BVwG W172 2131435-1

BVwGW172 2131435-17.11.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W172.2131435.1.00

 

Spruch:

W172 2131435-1/26E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 17.07.2017 mündlich verkündeten

 

Beschlusses und Erkenntnisses

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin MORITZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.07.2017,

 

A)

 

 

I. Das Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

 

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 17.07.2018 erteilt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: "BF") stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 25.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (im Folgenden auch: "AsylG").

 

2. Am gleichen Tag wurde er von der LPD Steiermark, Polizeiinspektion XXXX sowie in weiterer Folge am 25.05.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX (im Folgenden auch: "BFA") einvernommen.

 

3. An Bescheinigungsmitteln legte der BF folgende vor:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Mit Schreiben vom 04.06.2016 nahm der BF Stellung zu den ihm ausgehändigten Länderfeststellungen zu Afghanistan.

 

5. Mit gegenständlichem Bescheid vom 06.07.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2015, BGBl. I. Nr. 100/2005 (AsylG) i.d.g.F. (Spruchpunkt I.) sowie der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) i.d.g.F. gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) i.d.g.F., erlassen; es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

6. Hiergegen wurde durch den BF, (damals) vertreten durch RA XXXX , mit Schriftsatz vom 19.07.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben und dabei die Anträge gestellt, das BVwG möge

 

1.) den angefochtenen Bescheid abändern und dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen;

 

2.) den angefochtenen Bescheid in seinem Spruchpunkt II abändern und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkennen;

 

3.) dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen, die Rückkehrentscheidung ersatzlos beheben bzw. die Feststellung, wonach die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei, ersatzlos beheben;

 

4.) eine mündliche Verhandlung durchführen.

 

7.1. Am 17.07.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an der der BF als Partei teilnahm. Das BFA verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung.

 

7.2. In diese Verhandlung wurde ein schriftliches Gutachten des in diesem Verfahren bestellten Sachverständigen vom 01.04.2017 eingeführt, weiters erstattete der Sachverständige im Rahmen der Verhandlung auch ein mündliches Gutachten (s. weiter unten Pkt. II.1.2.).

 

7.3. Weiters wurden in diese Verhandlung Unterlagen und darauf aufbauende aktuelle Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan (s. weiter unten Pkt. II.1.3.) eingeführt.

 

7.4. Im Rahmen der Verhandlung zog der BF, nach Rechtsberatung sowie anschließender Beratung mit seiner Rechtsvertretung, die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zurück.

 

7.5. Nach Schluss der Verhandlung verkündete der erkennende Richter den – oben wiedergegebenen – Beschluss bzw. das Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen und erteilte die Rechtsmittelbelehrung.

 

8. Mit Schreiben vom 20.07.2017 beantragte das BFA die schriftliche Ausfertigung des am 17.07.2017 mündlich verkündeten Beschlusses bzw. Erkenntnisses.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

 

Der BF führt den oben im Spruch wiedergegebenen Namen und wurde am XXXX geboren. Er stammt aus der Provinz Ghazni, XXXX , wo er auch aufgewachsen ist. In anderen Landesteilen Afghanistans hat er sich nicht länger aufgehalten, abgesehen von einem sehr kurzen Aufenthalt in Kabul. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Muttersprache ist Dari, aber mit iranischem Akzent; weiters spricht er bereits gut Deutsch. Sein Familienstand ist ledig und er hat keine Kinder. An Familienangehörigen leben in Afghanistan in seinem Heimatdorf noch seine Eltern, seine zwei Brüder und drei Schwestern und eine Tante väterlicherseits. Eine weitere Tante väterlicherseits lebt in Kabul, der BF weiß jedoch nicht, wo sie wohnt und hatte in Afghanistan wie auch aktuell zu ihr keinen Kontakt. Der BF hat ab dem Alter von 13 Jahren sieben / acht Jahren lang im Iran gelebt und seine Reise nach Europa von dort aus angetreten. Als er im Iran war, hatte er Kontakt zu seiner Familie, seit er in Österreich ist jedoch nicht mehr. Seine Familie besitzt ein eigenes Haus, aber keine Grundstücke, und hat vor allem von der eigenen Landwirtschaft gelebt. Die finanzielle Situation des BF und seiner Familie ist schlecht. Der Vater des BF hat nur unregelmäßig gearbeitet und der BF hat mit ihm kein gutes Verhältnis. Der BF hat sieben Jahre die Schule besucht, aber nur jeweils drei Monate im Winter, weil er arbeiten musste. Im Alter von 13 Jahren musste er auf Betreiben des Vaters die Schule abbrechen. Er hat keine Berufsausbildung und hat in Afghanistan als Hirte und Feldarbeiter gearbeitet. Im Iran war er Hilfsarbeiter. Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich oder in einem EU-Staat.

 

1.2. Befund und Gutachten des Sachverständigen (nicht inhaltlich sinnändernde Ergänzungen wurden vorgenommen; Anm. des BVwG)

 

Gutachten vom 17.07.2017 im Rahmen der mündlichen Verhandlung:

 

"Ich bestätige, dass der BF Farsi mit iranischem Dialekt spricht. Dari ist eine Dialektvariante der Farsi-Sprache. Afghanen, die sich im Iran aufgehalten haben und sich an den iranischen Farsi-Dialekt gewöhnt haben, verstehen dennoch den afghanischen Dari-Dialekt. In der Konversation mit dem BF bei der heutigen VH haben wir uns fließend in Dari verstanden.

 

Zur Sicherheitslage in Kabul und der damit verbundenen Diskussion betreffend die Abschiebung der abgewiesenen Asylwerber nach Kabul wird in Deutschland, der Schweiz und Schweden diese Thematik debattiert. Kurz nach dem schweren Selbstmordanschlag in Mai in Kabul haben die Deutschen die Abschiebung von Afghanen nach Kabul ausgesetzt. Es wird aber immer noch diskutiert, ob die Abschiebung von Afghanen grundsätzlich zulässig sei. Gleichzeitig wird aber berichtet, dass die Deutschen mit Abschiebungen in Einzelfällen bereits wieder begonnen haben. Als Quelle führe ich für viele an:

http://www.taz.de/!5417175/

 

Zum BF führe ich an, dass ein Familienrückhalt für ihn in Kabul nur dann gegeben ist, wenn seine Eltern oder Brüder oder Onkel väterlicherseits mit dem Vater des BF zusammengelebt haben sowie überdies eine Erbschaft gemeinsam teilen. Dagegen hat die Verwandtschaft mütterlicherseits und die weibliche Verwandtschaft väterlicherseits keine Verpflichtung nach der afghanischen Tradition, Rückkehrer aufzunehmen. Die Frauen sind abhängig von ihren Männern, d.h. wenn die Männer der Tanten sich weigern, den verwandten Rückkehrer aufzunehmen, können sich die Tanten dem nicht widersetzen. Die Verwandtschaft mütterlicherseits ist mit dem Vater des BF eben aus den oben genannten Gründen, vor allem auch wegen der fehlenden Blutsverwandtschaft, nicht verpflichtet.

 

Diese Regelung gilt bei allen Ethnien in Afghanistan. Auch die Paschtunen nehmen fremde Personen nicht auf, auch wenn diese zu ihrer Ethnie gehören. Es gibt keine Unterschiede zu den anderen Volksgruppen in diesem Zusammenhang. Hindernisse bei der Aufnahme können schon dadurch entstehen, dass beispielsweise eine nicht nahverwandte Person (Vater, Bruder, Cousin ersten Grades, Großvater) in einen Haushalt aufgenommen wird, wo sich auch weibliche Angehörige aufhalten. Diese können nur verhüllt dem Fremden gegenüber auftreten. Auch besteht kein Vertrauen in diese fremde Person, sodass sie daher auch nicht aufgenommen wird. Dies gilt nicht nur bei Paschtunen, sondern bei allen afghanischen Volksgruppen. Bezüglich der paschtunischen Tradition ist noch zu erwähnen, dass Paschtunen einen Angehörigen auch anderer Ethnien nur dann vorübergehend aufnehmen, wenn dieser auf der Flucht vor seinen Feinden in ihr Stammesgebiet gelangt ist. Es ist dann eine Sache der Ehre, die mit der Gastfreundschaft der Paschtunen verbunden ist, nämlich "Melmastia", diesem solange vorübergehenden bzw. befristeten Schutz zu gewähren, bis er dann das Stammesgebiet wieder verlassen hat. Ich verweise auf die Quelle:

https://de.wikipedia.org/wiki/Paschtunwali "

 

Schriftliches Gutachten vom 01.04.2017:

 

"Forschungsmethodik: Literaturrecherche und telefonische Informationen aus Afghanistan zur Sicherheits- und Versorgungslage.

 

Das Vorbringen des BF im Wesentlichen:

 

Der BF gibt an, XXXX zu heißen, sein Vater heiße XXXX und seine Mutter XXXX . Seine Brüder würden XXXX und seine Schwestern XXXX ) heißen. Er sei Hazara und habe 7 Jahre die Schule in XXXX in Ghazni besucht und er könne lesen und schreiben. Er stamme ursprünglich aus XXXX in Ghazni. Seine Eltern würden an dieser Adresse wohnen. Er habe als Hirte und Feldarbeiter gearbeitet und er sei ledig. Sein Vater sei meistens in Kabul und habe Glücksspiel betrieben. Eine Tante väterlicherseits wohne auch in Kabul. Er habe im Iran als Tischler und Kunststoffbearbeiter gearbeitet. Er kann inzwischen gut Deutsch sprechen.

 

Betreffend die Angst des BF vor seinem Vater im Falle seiner Rückkehr:

 

Der BF ist, wie aus dem Akt ersichtlich, im Jahre XXXX geboren und ist ca. 22 Jahre alt. Ein drogenabhängiger Vater kann ihn auf keinen Fall "wieder zwingen, für ihn Geld verdienen zu gehen", es sei denn, er will im Falle seiner Rückkehr seinen Vater unterstützen und ihn mit seiner Arbeit freiwillig versorgen. Diese Wirklichkeit Afghanistans habe ich während meiner Forschungsreisen in Afghanistan seit 2002, zuletzt im Februar 2017, in Erfahrung bringen können.

 

Die Sicherheitslage in der Provinz Ghazni:

 

Die Sicherheitslage in der Provinz Ghazni ist außerhalb der Herrschaftsregionen der Hazara-Führung grundsätzlich als sehr prekär zu bezeichnen. Davon sind nicht nur die Hazaras betroffen, sondern auch ein Teil der Paschtunen, die von den Taliban zu Feinden erklärt werden. Betreffend die Sicherheitslage in Ghazni im Allgemeinen möchte ich auf folgende Internetquelle hinweisen, welche auch im Jahre 2017 aktuell ist (Beilage 5).

 

Die Wirtschaftslage in den von Hazara bewohnten Regionen ist ebenfalls prekär und die Arbeitslosigkeitsrate in diesen Gebieten beträgt, nach meinen Schätzungen, aufgrund meiner persönlichen Nachforschungen in Afghanistan, zuletzt vom 01.02., bis 10.02.2017, ca. 60 Prozent. Besonders aus diesem Grunde verlassen tausende Jugendliche diese Regionen und versuchen, in Großstädten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, eine Arbeit zu finden. Ebenfalls wandern Tausende Hazara-Jugendliche, auch aus Gründen der wirtschaftlichen Misere, in den Iran und nach Pakistan und schließlich nach Europa aus.

 

Überlebensmöglichkeit für Rückkehrer aus dem Ausland in Großstädten:

 

Die Jugendlichen im Erwachsenenalter, wenn sie eine Facharbeiterausbildung und Berufserfahrung haben, könnten sich in Großstädten wie Kabul, Mazar-e Sharif, Bamiyan, Herat, auch wenn sie aus anderen Provinzen stammen, niederlassen, wenn sie die finanziellen Mittel und die notwendige Betreuung von verschiedenen Organisationen und staatlichen Stellen dazu haben.

 

Facharbeiter könnten, nach meiner Beobachtung, in Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Daikundi und Bamiyan, durch Gründung von Geschäften oder Werkstätten ihr Überleben in diesen Städten sichern, wenn sie Startkapital dazu haben. Im Startkapital sollte auch die Versorgung eines Jugendlichen, bis er mit seiner Werkstatt sein Einkommen sichert, berücksichtigt werden. Diese Zeit beträgt ca. 6 Monate. In diesen 6 Monaten sollte der Jugendliche genug Geldmittel zur Verfügung haben, damit er seine Miete zahlen und sich Lebensmittel und Kleidung leisten kann.

 

Kuchi:

 

Die Kuchi sind mehrheitlich paschtunische Nomaden. Sie ziehen seit Generationen durch Afghanistan und Pakistan. Es gibt, nach meiner Schätzung, ca. 2 Millionen paschtunische Nomaden (Kuchi) und eine Million Nomaden aus der Reihe der nicht-paschtunischen Ethnien.

 

Die paschtunischen Nomaden wurden im Laufe der Jahrhunderte unter der Alleinherrschaft der Paschtunen vom Staat bevorzugt und sie könnten die Weideländer, vor allem in Zentralafghanistan, benutzen. Sie galten während der Herrschaft der Taliban als ihre Unterstützer, weil sie von der Unterdrückung der Hazara durch die Taliban während ihrer Herrschaft bis 2001 profitierten.

 

Mit dem Beginn der kommunistischen Herrschaft und dem Einmarsch der SU-Truppen in Afghanistan im Jahre 1980 begann eine Emanzipationswelle für die nicht-paschtunischen Ethnien, auch für die Hazaras. Die Kuchi verloren ihren privilegierten Status und waren über 20 Jahre nicht mehr in der Lage, aufgrund des Widerstandes der Hazara in das zentrale Hochland vorzudringen. Die Bevölkerungsentwicklung führte dazu, dass Weideflächen wieder in Ackerland umgewidmet wurden. In den Taliban und ihrer Gegnerschaft zu den schiitischen Hazara erkannten die Kuchi eine Möglichkeit, wieder Zugang zum Hazarajat zu erhalten. Auch deshalb stellten sie eine wichtige Machtbasis für die Taliban dar und waren in der Armee, die Bamyan angriff bis 2001 anwesend.

 

In den letzten Jahren kam es immer wieder zu bewaffneten Zwischenfällen zwischen Hazara und Kuchi. So kam es zum Beispiel im Juni und Juli 2007 zu Kämpfen zwischen den Kuchi und Hazara im Distrikt Behsud in der Provinz Wardak. Dabei starben einige Menschen aus beiden Seiten und hunderte Hazaras mussten ihre Dörfer verlassen.

 

Die konkurrierenden Ansprüche auf dieselben Gebiete stellen ein großes Problem dar. Die Regierung in Kabul konnte erst nach 2013 dieses Problem angehen und hat eine Kommission gebildet, in der auch Kuchi- und Hazara-Vertreter sitzen, um dieses Problem zu lösen. Seit dieser Zeit gibt es kaum Zusammenstöße zwischen Hazara und Kuchis. Ich möchte anmerken, dass es zwischen Kuchis und einigen anderen paschtunischen Stämmen in Nangarhar, Kunar und Laghman immer wieder Dispute über Land gibt, welche auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen führen (Siehe Beilage 4).

 

1.3. Zur politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

 

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 19.12.2016: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q4.2016 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beinträchtigen aber die Schlagkraft (USDOD 12.2016). Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge, haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch unbeständig. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten herausforderten und versuchten Versorgungsrouten zu unterbrechen (GASC 13.12.2016).

 

Beispiele für Sicherheitsoperationen

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte vereitelten einen koordinierten Angriff in der Provinz Nangarhar; dabei wurden mindestens 5 Aufständische getötet, sowie 6 weitere verwundet (Khaama Press 18.12.2016). Mindestens 8 IS-Kämpfer wurden bei Luftangriffen in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans getötet (Khaama Press 15.12.2016). Im Rahmen von Militäroperationen durch afghanische Sicherheitskräfte in der Provinz Nangarhar, erlitten ISIS-Aufständische hohe Verluste (Khaama Press 30.11.2016). 5 Taliban, darunter ein lokaler Führer, wurden im Rahmen von Befreiungsoperationen in der Provinz Uruzgan getötet (Xinhua 27.11.2016). Im Oktober verlautbarte Vizepräsident Dostum, die Führung einer riesigen Militäroperation in der Provinz Kunduz, um diese von Aufständischen zu befreien (Tolonews 10.10.2016). Die afghanischen Sicherheitskräfte eroberten dabei Schlüsselbereiche des Distriktes Ghormach von den Taliban wieder zurück: die administrativen Distriktanlagen, das Polizeihauptquartier und den Markt von Ghormach (Khaama Press 21.10.2016).

 

Berichtszeitraum 16.8.2016 bis 17.11.2016

 

66% der sicherheitsrelevanten Vorfälle konzentrierte sich landesweit auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen. In Einklang mit bisherigen Trends, waren 65% dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Auseinandersetzungen, gefolgt von Vorfällen mit improvisierten Sprengkörpern (18%) (GASC 13.12.2016).

 

Im Berichtszeitraum zeichneten die Vereinten Nationen landesweit

 

6.261 sicherheitsrelevante Vorfälle auf; eine Erhöhung von 9% zum Vergleichszeitraum 2015. In den Monaten Jänner bis Oktober war die Anzahl bewaffneter Angriffe um 22 % höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (GASC 13.12.2016).

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Zusätzlich wurden im Berichtszeitraum landesweit 88 Entführungen, inklusive 11 Massenentführungen registriert (GASC 13.12.2016). Im Vergleich dazu wurden im Berichtszeitraum davor (20.5. – 15.8.2016) landesweit 109 Entführungen registriert (GASC 7.9.2016).

 

High-profile Angriffe in Kabul

 

Im Berichtszeitraum kam es zu zwei High-Profile Angriffen: einer davon in Kabul auf das Verteidigungsministerium und der zweite Angriff - ein Selbstmordattentat - auf den Bagram Militärflugplatz in der Provinz Parwan (GASC 13.12.2016).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen

 

Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban, kämpften die Taliban mit dem ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den ISIL-KP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des ISIL-KP existiert in Nuristan (GASC 13.12.2016).

 

Quellen:

 

 

http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/1049 , Zugriff 1912.2016

 

 

http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/768 , Zugriff 15.9.2016

 

 

 

 

http://www.khaama.com/8-isis-militants-separate-airstrikes-in-east-of-afghanistan-02478 , Zugriff 19.12.2016

 

 

 

http://www.khaama.com/isis-militants-suffer-heavy-casualties-in-afghan-forces-operations-02396 , Zugriff 19.12.2016

 

 

 

http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2016-12/afghanistan_19.php , Zugriff 19.12.2016

 

 

 

http://www.tolonews.com/afghanistan/27727-dostum-to-lead-large-scale-military-operation-in-kunduz , Zugriff 19.12.2016

 

 

Enhancing security and stability in Afghanistan, http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/Afghanistan-1225-Report-December-2016.pdf?source=GovDelivery , Zugriff 19.12.2016

 

 

http://news.xinhuanet.com/english/2016-11/27/c_135861524.htm , Zugriff 19.12.2016

 

KI vom 7.12.2016: Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan (Abschnitt 1/ Relevant für Abschnitt 21. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge)

 

Eine noch nie da gewesene Zahl an Afghan/Innen hat dieses Jahr – zum Teil fluchtartig – Pakistan verlassen (IRIN 13.9.2016), seit die pakistanische Regierung Ende Juni 2016 den 31. März 2017 als Deadline zur freiwilligen Rückkehr für die in Pakistan aufhältigen afghanischen Flüchtlinge festlegte. Nach diesem Stichtag würde Pakistan mit der Abschiebung aller [auch der registrierten] afghanischen Flüchtlinge beginnen (IRIN 10.11.2016).

 

Mit Stand 26.11. bezifferte die UN Nothilfe-Koordinierungsstelle, UN OCHA, die Zahl der in Pakistan registrierten Afghan/Innen, die im Jahr 2016 zurück gekehrt waren, mit 381.094, jene der nicht-registrierten mit 236.724. Davon fielen laut Statistiken auf die Zeitspanne bis Ende Juni 2016 insgesamt nur etwas mehr als 6.000 (UN OCHA 2.12.2016).

 

Internationalen Medien und Hilfsorganisationen zufolge, ging die Ankündigung der Deadline mit einer breiten Kampagne der Einschüchterung und Belästigung durch die Sicherheitskräfte einher; auch gab es weite Berichte über Gewalt, willkürliche Verhaftungen, Einfordern von hohen Bestechungsgeldern und anderen Formen der Belästigungen durch die Polizei sowie Abschiebungen (vgl. VOA News 16.10.2016, IRIN 13.9.2016, Newsweek 14.11.2016) - zusätzlich zu den rechtlichen Maßnahmen wie neuen Visabestimmungen, kürzeren Verlängerungen der "Proof of Registration (POR) Card" und vermehrt durchgeführten Razzien (VOA News 16.10.2016). Aufgrund der gehäuften Razzien wurde es auch zunehmend schwieriger in den bisher üblichen Nischen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (IRIN 23.6.2016). "Nicht-registrierte" Flüchtlinge sind in einem noch größeren Ausmaß anfällig Opfer von Übergriffen durch die Behörden zu werden und stehen somit unter einem noch größeren Druck, Pakistan zu verlassen (IRIN 10.11.2016).

 

UNHCR Vertreter in Pakistan bezeichneten im Oktober die Rückkehr der registrierten afghanischen Flüchtlinge allerdings als "Großteils freiwillig" und führten den hohen Anstieg auch auf die ab Juni 2016 erfolgte Verdoppelung der Barzuschüsse von 200 auf 400 Dollar pro Person für die Rückkehr, sowie auf eine neue Rückkehrkampagne der afghanischen Regierung, zurück (VOA News 16.10.2016). Das Rückführungsprogramm des UNHCR, inklusive der genannten Barzuschüsse, zu dem nur die registrierten afghanischen Flüchtlinge berechtigt sind, ist nun für die Winterperiode vom 1.11. bis zum 1.3. ausgesetzt (IRIN 10.11.2016). Nach Angaben des pakistanischen Ministers für die Grenzregionen ["Minister for States and Frontier Regions"] wurde auch die staatliche Repatriierung der Afghan/Innen von November 2016 bis Februar 2017 ausgesetzt, einem formalen Antrag des UNHCR, der afghanischen Regierung und einiger Oppositionsparteien folgend (IRIN 10.11.2016). Im November ist die Zahl der rückkehrenden registrierten afghanischen Flüchtlinge schließlich stark gesunken (UN OCHA 2.12.2016). Anfang Dezember schließlich meldeten pakistanische Medien, dass die Regierung die Deadline auf den Dezember 2017 verlängert hat (Dawn 2.12.2016).

