VwGH 2005/05/0320

VwGH2005/05/032022.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, in der Beschwerdesache der Oö. Umweltanwaltschaft in 4021 Linz, Stifterstraße 28, gegen den Gemeinderat der Stadt Leonding, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Entscheidung über eine Berufung, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
AVG §63 Abs4;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §63 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0214, zu entnehmen. Festzuhalten ist daraus, dass der Bürgermeister der Stadtgemeinde Leonding (in der Folge kurz: Bürgermeister) mit Bescheid vom 13. Juli 2004 eine Baubewilligung erteilt hatte. Die nunmehrige Beschwerdeführerin erhob dagegen mit Schriftsatz vom 4. August 2004 (eingelangt bei der Gemeinde am 6. August 2004) Berufung.

Mit dem im zuvor genannten hg. Beschwerdefall Zl. 2004/05/0214 angefochtenen Bescheid der Oö. Landesregierung als Aufsichtsbehörde vom 3. August 2004 (der bei der Gemeinde am selben Tag einlangte) wurde der Baubewilligungsbescheid vom 13. Juli 2004 gemäß § 103 Abs. 1 Oö. GemO. 1990 wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben.

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und der mit der Beschwerde vorgelegten Beilagen geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem (weiteren) Sachverhalt aus:

Nach Einbringung der Berufung erging eine "für den Bürgermeister" gefertigte Erledigung vom 18. August 2004 an die Beschwerdeführerin. Darin heißt es nach Hinweis darauf, dass der Baubewilligungsbescheid vom 13. Juli 2004 mit Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 3. August 2004 wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden sei und dass die Beschwerdeführerin nunmehr gegen den aufgehobenen Bescheid mit Schriftsatz vom 4. August 2004 (bei der Gemeinde eingelangt am 5. August 2004) Berufung erhoben habe:

"Auf Grund der rechtskräftigen Behebung des Baubewilligungsbescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Leonding wird um Mitteilung ersucht, inwieweit die gegenständliche Berufung aufrecht erhalten wird."

Die Beschwerdeführerin erwiderte am 31. August 2004, dass sie mit Schriftsatz vom 4. August 2004 den Bescheid des Bürgermeisters vom 13. Juli 2004 mit Berufung bekämpft habe. Zwischenzeitig sei jedoch mit dem Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 3. August 2004 der in Berufung gezogene Bescheid wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden.

"Da zum Zeitpunkt des Einlangens der Berufung bei der Behörde I. Instanz kein Bescheid mehr vorlag, ginge wohl eine diesbezügliche Berufung ins Leere.

Die Oö. Umweltanwaltschaft zieht daher ihre Berufung vom 4. August 2004 (eingelangt bei der Behörde I. Instanz am 5. August 2004) zurück."

Es folgt dann ein Vorbringen in der Sache für das nach Auffassung der Beschwerdeführerin fortzusetzende Baubewilligungsverfahren.

Mit dem eingangs genannten hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0214, dem das Nähere zu entnehmen ist, wurde der kassatorische Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 3. August 2004 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

In der Folge begehrte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. Jänner 2005 von der Baubehörde die "offizielle Zustellung des im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren ergangenen Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Leonding vom 13. Juli 2004" (zitiert nach dem Vorbringen in der Beschwerde). Der Bürgermeister hielt dem entgegen, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der mit Schreiben vom 31. August 2004 kundgetanen Zurückziehung ihrer Berufung die Tatsache der Bescheidzustellung selbst ausdrücklich zugestanden habe. In der Folge beharrte die Beschwerdeführerin auf der bescheidmäßigen Erledigung ihrer Anträge auf Zustellung des im Baubewilligungsverfahren ergangenen Bescheides, wobei (so das Beschwerdevorbringen) diesem Ansuchen "in keiner Weise Rechnung getragen" worden sei. Mit Schreiben vom 23. Juni 2005 erinnerte die Beschwerdeführerin die Gemeindeorgane an die Einbringung des Rechtsmittels, legte nochmals ihre Meinung dar und beantragte eine ehestmögliche Absprache über die Berufung. Diese erfolgte nicht.

