständlichen Fall nicht einmal ansatzweise gegeben sei: Seit der Inbetriebnahme des Prüfungssystems XXXX seien Testergebnisse immer wieder behördlichen Kontrollen unterzogen worden. Die belangte Behörde selbst habe festgestellt, dass alle über XXXX ermittelten Ergebnisse richtig seien und dass der Testmodus geeignet sei, eine vollständige Bewertung des Kandidaten zu ermöglichen. Auch andere in Verwendung befindliche Prüfungssysteme würden immer wieder solchen Kontrollen unterzogen. Die Quote, mit jener deren Ergebnisse bestätigt würden, sei niedriger als bei XXXX .

Es müsse zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich aus dem behaupteten Verstoß die sicherheitsgefährdende Folge ergebe. Konkret gehe es darum, welche „Art der Durchführung“ einer Englischprüfung für Piloten geboten sei. Die „Art der Durchführung“ habe jedoch keine direkten Auswirkungen auf die Flugsicherheit. Erst, wenn ein Prüfungsmodus eine verlässliche Ergebnisfeststellung nicht mehr ermögliche und sich dadurch eine Wahrscheinlichkeit einer „Fehlbewertung“ von Kandidaten ergebe, sei in weiterer Folge ein (auch nur potenzielles) Risiko denkbar, wenn die Fähigkeiten des Piloten zusätzlich unter dem geforderten Niveau lägen und sich dieser Pilot in einem freigabepflichtigen ausländischen Luftraum bewege und Missverständnisse aufträten. Es müssten damit eine Vielzahl an Faktoren zusammentreffen.

2.3. Die Kausalkette sei im vorliegenden Fall jedoch unterbrochen. Es gebe keine Fehlergebnisse, die durch XXXXPrüfungen aufgrund der semi-direkten Ausgestaltung bedingt seien:

1. Die Behörde selbst habe bei Überprüfungen alle Ergebnisse bestätigt.

2. Die Beschwerdeführerin habe bereits im Genehmigungsprozess nachgewiesen, dass der Umstand, ob ein Gespräch mit einem/r Prüfer/in geführt werde, in knapp 700 Prüfungen in den Jahren 2014 bis 2019 keinen Einfluss auf das Ergebnis der Prüfung gehabt habe.

3. Die Beschwerdeführerin habe auch im laufenden Verfahren nachgewiesen, dass die Prüfungsergebnisse durch die XXXXPrüfungen statistisch genau jener Verteilung entsprächen, die auch die belangte Behörde erwarte.

Wenn keine Fehlergebnisse vorlägen, gebe es auch keine (nicht einmal eine hypothetische) Gefahr für die Flugsicherheit.

2.4. Grundsätzlich sei festzuhalten, dass Piloten mit mangelnden Englischkenntnissen eine potenzielle Gefahr für den Luftverkehr darstellen könnten. Doch selbst diese Gefahr sei in der Vergangenheit von der belangten Behörde nicht als besonders besorgniserregend eingestuft worden, da es bis zum XXXX in Österreich generell keine Verpflichtung für Piloten, eine Englischprüfung abzulegen, gegeben habe sowie ein hoher Prozentsatz der österreichischen Piloten ihre Prüfung in einem Übergangs- und Einführungszeitraum abgelegt hätte, in dem keine Verwendung eines Prüfungssystems, keine Bewertung durch zwei unabhängige Bewerter, keine Qualitätskontrolle durch ein „Language Assessment Body“ und keine behördliche Aufsicht bestanden habe.

Berufe sich die belangte Behörde also auf den äußerst hypothetischen Kausalverlauf, dass ein Pilot, dessen Englischprüfung nicht der „Art der Durchführung“ entsprochen habe (wie sie nach vermeintlicher Auslegung der EASA von FCL.055 (b) (1) gefordert sei) eine Gefährdung darstelle, so sei an dieser Stelle anzumerken, dass die belangte Behörde nicht einmal in jenen Fällen Maßnahmen eingeleitet habe, in denen es offensichtlich sei, dass Fehlergebnisse vorlägen. Die Einleitung solcher Maßnahmen wäre gemäß ARA.GEN.355 jedoch möglich gewesen. Darin erachte die Beschwerdeführerin eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung.

