VwGH 2002/18/0001

VwGH2002/18/000124.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S in Wien, geboren 1963, vertreten durch Dr. Herbert Klinner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. November 2001, Zl. SD 856/01, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises sowie Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §104 idF 2000/I/034;
PaßG 1992 §1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §19 Abs2 idF 1995/507;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
AVG §64 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §104 idF 2000/I/034;
PaßG 1992 §1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §19 Abs2 idF 1995/507;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. November 2001 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c, § 19 Abs. 2 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 507/1995, (PassG) der ihm am 22. Oktober 1996 ausgestellte Reisepass Nr. A0597492 und der ihm am selben Tag ausgestellte Personalausweis Nr. 5187027 entzogen. Mit diesem Bescheid wurde weiters der von der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Erstbescheid bestätigt.

Der Beschwerdeführer sei durch das Amtsgericht Rosenheim wegen des Einschleusens von Ausländern zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten (seit 27. März 2001) rechtskräftig verurteilt worden. Er habe vier irakische Staatsangehörige bei ihrer unerlaubten Einreise nach Deutschland unterstützt, indem er sie mit einem Pkw von Wien über die Grenze dorthin gebracht habe.

Zunächst sei es unerheblich, ob die aktenkundige Verurteilung den Voraussetzungen des § 73 StGB entspreche und ob das vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellte Verhalten auch nach der österreichischen Rechtsordnung strafbar wäre. Wie er selbst richtig erkenne, stelle das PassG nicht auf das Vorliegen einer entsprechenden Verurteilung ab. Von rechtlicher Relevanz sei lediglich, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigten, er könnte durch Benützung seines Reisepasses (Personalausweises) die rechtswidrige Aus- oder Einreise eines Fremden fördern. Dass eben diese Tatsache rechtskräftig festgestellt worden sei, bestreite der Beschwerdeführer nicht. Dieses Fehlverhalten, nämlich dass er vier irakischen Staatsangehörigen beim unberechtigten Grenzübertritt nach Deutschland behilflich gewesen sei, rechtfertige die im § 15 Abs. 1 PassG normierte Annahme; dies umso mehr, als sich der Beschwerdeführer - seinen Angaben zufolge - in dem vor dem Amtsgericht Rosenheim geführten Verfahren für schuldig bekannt habe. Seine nunmehrigen Ausführungen, ihm wäre das Wesen der Schlepperei nicht bekannt gewesen und er hätte nur aus Gefälligkeit die vier Personen nach Deutschland mitgenommen, stellten nach Ansicht der belangten Behörde Schutzbehauptungen dar. Wären die Feststellungen des deutschen Gerichtes unzutreffend gewesen, wäre wohl zu erwarten gewesen, dass sich der Beschwerdeführer mit den dafür zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln wehre, anstatt sich schuldig zu bekennen und die Verurteilung in Rechtskraft erwachsen zu lassen. Den von ihm gestellten Beweisanträgen sei nicht Folge zu geben gewesen, weil nicht ersichtlich gewesen sei, was damit hätte bewiesen werden sollen. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei auch nicht erkennbar, welche Sachverhaltsumstände die Erstbehörde dem Beschwerdeführer unrichtig unterstellt hätte.

Die von der belangten Behörde als erwiesen erachtete Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits einmal mehreren Fremden beim unerlaubten Grenzübertritt behilflich gewesen sei, stelle einen Umstand dar, der die im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG umschriebene Annahme rechtfertige. Angesichts des ein geordnetes Zusammenleben in einem Rechtsstaat gefährdenden Phänomens der Schlepperei und deren Naheverhältnis zur organisierten Kriminalität sei bei der Beurteilung, ob der in § 15 (offensichtlich gemeint: § 14) Abs. 1 (Z. 3) lit. c leg. cit. normierte Passversagungsgrund verwirklicht sei, ein strenger Maßstab anzulegen gewesen.