Mit der vorliegenden, beim Verwaltungsgerichtshof am 11. November 2005 eingelangten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass der Gemeinderat der Stadt Leonding als Berufungsbehörde bislang nicht über ihre Berufung vom 4. August 2004 entschieden habe. Zusammengefasst bringt sie vor, die Zurückziehung ihrer Berufung sei auf Grund von Willensmängel unwirksam. Ausschlaggebend für die Zurückziehung der Berufung vom 4. August 2004 sei nämlich nicht etwa ihre Überzeugung gewesen, dass die darin vorgetragenen Argumente jeder Aussicht auf Erfolg entbehrten und daher besser nicht aufrecht erhalten werden sollten; im Gegenteil. Sie habe sich lediglich mit einer faktischen Situation konfrontiert gesehen, in welcher die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des von ihr erhobenen Rechtsmittels nach ihrer Einschätzung nicht mehr gegeben gewesen seien, weil nach ihrer Überzeugung die Baubewilligung damals nicht mehr zum Rechtsbestand gehört habe. Sie habe demnach, wie aus heutiger Sicht rückblickend festzustellen sei, falsche Vorstellungen über die Möglichkeit einer Berufung gehabt (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0601). Überdies sei das Schreiben der Baubehörde vom 18. August 2004 ein für die Entstehung ihres Irrtums ursächliches Verhalten gewesen, sei sie doch darin um ausdrückliche Mitteilung ersucht worden, inwieweit die gegenständliche Berufung aufrecht erhalten werde.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Gemäß § 63 Abs. 4 AVG ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.

Ob die Partei auf die Einbringung der Berufung verzichtet oder nach deren Einbringung die Berufung zurückzieht, macht keinen Unterschied; auch der nachträgliche Verzicht auf die Berufung hat zur Folge, dass die von der Partei eingebrachte Berufung nicht mehr meritorisch erledigt werden darf. Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist allerdings nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt (siehe dazu beispielsweise auch das von der Beschwerdeführerin zitierte hg. Erkenntnis vom 16. November 1998, Zl. 98/10/0360, mwN).

Vor diesem Hintergrund ist die von der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 31. August 2004 erklärte Zurückziehung der Berufung eindeutig und unmissverständlich.

Die Beschwerdeführerin macht allerdings geltend, diese Erklärung sei von Willensmängeln behaftet gewesen. Es trifft zu, dass, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, Willensmängeln bei der Erklärung eines Berufungsverzichtes rechtserhebliche Bedeutung zukommen kann (siehe dazu das von der Beschwerdeführerin bezogene, schon genannte hg. Erkenntnis vom 16. November 1998, Zl. 98/10/0360, wie im Übrigen auch die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, in E 223 ff zu § 63 AVG angeführte hg. Judikatur).

Allerdings ist dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ein solcherart relevanter Willensmangel nicht zu entnehmen. Er ist insbesondere auch nicht darin zu erblicken, dass der Bürgermeister mit dem Schreiben vom 18. August 2004 um Bekanntgabe ersuchte, ob im Hinblick auf die Aufhebung des Baubewilligungsbescheides durch die Aufsichtsbehörde die Berufung aufrecht bleibe. Der Baubewilligungsbescheid war ja zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig aufgehoben, weil der aufsichtsbehördliche Bescheid, mit welchem die Aufhebung erfolgte, ein letztinstanzlicher Bescheid war, der nicht mit Berufung angefochten werden konnte. Die Beschwerdeführerin hatte allerdings bei ihrer Erklärung, die Berufung zurückzuziehen, möglicherweise nicht bedacht, dass der formell rechtskräftige aufsichtsbehördliche Bescheid vom 3. August 2004 infolge einer Beschwerde an einen Gerichtshof des öffentlichen Rechtes aufgehoben werden könnte, was schließlich auch geschah. Dieser Umstand ist aber den Motiven der Beschwerdeführerin für ihre Erklärung, die Berufung zurückzuziehen, zuzurechnen, und kann nicht als im gegebenen Zusammenhang rechtserheblicher Willensmangel qualifiziert werden (vgl. abermals das von der Beschwerdeführerin genannte hg. Erkenntnis vom 16. November 1998, Zl. 98/10/0360).

Zusammenfassend gibt das Beschwerdevorbringen daher keinen Anlass, von der Rechtsunwirksamkeit der Prozesserklärung, die Berufung zurückzuziehen, auszugehen. War aber die Berufung rechtswirksam zurückgezogen, ist die von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht durch die nun belangte Behörde zu verneinen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 22. November 2005

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