2.5. Auch der Effektivitätsgrundsatz bilde keinen ausreichenden Grund, um die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Erstens sei er im Verhältnis zum Äquivalenzgrundsatz (die Behörden dürften die Durchsetzung des EU-Rechts nicht schwieriger machen als jene des nationalen Rechts) zu sehen, andererseits entspreche es einem vom EuGH anerkannten Grundsatz, dass das Verfahrens- und Prozessrecht der Mitgliedsstaaten - somit auch § 64 Abs. 2 AVG – zur Anwendung komme. Dies auch inklusive dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, wie in Entscheidungen des BVwG (W113 2202888-2) als auch des VwGH (01.09.2014, Ra 2014/03/0028) bereits im Rahmen der Anwendung von ARA.GEN.350 / ARA.GEN.355 festgestellt worden sei.

Wenn sich die belangte Behörde auf den Wortlaut von ARA.GEN.350 als betroffene EU-Norm stütze, dann sei auch die Gültigkeit dieser Norm im Lichte des EU-Primärrechts zu hinterfragen, insbesondere deren Vereinbarkeit mit dem in Artikel 47 GRC festgelegten Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

Die Regelung in ARA.GEN.350 (d) (1), dass sofortige Maßnahmen zu ergreifen seien, möge für sich betrachtet noch Sinn ergeben. Beziehe man jedoch auch mit ein, dass auch kleinste Verstöße der Stufe 2 nur dann eine Rechtsschutzmöglichkeit eröffneten, wenn man sie unbeantwortet lasse, die Behörde diese dann hochstufe und anschließend drastische Maßnahmen ergreife, dann könne schon aus ARA.GEN.350 (d) (1) per se keine dringende Verpflichtung an die Behörde abgeleitet werden, in solchen Fällen der „hypothetischen potenziellen Sicherheitsbeeinträchtigung“ die aufschiebende Wirkung auszuschließen. ARA.GEN.350 (d) (1) sei daher im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips und im Lichte des Art. 47 GRC einschränkend zu lesen.

2.6. Aufgrund der dargestellten Tatsachen stelle die Beschwerdeführerin daher den Antrag, dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung gegen den angefochtenen Bescheid zum ehestmöglichen Zeitpunkt zuzuerkennen. Ferner müsse mit dieser Zuerkennung auch die Feststellung ergehen, dass das Prüfungsverfahren XXXX ein gemäß FCL.055 (a) „von einer zuständigen Behörde festgelegtes Verfahren“ sei und damit bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieser Sache ohne Einschränkungen genutzt werden könne. Die Notwendigkeit dieser Feststellung gründe sich auf die Aussagen der belangten Behörde in einem Gespräch vom XXXX , dass man XXXXPrüfungen zwar durchführen könne, die Ergebnisse für die Kandidaten jedoch (möglicherweise sogar rückwirkend) nutzlos sein würden, da die belangte Behörde die Ergebnisse, unabhängig vom Genehmigungs- bzw. Widerrufsverfahren, nicht mehr anerkennen werde.

3. Die Beschwerdevorlage und der Verwaltungsakt langten am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid vom XXXX , erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine Genehmigung für die Verwendung von alternativen Nachweisverfahren zur Durchführung von Sprachkompetenzprüfungen ohne anwesenden Gesprächspartner. Dabei handelt es sich um das Sprachprüfungsverfahren XXXX , einen ausschließlich semi-direkten Test, der lediglich eine Bewertung bei rein akustischem Kontakt beinhaltet.

1.2. Nachdem gemäß den AMC1 FCL.055 (I) (2) (i) idF des Anhangs zur Entscheidung des Exekutivdirektors 2020/005/R diese Bewertung nunmehr jedoch nicht nur bei rein akustischem Kontakt („voice-only“), sondern auch mit anwesendem Gesprächspartner („face-to-face“) erfolgen soll und die EASA mit Schreiben vom XXXX eine offizielle Feststellung an die belangte Behörde übermittelte, dass das von der belangten Behörde genehmigte alternative Nachweisverfahren nicht Anhang I FCL.055 (b) (1) leg.cit. entspreche sowie die belangte Behörde aufrief, den rechtskonformen Zustand wiederherzustellen, forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin bereits mit Schreiben vom XXXX auf, die Nichteinhaltung von Anhang I FCL.055 (b) (1) leg.cit. binnen 14 Tagen ab Erhalt der Mitteilung abzustellen.