 

Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben in Pakistan, eine Million davon sind "nicht-registriert". 2007 hatte Pakistan die Registrierung von Flüchtlingen aus Afghanistan eingestellt, allen danach Angekommenen wurde keine "Proof of Registration Card" ausgestellt (IRIN 10.11.2016). Ein großer Anteil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan sind Migrant/Innen der zweiten oder dritten Generation, die Afghanistan kaum kennen. Viele der in Pakistan lebenden Afghan/Innen flohen schon in den 80er-Jahren vor den Kämpfen zwischen sowjetischen und afghanischen Truppen (Newsweek 14.11.2016).

 

91 Prozent der registrierten und 87 Prozent der nicht-registrierten rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge passierten den Grenzübergang Torkham in die afghanische Provinz Nangarhar (UN OCHA 2.12.2016). Doch sieht sich Nangarhar selbst mit den Problemen innerstaatlicher Flüchtlinge konfrontiert aufgrund von Gefechten zwischen Regierungstruppen – unterstützt von alliierten Streitkräften – und den Taliban bzw. des IS (IRIN 13.9.2016). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und UNHCR warnten auch im Zusammenhang mit Binnenflüchtlingen in Afghanistan vor einer schweren humanitären Krise (IOM 9.9.2016). So wurden vom 1.1.2016 bis einschließlich 16.11.2016 insgesamt 511.762 Menschen als Binnenvertriebene in Afghanistan registriert (UN OCHA 27.11.2016). Zusammen mit den aus Pakistan Rückkehrenden wird erwartet, dass unter winterlichen Verhältnissen zu Jahresende rund 1,6 Millionen Afghan/innen in Bewegung sein werden (UN AFGH 16.11.2016). Die UN hat angekündigt, für diesen Notfall 152 Millionen Dollar zu beantragen, da die ursprünglichen Berechnungen von Unterstützungsleistungen an 250.000 Binnenflüchtlinge in Afghanistan ausgingen (IRIN 13.9.2016). Die Zahl der Rückkehrer/Innen aus Pakistan hatte UNHCR für das Jahr 2016, basierend auf Trends der letzten Jahre, auf nur 50.000 geschätzt (Dawn 2.12.2016).

 

Der afghanischen Regierung wird wiederum vorgeworfen, es verabsäumt zu haben, den rückkehrenden Flüchtlingen "angemessene Lebensbedingungen" zu bieten. Der afghanische Minister für Flüchtlinge und Rückführung führte indes an, dass die afghanischen Flüchtlinge von Pakistan als politisches Instrument verwendet werden (TOLO News 25.9.2016). So hatten sich Spannungen zwischen Afghanistan und Pakistan zugespitzt und mündeten im Juni in vermehrten Schusswechsel an der Grenze zwischen Militärs beider Länder (IRIN 23.6.2016). Der Ausbau der afghanisch-indischen Beziehungen trübt zusätzlich die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten (Dawn 24.10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

https://www.irinnews.org/news/2016/09/13/afghanistan-overwhelmed-refugees-return-pakistan , Zugriff 6.12.2016

 

 

 

https://www.irinnews.org/analysis/2016/11/10/will-un-become-complicit-pakistan ’s-illegal-return-afghan-refugees, Zugriff 6.12.2016

 

 

 

http://europe.newsweek.com/pakistan-expelling-afghanistan-refugees-520821?rm=eu , Zugriff 6.12.2016.

 

 

 

http://www.irinnews.org/news/2016/06/23/pakistan-going-send-afghan-refugees-home , Zugriff 5.12.2016.

 

 

http://www.pakistantelegraph.com/index.php/sid/248598539 , Zugriff 1.12.2016

 

 

 

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/27454-pakistan-using-afghan-refugees-as-a-political-tool-minister , Zugriff 1.12.2016

 

 

 

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/27261-hrw-calls-on-pakistan-to-stop-driving-out-afghan-refugees , Zugriff 1.12.2016

 

 

 

http://www.voanews.com/a/un-370000-afghans-returned-home-from-pakistan/3553436.html , Zugriff 1.12.2016

 

 

 

 

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_idp_situation_dashboard_20161127_0.pdf , Zugriff 6.12.2016

 

 

KI vom 22.11.2016: Anschlag auf Bakir-al-Olum-Moschee in Kabul (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 16/Religionsfreiheit)

 

Während einer religiösen Zeremonie am schiitischen Feiertag Arbain hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz in der Bakir-al-Olum-Moschee, einer schiitischen Moschee in Kabul, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind am 21.11.2016 mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016).Präsident Aschraf Ghani verurteilte die "barbarische" Tat (FAZ 21.11.2016).

 

Quellen:

 

 

 

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/asien/gewalt-in-afghanistan-is-bezichtigt-sich-anschlags-in-kabul-14537621.html , Zugriff 22.11.2016

 

 

 

 

http://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistan-explosion-in-kabul-mindestens-acht-tote-a-1122270.html , Zugriff 22.11.2016

 

 

 

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/28471-daesh-claims-responsibility-for-kabul-mosque-bombing , Zugriff 22.12.2016

 

KI vom 5.10.2016: Unterzeichnetes Friedensabkommen mit Gulbuddin Hekmatyar Anführer der großen Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami (betrifft: Abschnitt 13 Sicherheitslage)

 

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten Vertreter von Hekmatjars Hezb-i-Islami und der Regierung von Präsident Aschraf Ghani am 22.9.2016 (Die Zeit 22.9.2016), einen provisorischen Friedensvertrag (NZZ 23.9.2016). Danach unterschrieb Präsident Ghani den Vertrag in einer Zeremonie im Präsidentenpalast in Kabul. Hekmatjar war per Video von einem unbekannten Ort aus der Zeremonie zugeschaltet, von wo aus er das Papier ebenfalls unterzeichnete (DW 29.9.2016; vgl. auch: NYT 29.9.2016). Hekmatjar steht als Terrorist noch auf mehreren schwarzen Listen, unter anderem jener der USA (DW 29.9.2016).

 

Das Abkommen sichert der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zu. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte die Hezb-e Islami in einer Stellungnahme eine Waffenruhe. Die Stellungnahme beinhaltete auch, dass beide Seiten eine Waffenruhe unter diesem Abkommen einzuhalten haben (The Express Tribune 30.9.2016).

 

Der als "Schlächter von Kabul" bekannte Milizenführer, Gulbuddin Hekmatyar, rief "alle regierungsfeindlichen Kräfte" dazu auf, mit der Regierung in einen "Dialog" zu treten und ihre Ziele "mit friedlichen Mitteln weiterzuverfolgen" (DW 29.9.2016; vgl. auch: Die Zeit 22.9.2016). Für den im Exil lebende Hekmatyar ebnet dieser Deal den Weg für ein mögliches potentielles politisches Comeback – trotz seiner mit Kriegsverbrechen behafteten Vergangenheit (The Express Tribune 30.9.2016). Es wird erwartet, dass, sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, Hekmatyar nach 20 Jahren aus dem Exil wieder nach Afghanistan zurückkehren wird. Die Hezb-e Islami steht bei den Vereinten Nationen auf der Liste terroristischer Organisationen. Von den USA wurde Hekmatyar im Jahr 2003 zum "internationalen Terroristen" erklärt (NYT 29.9.2016).

 

Menschenrechtsaktivist/innen kritisieren, dass das Friedensabkommen Hekmatjar Schutz vor Strafverfolgung gewährt. Andere Beobachter/innen werten den Vertrag dagegen als wichtigen Schritt hin zu einer Friedenslösung für Afghanistan. Die vom Westen unterstützte afghanische Regierung versucht seit Jahren, auch einen Frieden mit den Taliban auszuhandeln, die für die meisten Angriffe am Hindukusch verantwortlich sind (DW 29.9.2016).

 

Hintergrundinformation:

 

Als Anführer der großen Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami war Hekmatyar im Widerstand gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans in den achtziger Jahren zu Einfluss gelangt und erhielt, wie andere Kriegsfürsten, dabei auch internationale Unterstützung (USA, Pakistan, Saudi Arabien) (NZZ 23.6.2016; vgl. auch: DW 29.9.2016). Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Kabul wurde Hekmatyar 1993 kurzzeitig sogar afghanischer Ministerpräsident, wechselte im Bürgerkrieg der neunziger Jahre aber die Seiten und belagerte mit seinen Truppen Kabul (NZZ 23.6.2016). Er wird dabei für den Tod Tausender Zivilisten verantwortlich gemacht. Wegen der rücksichtslosen Bombardierung ziviler Wohngebiete und anderer schwerer Verstöße gegen das Kriegsrecht gilt er vielerorts als Kriegsverbrecher (NZZ 23.6.2016; vgl. auch: The Express Tribune 30.9.2016 und DW 29.9.2016). Die UNO und die USA verhängten Sanktionen gegen ihn (NZZ 23.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949 , Zugriff 5.10.2016

 

 

 

http://www.nytimes.com/aponline/2016/09/29/world/asia/ap-as-afghanistan-peace-agreement.html?_r=0 ; Zugriff 5.10.2016

 

 

 

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/friedensabkommen-mit-altem-kriegsfuerst-geist-aus-der-vergangenheit-treibt-kabul-um-ld.118440 , Zugriff 5.10.2016

 

 

KI vom 19.9.2016: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q3.2016 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten mit Hilfe der NATO den verstärkten Aktivitäten der Taliban, aber auch von al-Qaida und Islamischem Staat, standhalten (SCR 1.9.2016). Laut dem Vizechef der NATO-Mission "Resolute Support" funktionieren die afghanischen Kräfte, in Einklang mit ihrem offensiven Schlachtplan und positiven Entwicklungen, dieses Jahr besser als letztes Jahr (USDOD 25.8.2016).

 

Aufgrund intensiver Talibanoperationen war die Sicherheitslage auch weiterhin volatil. Während des Berichtszeitraumes (20.5. – 15.8.2016) konzentrierten sich die Taliban darauf, die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten der Provinzen Baghlan, Kunduz, Takhar, Faryab, Jawzjan und Uruzgan zu bekämpfen, in dem sie versuchten Bezirksverwaltungszentren einzunehmen und Versorgungsrouten zu unterbrechen. In den Monaten Mai und Juli erhöhte sich die Anzahl der bewaffneten Angriffe um 14,7% im Vergleich zu den drei Monaten davor und war ferner um 24% höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (GASC 7.9.2016).

 

Berichtszeitraum 20.5.2016 bis 15.8.2016

 

68,1% der landesweiten sicherheitsrelevanten Vorfälle konzentrierten sich auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen. Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 268 Mordanschläge registriert, davon sind 40 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Zusätzlich wurden landesweit 109 Entführungen, im Berichtszeitraum registriert. Selbstmordangriffe sind im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 von 26 auf 17 zurückgegangen (GASC 7.9.2016).

 

Zwischen 20.5. und 15.8.2016 registrierten die Vereinten Nationen landesweit 5.996 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies bedeutet eine Erhöhung von 4,7% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2015 und einen Rückgang von 3,6% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2014. In Einklang mit bisherigen Trends, waren bewaffnete Auseinandersetzungen mit 62,6% für einen Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle verantwortlich, gefolgt von Vorfällen mit improvisierten Sprengkörpern, welche 17,3% ausmachten (GASC 7.9.2016).

 

High-profile Angriffe in Kabul

 

Im Berichtszeitraum kam es zu zwei High-Profile Angriffen in Kabul (GASC 7.9.2016; vgl. auch: BBC News 23.7.2016, Reuters 1.8.2016).

 

Sicherheitsoperationen

 

Mindestens 27 Taliban, darunter drei lokale Führer der Gruppe, wurden im Rahmen von Befreiungsoperationen in der Provinz Badakhshan getötet. Ebenso wurden 32 weitere Aufständische verwundet und 12 Dörfer von Aufständischen befreit (Khaama Press 3.8.2016).

 

Mindestens 36 IS-Kämpfer wurden, im Zuge der Militäroperation "Qahr Silab" im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans, durch afghanische Sicherheitskräfte getötet (India Live Today 30.7.2016).

 

Mindestens 300 Anhänger des IS wurden seit Beginn einer weiteren großen Militäroperation im Osten Afghanistans getötet. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte ebenso, dass etwa 100 weitere Anhänger verletzt wurden. Er führte weiter aus, dass die Operationen anhalten (Khaama Press 27.7.2016).

 

Im Juni führten Sicherheitskräfte Operationen in den Provinzen Nangarhar, Paktika, Ghazni, Kandahar, Uruzgan, Baghlan, Balkh, Jawzjan, Faryab, Kunduz und Helmand durch (BAMF 13.6.2016).

 

Im Rahmen weiterer Operationen wurden ebenfalls Taliban, darunter hochrangige Mitglieder wie Schattengouverneure (Khaama Press 2.8.2016) und Kommandanten, getötet (Xinhua 19.7.2016; Xinhua 17.8.2016). Auch Anhänger (Khaama Press 27.7.2016) und Anführer des IS (Xinhua 26.7.2016; vgl. auch: GASC 7.9.2016) waren unter den Opfern.

 

Sicherheitskräfte

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben ihre Luftkapazitäten erweitert (GASC 7.9.2016).

 

Die derzeit 8.400 US-Soldaten bleiben bis Ende Jänner 2017 im Land. Die NATO-Mission hat gegenwärtig insgesamt eine Truppenstärke von 13.000 Mann (SCR 1.9.2016; vgl. auch: GASC 7.9.2016). Die neuen Einsatzregeln der US-Truppen erlauben mehr direkte Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte, auch werden die Luftangriffe erweitert (GASC 7.9.2016).

 

Berichten zufolge sind die Verluste der Sicherheitskräfte seit Juni 2016 gestiegen. Zusätzlich ist die Zahl natürlicher Abgänge hoch. Zwar wurden die Rekrutierungsziele erreicht, doch die Quote der Wiederverpflichtungen ist niedrig und muss erhöht werden um Verluste und Desertionen aufzuwiegen (GASC 7.9.2016). Derzeit werden 3.000 – 4.000 Soldaten monatlich ausgebildet (USDOD 11.2.2016).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen

 

Regierungsfeindliche Elemente waren für 60% der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 verantwortlich (966 Tote und 2.116 Verletzte). Dies deutet eine Zunahme von 11% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an (UNAMA 7.2016).

 

Taliban

 

Nach einem leichten Rückgang während des Ramadans (7.6. – 6.7.2016) nahm die Talibanoffensive nach dem 19.7.2016 wieder Fahrt auf: die Bezirksverwaltungszentren von Khanashin und Sangin in Helmand; Qush Tepa in Jawzjan; Dahanai Ghuri in Baghlan; Dasht-e Archi, Khanabad und Qala-i-Zal in Kunduz und Khwaja Ghar in Takhar konnten kurzfristig erobert werden. Obwohl die nationalen afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte die Kontrolle über die meisten Distriktzentren zurück erobern konnten, waren diese Orte weiterhin signifikantem Druck ausgesetzt – speziell im Süden und Nordosten (GASC 7.9.2016).

 

Viele der Landgewinne der Taliban dauern zwar nur kurz, da Sicherheitskräfte Gebiete zurückerobern. Dennoch haben die Taliban ihre Kontrolle über die Provinzen ausgeweitet (BAMF 22.8.2016).

 

Die afghanischen Taliban sind dem ISKP feindlich gesinnt (Nikkei Asia Review 31.8.2016).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Es scheint als ob der Einfluss des Islamischen Staates in Afghanistan unter Druck geraten ist. Der IS-Ableger, der sich selbst "Islamischer Staat in der Provinz Khorasan" (ISIL-KP) nennt, hat mit signifikanten Territorialverlusten zu kämpfen, was ihn zu einer Änderung der Taktik gezwungen hat. Die Kämpfer waren gezwungen sich auf wenige Distrikte in der östlichen Provinz Nangarhar zu beschränken. Zum anderen sucht die Gruppe nun vornehmlich "weiche" Ziele, wie z.B. das Selbstmordattentat auf friedlich demonstrierende Hazara im Juli 2016 in Kabul zeigt (Nikkei Asia Review 31.8.2016).

 

Unterstützt von internationalen militärischen Kräften, haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Boden- und Luftoperationen gegen den ISIL-KP in der Provinz Nangarhar verstärkt. Diese Operationen führten zu signifikanten Opfern unter den ISIL-KP Kämpfern, inklusive dem Tod ihres Führers Hafiz Saeed Khan im Juli 2016. Es wurde berichtet, dass manch vertriebener Kämpfer in die Provinz Kunar gegangen ist (GASC 7.9.2016).

 

Quellen:

 

 

Briefing Notes vom 22.08.2016,

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1471934292_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-22-08-2016-deutsch.pdf , Zugriff 15.9.2016

 

 

Briefing Notes vom 13.06.2016,

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1465826992_1-deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-13-06-2016-deutsch.pdf , Zugriff 15.9.2016

 

 

 

http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/768 , Zugriff 15.9.2016

 

 

 

 

http://www.khaama.com/key-taliban-leaders-among-27-killed-in-badakhshan-clearing-ops-01635 , Zugriff 15.9.2016

 

 

 

http://www.khaama.com/taliban-shadow-governor-and-war-commander-killed-in-helmand-01627 , Zugriff 16.9.2016

 

 

 

 

 

http://asia.nikkei.com/Politics-Economy/International-Relations/Islamic-State-under-pressure-in-Afghanistan , Zugriff 15.9.2016

 

 

http://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-idUSKCN10B0WA , Zugriff 15.9.2016

 

 

 

http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2016-09/afghanistan_18.php , Zugriff 16.9.2016

 

 

 

 

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2016_final.pdf , Zugriff 15.9.2016

 

 

 

 

http://news.xinhuanet.com/english/2016-08/17/c_135608208.htm , Zugriff 16.9.2016

 

 

http://news.xinhuanet.com/english/2016-08/12/c_135590892.htm , Zugriff 16.9.2016

 

 

http://news.xinhuanet.com/english/2016-07/26/c_135541305.htm , Zugriff 16.9.2016

 

 

http://news.xinhuanet.com/english/2016-07/19/c_135525005.htm , Zugriff 16.9.2016

 

KI vom 29.7.2016: 200.000 Repatriierungen aus Pakistan in den letzten sechs Monaten (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehr)

 

Laut dem afghanischen Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierungen [Ministry of Refugees and Repatriations (MoRR)] hat sich die Zahl der afghanischen Flüchtlinge, die aus Pakistan zurückkehren, stark erhöht (Business Standard 28.7.2016). Innerhalb von vier Tagen sind 10.000 nach Hause zurückgekehrt, während es in den letzten sechs Monaten 200.000 waren(Business Standard 28.7.2016; vgl. Dawn 28.7.2016). Konkret gibt UNHCR an, dass im Zeitraum von

 

17. – 23. Juli 2016 3.371 Flüchtlinge im Rahmen des freiwilligen Rückkehrprogrammes in ihre Häuser zurückgekehrt sind, während sich die Zahl derer, die seit Jänner zurückgekehrt sind, auf 2.691 Familien bzw. 12.309 Individuen beläuft (Dawn 28.7.2016).

 

Nach Aussage von Beamten, die mit der Aufgabe der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen aus Khyber Pakhtunkhwa betraut sind, hat diese an Eigendynamik gewonnen, nachdem die Bundesregierung den Aufenthalt der Flüchtlinge bis Dezember 2016 verlängert hat (Dawn 28.7.2016). In einem überraschenden Zug - welcher von geostrategischen Expert/innen als positive Entwicklung gewertet wurde - hat die afghanische Regierung eine nationale Kampagne gestartet, um ihre Bevölkerung von der Rückkehr in die Heimat zu überzeugen. Innerhalb der letzten zwei Dekaden ist dies der erste Versuch der afghanischen Regierung, eine formelle Kampagne zu starten, um die Bürger/innen zu ermutigen, ihr Flüchtlingsleben in Pakistan aufzugeben. Das afghanische Ministerium für Grenzen, Nationen und Stammesangelegenheiten sowie dessen diplomatische Mission in Peshawar haben gemeinsam die Kampagne "Khpal Watan" gestartet, die in Pakistan in den Medien ausgestrahlt wurde (Daily Times 18.7.2016).

 

Ein Beamter gab an, dass die Erhöhung der Bargeldunterstützung von UNHCR ein Hauptfaktor der Flüchtlinge war, um in ihr Heimatland zurückzukehren (Dawn 28.7.2016). Die Bargeldunterstützung für zurückkehrende Flüchtlinge wurde von UNHCR von US$ 200 auf US$ 400 pro Kopf erhöht (Dawn 28.7.2016; vgl. Dawn 1.7.2016). Die Flüchtlinge erhalten Bargeldunterstützung, nachdem sie nach Afghanistan zurückkehrt sind (Dawn 28.7.2016). UNHCR stellt jenen Familien Bargeldhilfe zur Verfügung, die im Besitz legaler Dokumente sind, während das afghanische Flüchtlingsministerium jenen ohne legale Dokumente Unterstützung anbietet (Daily Times 26.7.2016). Ein hochrangiger afghanischer Beamter verlautbarte, dass sich im Durchschnitt derzeit täglich 300 Flüchtlingsfamilien beim freiwilligen Rückkehrzentrum der Vereinten Nationen in Chamkani, Peshawar registrieren würden. Noch vor Juli 2016 waren es durchschnittlich 10 Familien (Dawn 28.7.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://dailytimes.com.pk/pakistan/26-Jul-16/5000-afghan-refugees-return-home-in-one-week , Zugriff 28.7.2016

 

 

 

 

http://www.dawn.com/news/1273734/repatriation-of-afghan-refugees-gaining-momentum , Zugriff 28.7.2016

 

 

 

http://www.dawn.com/news/1268266/pakistan-to-hold-talks-with-kabul-unhcr-for-early-return-of-refugees?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed: dawn-news (Dawn+News), Zugriff 28.7.2016

 

KI vom 30.6.2016: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q2.2016 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die Sicherheitslage war geprägt durch anhaltende und intensive bewaffnete Auseinandersetzungen. Die bewaffneten Zusammenstöße sind in den ersten vier Monaten des Jahres 2016, im Gegensatz zum Vergleichszeitraum 2015, um 14% gestiegen. Auch in den einzelnen Monaten ist im Vergleich mit den vorhergegangenen Jahren ein Anstieg zu verzeichnen (GASC 10.6.2016).