Dem Beschwerdeführer seien daher sein Reisepass und sein Personalausweis zu entziehen gewesen, ohne dass der Behörde hiebei Ermessen zugekommen wäre.

Ebenso zutreffend habe die Erstbehörde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr, er könnte erneut den unrechtmäßigen Grenzübertritt Fremder fördern, habe im Hinblick auf den Umstand, dass das seiner Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten erst etwa zehn Monate zurückliege, so schwer gewogen, dass die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten habe erscheinen müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach § 15 Abs. 1 leg. cit. ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c PassG ist (u. a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern.

Nach § 19 Abs. 2 leg. cit. sind auf die Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der §§ 9 Abs. 7 und 15 Abs. 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Entziehungsverfahren auf gültige Personalausweise beschränkt sind.

2. Mit ihrer Ansicht, dass die im gegen den Beschwerdeführer wegen des (nach deutschem Recht verbotenen) Einschleusens von Ausländern ergangenen Urteil des Amtsgerichtes Rosenheim festgestellte Tatsache - nämlich sein Fehlverhalten, vier irakische Staatsangehörige bei ihrer unerlaubten Einreise nach Deutschland unterstützt zu haben - für sich allein die im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG umschriebene Annahme rechtfertige, verkannte die belangte Behörde das Gesetz.

Nach der Definition des § 1 leg. cit. ist Einreise das Betreten, Ausreise das Verlassen des Bundesgebietes. Der Passversagungsgrund (bzw. Entziehungsgrund) des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c leg. cit. ist somit dann verwirklicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber (bzw. Inhaber eines Reisepasses oder Personalausweises) den Reisepass (oder Personalausweis) benützen will, um die rechtswidrige Einreise eines Fremden nach Österreich oder dessen rechtswidrige Ausreise aus dem Bundesgebiet zu fördern. Hiebei kann der Verstoß gegen österreichische Einreise- oder Ausreisevorschriften schon für sich allein die vorgenannte Annahme rechtfertigen. (In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl. I Nr. 34/2000 zwar den in § 104 des Fremdengesetzes 1997 geregelten Straftatbestand der Schlepperei auf die Förderung der rechtswidrigen Ein- bzw. Ausreise in einen bzw. aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. Nachbarstaat Österreichs erweitert, eine entsprechende Änderung des einschlägigen Versagungstatbestandes des Passgesetzes jedoch nicht vorgenommen hat.)

Im vorliegenden Fall kann den Ausführungen der belangten Behörde nicht entnommen werden, dass die Ausreise der vier irakischen Staatsangehörigen aus dem Bundesgebiet gegen österreichisches Recht verstoßen habe. Das bloße Zuwiderhandeln gegen ausländische Einreise- oder Ausreisebestimmungen reicht indes für sich allein nicht aus, um die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c PassG umschriebene Annahme zu rechtfertigen. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich die konkrete Gefahr ergibt, dass der Passwerber (bzw. Inhaber eines Reisepasses oder Personalausweises) das Reisedokument benützen will, um die rechtswidrige Einreise bzw. Ausreise eines Fremden nach bzw. aus Österreich zu fördern. Dass für die Beurteilung der belangten Behörde gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c leg. cit. solche weiteren Umstände maßgeblich gewesen seien, lassen die Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht erkennen.

Von daher steht die mit diesem Bescheid verfügte Entziehung des Reisepasses und des Personalausweises des Beschwerdeführers mit dem Gesetz nicht in Einklang.

3. Auf dem Boden des im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhaltes kann nicht gesagt werden, dass dem öffentlichen Wohl durch die Verfügungsmöglichkeit des Beschwerdeführers über seinen Reisepass und seinen Personalausweis ein derart gravierender Nachteil gedroht habe, dass die vorzeitige Vollstreckung des erstinstanzlichen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten gewesen sei. Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid auch im Umfang des in Bezug auf den Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung der Berufung nach § 64 Abs. 2 AVG getroffenen Ausspruches seinem Inhalt nach als rechtswidrig.

4. Demzufolge war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 24. Mai 2002

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