1.3. Am XXXX übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme mit rechtlichen Ausführungen zu der von der belangten Behörde erhobenen Beanstandung und am XXXX einen Abhilfeplan („Corrective Action Plan“) an die belangte Behörde, der bis auf die stichprobenartige Einführung von „face-to-face“-Gesprächen bei Kandidaten nach Abschluss des Online-Tests (zur Beurteilung, ob diese das Testergebnis beeinflusst haben, und zur fortlaufenden Beobachtung/Statistik) keine Abänderung des Verfahrens iSe Tests mit anwesendem Gesprächspartner beinhaltete.

1.4. Mit Bescheid vom XXXX widerrief die belangte Behörde die unter II.1.1. dargestellte Genehmigung gemäß § 68 (6) AVG iVm VO (EU) Nr. 1178/2011 (zuletzt geändert durch VO (EU) 2020/723 ) Anhang VI (Teil-ARA) ARA.GEN.350 (d) (3) iVm (1) und schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid aus.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom XXXX Beschwerde und stellte den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

1.6. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse der Flugsicherheit bzw. der Sicherheit der Luftfahrt / des Luftverkehrs das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin, das Prüfsystem XXXX (wieder) anbieten und durchführen zu können.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen unter II.1.1. bis II.1.5. ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt, insbesondere dem angefochtenen Bescheid und der verfahrensgegenständlichen Beschwerde, und sind nicht strittig.

2.2. Zum Überwiegen des öffentlichen Interesses gegenüber dem Interesse der Beschwerdeführerin (II.1.6.) wird auf die Ausführungen unter II.3.7. verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor (vgl. § 57a LFG).

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.2. Die verfahrensgegenständlich relevanten Regelungen lauten wie folgt:

3.2.1. § 13 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018:

„Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(4) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.“

§ 22 leg.cit.:

„Aufschiebende Wirkung

§ 22. […]

(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.“

3.2.2. Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 03.11.2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates:

„[…]

ANHANG I

ABSCHNITT A

ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN

[…]

FCL.055 Sprachkenntnisse

a) Allgemeines. Piloten von Flugzeugen, Hubschraubern, Luftfahrzeugen mit vertikaler Start- und Landefähigkeit und Luftschiffen, die am Sprechfunkverkehr im Flugfunkdienst teilnehmen, dürfen die mit ihren Lizenzen verbundenen Rechte und Berechtigungen nur ausüben, wenn sie in ihrer Lizenz einen Sprachenvermerk entweder für Englisch oder für die Sprache besitzen, die beim Flug für den Sprechfunkverkehr verwendet wird. In dem Vermerk müssen die Sprache, das Niveau der Sprachkenntnisse und das Gültigkeitsdatum angegeben sein.

b) Bewerber um einen Sprachenvermerk müssen gemäß Anlage 2 dieses Teils mindestens Sprachkenntnisse sowohl auf der Ebene der Einsatzfähigkeit für den Gebrauch der Sprechgruppen als auch für den Gebrauch normaler Sprache besitzen. Hierzu muss der Bewerber die Fähigkeit zu Folgendem nachweisen:

(1) effektiv zu kommunizieren sowohl bei rein akustischem Kontakt als auch mit einem anwesenden Gesprächspartner;

(2) präzise und deutlich über alltägliche und arbeitsbezogene Themen zu kommunizieren;

(3) geeignete Kommunikationsstrategien für den Austausch von Mitteilungen und zur Erkennung und Beseitigung von Missverständnissen in einem allgemeinen oder arbeitsbezogenen Zusammenhang zu verwenden;

(4) die sprachlichen Herausforderungen aufgrund von Komplikationen oder unerwarteten Ereignissen, die sich im Zusammenhang mit einer routinemäßigen Arbeitssituation oder Kommunikationsaufgabe ergeben, mit der sie ansonsten vertraut sind, erfolgreich zu handhaben und

(5) einen Dialekt oder mit einem Akzent sprechen, der in Luftfahrtkreisen verstanden wird.

[…]

e) Der Nachweis der Sprachkenntnisse und des Gebrauchs der englischen Sprache für IR-Inhaber erfolgt nach einer von der zuständigen Behörde festgelegten Bewertungsmethode.