 

Berichtszeitraum 16.2.2016 bis 19.5.2016

 

Im April 2016 wurde von der höchsten Zahl gewalttätiger Zusammenstöße seit Juni 2014 berichtet. Dennoch ist die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle zurückgegangen. Im Berichtszeitraum wurden 6.122 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert, was einen Rückgang von 3% zum Vergleichszeitraum im Jahr 2015 andeutet. Dies wird hauptsächlich auf einen Reduzierung der Vorfälle zurückgeführt, die IEDs (Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung) beinhalten. Die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen, waren auch weiterhin jene Regionen in welcher die Mehrzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert wurde (68,5%). In Einklang mit den bisherigen Trends waren bewaffnete Konfrontationen die Hauptursache für einen Großteil sicherheitsrelevanter Vorfälle (64%), gefolgt von IEDs (17,4%). Ein Rückgang gezielter Tötungen (163 Tötungen), inklusive fehlgeschlagener Versuche, konnte im Berichtszeitraum verzeichnet werden. Dies machte eine Reduzierung von 37% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres aus. Insgesamt wurde von 15 Selbstmordattentaten – gegenüber 29 im Vergleichszeitraum 2015 – berichtet. High-profile Vorfälle beinhalteten Angriffe auf das indische Konsulat in Jalalabad im März 2016, sowie einen Angriff auf die Residenz des amtierenden NDS-Direktors in Kabul, sowie zwei weitere gezielte Tötungen von hochrangigen Militärkommandanten in den Provinzen Kandahar und Logar durch die Taliban (GASC 10.6.2016).

 

Militärische Auseinandersetzungen

 

Es kommt auch weiterhin zu Kampfhandlungen, Überfällen und Anschlägen. Dennoch starteten die afghanischen Sicherheitskräfte Operationen Im Juni 2016 in den Provinzen Nangarhar, Paktika, Ghazni, Kandahar, Uruzgan, Baghlan, Balkh, Jawzjan, Faryab, Kunduz und Helmand (BAMF 13.6.2016).

 

ANDSF - Afghan National Defence and Security Forces

 

Ein hochrangiger U.S. amerikanischer Sicherheitsbeamter berichtete, dass die afghanischen Sicherheitskräfte in diesem Jahr erstmals sowohl die Führung als auch die Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen hatten. Sie sahen sich mit einem zu allem entschlossenen Feind konfrontiert, der auch weiterhin vehement versucht, die afghanischen Sicherheitskräfte zum Scheitern zu bringen. Dies sei allerdings nicht gelungen. Die Afghanen wären gemäß dem Sicherheitsbeamten äußerst fähige Soldaten, auch wenn sie noch ein wenig Unterstützung benötigen werden, um komplexe operative Fähigkeiten, wie Luftfahrt und Logistik, zu entwickeln. Fakt ist, dass sie unter Beweis gestellt haben, für die Sicherheit des Landes sorgen zu können. Die konventionellen afghanischen Kräfte besteht aus fähigen Soldaten, die in der Lage sind, regelmäßig aufeinander abgestimmte Militäroperationen durchzuführen, ohne dabei auf die Hilfe der Koalitionskräfte zurückzugreifen (USDOD 2.3.2016).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen

 

Hezb-e Islami

 

Es konnten Fortschritte in Richtung eines Friedensprozess mit der Hezb-e Islami Gulbuddin gemacht werden (GASC 10.6.2016). Es wurde berichtet, dass die afghanische Regierung und die Hezb-e Islami einem Entwurf für ein Friedensabkommen zugestimmt haben. In diesem Abkommen enthaltene Bedingungen sind, dass die Regierung den Mitgliedern der Hezb-e Islami Amnestie gewährt und Gespräche mit der UN führt, um die Organisation von der schwarzen Liste zu entfernen (BBC 18.5.2016). Die Organisation wird der Regierung zwar nicht beitreten, soll dennoch als offizielle Partei anerkannt werden und in wichtige politische Entscheidungen eingebunden werden (BBC 18.5.2016; vgl. Reuters 18.5.2016). Der Entwurf beinhaltete außerdem von den afghanischen Behörden Gefangene Mitglieder der Hezb-e Islami frei zu lassen (Reuters 18.5.2016).

 

IS/ISIS/Daesh

 

In der Provinz Nangarhar kamen bei Kämpfen zwischen dem IS und afghanischen Sicherheitskräften mehr als 135 Rebellen und mindestens zwölf Angehörige der Sicherheitskräfte ums Leben. Die zweitägigen Kämpfe begannen am 24.6.2016, als Hunderte von IS-Kämpfern einen Posten der Sicherheitskräfte im Distrikt Kot angegriffen (BAMF 27.6.2016).

 

Taliban

 

Nachdem im Juni 2015 die ersten Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung (BBC 26.5.2016), sowie ein Monat davor auch weiblichen afghanischen Vertreterinnen in Oslo, Norwegen Gespräche mit den Taliban durchgeführt haben [Nur wenige Informationen über Fortschritte dieser Besprechungen, in die mehrere Frauen involviert waren, wurden öffentlich gemacht] (BBC 6.6.2015), haben weitere Gespräche mit der Bewegung zu keinem Fortschritt geführt (BBC 26.5.2016; vgl. GASC 10.6.2016).

 

Die Angriffszahlen stiegen nach Beginn der Frühlingsoffensive ("Operation Omari") der Taliban an. Die Taliban schworen Großangriffe auf "feindliche Positionen", gemeinsam mit taktischen Angriffen und gezielten Tötungen auf militärische Kommandanten. Im Gegensatz zu den vorherigen Jahren, bedrohte die Bewegung nicht ausdrücklich zivile Regierungsbeamte. Seit Beginn der Offensive haben die Taliban 36 Angriffe auf administrative Distriktzentren verübt, inklusive eines orchestrierten Vorstoßes auf Kunduz. Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte haben einen Großteil dieser Angriffe abgewiesen (GASC 10.6.2016).

 

Sowohl die afghanische Regierung, als auch Mitglieder der Taliban haben im Mai 2016, den Tod des Taliban-Führers Mullah Mansoor bestätigt, der bei einem Angriff durch Drohnen in der pakistanischen Provinz Belutschistan getötet wurde (The Guardian 22.6.2016). Als Nachfolger wurde sein Vize Mullah Haibatullah Akhundzada, ein prominenter Rechtsgelehrter, nominiert (The Guardian 25.5.2016).

 

Andere Gruppierungen

 

Andere bewaffnete Gruppierungen haben eine kleine Präsenz auf afghanischem Territorium, inklusive der IMU (Islamic Movement of Uzbekistan) im Norden und dem ISIL-KP (Islamic State in Iraq and the Levant-Khorasan Province) im Osten. Ferner führten Operationen der ANSDF, unterstützt durch militärische Luftangriffe, zu einer Reduzierung der Präsenz des ISIL-KP in Nangarhar. Die Gruppe war außerdem dem Druck der Taliban ausgesetzt (GASC 10.6.2016).

 

Drogenanbau

 

UNODC berichtet in dessen Report, dass der Bruttowert der Opiate in Afghanistan um 45% geschrumpft ist, aber weiterhin 7% des BIP (im Gegensatz zu 13% im Jahr 2014) ausmacht. Diese signifikante Schrumpfung ist auf eine substantielle Reduzierung der Opiumkultivierung und –produktion, sowie einem Rückgang des durchschnittlichen Ab-Hof-Preises für getrocknetes Opium im Jahr 2015, zurückzuführen (GASC 10.6.2016).

 

Beispielweise bauen 800 Bauern im Rahmen eines Projektes der Welthungerhilfe in drei Bezirken der Provinz Nangarhar schon seit Jahren Rosen statt Opium an – ein Versuch, der größten Opiummaschinerie der Welt Einhalt zu gebieten. Rund 3.000 Tonnen Blüten werden von den Bauern zur Destille gebracht. Im Schnitt ergibt das 100 Liter Rosenöl und - weil das kostbar ist - für die Bauern jährlich 500 bis 1.000 Dollar. Das Projekt, erdacht schon 2004 von der Welthungerhilfe und seit 2015 weitgehend in afghanischer Hand, ist eines der wenigen Opiumersatz-Projekte, die überlebt haben. Viele andere sind - oft wegen naiver und viel zu ungeduldiger Planung – gescheitert (Kleine Zeitung 26.6.2016; vgl. Welthungerhilfe o.D.).

 

Quellen:

 

 

Briefing Notes. Per E-Mail.

 

 

Briefing Notes. Per E-Mail.

 

 

 

 

 

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/n1616020.pdf , Zugriff 29.6.2016

 

 

 

http://www.kleinezeitung.at/k/lebensart/5034053/Rosenol-statt-Heroin_Zarter-Neustart-in-Afghanistan , Zugriff 30.6.2016

 

 

 

http://www.reuters.com/article/us-afghanistan-hekmatyar-idUSKCN0Y91FR , Zugriff 29.6.2016

 

 

 

 

https://www.theguardian.com/world/2016/may/21/us-airstrike-taliban-leader-mullah-akhtar-mansoor , Zugriff 29.6.2016

 

 

Afghanistan’s Security Forces Making Progress, Centcom Chief Says, http://www.defense.gov/News-Article-View/Article/684146/afghanistans-security-forces-making-progress-centcom-chief-says , Zugriff 30.6.2016

 

 

KI vom 5.4.2016: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q1.2016 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Zivile Opfer im Jahr 2015

 

Im Berichtszeitraum des Jahres 2015 (1.1. bis 31.12.2015) gab die UNAMA an, dass der Konflikt in Afghanistan Ursache für Schaden an der Zivilbevölkerung war und gab weiter an, dass dies die höchste Zahl ziviler Opfer seit Dokumentationsbeginn im Jahr 2009 durch die UNAMA beinhaltete. Die Zahl ziviler Tote und Verletze stieg aufgrund des Konfliktes im Gegensatz zum Jahr 2014 um 4% an. Im Berichtszeitraum dokumentierte die UNAMA 11.002 zivile Opfer (3.545 Tote und 7.457 Verletzte), was einen Rückgang von 4% bei den zivilen Toten andeutet und einen Anstieg von 9% bei den verletzten Zivilisten (UNAMA 2.2.2016).

 

Zwischen 1.1. und 31.12.2015 registrierte die UNAMA 6.859 zivile Opfer (2.315 Tote und 4.544 Verletzte) durch Operationen und Angriffe regierungsfeindlicher Elemente – dies deutet im Vergleich zum Jahr 2014 einen Rückgang von 10% an (UNAMA 2.2016).

 

Bodenoffensiven zwischen den Konfliktparteien waren Ursache für die höchste Zahl ziviler Opfer (Tote und Verletzte), gefolgt von IEDs, Selbstmordattentaten und komplexen Angriffen. Bodenoffensiven töten die meisten Zivilisten gefolgt von gezielten und vorsätzlichen Tötungen (UNAMA 2.2.016).

 

Allgemein ist der Anstieg ziviler Opfer im Jahr 2015 zum Großteil auf einen Anstieg komplexer Angriffe und Selbstmordattentate, sowie gezielter und vorsätzlicher Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zurückzuführen, sowie eine erhöhte Anzahl ziviler Opfer wurde durch regierungsfreundliche Kräfte im Rahmen von Bodenoffensiven und Luftangriffen verursacht, während eine erhöhte Zahl von Zivilisten ins Kreuzfeuer zwischen den Konfliktparteien geriet – besonders erwähnenswert ist hier die Provinz Kunduz (UNAMA 2.2016).

 

Im Jahr 2015 wurden 70% sicherheitsrelevanter Vorfälle in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert. Ghazni, Helmand, Kandahar, Kunar und Nangarhar zählten zu den volatilsten Provinzen, in denen 49% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert wurden. Bewaffnete Zusammenstöße und IEDs waren für 79% aller Vorfälle verantwortlich und deuten damit einen Anstieg von 3% im Gegensatz zum Jahr 2014 an. Überdies deutet dies ein allgemein höheres Niveau der Aufständischenaktivitäten im Jahr 2015 an. Trotz der Ansage der Taliban ihre Frühjahrsoffensive am 24.4.2015 zu starten, gab es keine deutliche Veränderung ihrer Angriffsmuster während des Frühjahrs. Im Gegensatz zu den vorangegangen Jahren wurde das Kämpfen im Jahr 2015 unvermindert weitergeführt (UN GASC 7.3.2016).

 

Berichtszeitraum 1.12.2015 bis 15.2.2016

 

Militärische Auseinandersetzungen

 

Nach Angaben der UN gab es zwischen dem 1.12.2015 und dem 15.2.2016 landesweit 4.014 sicherheitsrelevante Vorfälle und damit 8,3 % weniger als in den Vergleichszeiträumen der Jahre 2014 und 2015. Allerdings weisen im Vergleichszeitraum die Monate Januar und Februar 2015 die höchsten Zahlen seit 2001 auf. Bei über der Hälfte der Vorfälle handelte es sich um bewaffnete Zusammenstöße, 19,2 % waren Bombenanschläge. Weiterhin wurden 154 gezielte Tötungen (einschließlich Versuchen) registriert, 27 % weniger als in den Vergleichszeiträumen 2014 und 2015. Mit 20 Selbstmordanschlägen kam es zu zehn weniger als in den Vorjahresvergleichszeiträumen (BAMF 4.4.2016; vgl. UN GASC 7.3.2016).

 

Die AFDSF führten Räumungsoperationen in den Provinzen Baghlan, Kunduz und Nangarhar durch. Trotz dieser Operationen blieb die Sicherheitslage in den nord-östlichen Regionen volatil – speziell in der Gegend rund um Kunduz, in welcher regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin eine Präsenz in der Nähe zu Kunduz City beibehielten (UN GASC 7.3.2016).

 

In den vergangenen Wochen gab es bewaffnete Auseinandersetzungen, Luft- und Raketenangriffe, Razzien etc. u.a. in den südlichen Provinzen Helmand, Uruzgan (dort sollen tausende Familien ihre Heimatorte verlassen haben), den nördlichen Provinzen Baghlan, Faryab, Balkh, Jawzjan, der nordöstlichen Provinz Kunduz, den östlichen Provinzen Nangarhar, Kunar, Nuristan, Laghman, den westlichen Provinzen Farah, Herat, Badghis, der zentralen Provinz Kapisa, den südöstlichen Provinzen Ghazni und Paktia (BAMF 4.4.2016).

 

Taliban

 

Die Taliban kündigten, im Rahmen der alljährlichen Frühjahrsoffensive Operationen zur Eroberung großer Städte an (BAMF 4.4.2016; vgl. Der Spiegel 23.3.2016). Bisher konnten sie lediglich Kunduz (im September 2015) kurzzeitig erobern (BAMF 4.4.2016; vgl. UN GASC 10.12.2016).

 

Quellen:

 

 

Briefing Notes. Per E-Mail.

 

 

 

Afghanistan: Annual Report 2015, Protection of Civilians in Armed Conflict, http://www.refworld.org/docid/56c17b714.html , Zugriff 4.4.2016

 

 

 

Kommentar:

 

Bei Afghanistan handelt es sich um ein Land, das mit 34 Provinzen eine enorme Ausdehnung einnimmt und dessen Bevölkerung auf fast 32 Millionen geschätzt wird. Die Komplexität der allgemeinen Lage wie auch speziell der Sicherheitslage ist differenziert zu betrachten und erfordert eine differenzierte Aufarbeitung.

 

2. Politische Lage

 

Verfassung

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde (IDEA o.D.) und auf der Verfassung aus dem Jahr 1964 basiert. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und dass alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

 

Afghanistans Präsident und CEO

 

Am 29. September 2014 wurde Ashraf Ghani als Präsident Afghanistans vereidigt (CRS 12.1.2015). Nach monatelangem Streit hatten sich Ghani und Abdullah auf eine gemeinsame Einheitsregierung geeinigt. Das Abkommen sieht vor, dass für den Zweitplatzierten bei der Wahl der Posten eines bislang nicht vorgesehenen Ministerpräsidenten geschaffen wird (FAZ 15.6.2014). Abdullah, der Verlierer der Präsidentschaftswahl, bekam den Posten des Geschäftsführers der Regierung bzw. "Chief Executive Officer" (CEO) der Regierung (CRS 12.1.2015). Diese per Präsidialdekret eingeführte Position weist Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers auf (AA 8 .2015). Der CEO fungiert quasi als Premierminister, auch wenn eine Verfassungsänderung zur formalen Schaffung des Postens des Premierministers noch ausständig ist (CRS 12.1.2015).

 

Regierungsbildung

 

Obwohl Ghani ursprünglich versprochen hatte, 45 Tagen nach seiner Vereidigung eine Regierung zu präsentieren, zeichnete sich bald ab, dass dieses Versprechen nicht einghalten werden kann, da für die Regierungsbildung in Afghanistan für die Kabinettsposten die Koalitionspartner aus Ghanis und Abdullahs Lager gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Eine Regierung muss die starken regionalen und ethnischen sowie Stammesbindungen und -befindlichkeiten berücksichtigen, soll sie im ganzen Land akzeptiert sein. Ferner beabsichtigte Ghani, die Ministerien nur Personen mit Fachkenntnissen anzuvertrauen und keine bisherigen Minister oder Parlamentarier ins Kabinett aufzunehmen, um so die Voraussetzungen für einen kompetenten Neuanfang zu schaffen. Doch wird die Übung unter solchen Prämissen zusätzlich erschwert. Ghanis Kabinettsliste war in Afghanistan mit Erleichterung aufgenommen worden, weil das Land endlich eine handlungsfähige Regierung braucht. Zwar fragten sich Beobachter wie das Afghanistan Analysts Network einerseits, inwieweit eine junge und recht unerfahrene Regierung den Herausforderungen gewachsen sei. Anderseits wurde Ghanis Festhalten am Versprechen, keine politischen Schwergewichte der Vergangenheit in die Regierung aufzunehmen, durchaus anerkennend kommentiert (NZZ 22.1.2015).

 

Parlament und Parlamentswahlen

 

Die afghanische Nationalversammlung, Shuraye Melli, basiert auf einem Zweikammersystem, das sich in ein Unterhaus, Wolesi Jirga, und ein Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt, gliedert. Das Unterhaus setzt sich aus 249 Sitzen zusammen, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kuchi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 25.6.2015; vgl. CRS 15.10.2015 und CRS 12.1.2015).

 

Das Oberhaus setzt sich aus 102 Sitzen zusammen. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Ein Drittel der Sitze, wovon wiederum 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst, (CRS 12.1.2015; vgl. CRS 15.10.2015). Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßig vorgegebenen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für die Ernennung eines Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 25.6.2015

 

Eine der wesentlichen Neuerungen, welche die Parlamentswahlen 2005 und 2010 betrafen, war die "single non-transferable vote (SNTV)"-Regelung. Jedem Wahlkreis ist, proportional zur Bevölkerungszahl, mehr als ein Sitz im Parlament zugeteilt. Die Wähler des Wahlkreises können jeweils eine Stimme abgeben. Die Sitze des Wahlkreises gehen an die Kandidaten des Kreises in der Reihenfolge der Anzahl der von ihnen gewonnenen Stimmen. Dieses System ist weltweit sehr selten (UNAMA o.D.; vgl. NDI 2011; vgl. CRS 15.10.2015). Durch das System treten die Kandidaten individuell gegeneinander an und erlangen die Sitze nicht über Parteilisten (CRS 15.10.2015).

 

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments (Unterhaus "Wolesi Jirga", Oberhaus "Meshrano Jirga") bleibt trotz wachsenden Selbstbewusstseins der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Generell leidet die Legislative aber nicht nur unter ihrer schwachen Rolle im Präsidialsystem, sondern auch unter dem unterentwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 6.11.2015).

 

Parteien

 

Die afghanische Parteienlandschaft ist wenig entwickelt und mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen in der Regel mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des Parteiensystems ist auch auf das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes zurückzuführen sowie auf das Wahlsystem (Direktwahl mit einfacher, nicht übertragbarer Stimme). Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen politischen Lager immer wieder gestört. (AA 6.11.2015).

 

Oppositionsbewegungen und Parteien - ganz gleich ob Kommunisten oder rechtsreligiös - wurden gezwungen entweder unterzutauchen oder ins Exil zu gehen. Unter einer neuen und formellen Verfassung haben sich seit 2001 früher islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine Organisation politischen Glaubens oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind. Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen, aber nicht immer durch Wahlerfolge (USIP 3.2015).

 

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind vielschichtig und verwoben. Eignung, Befähigung und Leistung spielen oftmals eine untergeordnete Rolle bei der Verteilung politischer bzw. administrativer Ämter. Die Entscheidungen über viele Personalien, auch in entlegenen Provinzen, werden von der Zentralregierung in Kabul, häufig sogar vom Präsidenten getroffen. Im Vielvölkerstaat Afghanistan spielen informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle. Die Machtverteilung wird national und auch lokal so austariert, dass die Loyalität einzelner Persönlichkeiten und Gruppierungen gesichert erscheint. Handeln lokale Machthaber entgegen der Regierungspolitik, bleiben Sanktionen allerdings häufig aus. Politische Allianzen werden in der Regel nach pragmatischen Gesichtspunkten geschmiedet. Dadurch kommt es, für Außenstehende immer wieder überraschend, zu Koalitionswechseln und dem Herauslösen von Einzelpersonen aus bestehenden politischen Verbindungen, unabhängig von Parteistrukturen (AA 6.11.2015).

 

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches eine Neuregistrierung aller Parteien verlangte und ferner zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie bisher die Unterschrift von 700 Mitgliedern vorzuweisen, mussten sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen einbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Partein von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung von Parteiunterstützungsbasen oder institutionalisieren Parteipraktiken bei (USIP 3.2015).

 

Friedens- und Versöhnungsprozess:

 

Der afghanische Friedens- und Versöhnungsprozess ist nach einem ersten direkten und öffentlichen Treffen zwischen Regierung und Taliban in diesem Jahr wieder ins Stocken geraten. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte, Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Beide Seiten haben sich aber grundsätzlich weiter zu Verhandlungen bereit erklärt. Die Reintegration versöhnungswilliger Insurgenten bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 6.11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 20.10.2015

 

 

Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf , Zugriff 20.10.2015

 

 

 

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/unregelmaessigkeiten-afghanistan-wahl , Zugriff 24.9.2014

 

 

 

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/afghanistan-praesidentenwahl-karsai , Zugriff 24.9.2014

 

 

 

http://www.faz.net/aktuell/einigung-auf-einheitsregierung-ghani-wird-praesident-afghanistans-13165418.html , Zugriff 22.9.2014

 

 

 

http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/asia/south-asia/afghanistan/b141-afghanistans-parties-in-transition.pdf , Zugriff 24.9.2014

 

 

www.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf , Zugriff 24.9.2014

 

 

 

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 11.9.2014

 

 

 

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/technokrat-populist-choleriker-1.18339044 , Zugriff 31.10.2014

 

 

 

Primer on the Single Non-Transferable Vote System, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/Documents/Election System in Afghanistan Primer.pdf, Zugriff 24.9.2014

 

 

 

 

http://www.usip.org/sites/default/files/SR362-Political-Parties-in-Afghanistan.pdf , Zugriff 2.11.2015

 

3. Sicherheitslage

 

Im Zeitraum 1.8.-31.10.2015 verzeichnete die UNO landesweit 6.601 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan. Dies bedeutet eine Steigerung von 19% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2014. 62% dieser Vorfälle fanden in den südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen statt. Im Berichtszeitraum gelang es den Taliban neben Kunduz City weitere 16 Distriktzentren einzunehmen. Deren Großteil befindet sich im Norden (Badakhshan, Baghlan, Faryab, Kunduz, Sar-e Pul und Takhar), im Westen (Faryab) und im Süden (Helmand und Kandahar) des Landes. Den afghanischen Sicherheitskräften war es jedoch möglich bis Ende Oktober 13 Distriktzentren wieder zurückzuerobern (UN GASC 10.12.2015).

 

Im Zeitraum 1.6.-31.7.2015 registrierte die UNO landesweit 6.096 sicherheitsrelevante Vorfälle, ein Rückgang von 4,6% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die geographische Reichweite des Konfliktes fokussierte sich hauptsächlich auf die nord-östlichen Regionen rund um Kunduz, Badakhshan und Badghis, im Nordwesten auf die Provinz Faryab und im Südosten auf Nangarhar und im Süden auf Helmand. Der Großteil der Vorfälle wurde in den südlichen und östlichen Teilen des Landes registriert. In Kandahar, Nangarhar, Ghazni, Helmand und Kunar wurden 44.5% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle des Berichtszeitraumes registriert (UN GASC 1.9.2015).

 

Einige Experten haben auf Leistungsverbesserungen der afghanischen Sicherheitskräfte hingewiesen (SCR 9.2015). Ein erhöhtes Operationstempo hat zu einer signifikant höheren Opferzahl unter den afghanischen Sicherheitskräften geführt (+27% im Zeitraum von 1.1. –15.11.2015 im Vergleich zu 2014) (USDOD 12.2015). Ähnliche Zahlen nennt WP, mit 7.000 getöteten und und 12.000 verletzten Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte (+26% zum Jahr 2014). Im gesamten Jahr 2014 wurde hingegen von 5.000 getöteten afghanischen Polizisten und Soldaten berichtet (SCR 9.2015). Zudem haben die Taliban ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte seit Beginn ihrer jährlichen Frühjahrsoffensive im April 2015 erhöht (BBC 29.6.2015).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast allen Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen, bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten. Gleichzeitig haben die Taliban bewiesen, dass sie ländliche Gegenden einnehmen, Schlüsselgebiete bedrohen (z.B. in Helmand) und gleichzeitig high-profile Angriffe in Kabul durchführen können (USDOD 12.2015). Laut Angaben der afghanischen Regierung, kontrollieren die Taliban nur vier der mehr als 400 Bezirke landesweit, aber es ist bekannt, dass diese Zahl stark untertrieben ist. Die afghanische Regierung hat außerdem oftmals nur Kontrolle über die Distriktzentren, aber nicht über die ländlichen Gebiete (The Long War Journal 22.9.2015)

 

Es gab Vorschläge zur Gründung regierungsfreundlicher Milizen – sogenannter lokaler Verteidigungskräfte – um die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Diese existieren angeblich bereits in einer Anzahl von Provinzen (UNGASC 10.12.2015).

 

Es gibt drei Gründe für das Wiederaufleben der Taliban: Erstens das Ende der US-amerikanischen und NATO-Mission Ende 2014, sowie der Abzug der ausländischen Kräfte aus Afghanistan, hat den militärischen Druck auf die Taliban verringert. Krisen in anderen Teilen der Welt (Syrien, Irak und Ukraine) nährten bei den Taliban die Hoffnungen auf ein Desinteresse der internationalen Gemeinschaft. Wenn Taliban militärische Stützpunkte, Distriktzentren und Check-Points Afghanistans überrennen, erbeuten sie jedes Mal Waffen für den Kampf gegen die afghanische Regierung. Zweitens vertrieb die pakistanische Militäroperation Zarb-e Azb in den Stammesgebieten Nordwaziristans im Juni 2014 tausende Aufständische – hauptsächlich Usbeken, Araber und Pakistanis - die nach Afghanistan strömten und in den Rängen der Taliban aufstiegen. Die Taliban lenkten ohnehin eine große Anzahl ihrer eigenen Kämpfer von Pakistan aus. Drittens mangelt es den afghanischen Sicherheitskräften an Ausbildung und Ausstattung, vor allem in den Bereichen Luftstreitkräfte und Aufklärung. Außerdem nützen die Taliban interne Machtkämpfe der Kabuler Zentralregierung und deren scheinbare Schwäche in verschiedenen Bereichen in Kabul aus (BBC 5.1.2016).

 

Rebellengruppen

 

Durch die Talibanoffensiven in den Provinzen Helmand und Kunduz entsteht der Eindruck, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Hauptbevölkerungszentren nicht kontrollieren können. Dies untergräbt das öffentliche Vertrauen, selbst dann, wenn es afghanischen Sicherheitskräften möglich ist, die Zentren zurückerobern, und überschattet die zahlreichen Erfolge der afghanischen Sicherheitskräfte (USDOD 12.2015).

 

Militärische Operationen im pakistanischen Nordwaziristan haben hunderte gut ausgebildete ausländische Kämpfer nach Afghanistan abgedrängt, wo sie nun die Taliban und den islamischen Staat unterstützen (WP 27.12.2015; vgl. Pakistan Today 22.12.2015; UN GASC 10.12.2015; Tolonews 21.12.2015).

 

Doch die Taliban haben auch mit Rückschlägen zu kämpfen. Nach der Nachricht vom Tod Mullah Omars hat sich die Bewegung zersplittert und Auseinandersetzungen zwischen Talibanführern begünstigen Fortschritte des IS, vor allem im östlichen Afghanistan (DS 6.1.2016).

 

Taliban und Frühlingsoffensive

 

Während der warmen Jahreszeit (ca. Mai – Oktober) spricht man von der "Fighting Season", in der die meist koordinierten, Angriffe von Aufständischen, in Gruppenstärke oder stärker, auf Einrichtungen der ANSF (Afghan Security Forces) oder GIROA (Government of Islamic Republic of Afghanistan) stattfinden. Manchmal sind auch Einrichtungen der IC (International Coalition) betroffen. Diese werden aber meist gemieden, da es sich hierbei um sogenannte "harte Ziele" handelt. Gegen die IC werden nach wie vor nicht-konventionelle Mittel eingesetzt (Sprengfallen, Magnetbomben). Außerhalb der "Fighting Season" verlegen kampfwillige Aufständische ihre Aktivtäten in die Städte, da hier die ungünstige Witterung kein Faktor ist (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Die Taliban haben signifikante Verluste zu verzeichnen – abgesehen von der temporären Einnahme der Stadt Kunduz, war es ihnen nicht möglich ihre Hauptstrategie und ihre Operationsziele für die Fighting Season 2015 zu erreichen. Auch in Kunduz war es ihnen nicht möglich, das Territorium für einen längeren Zeitraum zu halten. Während der gesamten Fighting Season bewiesen die Taliban Erfahrung in der Durchführung von Angriffen und Bedrohungen von ländlichen Distrikten und zwangen so die afghanischen Sicherheitskräfte in eine reaktive Position (USDOD 12.2015).

 

Al-Qaida

 

Die amerikanischen Behörden gehen von einer Zahl von weniger als 100 Kämpfern der al-Qaida in Afghanistan aus. Die meisten von ihnen sind in den nordöstlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al-Qaida angegliedert und in Kunduz aktiv sind (CRS 22.12.2015).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Die Gruppe wurde in den späten 1970er Jahren durch Jalaluddin Haqqani gegründet. Sie ist mit al-Qaida und afghanischen Taliban verbündet, sowie mit anderen terroristischen Organisationen in der Region (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (NYT 17.10.2014).

 

Obwohl angenommen wird, dass das Netzwerk der al-Qaida näher steht als den Taliban (CRS 9.10.2014), wurde nach der Meldung vom Tod Mullah Omars, Siraj Haqqani zum stellvertretenden Talibanführer befördert. Dies signalisiert, dass das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin eine wichtige Komponente des Taliban-geführten Aufstandes ist (USDOD 12.2015).

 

Der Aufstand des Haqqani-Netzwerks ist vermehrt in den östlichen Provinzen Khost, Paktia, Paktika und Kunar vorzufinden (DW 17.10.2014).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Die radikal-islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt (CRS 22.12.2015). Er war ein ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen Afghanistans gesehen (CRS 9.10.2014). Sie ist über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, sodass sogar die Taliban sich von ihr abwendeten (BBC 2.9.2014). Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es mit den Taliban jedoch zu Kämpfen um bestimmte Gebiete. (CRS 9.10.2014).

 

IS/ISIS/ISIL/Daesh – Islamischer Staat

 

Der Islamische Staat hat seinen Einfluss in Afghanistan seit Mitte des Jahres 2014 erhöht. Es wird berichtet, dass der Führer des Islamischen Staates Abu Bakr al-Baghdadi, Berichten zufolge, unter dem Talibanregime in Kabul gelebt und mit al-Qaida kooperiert hat. Die Präsenz der Gruppe in Afghanistan hat sich Anfang des Jahres 2013 aus mehreren kleinen afghanischen Taliban- und anderen Aufständischenfraktionen herausentwickelt (CRS 22.12.2015). Die Präsenz des islamischen Staates hat sich ausgeweitet, als immer mehr Talibanfraktionen dem IS Treue schworen. So kam es zur Einnahme kleiner Gebiete, hauptsächlich im östlichen Afghanistan, durch den IS (CRS 22.12.2015; vgl. Tolonews 12.7.2015). Ende 2015 gab es Berichte, über finanzielle Hilfe des IS für seinen afghanischen Zweig (CRS 22.12.2015). Ehemalige Kämpfer von al-Qaida, Taliban und Haqqani-Netzwerk steigen in den Rängen des IS auf (Pajhwok 26.5.2015).

 

Der afghanische Geheimdienst NDS hat eine Spezialeinheit damit beauftragt Razzien gegen den IS durchzuführen (Pajhwok 1.7.2015). Das afghanische Innenministerium konzentriert sich auf bessere Ausbildung und Ausrüstung der nationalen und lokalen Polizei, damit nicht die Notwendigkeit zur Selbstjustiz für Anrainer/innen entsteht (Pajhwok 26.5.2015).

 

Drogenanbau

 

Es ist im Jahr 2015 zu einer Reduzierung der Opiumproduktion um

 

3.300 Tonnen (48%) gekommen (UN News Centre 14.10.2015).

 

Zivile Opfer

 

Zwischen 1.1. und 30.6.2015 registrierte UNAMA 4.921 zivile Opfer (1.592 Tote und 3.329 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 6% bei getöteten bzw. von 4% bei verletzten Zivilisten (UNAMA 8.2015).

 

Konfliktbedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2015 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. UNAMA verzeichnete 1.270 minderjährige Opfer (320 Kinder starben und 950 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 23% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2014. Es gab 559 weibliche Zivilopfer, davon wurden 164 Frauen getötet und 395 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 13% gegenüber 2014 (UNAMA 8.2015).

 

Laut UNAMA waren 70% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 16% regierungsfreundlichen Kräften (15% den ANSF und regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen, sowie 1% den internationalen militärischen Kräften). UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer Unfällen mit Blindgängern zu (UNAMA 8.2015).

 

3.436 zivile Opfer (1.213 Tote und 2.223 Verletzte) gehen auf Operationen regierungsfeindlicher Elemente zurück. Das bedeutet einen Rückgang von 3% gegenüber 2014. UNAMA verzeichnete einen Anstieg von 78% bei zivilen Opfern aufgrund von komplexen Angriffen und Selbstmordattentaten, sowie einen Anstieg von individuellen Tötungen. UNAMA registrierte ebenso 46% Rückgang an zivilen Opfern in Bodenkämpfen und 21% Rückgang ziviler Opfer aufgrund von IEDs (improvised explosive devices) (UNAMA 8.2015). Regierungsfreundliche Kräfte – speziell ANSF – waren auch weiterhin Grund für einen Anstieg bei zivilen Opfern im Jahr 2015. UNAMA registrierte hierzu 796 zivile Opfer (234 wurden getötet und 562 verletzt). Dies deutet einen Anstieg von 60% im Vergleich zum Jahr 2014. Der Großteil dieser zivilen Opfer geht auf Bodenkämpfe regierungsfreundlicher Gruppen, bei denen hauptsächlich Explosivwaffen, wie Mörser, Raketen oder Granaten verwendet wurden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 waren regierungsfreundliche Gruppen für mehr zivile Opfer verantwortlich, als regierungsfeindliche Elemente. Im Jahr 2015 haben die ANSF ihre Anzahl von Operationen, die am Boden durchgeführt wurden, signifikant erhöht, um den Regierungsbildungsprozess zu unterstützen und Angriffen regierungsfeindlicher Elemente entgegenzuwirken (UNAMA 8.2015).

 

Die UNAMA verzeichnete 37% Anstieg bei Entführungen von Zivilisten durch regierungsfeindliche Elemente, und mehr Morde und Körperverletzungen an den Entführungsopfern. Von 76 Entführten Zivilisten wurden im Berichtszeitraum (1.1. – 30.6.2015) 62 getötet und 14 verletzt. UNAMA dokumentierte die Entführung von Zivilist/innen durch regierungsfeindliche Elemente für finanzielle Zwecke, zur Einschüchterung der Bevölkerung und um Zugeständnisse von anderen Parteien im Konflikt zu erhalten, z.B. Geiselaustausch (UNAMA 8.2015).

 

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

 

In einem Bericht der norwegischen COI-Einheit Landinfo wurde im September 2015 berichtet, dass zuverlässige Dokumentation von konfliktbezogener Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen, existiert. Andererseits, konnte nur eingeschränkte Dokumentation zu konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokale Angestellte ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Grundsätzlich sind Anfeindungen afghanischer Angestellter der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürgern verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis zu ISAF zurückzuführen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014). Des Weitern bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Job für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, http://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 27.10.2014

 

 

 

http://dailysignal.com/2016/01/06/it-would-be-a-mistake-to-not-hold-steady-in-afghanistan/ , Zugriff 13.1.2016

 

 

 

 

 

http://www.khaama.com/top-haqqani-network-leaders-arrested-by-afghan-intelligence-8821 , Zugriff 27.10.2014

 

 

 

Sicherheitslage, per E-Mail.

 

 

 

NDS,

 

 

http://www.pajhwok.com/en/2015/07/01/special-unit-established-wipe-out-daesh-nds , Zugriff 12.1.2016

 

 

 

http://www.pajhwok.com/en/2015/05/26/moi-confirms-daesh-presence-parts-country , Zugriff 12.1.2016

 

 

 

 

 

http://www.longwarjournal.org/archives/2015/09/taliban-overruns-outpost-in-eastern-afghanistan.php , Zugriff 30.11.2015

 

 

 

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/22921-unama-chief-reports-of-increased-security-incidents , Zugriff 12.1.2016

 

 

 

Afghanistan and its implications for international peace and security,

 

http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2015/942 , Zugriff 4.1.2016

 

 

 

http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG Reports/SG_Report_September_2015.pdf, Zugriff 17.11.2015

 

 

Midyear report 2015 protection of civilians in armed conflict, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/human rights/2015/PoC Report 2015/UNAMA Protection of Civilians in Armed Conflict Midyear Report 2015_FINAL_ 5 August.pdf, Zugriff 18.11.2015

 

 

 

 

http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/1225_Report_Dec_2015_-_Final_20151210.pdf , Zugriff 8.1.2016

 

 

Sicherheitslage in Kabul

 

Wann immer man von der Sicherheitslage spricht, meint man die größeren Städte sowie das Gebiet in einem Radius von max. 3 km um diese Städte (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Kabul

 

Distrikt Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelne

37

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

16

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

68

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

50

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

39

Andere Vorfälle

7

Insgesamt

217

  

 

Im Zeitraum 1.1. –

 

31.8.2015 wurden in dem Distrikt Kabul, 217 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

Provinz Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelne

40

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

69

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

103

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

94

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

39

Andere Vorfälle

7

Insgesamt

352

  

 

Im Zeitraum 1.1. –

 

31.8.2015 wurden in der Provinz Kabul insgesamt 352 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

Provinzhauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan)Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.372.977 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

 

Im Gegensatz zu den ländlichen Teilen Afghanistans, in denen das Gewaltniveau meist von jahreszeitenbedingter Witterung abhängt (erhöhte Angriffszahlen in den Sommermonaten), hängt die Sicherheitslage in Kabul stark von den politischen Entwicklungen innerhalb Afghanistans und internationalen Beziehungen ab (EI o.D.).

 

Die Sicherheitsumgebung in Kabul ist momentan extrem herausfordernd, Koordinierte Angriffe auf Regierungsgebäude und auf ausländische Organisationen, ist auf einem Niveau, wie zuletzt im November 2014 beobachtet wurde. Die allgemeine Gewalt, Selbstmordattentate, Autobomben und magnetisch angebrachte IEDs (improvised explosive devices) befinden sich im Großen und Ganzen auf dem Niveau von 2014. Dieses Gewaltniveau wird scheinbar von einer größeren Strategie extremistischer Gruppen vorangetrieben (EI o.D.). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Innerhalb Kabuls gibt es verschiedene Viertel mit unterschiedlichen Sicherheitslagen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Von Jänner bis November 2015, wurden 28 hochrangige Angriffe in Kabul durchgeführt. Dies bedeutet eine Steigerung von 27% gegenüber dem Vergleichseitraum 2014. Diese Angriffe erreichen ein Hauptziel der Taliban, nämlich mediale Aufmerksamkeit, und gleichzeitig die Verbreitung eines Gefühls der Unsicherheit (USDOD 12.2015).

 

Traditionell erfüllen Angriffe auf die Stadt Kabul zwei Zwecke:

 

Erstens, physisch die Macht der afghanischen Regierung zu schwächen. Dies geschieht üblicherweise durch die Ermordung von Beamten und Zerstörung von Versorgungswegen. Zweitens, Propagandasiege durch Angriffe in Kabul. Aus demselben Grund werden internationale Organisationen (die einen ähnlichen Propagandawert für Aufständischenorganisationen haben) regelmäßig angegriffen. Oftmals dann, wenn es zu schwer war wichtige Regierungs- oder NATO-Gebäude erfolgreich zu infiltrieren. Während die Sicherheitskräfte sich fortwährend verbessern und ihre Fähigkeiten, solchen Angriffen entgegenzuwirken, entwickeln, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine unterschwellige Bedrohung, insbesondere innerhalb der zentralen Kabuler Distrikte, in naher Zukunft gänzlich ausgeschlossen werden kann (EI o.D.).

 

Ministerien sind bevorzugte Ziele von Raketenbeschuß, Sprengsätzen oder Selbstmordanschlägen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014; vgl. UNAMA 8.2015). Hier steht die mediale Wirkung im Vordergrund. Die Anstrengungen der Sicherheitskräfte zeigen allerdings langsam Wirkung (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Nach einer erhöhten Anzahl von Angriffen und Störungen im Sommer – vorläufige Daten zeigen im Jahr 2015 eine nennenswerte Steigerung zum Vergleichszeitraum 2014 in Bezug auf Selbstmordattentate und allgemeine Aufständischenaktivitäten in der Stadt Kabul. Allgemein wurde erwartet, dass die Gewalt mit Beginn des Winters 2015 abnehmen würde. Winterliche Gegebenheiten schränken allgemein die Bewegung extremistischer Gruppen am Boden ein, wodurch weniger Kämpfer und weniger Kampfmittel nach Kabul Stadt kommen. Ungeachtet dessen existiert weiterhin ein Potential für unerwartete Talibanangriffe. Auch das IS-Phänomen könnte das Risikoprofil innerhalb der Hauptstadt 2016 erweitern, jedoch müssen diese Gruppen ihre Effektivität innerhalb der Hauptstadt erst nachweisen. IS-Zweige treten derzeit mehr in interne Fehden mit den Taliban und anderen extremistischen Fraktionen, in Gebieten wie dem ländlichen Nangarhar, Farah und Zabul in Erscheinung, anstatt durch gezielte Angriffe auf internationale Organisationen (EI o.D.).

 

Die Stadt Kabul zieht auch weiterhin eine signifikante Zahl an Binnenvertriebenen an. Mindestens 3.000 Familien benötigen Hilfe (UN GASC 10.12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

2015-2016 Forecast,

 

 

http://edinburghint.com/insidetrack/kabul-security-analysis-2015-2016-forecast/# , Zugriff 8.1.2016

 

 

Sicherheitslage, per Mail.