[…]“

3.2.3. Verordnung (EU) Nr. 290/2012 der Kommission vom 30.03.2012 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates:

„[…]

ARA.GEN.120 Nachweisverfahren

a) Die Agentur erarbeitet annehmbare Nachweisverfahren (Acceptable Means of Compliance, AMC), die zur Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen verwendet werden können. Wenn die AMC erfüllt werden, sind auch die damit zusammenhängenden Anforderungen der Durchführungsbestimmungen erfüllt.

b) Es können alternative Nachweisverfahren verwendet werden, um die Einhaltung der Durchführungsbestimmungen zu erreichen.

c) Die zuständige Behörde richtet ein System zur laufenden Überprüfung ein, ob die alternativen Nachweisverfahren, die sie selbst oder Organisationen und Personen, die ihrer Aufsicht unterliegen, verwenden, die Feststellung der Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen ermöglichen.

d) Die zuständige Behörde überprüft alle alternativen Nachweisverfahren, die von einer Organisation vorgeschlagen werden, gemäß ORA.GEN.120 mittels einer Analyse der vorgelegten Unterlagen und, falls dies für notwendig erachtet wird, einer Inspektion der Organisation.

[…]“

3.2.4. EASA - Easy Access Rules for Flight Crew Licencing (Part-FCL):

„[…]

AMC1 FCL.055 Language proficiency

[…]

BASIC ASSESSMENT REQUIREMENTS

(l) The aim of the assessment is to determine the ability of an applicant for a pilot licence or a licence holder to speak and understand the language used for R/T communications.

(1) The assessment should determine the ability of the applicant to use both:

(i) standard R/T phraseology;

(ii) plain language, in situations when standardised phraseology cannot serve an intended transmission.

(2) The assessment should include:

(i) voice-only and face-to-face situations;

(ii) common, concrete and work-related topics for pilots.

(3) The applicants should demonstrate their linguistic ability in dealing with an unexpected turn of events, and in solving apparent misunderstandings.

(4) The assessment should determine the applicant’s speaking and listening abilities. Indirect assessments, of grammatical knowledge, reading and writing, are not appropriate.

[…]“

3.3. Nach § 13 Abs. 1 VwGVG haben rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese ist notwendiger Bestandteil des rechtsstaatlichen Prinzips, denn sie verhindert, dass irreversible oder kaum wiedergutzumachende Tatsachen geschaffen werden, bevor die Verwaltungsgerichte und schließlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers endgültig abgesprochen haben (Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 1 mVa Hengstschläger, ÖJZ 1973, 534f und Kopp, JBl 1973, 57). Daraus leitet der Verfassungsgerichtshof in stRsp ab, dass es unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Prinzips nicht angeht, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 2 mVa Erk VfSlg 11.196/1986).

3.4. Der Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung kommt nur bei solchen Bescheiden in Betracht, die einer Vollstreckung zugänglich sind (z.B. Bezahlung einer Geldleistung, Beseitigungsauftrag) oder mit denen spruchgemäß ein Recht eingeräumt wird (z.B. Baubewilligung, Gewerbeberechtigung); der hier vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtene Bescheid fällt darunter, da damit eine bestehende Bewilligung widerrufen wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 9).

3.5. Die von der Behörde vorzunehmende Interessenabwägung hat die Interessen des Beschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels gegen die berührten öffentlichen Interessen und die Interessen anderer Parteien abzuwägen. Somit ist als erster Schritt ein Überwiegen der berührten öffentlichen oder der Interessen anderer Parteien (gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers) festzustellen. Bei einem Überwiegen der berührten öffentlichen Interessen oder der Interessen anderer Parteien ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung jedoch nur dann statthaft, wenn in einem zweiten Schritt festgestellt wird, dass der vorzeitige Vollzug (bzw. die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung) wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG).

Ebenso wie bei § 64 AVG idF vor BGBl. I 2013/33 findet sich in § 13 Abs. 2 VwGVG keine nähere Spezifizierung jener Parteiinteressen, die allenfalls die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erforderlich machen; somit können nicht nur Interessen wie der Schutz des Lebens oder der Gesundheit, sondern auch rein wirtschaftliche Interessen einer Partei zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führen (vgl. Schulev-Steindl, Rechtsschutz Rz 23; Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 28). Auch ein besonderes öffentliches Interesse kann die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gebieten (vgl. dazu Götzl, § 13 Rz 14 ff, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 29 f [„das allgemeine öffentliche Interesse an der Einhaltung der Gesetze“ genügt demzufolge zur Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aber nicht]; Schulev-Steindl, Rechtsschutz Rz 23). (Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VwGVG § 13)

Gefahr im Verzug bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist (VwGH 24.05.2002, 2002/18/0001). Der Eintritt eines materiellen Schadens ist dem Tatbestandsmerkmal „Gefahr im Verzug“ nicht immanent.

„Dringend geboten“ ist die sofortige Umsetzung der Bescheidwirkungen in die Wirklichkeit dann, wenn anzunehmen ist, dass andernfalls dieser Nachteil konkret besteht (Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VwGVG § 13).

Das Verwaltungsgericht hat über eine solche Beschwerde unverzüglich zu entscheiden, d.h. „ohne weiteres Verfahren“ (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte (wie Gewährung von Parteiengehör, Durchführung einer Verhandlung usw.) allein aufgrund der vorliegenden Aktenlage.

3.6. Die belangte Behörde legte im angefochtenen Bescheid einerseits dar, dass die Bestimmung der VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1) die behördliche Sicherstellung bezwecke, dass sich die Lizenzinhaber effektiv verständigen können und damit den Zweck verfolge, die Flugsicherheit zu wahren (vgl. I.1.6.). Eine Nichteinhaltung dieser Bestimmung sei somit jedenfalls geeignet, die Flugsicherheit zu gefährden bzw. zumindest den Sicherheitsstatus zu senken. Andererseits nahm die belangte Behörde auf das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip Bezug.

Die Beschwerdeführerin hingegen brachte insbesondere vor, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung weder wegen des öffentlichen Wohles noch aufgrund von Gefahr im Verzug dringend geboten sei, da der Testmodus des gegenständlichen Prüfungssystems XXXX geeignet sei, eine vollständige Bewertung der Kandidaten zu ermöglichen und die Art der Durchführung des Prüfungsmodus keine direkten Auswirkungen auf die Flugsicherheit habe. Die Kausalkette für das Vorliegen der nötigen gewissen Wahrscheinlichkeit für eine Sicherheitsgefährdung sei unterbrochen (vgl. I.2.2. bis I.2.4.). Auch der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz bilde keinen ausreichenden Grund, um die aufschiebende Wirkung abzuerkennen (s. I.2.5.).

3.7. In der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Interessenabwägung sind vorliegend die berührten öffentlichen Interessen gegen die Interessen der Beschwerdeführerin abzuwägen. Dabei muss es sich um ein besonderes öffentliches Interesse handeln, aus dem wegen der „triftigen Gründe“ des konkreten Falles die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides „sachlich geboten“ ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 64, mVa Hengstschläger, ÖJZ 1973, 539; vgl. auch VfSlg 11.196/1986; 16.460/2002; 17.346/2004).

Bejaht wird von der Judikatur des VwGH das öffentliche Interesse an der sofortigen „Vollstreckung“ des Bescheides beispielsweise bei

 Entzug der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit (VwGH 08.07.1983, 82/11/0117; 24.03.1999, 99/11/0007; 29.09.2005, 2005/11/0123);

 Zurücknahme des Taxilenkerausweises mangels Vertrauenswürdigkeit (VwGH 13.04. 1988, 87/03/0255; 25.06.2003, 2000/03/0228; 28.02.2005, 2001/03/0104);

 Bestellung eines Sachwalters wegen sonstiger Handlungsunfähigkeit einer juristischen Person (VwGH 27.02.1990, 89/07/0049);

 Verhängung eines Aufenthaltsverbots gegen einen Fremden, der weder Reisedokumente noch Mittel zur Bestreitung seines Unterhalts besitzt (VwGH 03.03.1994, 94/18/0061; 14.04.1994, 93/18/0607) oder der wiederholt gegen das SMG verstoßen hat (VwGH 28.09.2004, 2001/18/0100; vgl. auch VwGH 18.01.2000, 96/18/0502);

 Einziehung einer Jagdkarte wegen Unzuverlässigkeit (VwGH 28.03.2006, 2003/03/0040).

3.7.1. Das im vorliegenden Fall berührte öffentliche Interesse ist jenes der Flugsicherheit bzw. der Sicherheit der Luftfahrt / des Luftverkehrs: Piloten von Flugzeugen, Hubschraubern, Luftfahrzeugen mit vertikaler Start- und Landefähigkeit und Luftschiffen, die am Sprechfunkverkehr im Flugfunkdienst teilnehmen, dürfen die mit ihren Lizenzen verbundenen Rechte und Berechtigungen nur ausüben, wenn sie in ihrer Lizenz einen Sprachenvermerk entweder für Englisch oder für die Sprache besitzen, die beim Flug für den Sprechfunkverkehr verwendet wird [VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCL.055 (b) (1)]. Das verfahrensgegenständliche Testverfahren XXXX soll dafür die Grundlage sein.