 

 

 

 

 

http://www.washingtonpost.com/blogs/monkey-cage/wp/2014/10/20/a-fighting-season-to-remember-in-afghanistan/ , Zugriff 23.10.2014

 

 

Midyear report 2015 protection of civilians in armed conflict, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/human rights/2015/PoC Report 2015/UNAMA Protection of Civilians in Armed Conflict Midyear Report 2015_FINAL_ 5 August.pdf, Zugriff 18.11.2015

 

 

http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2015/942 , Zugriff 4.1.2016

 

 

 

http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG Reports/SG_Report_September_2015.pdf , Zugriff 17.11.2015

 

 

 

http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/1225_Report_Dec_2015_-_Final_20151210.pdf , Zugriff 8.1.2016

 

 

 

 

https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf , Zugriff 17.11.2015

 

Balkh

 

 

Gewalt gegen Einzelne

30

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

81

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

26

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

70

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

18

Andere Vorfälle

1

Insgesamt

226

  

 

Im Zeitraum 1.1. –

 

31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh, 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

Die Provinz Balkh liegt im Norden Afghanistans. Sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

 

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat 14 administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei Zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.325.659 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

 

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer, die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noo bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz, ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015, haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen (RFE/RL 9.2015). Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015).

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Terroristen zu befreien (Khaama Press 18.9.2015; Pajhwok 31.5.2015; Tolonews 30.4.2015; Tolonews 16.1.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

 

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFA/RL 8.7.2015).

 

Herat

 

 

Gewalt gegen Einzelne

81

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

161

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

55

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

116

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

6

Insgesamt

447

  

 

Im Zeitraum 1.1. –

 

31.8.2015 wurden in der Provinz Herat, 447 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 12 Bezirke eingeteilt und gleichzeitig in 15 administrative Einheiten:

 

Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen. Die Gesamtbevölkerungszahl der Provinz wird von UN OCHA auf 1.890.202 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

 

Ende 2011 übernahmen die nationalen afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) die Hauptverantwortung für die Sicherheit der Provinz Herat und haben stufenweise den Rest der westlichen Region übernommen. Die Provinz Herat blieb auch aufgrund der relativen Stabilität der Provinzregierung während der Transitionsperiode sicher. Auch nach der Übergabe an die afghanischen Kräfte gab es keine große Veränderung (WPR 15.1.2014).

 

Die Einschätzung der Sicherheitslage in Herat stellt sich als schwierig dar, denn dieselbe Quelle gibt in einem Zeitraum von sechs Monaten, unterschiedliche Informationen an. Einerseits, wird die Provinz Herat im Jänner 2015 zu den relativ friedlichen Provinzen im Westen Afghanistans gezählt, in der jedoch in letzter Zeit regierungsfeindliche bewaffnete Rebellengruppen ihre Aktivitäten in einer Anzahl von Distrikten erhöht haben (Khaama Press 28.1.2015). Andererseits wird im September 2015 berichtet, dass Herat zu den relativ volatilen Provinzen im Westen Afghanistans zählt, in der regierungsfeindliche bewaffnete Rebellengruppen in einer Anzahl von abgelegenen Bezirken aktiv sind (Khaama Press 2.9.2015).

 

Obwohl die ALP historisch gesehen ein geringeres Kompetenzniveau als andere, besser ausgebildete und ausgestattetes Militär auf Provinzlevel vorzuweisen hatte, hat sich die lokale Polizei in den letzten Jahren als effektiv bei der Aufrechterhaltung der Stabilität Herats erwiesen (EI 18.6.2015).

 

Großteils bleiben lokale Sicherheitsbehörden auch weiterhin fähig in städtischen Gegenden IED-Vorrichtungen unschädlich zu machen bevor sie detonieren. Dies gilt speziell für Herat City (EI 5.3.2015).

 

Im August gab es Berichte, wonach hochrangiges Regierungspersonal in Herat und anderen Teilen Afghanistans Westen gezielt attackiert wurden, dies könnte eine mögliche Verschiebung der Aufständischentaktik andeuten(EI 6.8.2015).

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Terroristen zu befreien (Khaama Press 10.1.2016, Xinhua 3.1.2016; Business Standard 30.12.2015; Xinhua 16.12.2015)

 

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum vierten Mal in Herat ausgetragen. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Juristen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 3.10.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://www.bakhtarnews.com.af/eng/security/item/19013-11-armed-taliban-killed-27-wounded-in-farah-operation.html , Zugriff 18.11.2015

 

 

 

 

 

http://www.business-standard.com/article/news-ians/27-afghan-militants-killed-19-captured-in-24-hours-115123000015_1.html , Zugriff 7.1.2016

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.hindustantimes.com/world/51-militants-killed-in-afghanistan-military-operations/story-gBmp0zCPE3sXKBdvz7PFQO.html , Zugriff 12.1.2016

 

 

 

 

https://www.khaama.com/47-militants-killed-as-afghan-forces-intensify-counter-terror-operations-1963 Zugriff 11.1.2016

 

 

 

http://www.khaama.com/2-taliban-militants-kill-14-of-their-comrades-in-kunduz-province-9613 , Zugriff 17.11.2015

 

 

 

http://www.khaama.com/militants-kidnap-six-passengers-in-farah-province-1323 , Zugriff 17.11.2015

 

 

 

http://www.khaama.com/isis-militants-suffer-heavy-casualties-in-fight-with-taliban-in-farah-9453 , Zugriff 17.11.2014

 

 

 

http://www.khaama.com/militants-kill-groom-and-his-family-members-in-farah-province-1031 , Zugriff 17.11.2015

 

 

 

http://touch.latimes.com/#section/-1/article/p2p-84328275/ , Zugriff 17.11.2015

 

 

The new hotbed for terrorist,

 

 

http://www.newdelhitimes.com/the-northern-border-of-afghanistan-the-new-hotbed-for-terrorists123/ , Zugriff 12.1.2016

 

 

 

 

 

 

 

http://www.pajhwok.com/en/2015/08/20/end-tribal-feud-helps-boost-highway-security-ghor , Zugriff 17.11.2015

 

 

 

 

 

 

http://www.rferl.org/content/islamic-movement-of-uzbekistan-pakistan-afghanistan/27029197.html , Zugriff 12.1.2016

 

 

 

http://www.theguardian.com/world/2015/nov/03/afghan-woman-stoned-to-death-for-alleged-adultery , Zugriff 17.11.2015

 

 

 

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/20918-senior-taliban-commander-arrested-in-badghis , Zurgiff 18.11.2015

 

 

 

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/19445-taliban-take-control-of-badghiss-jawand-district-officials , Zugriff 17.11.2015

 

 

 

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/19487-ansf-retake-control-of-jawand-district-of-badghis , Zugriff 18.11.2015

 

 

Midyear report 2015 protection of civilians in armed conflict, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/human rights/2015/PoC Report 2015/UNAMA Protection of Civilians in Armed Conflict Midyear Report 2015_FINAL_ 5 August.pdf, Zugriff 18.11.2015

 

 

 

http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG Reports/SG_Report_September_2015.pdf, Zugriff 17.11.2015

 

 

 

 

https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf , Zugriff 17.11.2015

 

 

 

 

 

 

 

http://news.xinhuanet.com/english/2015-12/21/c_134937851.htm Zugriff 5.1.2016

 

 

http://news.xinhuanet.com/english/2015-12/16/c_134923012.htm , Zugriff 5.1.2016

 

 

http://news.xinhuanet.com/english/2015-07/07/c_134389854.htm , Zugriff 12.1.2016

 

[ ]

 

Sicherheitslage in der Provinz Ghazni

 

 

Gewalt gegen Einzelne

46

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

511

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

75

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

73

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

0

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

705

  

 

Im Zeitraum 1.1. –

31.8.2015 wurden in der Provinz Ghazni, 705 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

Ghazni ist eine der wichtigsten zentralen Provinzen in Afghanistan und laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) die mit der zweithöchsten Bevölkerung. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktyka und Logar im Osten liegen. Zabul liegt zwar südlich, grenzt aber gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz (Pajhwok o.D.a). Die Provinz ist in neunzehn Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Die Haupstadt Ghazni City liegt 145 km südlich von Kabul, auf der Autobahn Kabul – Kandahar (Pajhwok o.D.a). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.228.831 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

 

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Aktionen durchführen (Khaama Press 19.8.2015; vgl. Tolonews 5.4.2015; UNGASC 1.9.2015). Laut einem Bericht der Vereinten Nationen, wurde ein Großteil sicherheitsrelevanter Vorfälle in den südlichen und östlichen Teilen Afghanistan aufgezeichnet (UNGASC 1.9.2015). Des Weiteren wurde von Tolonews berichtet, dass im März 2015 Ghazni als jene Provinz angesehen wurde, die die höchste Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Monat März zu verzeichnen hatte (Tolonews 5.4.2015).

 

Eine Anzahl von Selbstmordattentaten, gezielte Tötungen und Entführungen wurde registriert. Dies hat dazu geführt, dass die Sicherheitsatmosphäre auch weiterhin volatil ist. Aber auch den Aufständischen wurde mit einer Anzahl von erfolgreichen militärischen Operationen entgegengetreten. Die internationalen Kräfte (USA und Polen) haben sich im Jahr 2014 aus der Provinz zurückgezogen und die afghanischen Sicherheitskräfte führen die Operationen seitdem eigenständig durch (Vertrauliche Quelle 15.9.2015).

 

In der Provinz werden Antiterror-Operationen durchgeführt, um gewisse Gegenden von Terroristen zu befreien (Khaama Press 10.1.2016; Press TV 8.1.2016; Xinhua 3.1.2016; Business Standard 30.12.2015; Xinhua 16.12.2015; Xinhua 21.12.2015; Ariana News 26.7.2015; Tolonews 6.6.2015; Tolonews 2.6.2015; Tolonews 2.5.2015; Tolonews 25.4.2015; Tolonews 2.3.2015; Tolonews 3.2.2015; Tolonews 13.1.2015; Tolonews 14.12.2014; Tolonews 12.11.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Afghanistan ist eine Gesellschaft mit einer Vielzahl rechtlicher Traditionen, die historisch gesehen aus drei Komponenten bestehen:

dem staatlichen Gesetzbuch, dem islamisch-religiösen Gesetz (Scharia) und dem lokalen Gewohnheitsrecht. Die lokalen Gepflogenheiten beinhalten kulturelle und ethische Standards zur Beseitigung eines Disputs durch Mediation und Schlichtung in den Gemeinschaften (BU 23.9.2010).

 

Wegen des allgemeinen Islamvorbehalts darf laut Verfassung kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so dass nicht festgelegt ist, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und das Fehlen einer Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 6.11.2015).

 

Das Gesetz beinhaltet eine unabhängige Justiz, aber in der der Praxis ist die Justiz oft unterfinanziert, unterbesetzt, nicht adäquat ausgebildet, uneffektiv, Drohungen ausgesetzt, befangen, politisch beeinflusst und durchdringender Korruption ausgesetzt (USDOS 25.6.2015). Die meisten Gerichte sprechen uneinheitlich Recht, basierend auf dem kodifiziertem Gesetz, der Scharia (islamisches Gesetz) und lokalen Gepflogenheiten. Traditionelle Justizmechanismen bleiben auch weiterhin die Hauptgrundlage für viele Menschen, besonders in den ländlichen Gebieten (USDOS 25.6.2015 vgl. FH 28.1.2015). Die Einhaltung des kodifizierten Rechts variiert, wobei die Gerichte gesetzliche Vorschriften zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 25.6.2015). Laut Freedom House Report 2015 besteht der Oberste Gerichtshof in erster Linie aus Religionsgelehrten, die nur eine beschränkte Kenntnis der zivilen Rechtsprechung haben (USDOS 25.6.2015 vgl. FH 28.1.2015).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an Kapazität um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu handhaben. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Verglichen mit 2012 gab es eine Steigerung in der Zahl der Richter, welche ein Rechtsstudium absolviert hatten (USDOS 25.6.2015). Es gibt etwa 1300 Richter im Land (SZ 29.9.2014). Präsident Ghani verfügte eine Reihe von Justizreformen, sodass im Oktober 2014 etwa 200 Richter und 600 Gerichtsangestellt aufgrund von Korruptionsvorwürfen entlassen wurden (FH 28.1.2015).

 

Das formale Justizsystem ist relativ stark verankert in den städtischen Zentren, wo die Zentralregierung am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten, wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben, schwächer ausgeprägt ist (USDOS 25.6.2015). Insbesondere in den ländlichen Gebieten wird von einem Großteil der Bevölkerung auf traditionelle Justizmechanismen oder Selbstjustiz zurückgegriffen (FH 28.1.2015).

 

Der Zugang zu Gesetzblättern und Regelwerken steigt an, die geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter und Staatsanwälte aber weiterhin eine Behinderung dar. In den großen Städten entscheiden die Gerichte nach dem Gesetz. In den ländlichen Gegenden hingegen ist der primäre Weg zur Beilegung krimineller oder ziviler Streitigkeiten, jener über lokale Älteste und Shuras (Ratsversammlungen), wobei allerdings auch rechtlich nicht sanktionierte Strafen ausgesprochen werden (USDOS 25.6.2.2015). Schätzungen lassen vermuten, dass 80% aller Streitigkeiten durch Shuras entschieden werden. In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (USDOS 25.6.2015; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

5. Sicherheitsbehörden

 

Sind von Amerika nicht mehr verantwortlich für einen Kampfeinsatz in Afghanistan. Die afghanische Regierung ist selbst für die interne Sicherheit verantwortlich (USDOD 6.2015). Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD), das Büro des Präsidenten und das Parlament sind direkt in die zivile Aufsicht des Sicherheitssektors involviert (CGS 2.2014; vgl. USDOS 25.6.2015).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP) tragen unter der Leitung des Innenministeriums die Hauptverantwortung für die innere Ordnung, sind aber auch an der Bekämpfung der Aufständischen beteiligt (USDOS 25.6.2015).

 

Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF)

 

Am 1. Jänner 2015 haben die ANDSF in einer Zeremonie formell die Sicherheitsverantwortung für Afghanistan übernommen (USDOD 6.2015; vgl. AA 2.3.2015). Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2015; vgl. NYT 16.10.2015). Etwa 1.700 Frauen dienen in den afghanischen Streitkräften, davon sind ungefähr

 

1.370 bei der Polizei (CRS 15.10.2015). Die ANDSF bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der ANP die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten, wie die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums, während die afghanische Nationalarmee (ANA) unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums steht (USDOD 6.2015; vgl. USDOS 25.6.2015).

 

Einige Experten deuteten eine Verbesserung der Leistung der afghanischen Sicherheitskräfte an. Leider mussten auch Verluste verbucht werden: So wurde berichtet, dass im ersten Halbjahr 2015 etwa 4.100 Sicherheitskräfte (Polizei und Militär) getötet, sowie weitere 7.800 verletzt wurden. Dies übertrifft die Gesamtzahl des Jahres 2014, die mit 5.000 getöteten Sicherheitskräften angegeben wurde (SCR 9.2015).

 

Die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte hängt völlig von Fremdhilfen ab (BFA Staatendokumentation 3.2014). Es wird mit finanziellen Beiträgen an den NATO-Treuhandfond der ANA mit bis zu USD 1.2 Milliarden gerechnet. Zusätzlich haben Verbündete und Partnerländer der NATO bis Ende 2017 jährliche finanzielle Unterstützung in der Höhe von USD 450 Millionen zugesagt. Darüber hinaus liegt die finanzielle Hauptlast der afghanischen Sicherheitskräfte bei der afghanischen Regierung welche zugesagt hat, zu Beginn jährlich 500 Millionen Euro beizusteuern und diese Beiträge kontinuierlich zu erhöhen (NATO 6.2015).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Mit Stand Juni 2015 betrug die Personalstärke der ANP 157.000 Mann. Zusätzlich wurden für die ALP weitere 30.000 Mann autorisiert, die aber nicht in der allgemeinen ANDSF Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2015; vgl. NYT 16.10.2015). Die monatliche Schwundquote ist während des Berichtszeitraumes zurückgegangen und beträgt durchschnittlich 1.8% im Vergleich zu einer Schwundrate von 2.1% des letzten Berichtszeitraumes (USDOD 6.2015).

 

Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist verantwortlich für die externe Sicherheit, bekämpft aber auch den internen Aufstand (USDOS 25.6.2015). Mit Stand Juni 2015 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 195.000 Mann, inklusive 7.800 Mann in den Luftstreitkräfte (Afghan Air Force – AAF), 9.321 Zivilisten und

 

10.312 Trainees, Studenten und Andere (USDOD 4.2014).

 

Durch die Vereinigten Staaten von Amerika wurden fünf Militärbasen in verschiedenen Teilen des Landes errichtet: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 17.8.2015).

 

National Directorate of Security (NDS)

 

Das National Directorate of Security (NDS) ist verantwortlich für die Ermittlung in Fällen der nationalen Sicherheit und hat auch die Funktion eines Geheimdienstes (USDOS 25.6.2015).

 

Aufgrund von Abgängen und anderen Faktoren, fluktuierte die tatsächliche ANDSF Truppenstärke zwischen 91 und 92 % der autorisierten Truppenstärke im Berichtszeitraum (USDOD 6.2015).

 

Eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz führte zum Beispiel zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. So hatte insbesondere die Schaffung spezialisierter Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen positive Auswirkungen (AA 6.11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf , Zugriff 20.10.2015

 

 

 

 

http://www.nytimes.com/2015/10/17/world/asia/afghan-local-police-taliban.html , Zugriff 20.10.2015

 

 

 

 

http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2015-09/afghanistan_14.php?print=true , Zugriff 20.10.2015

 

 

 

6. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29) (AA 6.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind aber nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 2.3.2015; vgl. OHCHR 8.1.2015).

 

Der Bericht der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) im Jahr 2015 besagt, dass trotz nationaler und internationaler Bemühungen Folter und Misshandlung von Häftlingen anhalten und ein ernstzunehmendes Problem in vielen Haftanstalten Afghanistans sind (UNAMA 2.2015; vgl. USDOS 27.2.2014). Obwohl die Verfassung solche Praktiken verbietet, gibt es Berichte, die besagen, dass Beamte, Sicherheitskräfte, Justizwachbeamte und die Polizei Misshandlungen durchführten (USDOS 25.6.2015). Folter wird hauptsächlich verwendet um ein Geständnis oder Informationen zu erhalten (OHCHR 8.1.2015). Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. Aber auch in Bezug auf Häftlinge, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen werden, wurden in der jüngeren Vergangenheit grobe Missstände aufgedeckt (AA 2.3.2015).

 

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen, Geständnisse und Zeugenaussagen von Beschuldigten oder anderen Personen, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer bekannt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass afghanische Richter sich bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei ("almost total lack of accountability", Quelle:

 

UNAMA-Update on the Treatment of ConflictRelated Detainees in Afghan Custody: Accountability and Implementation of Presidential Decree 129, Febr. 2015) durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: Nur noch 35% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49% im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 6.11.2015).

 

Es kommt immer wieder auch vor, dass Inhaftierte keinen Zugang zu Rechtsschutzmechanismen wie rechtlichem Beistand haben (AA 2.3.2015; vgl. UNAMA 2.2015; vgl. AA 6.11.2015).

 

Die Regierung hat in den letzten Jahren Berichte der Vereinten Nationen und AIHRC bestritten, dass afghanische Polizei und NDS Häftlinge foltern (HRW 21.1.2014). Aufgrund des UNAMA-Berichtes im Januar 2013 gründete die Regierung ein Komitee um Anschuldigungen, in Bezug auf Misshandlung von Häftlingen, nachzugehen. Das Komitee führte Besuche und Interviews durch - die Ergebnisse wurden jedoch nicht veröffentlicht. Die Regierung zog Folterer nicht durch glaubwürdige Untersuchungen und Straffverfolgung zur Rechenschaft (USDOS 25.6.2015). Obwohl es im Jahr 2013 eine Untersuchung zu den Vorwürfen der Misshandlung und Folter durch die Regierung gab, wurde – laut Human Rights Watch - kein Mitglied der afghanischen Sicherheitskräfte während des Berichtsjahres zur Rechenschaft gezogen (HRW 4.3.2015).

 

Im Februar 2013 erließ der damalige Präsident Karzai ein Dekret mit Anti-Foltermaßnahmen, welches Konsequenzen für folternde Beamte vorsieht (UNAMA 2.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

https://www.hrw.org/world-report/2015/country-chapters/afghanistan , Zugriff 29.9.2014

 

 

 

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 20.10.2015

 

 

 

http://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&frm=1&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0CBsQFjAAahUKEwjwheDf-NDIAhXDliwKHY2mCcg&url=http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/RegularSessions/Session28/Documents/A_HRC_28_48_en.doc&usg=AFQjCNH4DwVIyTtou8DN6mOOJdtWHiT1Dg&bvm=bv.105454873 ,d.bGg, Zugriff 20.10.2015

 

 

Update on the Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghan Custody:Accountability and Implementation of Presidential Decree 129 http://www.ohchr.org/Documents/Countries/AF/UNAMA_OHCHR_Detention_Report_Feb2015.pdf , Zugriff 20.10.2015

 

 

7. Korruption

 

Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2014 belegte Afghanistan von 175 Ländern den 172. Platz(TI 12.2014; vgl. FH 28.1.2015). Noch im Jahr 2013 belegte Afghanistan gemeinsam mit Nordkorea und Somalia den

 

175. und damit letzten Platz (TI 3.12.2013; vgl. FH 19.5.2014).

 

Korruption, Nepotismus und Vetternwirtschaft wuchern auf allen Ebenen der Regierung. Zu niedrige Gehälter fördern korruptes Verhalten der öffentlich Bediensteten (FH 28.1.2015). Von allen Institutionen werden von den Afghanen Gerichte und Zivilverwaltung als die korruptesten wahrgenommen, während religiöse Körperschaften und die Medien als am wenigsten korrupt gelten (FH 19.5.2014).

 

Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung hat dieses Gesetz nicht effektiv umgesetzt und es wurde berichtet, dass öffentliche Beamte/Bedienstete regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Es gab aber auch Berichte von Korruptionsfällen, die erfolgreich auf Provinzebene vor Gericht gestellt wurden (USDOS 25.6.2015).