3.7.2. Das Interesse der Beschwerdeführerin hingegen besteht im wirtschaftlichen Interesse, das von ihr entwickelte Prüfsystem XXXX (wieder) anbieten und durchführen zu können.

3.7.3. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist ohne Zweifel von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen der Beschwerdeführerin auszugehen: Vor dem Hintergrund der Durchführung gleichsam eines „Eilverfahrens“ bei der Beurteilung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist es für das Bundesverwaltungsgericht nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen, dass ein Testmodus zur Überprüfung der Sprachkenntnisse von Piloten, der zusätzliche Prüfelemente beinhaltet – d.h. nicht lediglich ein Test mit rein akustischem Kontakt, sondern mit anwesendem Gesprächspartner – umfassender zur Beurteilung der Sprachkompetenz geeignet sein kann als ein Test, der dieses Element nicht aufweist oder nur stichprobenartige „face-to-face“-Gespräche bei Kandidaten nach Abschluss des Online-Tests vorsieht. Auch liegt es für das Bundesverwaltungsgericht auf der Hand, dass eine aussagekräftige Prüfung der Sprachkompetenz von Piloten im Sinne der Flugsicherheit bzw. der Sicherheit des Luftverkehrs von großer Bedeutung ist, damit sichergestellt ist, dass die Kommunikation etwa zwischen Pilot und Tower oder Pilot und Co-Pilot hinreichend und ohne Missverständnisse funktionieren kann. Dies liegt eindeutig im öffentlichen Interesse der Sicherheit des Luftverkehrs. Schließlich ist jede Verbesserung, die der Erhöhung der Sicherheit der Luftfahrt dient, im öffentlichen Interesse gelegen (VwGH 15.06.1994, 92/03/0141).

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass der Umstand, ob ein Gespräch mit einem/r Prüfer/in geführt werde, statistisch keinen Einfluss auf das Ergebnis der Prüfung habe und keine Fehlergebnisse vorlägen, sodass sich alleine daraus keine hypothetische Gefahr für die Flugsicherheit ergebe (s. unter I.2.2. bis I.2.4.), sind vor dem Hintergrund zu relevieren, dass auch die EASA als Europäische Agentur für Flugsicherheit nunmehr zusätzlich eine Bewertung der Sprachkompetenz mit anwesendem Gesprächspartner empfiehlt.

Ob bisher (bzw. bis 2012) Englischprüfungen abzulegen waren oder die belangte Behörde Maßnahmen bei Fehlergebnissen getroffen hat, kann dabei auf die vorliegende Beurteilung lediglich hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde keinen Einfluss haben.

3.7.4. Daher ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Unterlassung der durch den angefochtenen Bescheid widerrufenen Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Auch dies ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig zu bejahen: Nicht nur droht bei einer nicht ausreichend umfassenden Sprachprüfung von Piloten ein gravierender Nachteil für die Sicherheit des Luftverkehrs (vgl. hier auch die Entscheidungen des VwGH im Fall der Gefährdung der Sicherheit im Straßenverkehr [VwGH 21.11.2013, AW 2013/06/0050; 08.01.2015, Ra 2015/03/0001; 19.04.2013, AW 2013/11/0013; 23.06.2005, AW 2005/11/0043]), sondern besteht dieser auch konkret in der Form einer missverständlichen Kommunikation im Flugverkehr mit allenfalls daraus resultierenden Folgen, die nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnten.

3.8. Vor diesem Ergebnis war auf den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz bzw. ob (auch) gemäß diesem die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auszuschließen ist, nicht mehr einzugehen.

3.9. Gegenständlich war ein Teilerkenntnis zu erlassen, da der Abspruch über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich zu erfolgen hat. Der Spruch des angefochtenen Bescheides war auch insoweit trennbar, als sich die gegenständliche Entscheidung nur auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Bescheidspruch (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) bezieht.

3.10. Aus den unter II.3.3. bis II.3.7. dargelegten Gründen war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen (Spruchpunkt A) 1.) und dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht stattzugeben (Spruchpunkt A) 2.).

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.11. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage, wann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde auszuschließen ist (vgl. die unter II.3.3. bis II.3.7. zitierte VwGH-Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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