 

Die Regierung bemühte sich auch weiterhin Rechtsstaatlichkeit voranzutreiben und Korruption anzugehen (UN GASC1.9.2015). So verfügte Präsident Ghani im Rahmen von Justizreformen, dass im Oktober 2014 etwa 200 Richter und 600 Gerichtsangestellte aufgrund von Korruptionsvorwürfen entlassen wurden (FH 28.1.2015; vgl. UN GASC 1.9.2015). Als positiv kann gewertet werden, dass Präsident Ghani Untersuchungen in den Kabuler Bankskandal eingeleitet und ferner den Versuch gestartet hat, die fast 1 Milliarde US Dollar, die gestohlen wurden, wieder einzubringen (CAP 17.3.2015). Auch etablierte die Allparteienregierung eine nationale Behörde zur Beschaffungsvergabe (National Procurement Authorithy - NPA), die Transparenz beim öffentlichen Vergabesystem in Afghanistan unterstützen soll. Um dieses Ziel zu erreichen arbeitet die NPA mit unterschiedlichen nationalen und internationalen Organisationen zusammen (SIGAR 13.7.2015). Integrity Watch Afghanistan startete ein Callcenter "efshagar.af", welches der Öffentlichkeit die Möglichkeit bietet, korrupte Vorgehensweisen innerhalb des Landes zu melden (IWA 9.12.2014).

 

Die Hälfte der afghanischen Bürger/innen zahlte nach Schätzungen des UN Office on Drugs and Crime (UNODC) im Jahr 2012 Bestechungsgelder für öffentliche Leistungen. Die Gesamtsumme aller Bestechungszahlungen an Beamte der letzten drei Jahre, stieg laut UNODC auf USD 3.9 Milliarden an (UNODC 12.2012; vgl. CAP 17.3.2015). Laut Integrity Watch Afghanistan betrug die Summe der Bestechungen im Jahr 2014 1.2 Milliarden US Dollar und über 1.2 Millionen Acker Land wurden illegal beschlagnahmt (IWA 9.12.2014).

 

Quellen:

 

 

 

https://cdn.americanprogress.org/wp-content/uploads/2015/03/AfghanistanCorruption-FINAL.pdf , Zugriff 14.10.2015

 

 

 

http://iwaweb.org/international-anti-corruption-day/ , Zugriff 14.10.2015

 

 

 

http://www.transparency.org/whatwedo/publication/cpi2014 , Zugriff 14.10.2015

 

 

 

8. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

 

Eine Vielzahl an nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse. Während Regierungsbeamte einigermaßen kooperativ sind und auf deren Sichtweise eingehen, gibt es dennoch Fälle von Einschüchterung von Menschenrechtsgruppen durch Regierungsbeamte (USDOS 25.6.2015).

 

Die Arbeit von internationalen und afghanischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch von Vereinen wird üblicherweise nicht von den Behörden in einem formalen Sinn eingeschränkt. Die Möglichkeiten dieser Gruppen frei und effektiv zu arbeiten werden durch die Sicherheitslage behindert. Aktivist/innen der Zivilgesellschaft, speziell, jene, die sich mit Menschenrechten bzw. Rechenschaftsangelegenheiten befassen, sind weiterhin Bedrohung und Belästigungen ausgesetzt (FH 28.1.2015). Mit Stand Februar 2015 wurden seit dem Jahr 2005 3.415 lokale NGOs und 4.016 internationale NGOs beim Wirtschaftsministerium (MoE-Ministry of Economy) registriert. Die Zahl aktiver lokaler NGOs beträgt 1.665 und die der internationalen 275 (ICNL 25.2.2015).

 

Eine systematische Politik der Einschränkung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern oder zivilgesellschaftlichen Akteuren gibt es in Afghanistan nicht. Gleichwohl sind sie regelmäßig Behinderungen bei der Informationsbeschaffung ausgesetzt; ihre Beteiligung an wichtigen Vorhaben (Gesetzesentwürfe, Ratsversammlungen/ Jirgas) wird nicht selten nur auf internationalen Druck ermöglicht. Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women‘s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 6.11.2015).

 

Derzeit stehen mehrere die Zivilgesellschaft betreffende Reforminitiativen an:

 

Änderungen des NGO-Gesetzes

 

Gesetzentwurf bezüglich Stiftungen

 

Gesetzentwurf über Freiwilligenarbeit

 

Vorschläge zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (ICNL 25.2.2015; vgl. AA 2.3.2015)

 

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women¿s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen. Sie erarbeiten derzeit in Absprache mit der internationalen Gebergemeinschaft ein Konzept zum besseren Schutz ihrer Mitglieder (AA 6.11.2015).

 

Es existierten keine gesetzlichen Hindernisse, die Aktivitäten von NGOs oder Vereinigungen einschränken (ICNL 25.2.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

9. Ombudsmann

 

Im Rahmen der Menschenrechtsarbeit von EUPOL (European Union Police Mission in Afghanistan) konzentriert sich diese auf die Unterstützung des Innenministeriums und der unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC), indem sie Mechanismen der internen und externen Aufsicht stärkt und entwickelt. Im Jahr 2010 initiierte EUPOL einen Dialog über die Errichtung eines unabhängigen afghanischen Polizei-Ombudsmanns als externen Aufsichtsmechanismus für Menschrechtsverletzungen der Polizei (EUPOL 8.12.2010).

 

Quellen:

 

 

10. Wehrdienst

 

Afghanistan kennt keine Wehrpflicht. Mögliche Zwangsrekrutierungen bei der afghanischen Armee (oder Polizei) sind nicht auszuschließen. Da die erfolgreiche Anwerbung als Soldat oder Polizist für den überwiegend arbeitslosen Teil der jungen männlichen Bevölkerung aber eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellt, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen jedoch eher unwahrscheinlich (AA 2.3.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Wehrdienstverweigerung/Desertion

 

Man muss zwischen Desertion und unerlaubter Abwesenheit unterscheiden. Desertion bedeutet das Fliehen aus einer Kriegszone, während einer Militäroperation oder das Unterstützen des Feindes. Davon hätte es nur wenige Fälle in den vergangen Jahren gegeben. Logistische, familiäre und persönliche Probleme führen zu unerlaubter Abwesenheit. Die Soldaten kehren später wieder in ihre Stützpunkte zurück. Es gibt auch andere Gründe wie, wenn z.B. der Vater eines Soldaten stirbt, muss er eventuell die Verantwortung für die Familie übernehmen – wozu er dann auch berechtigt ist (Afghanistan Today 3.4.2011). Etwa 4.000 Soldaten verlassen monatlich die afghanischen Sicherheitskräfte (Washington Examiner 4.8.2015).

 

Die Hauptgründe der Abwesenheit von der ANDSF wird hauptsächlich folgenden Gründen zugeschrieben:

 

inadäquate Betreuung des Personals und niedrige Lebensqualität

 

alternative Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der ANDSF (UNDOD 6.2015)

 

schwache Führung und Personalmanagement (UNDOD 6.2015; vgl. Washington Examiner 4.8.2015).

 

Das Problem der Abwesenheit in der ANA wird ebenso damit begründet, dass Soldaten oftmals nicht in ihrer Heimatprovinz dienen. Viele von ihnen müssen einen langen Reiseweg auf sich nehmen, um in ihre Heimatdörfer zu gelangen und ihren Familien die Löhne geben zu können (CRS 15.10.2015). Diese "Deserteure" werden, schon aufgrund der sehr hohen Zahlen bei vorübergehenden Abwesenheiten, nach Rückkehr zu ihrem ursprünglichen Standort wieder in die Armee aufgenommen (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Auch kehren sie oftmals nach langer Abwesenheit aber wieder zur ANA zurück. Nachdem in den letzten Jahren fast jede Bezahlung der ANA elektronisch durchgeführt wurde, wurde dies nun erleichtert (CRS 15.10.2015).

 

Laut Verteidigungsministerium gibt es keine Strafe für Desertion. (NYT 27.6.2011).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

11. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Sie müssen landesweit weiterhin gegen große Widerstände in der konservativen Bevölkerung verteidigt werden. Insbesondere geschlechtsspezifische Gewalt ist weitverbreitet; die Rechte von Frauen und Mädchen werden trotz fortschrittlicher Gesetzgebung nur unzureichend respektiert und umgesetzt (AA 6.11.2015).

 

Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog. Ferner, hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 6.11.2015).

 

Als ein positives Signal wurde von Frauen- und Menschenrechtsgruppen gewertet, dass der ehemalige Präsident Karzai sich weigerte ein vom afghanischen Parlament erlassenes Gesetz zu unterzeichnen, welches Familienangehörigen eines Beschuldigten verbieten würde in strafrechtlichen Fällen auszusagen. Da ein Großteil gemeldeter Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt innerhalb der Familie geschehen, würde dies eine erfolgreiche strafrechtliche Verfolgung erschweren und weiters, Opfern von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt, sowie jenen die Zwangsverheiratung und Kinderheirat ausgesetzt sind, Gerechtigkeit verwehren (AI 25.2.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

12. Meinungs- und Pressefreiheit

 

In der afghanischen Verfassung ist die Presse- und Meinungsfreiheit in Artikel 34 verankert (USDOS 25.6.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004), jedoch werden diese Rechte in der Praxis von der Regierung in unterschiedlichen Maßen eingeschränkt (USDOS 25.6.2015). Die Freiheiten sind grundsätzlich – vor allem im regionalen Vergleich – in einem bemerkenswerten Maß verwirklicht (AA 6.11.2015)

 

Afghanistan konnte sich auch dieses Mal, im Rahmen des World Press Freedom Index, um sechs Plätze verbessern und landete auf Platz 122 von 180 Ländern (RSF 12.2.2015; vgl. AA 2.3.2015). In den vergangenen Jahren galt die afghanische Medienlandschaft als Vorzeigesektor: diversifiziert, unabhängig, im Wachstum- und Professionalisierungsprozess begriffen und von einem vergleichsweise liberalen rechtlichen Rahmenwerk gestützt. Dieses Bild muss differenziert werden. Während der Boomjahre 2007-12 sind mehr Medien entstanden als der afghanische Markt erhalten kann. Nur die größten Sender und die Kanäle lokaler Mäzene können dem wirtschaftlichen Druck standhalten. Sicherheitserwägungen, eine konservative Medienpolitik und religiöse Forderungen schränken die Medienfreiheit ein. Zugleich übernehmen afghanische Medienvertreter zunehmend politische Verantwortung und gehen bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern (AA 6.11.2015).

 

Während das Afghan Journalists Safety Committee aber von einem Rückgang der Bedrohungen und Einschüchterungen von Journalistinnen und Journalisten im ersten Halbjahr 2015 um 43 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum berichtet (AA 6.11.2015). Berichtet wiederum Amnesty International, dass sich die Zahl der getöteten Journalist/innen im Jahr 2014 um 50% und die Zahl der Angriffe um 60% im ersten Halbjahr 2014 im Vergleich zum Jahr 2013. Laut dem Überwachungsbeauftragten für afghanische Medien – NAI – wurden 20 Journalist/innen verletzt und sieben getötet (AI 25.2.2015).

 

Das Auswärtige Amt zählte von Januar bis Juli 2015 zählte es 39 Fälle von Gewalt gegen Journalisten, darunter einen Mord. Bessere Beziehungen zwischen den Journalisten und den die Medien unterstützenden Organisationen, aber auch die Unterstützung der Regierung für Journalisten und die Meinungsfreiheit sollen zu diesem Rückgang beigetragen haben (AA 6.11.2015).

 

Die internationale Gemeinschaft und lokale Medienorganisationen haben sich in der letzten Dekade für unterstützende Programme eingesetzt, deren Ziel es ist einen ernsten unabhängigen Mediensektor zu entwickeln – und waren auch relativ erfolgreich damit. Jedoch wird befürchtet, dass der Truppenabzug möglicherweise negative Auswirkungen auf ausländische Finanzierung von Medienprojekten hat und auch die allgemeine wirtschaftliche Lage in Afghanistan eine Rolle bei der Finanzierung spielt (FH 28.4.2015).

 

Amnesty International berichtet davon, dass die afghanische Regierung es verabsäumt hat, in Zusammenhang mit Angriffen auf Journalist/innen oder Mediaschaffende, die ihr Recht auf freie Meinungsfreiheit friedlich ausübten, adäquate Untersuchungen durchzuführen und Täter strafrechtlich zu verfolgen (AI 25.2.2015). Trotz Hindernissen publizierten Printmedien unabhängig Magazine, Newsletter und Zeitungen, jedoch war die Reichweite gering. Eine Vielzahl an Leitartikeln und Tageszeitungen kritisieren offen die Regierung. Aufgrund des hohen Grades an Analphabetentum, bevorzugen die meisten Bürger/innen Fernsehen oder Radio gegenüber Printmedien. Das Radio bleibt aufgrund der Zugänglichkeit weiterhin weitverbreitet In Afghanistan existieren 350 Fernseh- und Radiostationen (USDOS 25.6.2015).

 

Medienvielfalt und –freiheit sind in Kabul deutlich höher als anderswo im Land, aber manche lokale Älteste und Warlords üben gegenüber unabhängigen Medien in ihren Gegenden nur begrenzte Toleranz aus. Dutzende private Radiostationen und mehrere private Fernsehstationen sind derzeit in Betrieb, die eine Vielzahl von Ansichten verbreiten und oft auch die Regierung kritisieren (FH 28.4.2015).

 

Inzwischen wurde das lange von der Zivilgesellschaft und Medienvertretern eingeforderte Gesetz zum Zugang zu Informationen verabschiedet. Eine Gruppe von 35 Medienvertretern hat 2013 zudem einen Verhaltenskodex für Journalistinnen und Journalisten erarbeitet. Dieser soll die Achtung von Persönlichkeitsrechten stärken, ohne Medienfreiheit einzuschränken. Darin werden Grundregeln gegen Verleumdung, für gute Recherchearbeit und zum Opferschutz, etwa nach Anschlägen, aufgestellt (AA 6.11.2015; AA 2.3.2015).

 

Internet und Mobiltelefone:

 

Analphabetentum und schwache Infrastruktur haben gleichermaßen die Interverbreitung gebremst. Nur 6% der Bevölkerung haben das Internet im Jahr 2014 benutzt. Aber sowohl die Verwendung als auch die Wichtigkeit von "social Media" und Blogs nehmen zu, besonders bei städtischen Jugendlichen. Aus 100 Personen waren etwa 75 Mobiltelefonteilnehmer/innen im Jahr 2014. Schrittweise Verbesserungen an den Mobilfunknetzen und fallende Preise haben einen Bürgerjournalismus unterstützt (FH 28.4.2015).

 

Internetseiten mit nach afghanischem Verständnis unmoralischen oder pornographischen Inhalten sind gesperrt. Darunter fallen tatsächlich pornographische Seiten ebenso wie Webangebote für homo-, bi-, inter- oder transsexuelle User und Kennenlernportale bis hin zu Verkaufsseiten mit Weinangebot (AA 6.11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 11.9.2014

 

 

 

13. Religionsfreiheit

 

80% der Bevölkerung sind Anhänger des sunnitischen und 19% Anhänger des schiitischen Islams; 1% entfällt auf andere Religionen (The CIA World Factbook 20.10.2015). Es lebt offiziell noch ein Jude in Afghanistan, der sich um die verwaiste Synagoge kümmert (AA 16.11.2015).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 16 .11..2015).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch es wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 28.4.2015).

 

Angaben eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul berichtete, dass entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, Hazara keiner gezoelten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

 

Die Bedingungen für Religionsfreiheit sind für andersdenkende sunnitische Muslime, aber auch schiitische Muslime, Sikhs, Christen und Bahais weiterhin schlecht. Die afghanische Verfassung verabsäumt es explizit die individuellen Rechte in Bezug auf Religionsfreiheit zu schützen und einfachgesetzliche Bestimmungen werden in einer Weise angewendet, die internationale Menschenrechtsstandards verletzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure führen Aktionen gegen Personen aus, die ihrer Ansicht nach "unislamische" Aktivitäten setzen (USCIRF 30.4.2015).

 

Die sunnitische hanafitische Rechtsprechung gilt für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (AA 31.3.2014; vgl. USDOS 14.10.2015; vgl. USDOS 26.5.2015).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, waren sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen war nicht systematisch (USDOS 14.10.2015). Im Mai 2014 zum Beispiel trat Sham Lal Bathija als erster Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada an (RFERL 15.5.2014). Im März übergab er formell diese Position an seinen Nachfolger Dawood Qayomi (Afghan Embassy 18.3.2015). Sham Lal Bathija war bereits in der Vergangenheit als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html , Zugriff 22.10.2015

 

 

 

 

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 11.9.2014

 

 

 

 

http://www.newindianexpress.com/thesundaystandard/article350359.ece?service=print , Zuriff 5.11.2015

 

 

 

http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF Annual Report 2015 (2).pdf, Zugriff 22.10.2015

 

 

 

 

Schiiten

 

Etwa 19% der Bevölkerung sind schiitische Muslime und damit die größte religiöse Minderheit des Landes. Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an (USCIRF 30.4.2015). Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind im Alltagsleben in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema) als auch im Hohen Friedensrat sind auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 16.11.2015; vgl. AA 2.3.2015).

 

Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Während des Untersuchungszeitraumes war es schiitischen Muslim/innen allgemein möglich ihre traditionelle Ashura Feierlichkeiten und Rituale, ohne Hindernisse, öffentlich durchzuführen (USCIRF 30.4.2015; vgl. FH 28.4.2015). Trotzdem ist die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert (USDOS 28.7.2014). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

 

Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt (BBC 5.9.2013; vgl. AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015). Die politischen Kräfte des Landes zeigten sich über die Vorfälle erschüttert, verurteilten die Attentate und riefen zur Einigkeit auf. Im Jahr 2015 verlief das Aschura-Fest in Afghanistan friedlich (AA 16.11.2015).

 

Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten angewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind (USDOS 14.10.2015). Im Jahr 2009 wurde ein Gesetz durchgesetzt, das viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erbschafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt (USDOS 25.6.2015; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

 

Die Ismailiten, die sich selbst zum schiitischen Islam rechnen, machen etwa 5% der Bevölkerung aus (USDOS 28.7.2014; vgl. -CRS 12.1.2015). Es gibt wenige Berichte in Bezug auf gezielte Diskriminierung gegen Ismailiten (USDOS 25.6.2015). Auch unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschwerten sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 14.10.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14. Ethnische Minderheiten

 

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2015 mehr als 32.5 Millionen Menschen (CIA 20.10.2015). Davon sind 42%-45% Pashtunen, 25% Tadschiken, rund 10% Hazara, 10% Usbeken. Es existieren noch mehrere andere religiöse und ethnische Minderheiten (CRS 12.1.2015). wie z.B. Aimaken 4%, Turkmenen 3%, Balutschen 2% und andere kleinere ethnische Gruppen (CIA 24.6.2014).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 16.11.2015). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 25.6.2015).

 

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan. Sie sprechen Paschtu/Pashto, aber die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindern. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 25.6.2015). Unter den vielen Volksgruppen bilden die Paschtunen zwar die Mehrheit im Staat, dominieren aber nur im Süden, im Norden hingegen eher die persisch-sprachigen Tadschiken (DW 26.4.2014; vgl. GIZ 10.2015). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

http://www.brookings.edu/~/media/Programs/foreign-policy/afghanistan-index/index20150731.pdf?la=en , Zugriff 27.10.9.2015

 

 

 

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html Zugriff 11.9.2014

 

 

 

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html , Zugriff 22.10.2015

 

 

Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf , Zugriff 27.10.2015

 

 

 

http://liportal.giz.de/afghanistan/gesellschaft/ , Zugriff 27.10.2015

 

 

 

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 27.10.2015

 

 

Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie hat sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung aber nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 16.11.2015; AA 2.3.2015). Gesellschaftliche Diskriminierung gegen die schiitischen Hazara mit Bezug auf Klasse, Ethnie und Religion hält weiter an - in Form von Erpressung, durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftung (USDOS 25.6.2015). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

 

Mitglieder der Hazarastämme, meist schiitische Muslime, sind in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (CRS 15.10.2015).

 

Eine prominente Vertreterin der Minderheit der Hazara ist die Vorsitzende der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission Sima Simar (CRS 12.1.2015).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

15. Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz erlaubt interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, aber die Regierung schränkte die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.:

 

siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 25.6.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

 

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht (USDOS 25.6.2015).

 

Quellen:

 

 

 

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 13.10.2015

 

 

Meldewesen

 

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012).

 

Quellen:

 

 

16. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Interne Bevölkerungsbewegungen steigen an, hauptsächlich wegen militärischer Operationen, aber auch wegen bewaffneten Konflikten und der Sicherheitslage (USDOS 25.6.2015).

 

Ende August 2015 waren, laut UNHCR, 948.000Personen intern vertrieben (UNHCR 8.2015 vgl. IDMC 7.2015). Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen für das erste Halbjahr 2015 wird mit 103.000 angegeben. Mehr als 36.000 wurden seit April aus Kunduz intern vertrieben. Ferner wurden auch in den Provinzen Badakshan, Badghis, Baghlan, Faryab, Ghazni, Kapisa und (Maydan) Wardak seit Juni 2014 Menschen intern vertrieben (IDMC 7.2015).

 

UNHCR registrierte die höchste Zahl intern vertriebener aus den nordöstlichen Gebieten Afghanistans (UNHCR 5.2015). Auseinandersetzungen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, wurden als Grund angegeben (z.B. Provinz Kunduz) (UNHCR 5.2015; vgl. UNHCR 7.2015). Die zweithöchste Zahl intern Vertriebener wurde in den Regionen Zentralafghanistans angegeben. Als Gründe wurden hier die allgemeine Sicherheitslage, militärische Operationen und gelegentliche Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Gruppen und den afghanischen Sicherheitskräften genannt (UNHCR 5.2015).

 

Bewaffnete Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Gruppen und den afghanischen Sicherheitskräften wurden als die Hauptursache für die Vertreibung innerhalb des Landes angegeben. Als weitere Ursachen wurden im Belästigungen und Einschüchterungen durch regierungsfeindliche Gruppen sowie stammesinterne Dispute angegeben (UNHCR 5.2015). Ferner kam es auch aufgrund von Naturkatastrophen und Arbeitsmöglichkeiten in anderen Gebieten zu internen Bevölkerungsbewegungen (USDOS 25.6.2015)

 

Die größten Bedürfnisse der IDP-Bevölkerung waren Nahrung, sowie Gebrauchsgüter (NFI- Non-Food-Items), die keine Lebensmittel sind. Einem Großteil der IDP gelang es temporär Behausungen in Gegenden der Vertreibung zu mieten. Anderen war es möglich bei Verwandten oder in Gastgemeinden unterzukommen bzw. aufgenommen zu werden. Situationen in denen internvertriebenen Familienen keine Behausung zur Verfügung stand, waren selten. War dies dennoch der Fall, so wurde den Familien sofort Notfallsbehausungen bzw. Zelte zur Verfügung gestellt. In gewissen Gegenden kam zu Herauforderungen im Bereich von Bildungszugang. Grund dafür waren das Fehlen notwendiger Dokumente oder Platz- oder Ressourcenmangel. Diese Fälle wurden an die notwendigen Bildungsautoritäten entweder durch UNHCR direkt oder durch UNICEF gemeldet (UNHCR 5.2015).

 

Flüchtlinge in Afghanistan:

 

Afghanistan beheimatet auch weiterhin etwa 227.000 Flüchtlinge aus Pakistan, die aufgrund militärischer Operationen in Nordwaziristan, in die südöstlichen Teile des Landes übergetreten sind (UN GASC 10.12.2015; vgl. Tolonews 21.12.2015). Laut UNHCR sind es derzeit sogar rund 300.000 Flüchtlinge (darunter viele pakistanische Staatsangehörige) und 60 Asylbewerber in Afghanistan. Allein im Juni 2014 kamen lt. UNHCR rund 100.000 Menschen aus Pakistans Nord-Waziristan-Region nach Afghanistan. Sie hatten sich vor den Auseinandersetzungen in ihrer Heimatregion geflüchtet und wurden oft direkt von paschtunischen Familien in den afghanischen Nachbarprovinzen Paktika und Khost aufgenommen. Im Dezember 2014 waren beim UNHCR rund 800.000 afghanische konflikt-induzierte Binnenflüchtlinge registriert (AA 16.11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

Afghanistan IDP Figures Analysis, http://www.internal-displacement.org/south-and-south-east-asia/afghanistan/figures-analysis , Zugriff 28.10.2015 ,

 

 

 

Conflict-induced Internal Displacement – Monthly Update, July 2015, https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/unhcr_idp_monthly_update_july_2015.pdf , Zugriff 28.10.2015

 

 

Afghanistan and its implications for international peace and security,

 

http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2015/942 , Zugriff 4.1.2016

 

 

 

17. Grundversorgung/Wirtschaft

 

Für das Jahr 2013 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 169 Platz von mehr als 187 (Anm.: darunter befanden sich auch einige ex aequo Platzierungen) (UNDP 2014).

 

Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuflüsse aus der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert (AA 8 .2015). Die Übergangsphase in Politik und Sicherheit haben die afghanische Wirtschaft stärker beeinträchtigt als erwartet. Das Wirtschaftswachstum ist im Jahr 2014 auf 1,3% gesunken, wobei es im Jahr davor noch 3,7% betrug (WB 10.2015; vgl. IMF 9.6.2015).

 

Das Wirtschaftswachstum war zum Größtenteil getrieben von Expansion in Industrie (2,4%) und Dienstleistung (2,2%). Private Investitionsaktivitäten zeigten im Jahr 2014 Anzeichen eines Rückgangs, gekennzeichnet durch einen 50%igen Rückgang an neuen Firmenregistrierungen seit dem Jahr 2012. Die Anzahl der neuen Firmenregistrierungen im ersten Halbjahr 2015, welche ein Indikator für Investorenvertrauen ist, blieb auf demselben Niveau, wie im ersten Halbjahr des Jahres 2014. Eine sanfte Erholung wird für das Jahr 2016 erwartet. (WB 2015).

 

Den größten Anteil am BIP (2014: 21,7 Mrd. USD) hat der Dienstleistungssektor mit 53,5%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 27,7% des BIP. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels – Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig – sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 8 .2015).

 

Es wird geschätzt, dass das reale Wachstum des Bruttoinlandprodukts um 3,1% im Jahr 2016 und 3,9% im Jahr 2017 wachsen wird, bedingt durch Verbesserungen im Bereich der Sicherheitslage und einer starken Reformdynamik (WB 10.2015). Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden (AA 8 .2015).

 

Trotz des seit drei Jahren hohen landwirtschaftlichen Produktionsniveaus, , konnten die starken Landwirtschaftserträge des Jahres 2013 nicht mehr erreicht werden und so war die Landwirtschaft nicht Teil des Wirtschaftswachtums (WB 10.2015). Die neue Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90 %) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 8 .2015).

 

Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und Seltene Erden. Das seit langem erwartete Rohstoffgesetz wurde im August 2014 verabschiedet. Damit wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv (AA 8 .2015).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis (AA 8 .2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Rund 2,2 Mio. Afghanen leben mittelbar oder unmittelbar vom Drogenanbau, -handel und –verkauf (AA 8 .2015). Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus (AA 8 .2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 8 .2015).

 

Die Internationale Gemeinschaft und Hauptgeber haben ihr Engagement und ihre Partnerschaft für Afghanistan im Rahmen der London Konferenz im Dezeber 2014 bestätigt. Sie begrüßren das Engagement der neuen afghanischen Regierung für macroökonomische Stabilität und Reformen, welche Nachhaltigkeit und integratives Wachstum beinhaltet (IMF 5.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/22921-unama-chief-reports-of-increased-security-incidents , Zugriff 12.1.2016

 

 

http://hdr.undp.org/sites/default/files/hdr14-report-en-1.pdf , Zugriff 2.11.2015

 

 

 

 

18. Medizinische Versorgung

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 16.11.2015). Ferner, können sich die im Zuge der Recherche gefundenen Informationen, auch widersprechen.

 

Grundsätzlich hat sich die medizinische Versorgung, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 16 .11.201). Auch hat sich seit dem Jahr 2001 der Zugang zur Grundleistung für die afghanische Bevölkerung in fast allen Bereichen erheblich verbessert: der Deckungsgrad medizinischer Gesundheitsversorgung hat sich von 9% im Jahr 2001 auf 80% im Jahr 2011 erweitert (WB 4.2015). Jedoch fällt diese Grundversorung im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 2.3.2015).

 

Die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 165 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 97 auf 77 bei 1.000 Lebendgeburten und die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebengebburten gesunken. Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Ferner, erhöhte sich die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstaten mit weiblichem Personal (WB 4.2015).

 

In der letzten Dekade hat das afghanische Gesundheitssystem ansehnliche Fortschritte gemacht. Dies aufgrund starker Regierungsführung, einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer, was ferner andeutet, dass die Notwendigkeit besteht, Zugangshindernisse zu Leistungen für Frauen zu beseitigen. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralspiegeldefiziten (WB 4.2015).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 16.11.2015; vgl. AA 2.3.2015).

 

Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war es vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 25.6.2015)

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

 

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)]. Jedoch sind die Bestände oft erschöpft und die Patient/innen sind gezwungen die Medikamente in privaten Apotheken oder am Bazar zu kaufen (IRIN 2.7.2014). Obwohl Qualitätskontrollmaßnahmen für Medikamente im öffentlichen Gesundheitsvorsorgesystem existieren, ist die Umsetzung laut einem US-amerikanischen Bericht schwach. Der Großteil der verschriebenen Medikamente wird verschrieben und privat verkauft. Auch, so der Bericht weiter, gibt es keine Daten zu Pahrmazisten, die im privaten Sektor arbeiten. Bis zu 300 in Pakistan ansässige Unternehmen produzieren Medikamente, die speziell für den Export nach Afghanistan vorgesehen sind, aber den von für Pakistan vorgeschriebenen Standards nicht entsprechen (IJACMEC 10.2014; vgl. The Guardian 7.1.2015).

 

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen – insbesondere Kriegstraumata – findet, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Gleichzeitig leiden viele Afghaninnen und Afghanen unter psychischen Symptomen der Depression, Angststörungen oder posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn der Patient oder die Patientin kein unterstützendes Familienumfeld hat. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 16.11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8845A1EEE2FAECF7D8808747FED28C35/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/AfghanistanSicherheit.html?nn=343328#doc343208bodyText5 , Zugriff 9.8.2013

 

 

 

 

 

http://www.mec.af/files/2014_11_19_Pharmaceutical_VCA_ENGLISH.pdf , Zugriff 19.1.2016

 

 

 

 

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 30.10.2015

 

 

 

 

 

 

 

 

19. Behandlung nach Rückkehr

 

In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwiliigen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insegesamt sind 5.8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015). USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014, Finanzierungen verwendet wurden um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr, für mehr als 4.7 Millionen zur Verfügung zu stellen (SIGAR 8.2015; vgl. AA 2.3.2015). Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund (AA 2.3.2015). Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015).

 

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus PAK. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan (AA 16.11.2015). Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück (UNHCR 29.10.2015). Die Kapazität der Regierung Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen der Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan (USDOS 25.6.2015). In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind von UNHCR unterstüzt (BFA Staatendokumentation 9.2015).

 

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig.Rückkehrerinnen und Rückkehr hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten (USDOS 25.6.2015).

 

In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Millionen afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

 

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

 

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bin hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 16.11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

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Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

 

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF – Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

 

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA – Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP – Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

 

Hauptstadt Kabul

 

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

 

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

 

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

 

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

 

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

 

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten– den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten – kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

 

Herat

 

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani – stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes – verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

 

Mazar-e Sharif

 

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

 

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

 

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

 

Taliban

 

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

 

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

 

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

 

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal‘ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha’ al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

 

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

 

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

 

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

 

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

 

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

 

Quellen:

 

 

 

http://www.aljazeera.com/news/2017/06/troops-killed-insider-attack-nangarhar-170610143131831.html , Zugriff 21.6.2017

 

 

 

http://www.aljazeera.com/news/2017/05/huge-blast-rocks-kabul-diplomatic-area-170531040318591.html , Zugriff 20.6.2017

 

 

 

 

 

 

 

http://www.dw.com/de/afghanistan-sicherheitslage-hat-sich-verschlechtert/a-39058179 , Zugriff 20.6.2017

 

 

 

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-islamischer-staat-kaempfe-taliban , Zugriff 21.6.2017

 

 

 

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-taliban-insider-attacke-soldaten-usa-tote , Zugriff 21.6.2017

 

 

http://en.farsnews.com/newstext.aspx?nn=13960317001159 , Zugriff 21.6.2017

 

 

 

 

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/neuer-anschlag-in-kabul-viele-tote-bei-explosion-auf-trauerfeier-15045768.html , Zugriff 21.6.2017

 

 

 

 

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan , Zugriff 23.2.2017

 

 

 

 

 

http://www.pajhwok.com/en/2017/05/11/afghan-forces-wrest-back-badakhshan ’s-zebak-district, Zugriff 20.6.2017

 

 

http://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack-idUSKBN18X1E0 , Zugriff 21.6.2017

 

 

 

 

 

 

https://www.theguardian.com/world/2017/jun/02/afghanistan-protesters-killed-kabul-bombing , Zugriff 20.6.2017

 

 

 

https://www.theguardian.com/world/2017/may/31/huge-explosion-kabul-presidential-palace-afghanistan , Zugriff 20.6.2017

 

 

 

 

 

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/n1705111.pdf , Zugriff 8.5.2017

 

 

 

 

 

 

 

https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/the-latest-2-top-afghan-security-officials-suspended/2017/06/12/1879119c-4f42-11e7-b74e-0d2785d3083d_story.html?utm_term=.fd14b4a74b8a , Zugriff 22.6.2017

 

 

KI vom 11.5.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q1.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017).

 

INSO berichtet für den Zeitraum Jänner – März 2017 von insgesamt

 

6.799 sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Afghanistan (INSO o. D.).

 

Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Gefechte zwischen Taliban und Regierungskräften (meist Angriffe der Taliban) um 22% erhöht und machen damit 63% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die Anzahl der IED-Vorfälle war 2016 um 25% niedriger als im Jahr davor und ist damit weiterhin rückläufig (UN GASC 3.3.2017).

 

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt – speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).

 

Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).

 

Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017

 

Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).

 

Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

 

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten. (SIGAR 30.4.2017).

 

Taliban

 

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive Ende April 2017 eröffnet; seitdem kommt es zu verstärkten Gefechtshandlungen in Nordafghanistan (BBC 7.5.2017). Bisher haben die Taliban ihre alljährliche Kampfsaison durch die Frühjahrsoffensive eingeläutet; allerdings haben dieses Jahr die Taliban-Aufständischen auch in den Wintermonaten weitergekämpft (BBC 28.4.2017).

 

Helmand

 

Die Taliban haben den Druck auf die Provinz Helmand erhöht; heftige Gefechte fanden Ende Jänner und Anfang Februar im Distrikt Sangin statt (UN GASC 3.3.2017): 10 der 14 Distrikte in Helmand werden entweder von den Taliban kontrolliert oder sind umstritten. In die Provinz Helmand wurde bereits eine Anzahl US-amerikanischer Soldaten entsendet (al-Jazeera 29.4.2017; vgl. auch: Khaama Press 11.4.2017). Auch das afghanische Verteidigungsministerium hat Befreiungsoperationen gestartet, die sogenannten Khalid-Operationen in Helmand aus den beiden Distrikten, Garamser und Nad-e Ali heraus (Khaama Press 11.4.2017). Militärischen Quellen zufolge, wurde im Mai eine riesige Kommandozentrale der Taliban im Distrikt Nad-e Ali zerstört (Sputnik News 10.5.2017).

 

Kunduz

 

Seit zwei Jahren ist Kunduz Zentrum intensiver Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LWJ 9.5.2017); die Stadt Kunduz fiel zweimal bevor die ANDSF und die Koalitionskräfte sie wieder unter ihre Kontrolle bringen konnten (SIGAR 30.4.2017; vgl. auch: LWJ 9.5.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie auch gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017). Der IS verliert weiterhin Gebiete, die zuvor von ihm kontrolliert wurden; Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Aktivitäten der afghanischen Luftstreitkräfte mit Unterstützung der Luftangriffe der NATO (SCR 28.2.2017).

 

Abdul Hasib, der IS-Anführer in Afghanistan, wurde im Rahmen einer militärischen Operation in Nangarhar getötet (BBC 8.5.2017; vgl. auch: NYT 7.5.2017); von Hasib wird angenommen für viele high-profile Angriffe verantwortlich zu sein – so auch für den Angriff gegen das Militärkrankenhaus in Kabul (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017).

 

In diesem Jahr wurden hunderte IS-Aufständische entweder getötet oder gefangen genommen (BBC 8.5.2017). Im April 2017 wurde die größte nicht-nukleare Bombe, in einer Region in Ostafghanistan eingesetzt, die dafür bekannt ist von IS-Aufständischen bewohnt zu sein (Independent 13.4.2017). Netzwerke bestehend aus Höhlen und Tunnels wurden zerstört und 94 IS-Kämpfer, sowie vier Kommandanten, getötet (Dawn 7.5.2017). Quellen zufolge waren keine Zivilisten von dieser Explosion betroffen (BBC 14.4.2017; vgl. auch: The Guardian 13.4.2017, al-Jazeera 14.4.2017).

 

Quellen:

 

 

 

http://www.aljazeera.com/news/2017/04/marines-return-taliban-stronghold-helmand-170429090406248.html , Zugriff 9.5.2017

 

 

 

http://www.aljazeera.com/video/news/2017/04/mixed-reaction-afghanistan-nangarhar-bombing-170414143849115.html , Zugriff 8.5.2017

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan , Zugriff 23.2.2017

 

 

 

http://www.khaama.com/200-us-troops-deployed-in-helmand-province-of-afghanistan-02546 , Zugriff 9.5.2017

 

 

 

http://www.longwarjournal.org/archives/2017/05/taliban-back-on-the-offensive-in-kunduz.php , Zugriff 10.5.2017

 

 

 

http://de.reuters.com/article/afghanistan-anschlag-idDEKBN17P0BX , Zugriff 9.5.2017

 

 

 

http://de.reuters.com/article/afghanistan-anschlag-krankenhaus-idDEKBN16F1EH , Zugriff 9.5.2017

 

 

 

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/n1705111.pdf , Zugriff 8.5.2017

 

 

 

 

http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2017-03/afghanistan_20.php , Zugriff 8.5.2017

 

 

 

 

[ ]

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

 

 

 

1.12.2015 - 15.2.2016

16.2.2016 - 19.5.2016

20.5.2016 - 15.8.2016

16.8.2016 - 17.11.2016

1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle

4.014

6.122

5.996

6.261

22.393

Bewaffnete Zusammenstöße

2.248

3.918

3.753

4.069

13.988

Vorfälle mit IED¿s

770

1.065

1.037

1.126

3.998

gezielte Tötungen

154

163

268

183

768

Selbstmordattentate

20

15

17

19

71

      

 

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC

 

7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

 

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Siehe Kapitel 2 – Politische Lage – Friedens- und Versöhnungsprozesse

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

 

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

 

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus – eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Kurzinformation der Staatendokumentation, AFGANISTAN, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q2.2017, 22.06.2017, S. 5 ff.:

 

Kabul

 

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

 

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

 

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

 

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

 

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten– den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten – kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

 

Herat

 

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani – stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes – verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

 

Mazar-e Sharif

 

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

 

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

 

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

 

Bundesregierung stoppt Abschiebeflug nach Afghanistan

 

Innenminister de Maizière hat eine Sammelabschiebung nach Afghanistan gestoppt. Die Absage erfolge aus "Rücksicht auf Botschaftsangehörige", die bei einem Anschlag in Kabul verletzt wurden. Die Bundesregierung hat nach SPIEGEL-Informationen einen geplanten Abschiebeflug nach Afghanistan spontan abgesagt. Hintergrund ist ein Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul, bei dem mindestens 80 Menschen getötet wurden. Innenminister Thomas de Maizière unterrichtete Abgeordnete des Bundestags in einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses über seine Entscheidung. Für Mittwochabend war ein neuerlicher Flug einer Charter-Maschine mit Afghanen vorgesehen, die in ihre Heimat zurückgeführt werden sollten. Die Bundesregierung hatte vor allem Großstädte wie Kabul als relativ sichere Zonen definiert, in die abgelehnte Asylbewerber zurückgebracht werden können. Laut de Maizière erfolgte die Absage aus "Rücksicht auf Botschaftsangehörige", die mit der Schadensaufnahme befasst seien und sich nicht um die Ankunft des Abschiebefliegers am Kabuler Flughafen kümmern könnten. In den kommenden Tagen werde es daher "keine Sammelrückführung nach Afghanistan geben". An ihrer grundsätzlichen Haltung zu den Abschiebungen in das Land hält die Regierung aber fest.

 

Die Opposition fordert dagegen einen generellen Abschiebestopp. Es sei "unmenschlich", Afghanistan immer noch als sicher einzustufen "und weiterhin dorthin abzuschieben", sagte Linken-Parteichefin Katja Kipping. Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt forderte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, seine Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan zu korrigieren.

 

(SPIEGEL-Online, 31.05.2017;

http://www.spiegel.de/politik/ausland/anschlag-in-kabul-bundesregierung-stoppt-abschiebeflug-nach-afghanistan-a-1150081.html ;

 

s. a. handelsblatt.com, 01.06.2017;

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/nach-anschlag-in-kabul-abschiebungen-nach-afghanistan-vorerst-nur-in-ausnahmefaellen/19884328.html ;

 

ZEIT-Online, 24.06.2017;

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-abschiebungen-asylbewerber-bundesinnenministerium ;

 

taz.de, 31.05.2017; http://www.taz.de/!5417175/ )

 

Viele Tote bei Bombenanschlag in Kabul

 

Schon wieder Terror in Afghanistan: Bei der Explosion von drei Bomben in der Hauptstadt Kabul kamen mindestens 20 Menschen ums Leben. Deutsche Entwicklungshelfer wurden zuvor ausgeflogen.

 

Es ist der dritte schwere Sicherheitsvorfall in Kabul seit Mittwoch:

Bei drei Bombenexplosionen während eines hochrangig besuchten Begräbnisses in der afghanischen Hauptstadt wurden mindestens 20 Menschen getötet. Mindestens 87 weitere Menschen seien mit Verletzungen in Krankenhäuser gebracht worden, sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Wahidullah Madschroh. Zu den Tätern gab es zunächst keine Hinweise. Die radikalislamischen Taliban wiesen in einer Botschaft über einen Whatsapp-Kanal jegliche Beteiligung zurück. Bei dem Begräbnis des Sohnes eines hochrangigen Politikers war auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah anwesend. Der Sohn war am Freitag während einer Demonstration für mehr Sicherheit im Land getötet worden. Abdullah sei unversehrt, teilte dessen Büro über den Kurznachrichtenforum Twitter mit. [ ]

 

Nach dem Anschlag entfachte sich in Deutschland eine Debatte um die künftige Abschiebepraxis der Bundesregierung. Mehrere Politiker forderten einen Abschiebestopp.

 

Auch die staatliche deutsche Organisation für Entwicklungshilfe, GIZ, reagierte mit einem deutlichen Schritt auf den Anschlag. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, hat die Organisation nahezu ihr gesamtes deutsches und internationales Personal aus Afghanistan ausgeflogen. Zurückgeblieben seien weniger als zehn Mitarbeiter, darunter die Landesdirektion und Sicherheitsberater, heißt es mit Verweis auf GIZ-Kreise. [ ] Trotz der Vorkommnisse verändert die Bundesregierung ihre Haltung zu Abschiebungen nach Afghanistan vorerst nur in Teilen: Die zwangsweise Rückführung abgelehnter Asylbewerber - im Jahr 2016 betraf das 67 Personen - soll bis zur Erstellung eines neuen Lageberichts für Afghanistan nur noch bei Straftätern und terroristischen Gefährdern erfolgen. Außerdem gilt die Regelung weiter für abgelehnte Asylbewerber, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung, etwa über einen Pass, verweigern. Ein generelles Aussetzen der Abschiebungen wurde bisher nicht beschlossen.

 

(SPIEGEL-Online, 03.06.17;

http://www.spiegel.de/politik/ausland/mehrere-tote-bei-explosionen-in-kabul-a-1150607.html )

 

Anschlag auf schiitische Moschee in Kabul

 

Knapp zwei Wochen nach dem Anschlag im Diplomatenviertel von Kabul ist in der afghanischen Hauptstadt erneut eine Bombe explodiert. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat die Tat für sich reklamiert. [ ]

 

(SPIEGEL-Online, 15.06.17;

http://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistan-anschlag-auf-moschee-in-kabul-a-1152367.html )

 

Viele Tote bei Explosion in Kabul

 

Bei der Detonation einer Autobombe sind in Kabul mindestens 24 Menschen ums Leben gekommen, Dutzende wurden verletzt. Es ist bereits der zehnte schwere Anschlag in der afghanischen Hauptstadt in diesem Jahr.

 

Bei einer schweren Explosion in der afghanischen Hauptstadt sind mindestens 24 Menschen getötet worden. [ ] Laut einer am Montag veröffentlichten Stellungnahme übernehmen die Taliban die Verantwortung für den Anschlag. Dem Schreiben zufolge waren der Geheimdienst und dessen Mitarbeiter die Ziele der Attacke. [ ] Es ist bereits der zehnte schwere Anschlag in der Stadt seit Jahresbeginn und ereignete sich genau ein Jahr nach einem Bombenanschlag der Terrormiliz "Islamischer Staat", bei dem in Kabul mehr als 80 Menschen ums Leben kamen und 231 verletzt wurden - Teilnehmer einer friedlichen Demonstration, die gegen den Verlauf einer Stromtrasse protestiert hatten. Kabul verzeichnet landesweit die meisten zivilen Opfer von Anschlägen. Doch die Lage im ganzen Land bleibt prekär: Wie die Uno-Unterstützermission in Afghanistan (Unama) Mitte Juli berichtete, wurden zwischen Anfang Januar und Ende Juni bei Gefechten und Anschlägen 1662 Zivilisten getötet und 3581 weitere verletzt. Etwa 40 Prozent der Opfer wurden demnach bei Bombenanschlägen getötet; unter den Todesopfern sind dem Uno-Bericht zufolge 174 Frauen und 436 Kinder. Für die meisten Angriffe waren Extremistengruppen wie die Taliban oder die Terrormiliz "Islamischer Staat" verantwortlich.

 

(SPIEGEL-Online, 24.07.17;

http://www.spiegel.de/politik/ausland/terror-in-afghanistan-viele-tote-bei-explosion-in-kabul-a-1159352.html ).

 

In den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 wird festgehalten, dass die Zumutbarkeit einer internen Schutzalternative anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts-und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden muss. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig (a.a.O., S. 10).

 

2. Beweiswürdigung

 

2.1. Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akteninhalten den BF betreffend. Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Herkunft des BF beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren. Glaubwürdig sind auch die Angaben des BF zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen in seinem Herkunftsstaat und in Österreich, da keine hinreichenden Zweifel am Wahrheitsgehalt dieses Vorbringens hervorkamen. Zudem weist er entsprechende Orts- und Sprachkenntnisse auf (vgl. allgemein zu den – hier beim Asylwerber vorliegenden – Grundanforderungen, dass eine Flüchtlingseigenschaft glaubwürdig bzw. darüber hinaus glaubhaft ist: Materialien zum Asylgesetz 1991, RV 270 BlgNR 18. GP , zu § 3).

 

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keinen Grund, an den Ausführungen des im Beschwerdeverfahren beigezogenen Sachverständigen zu zweifeln. Die Seriosität und Aktualität der oben zitierten Ausführungen des Sachverständigen wird durch die ausführlichen und differenzierenden, auf die besonderen Umstände im betreffenden Herkunftsstaat eingehenden Angaben bestätigt. Seine Fachkompetenz wurde bereits durch seine in einer Vielzahl von Verfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat, dem Asylgerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht – nicht nur bei dem im gegenständlichen Fall entscheidenden Richter – erstatteten nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten über die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des BF unter Beweis gestellt; sie wird auch durch seine berufliche Laufbahn und häufigen Aufenthalte im Herkunftsstaat des BF unterstrichen. Der Sachverständige ist in Afghanistan geboren und aufgewachsen, hat in Kabul das Gymnasium absolviert, in Wien Politikwissenschaft studiert und war in den 90er-Jahren an mehreren UN-Aktivitäten zur Befriedung Afghanistans beteiligt. Er verfügt nach wie vor über zahlreiche Kontakte nicht nur in Afghanistan, sondern auch in angrenzenden Staaten wie insbesondere Pakistan. Dabei ist er mit den dortigen Gegebenheiten bestens vertraut. Seine Expertisen beruhen zudem auf den immer wieder von ihm aktualisierten Kenntnissen über die gesellschaftlich-kulturellen Verhältnisse und Gepflogenheiten in Afghanistan aufgrund von regelmäßigen Studienreisen und Recherchen in Afghanistan und auf ständigem Kontakt mit dort lebenden fachkundigen Verbindungs- und Vertrauenspersonen, an deren Qualifikation und Seriosität auf Grund der vorliegenden Informationen zu deren Person keine Zweifel bestehen. Er weist auch zur politischen Lage in Afghanistan zahlreiche Publikationen auf.

 

Die Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen erfolgte auch vor dem Hintergrund der Angaben der sonstigen dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Länderinformationen. Ihre Aussagen ergeben zusammen mit den in diesen Dokumenten angeführten und mit weiteren Nachweisen versehenen Angaben sowie auch mit den sonstigen dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen insofern ein stimmiges Gesamtbild, als die vom Sachverständigen getroffenen Differenzierungen bei der Einschätzung der Situation bestimmter Personengruppen auch von diesen Quellen bestätigt werden (bzw. sich zumindest innerhalb des Spektrums der zu diesem Thema geäußerten Beurteilungen befinden).

 

2.3. Der hier festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der politischen und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat des BF bzw. bezüglich seiner Situation im Falle seiner Rückkehr in diesen Staat beruht im Wesentlichen auf dem oben zitierten Gutachten des im Beschwerdeverfahren beigezogenen Sachverständigen sowie auf den stellvertretend für andere Informationsunterlagen in das Beschwerdeverfahren eingeführten und erörterten Berichten und Gutachten von als seriös und fachlich-kompetent anerkannten Quellen. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation in Hinblick auf das Vorbringen der BF nicht wesentlich geändert haben. Dies zeigt sich auch bei den in die Feststellungen zusätzlich aufgenommenen Berichten bzw. Quellen, die sich auf die Situation in Afghanistan seit Frühjahr 2017 beziehen (zu den in diesen Unterlagen angeführten und bislang auch von den für in Asylangelegenheiten speziell eingerichteten Bundesbehörden als notorisch anzusehenden und daher jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigenden Tatsachen vgl. die einschlägige Judikatur z.B. VwGH 12.05.1999, 98/01/0365, und VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; zu den laufenden Ermittlungs- bzw. Informationspflichten der Asylbehörden VwGH 06.07.1999, 98/01/0602, u.v.a.). Die den Feststellungen zugrunde liegenden Ausführungen sind mit weiteren Nachweisen substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar. Auf eine Ausgewogenheit von sowohl amtlichen bzw. staatlichen als auch von nichtstaatlichen Quellen, die auch aus verschiedenen Staaten stammen, wurde Wert gelegt.

 

(s. "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan", die aktuellste mit heutigem Tag den Parteien elektronisch zugängliche Ausgabe).

 

Die herangezogenen Bescheinigungsmittel wurden im Hinblick sowohl auf ihre Anerkennung als seriöse und zuverlässige Quellen als auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit von den Parteien dieses Verfahrens nicht bestritten, bzw. es sind diesbezüglich keine Zweifel hervorgekommen. Weiters wurden im Verfahren von den Parteien keine Umstände vorgebracht und haben sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben, auf Grund derer sich die Feststellungen zur Situation im betreffenden Herkunftsstaat in nachvollziehbarer Weise als unrichtig erwiesen hätten. Das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan", ist zudem jeweils mit der aktuellsten Fassung dem BFA und den Rechtsvertretern der Asylwerber/innen elektronisch zugänglich.

 

3. Rechtliche Beurteilung

 

3.1. Zur Zuständigkeit und zum anzuwendenden Recht

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 i.d.g.F. entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 i.d.g.F. entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 i. d.g.F. (VwGVG) geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg. cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg. cit. bleien entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 i. d.g.F. (AsylG) ist mit 01.01.2006 in Kraft getreten und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

 

Gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes, sofern nichts anderes bestimmt ist, zwei Wochen.

 

Der Bescheid des BFA wurde am 12.07.2016 zugestellt und die Beschwerde am 19.07.2016 beim BFA eingebracht, weshalb diese jedenfalls rechtzeitig ist.

 

3.2.1. Zu Spruchpunkt A) I.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss eine Verfahrenseinstellung bei einer rechtswirksam erklärten Beschwerdezurückziehung vorzunehmen (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047-11).

 

§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

 

Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).

 

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, u.v.m.).

 

Durch den in der mündlichen Verhandlung am 17.07.2017 unmissverständlich formulierten Parteiwillen, welcher auf Zurückziehung der Beschwerde gerichtet war, ist einer Sachentscheidung durch das Gericht die Grundlage entzogen. Aufgrund dieser Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist dieser Spruchpunkt rechtskräftig geworden und war daher das gegenständliche Verfahren diesbezüglich einzustellen.

 

3.2.2. Zu Spruchpunkt A) II.

 

3.2.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg. cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg. cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg. cit. zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg. cit.) offen steht.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

3.2.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden auch: "VwGH") hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (für viele VwGH 23.02.1995, 95/18/0049). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214 u.a.).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141 u.a.). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Hinsichtlich des realen Risikos einer drohenden Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK und zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt hat sich jüngst der Verwaltungsgerichtshof mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137):

 

"Zum realen Risiko einer drohenden Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK

 

[ ] Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH vom 8. September 2016, Ra 2016/20/0063, mit weiteren Nachweisen).

 

[ ] Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479, und vom 23. September 2009, 2007/01/0515, jeweils mit weiteren Nachweisen).

 

[ ] Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko i.S.d. Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

 

[ ] Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung2 (2012), 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases"), wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

 

[ ] Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der EGMR mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u. a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (v.a. RNr. 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (vgl. RNr. 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (RNr. 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (RNr. 98).

 

Zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt

 

[ ] Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU ) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).

 

Schlussfolgerungen für die Annahme eines realen Risikos bzw. einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt

 

[ ] Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

 

[ ] Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen."

 

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

3.2.2.3. Für den vorliegenden Fall ist Folgendes festzuhalten:

 

Der BF stammt aus der Provinz Ghazni, die nicht nur laut den oben angeführten Länderberichten bzw. Feststellungen von der Sicherheitslage her zu den gefährdetsten Regionen in Afghanistan zählt, auch das BFA geht im angefochtenen Bescheid offenbar nicht davon aus, dass eine Rückkehr des BF nach Ghazni zumutbar wäre (s. S. 131 a.a.O.). Dem kann vom BVwG beigepflichtet werden (zum Erfordernis der Prüfung der Sicherheitslage in der Heimatprovinz und der Möglichkeit, dorthin zu gelangen, s. z.B. VfGH 07.06.2013, U2436/2012).

 

Allerdings geht das BFA von einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den BF in Bezug auf Kabul aus. Im Wesentlichen zusammenfasst wird ausgeführt, dass der BF gesund und arbeitsfähig sei und auch versucht habe, im Iran für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Es sei ihm zumutbar, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und es sei davon auszugehen, dass er in Kabul Fuß fassen könnte. Zudem habe er zwei Tanten in Kabul. Die Hauptstadt Kabul gelte als relativ "sicher" und sei von Europa aus mittels Flugverbindungen anzufliegen (s. S. 131 f. a.a.O.).

 

Zu prüfen ist daher, ob der BF aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes – nämlich wie von der belangten Behörde angenommen auf die Hauptstadt Kabul – verwiesen werden kann (zum Abstellen auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr

s. VfGH 13.09.2013, U370/2012).

 

Zur Sicherheitslage ist anzuführen, dass nach den vorliegenden Länderberichten für den Zeitraum der ersten Monate dieses Jahres die allgemeine Lage in Kabul, gleichermaßen auch in Städten wie Mazar-e Sharif oder Herat, als vergleichsweise sicher und stabil bezeichnet wurde. Dazu wurde in der Rechtsprechung Folgendes festgehalten (s. zur Wiedergabe z.B. BVwG 20.06.2017, W163 2129846-1): "Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über diese Städte, auch wenn es auch dort (insb. in Kabul) zu vereinzelten Anschlägen kommt. Innerhalb Kabuls existieren demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGO‘s sowie gezielt auf (internationale) Sicherheitskräfte ereignen, dies aus Gründen der Propaganda und der hohen medialen Aufmerksamkeit. Wenn es auch zu zivilen Opfern kommt, so sind in erster Linie Regierungsinstitutionen und internationale Einrichtungen Anschlagsziele. In Kabul-Stadt geht aber nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr aus, die sich in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr darstellen würde. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist. Gleiches gilt für die Städte Mazar-e Sharif und Herat. Beide Städte sind über dortigen Flughäfen sicher erreichbar. Allein mit Blick auf die (wenn auch angespannte) Sicherheitslage und die Erreichbarkeit dieser Städte ist daher keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes bei einer Rückkehr dorthin für die Beschwerdeführer anzunehmen."

 

Gleichwohl ist bei der Gefahrenprognose die Serie an Terroranschlägen in Kabul seit Ende Mai 2017 zu berücksichtigen, wobei demjenigen vom 31.05.2017, zwar im Diplomatenviertel dieser Stadt getätigt, insofern Bedeutung zukommt, da der Angriffsort als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt (s. dazu oben al-Jazeera, 31.05.2017). Deutschland hat aufgrund dieser Problematik seit Anfang Juni d.J. von weiteren Abschiebungen nach Kabul grundsätzlich Abstand genommen. Damit hat sich die bisherige Beurteilungssituation betreffend die Stadt Kabul in Richtung einer Verschärfung der Sicherheitslage geändert. Auf diese hat auch die Rechtsprechung zu der Frage zu reagieren, ob weiterhin davon ausgegangen werden könne, dass für die dort lebende Bevölkerung im Allgemeinen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein (zu beachten ist dabei zudem, dass die oben zitierte einschlägige Judikatur zur durch Terroranschläge gefährdeten Sicherheitslage in Bagdad ergangen ist, nicht aber die weiter sich stellende Frage einer den Lebensunterhalt gefährdenden wirtschaftlichen und sozialen Situation, wie sie regelmäßig in Bezug auf Afghanistan auftritt, angesprochen hat).

 

Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage ist festzuhalten, dass in Städten wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat allgemein der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu Erwerbsmöglichkeiten grundsätzlich gegeben ist. Auch zählt der BF laut den oben zitierten UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 (zur Indizwirkung entsprechender Empfehlungen s. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, dazu insb. auch VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994; vgl. auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118) als alleinstehender leistungsfähiger Mann im berufsfähigen Alter zu derjenigen Personengruppe, für die eine Ausnahme der Anforderung von externer Unterstützung zugemutet werden könne – unter dem Vorbehalt, dass gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig ist. Nach dem Gutachten des Sachverständigen vom 01.04.2017 ist eine Erwerbsmöglichkeit für junge erwachsene Männer in Städten wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat etc. möglich, sofern sie eine Facharbeiterausbildung und Berufserfahrung aufweisen und die erforderlichen finanziellen Mittel sowie die notwendige Betreuung von verschiedenen Organisationen und staatlichen Stellen u. a. zur Gründung von Geschäften oder Werkstätten bekommen.

 

In Bezug auf den BF kann aber das Vorliegen dieser vorhin erwähnten zusätzlichen Anforderungen angezweifelt werden (zur gebotenen Einzelfallprüfung i.S. der auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR gestützten EGMR-Rechtsprechung bezogen auf Kabul s. VfGH 13.09.2013, U51513/2012). Der BF hat sich seinen Angaben nach zwar bereits in Kabul aufgehalten, jedoch nur etwa eine Woche im Alter von 13 Jahren und damit sehr kurz. Weiters war sein Arbeitsplatz (die Straße) nur 20 Minuten von dem Haus entfernt, in dem er untergebracht war. Somit ist nicht davon auszugehen, dass sich der BF problemlos in Kabul zurechtfinden würde. Das BFA geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der BF zwei Tanten in Kabul hätte (s. S. 131 a.a.O.). Zum einen ist dazu auszuführen, dass der BF seinen Angaben nach lediglich eine Tante väterlicherseits in Kabul hat. Weiters hat er angegeben, nicht zu wissen, wo seine Tante wohnt und weder hatte er zu ihr Kontakt, als er sich noch in Afghanistan aufgehalten hat, noch hat er derzeit zu ihr Kontakt. Überdies hat der in diesem Verfahren bestellte Sachverständige in seinem während der mündlichen Verhandlung am 17.07.2017 erstatteten Gutachten ausgeführt, dass die weibliche Verwandtschaft väterlicherseits keine Verpflichtung nach der afghanischen Tradition habe, Rückkehrer aufzunehmen. Diese Regelung gelte bei allen Ethnien in Afghanistan (zur Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Frage, ob der BF vor seiner Flucht in Kabul gelebt habe oder dort über sonstige soziale und familiäre Anknüpfungspunkte verfüge s. z.B. VfGH 13.09.2013, U1513/2012). Der BF hat zwar die Schule besucht, allerdings zumeist nur in den Wintermonaten, und im Alter von 13 Jahren musste er auf Wunsch seines Vaters die Schule abbrechen. Eine Berufsausbildung hat er nicht erhalten, er war in Afghanistan Hirte und Feldarbeiter und hat im Iran lediglich Hilfsarbeitertätigkeiten ausgeführt. Einerseits sind landwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten in einem urbanen Gebiet wie in der Stadt Kabul als sehr eingeschränkt zu beurteilen, andererseits weist der BF nicht die Facharbeiterausbildung auf, die ein Überleben in Kabul ermöglichen würde. Ebenso ist zu bezweifeln, ob und in welchem Ausmaß der BF eine ausreichende finanzielle Unterstützung von Seiten seiner im Ergebnis nur von einer bäuerlichen Kleinbewirtschaftung lebenden Familie in einer von Bürgerkrieg geprägten Provinz erwarten kann. Dabei ist auch der Umstand nicht zu vernachlässigen, dass der Vater des BF Glücksspiele gespielt hat und nur unregelmäßig berufstätig war und zu einem Großteil seine Mutter die Familie erhalten hat. Die Familie hat im Unterschied zu anderen Familien im Dorf keinen Grundbesitz und die finanzielle Situation der Familie ist nicht als gut zu bezeichnen. Der BF hat nach seinen Angaben keine gute Beziehung zu seinem Vater, in der Beschwerdeschrift wird sogar vorgebracht, dass der BF aus der Familie ausgeschlossen sei. Hinzuzufügen ist, dass der BF zwar im Iran Kontakt zu seiner Familie hatte, aktuell jedoch nicht mehr. Beim BF kommt noch hinzu, dass dieser bereits in jungen Jahren dazu gezwungen war, in den Iran zu fliehen, und dort auch sieben Jahre seines Lebens verbracht hat, ohne nach Afghanistan wieder zurückzukehren. Daher hat der BF einen wesentlichen Teil seiner Sozialisation im Iran erfahren. In der mündlichen Verhandlung stellte sich auch heraus, dass der BF Dari mit iranischem Akzent spricht, was überdies auch vom Sachverständigen bestätigt wurde. Die Aussicht einer erfolgreichen Reintegration des BF in die afghanische Gesellschaft würde dies jedenfalls nicht unmaßgeblich beeinträchtigen. Eine weitere in der Person des BF gelegene und in Zusammenschau mit den bereits dargelegten Aspekten maßgebliche Erschwernis im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan ist in dem Umstand zu erblicken, dass der BF (aufgrund seines Aussehens) erkennbar einer ethnischen und religiösen Minderheit in Afghanistan angehört. In Verbindung mit seinem hörbaren iranischen Akzent wäre der BF gegenüber der übrigen afghanischen Bevölkerung als "Fremder im eigenen Land" exponiert und gegebenenfalls sogar (etwa bei der Arbeitssuche) diskriminiert.

 

Der oben angeführten Rechtsprechung zufolge bedürfe es daher des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen, aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat bzw. in Kabul im Allgemeinen. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen. Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.

 

Dies kann beim BF gegenständlich aufgrund der angeführten nur ihn individuell treffenden erschwerenden Umstände im Vergleich zur Bevölkerung in der Stadt Kabul im Allgemeinen im Ergebnis bejaht werden. Im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung der festgestellten Gefährdungsaspekte, nämlich in genereller Hinsicht bezüglich der durch die jüngsten Terroranschläge in Kabul gegenwärtig zum Entscheidungszeitpunkt verschärften Gefahrenlage, in individueller Hinsicht bezüglich den den BF betreffenden Aspekten, kommt das BVwG somit zum Schluss, dass diese einzeln und isoliert betrachtet u.U. für sich allein nicht für die Annahme einer Gefahr i.S.d. Art. 2 und 3 EMRK für den BF reichen könnten, jedoch jedenfalls in ihrer Summe (s.a. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Rz. 203, mit dem Hinweis, nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Antragsteller" zu verfahren, der wegen dem mit der GFK vergleichbaren Schutzzweck bei Art. 2 f. EMRK auch hier sinngemäß gilt). Die den BF treffende Gefahr weist jedenfalls in ihrer Summe ein Maß an Nachhaltigkeit und Intensität auf, die einen Verbleib des Betroffenen im Heimatland als unerträglich (vgl. z. B. VwGH 11.11.1998, 98/01/0312, 18.02.1999, 98/20/0468) oder die Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates als unzumutbar erscheinen lassen (vgl. dazu die auch auf die Erheblichkeit einer Gefahr i.S.d. Art. 2 f. EMRK übertragbare Rechtsprechung u.a. z.B. VwGH 12.09.1996, 95/20/0288; 23.09.1998, 98/01/0224).

 

Nur der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sinngemäß diese Beurteilung auch auf die Situation des BF im Falle seiner Rückführung in die Städte Mazar-e Sharif und Herat gilt. Damit ist die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den genannten Städten jedenfalls auch nicht zumutbar. Eine Abschiebung des BF würde eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK darstellen.

 

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a i.V.m. § 9 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor, weil einerseits sie nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG) und andererseits der BF unbescholten ist (Z 3 leg. cit.).

 

Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG stattzugeben.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

Da im gegenständlichen Fall dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt wurde (s. Spruchpunkt II. des Erkenntnisses), war daher dem BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr zu erteilen.

 

3.3. Zu Spruchpunkt B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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