BVwG W200 1422898-2

BVwGW200 1422898-25.7.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W200.1422898.2.00

 

Spruch:

W200 1422898-2/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2015, Zl. 810381306-1349235, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.06.2017, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Erstverfahren:

 

Der Beschwerdeführer führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der paschtunischen Volksgruppe an und ist sunnitischer Moslem, reiste am 20.04.2011 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag führte er aus, dass sein Vater 1982 angeblich von seinen Familienangehörigen getötet worden sei. Seine Mutter hätte seither psychische Probleme. Er hätte die Grundstückspapiere der Familie vor fünf Jahren an seine Schwester übergeben und sei danach in den Iran geflohen. Dann möchte er die Grundstücke des Vaters ein zweites Mal aufteilen und einen großen Teil für sich beanspruchen. Aus Angst vor den Familienangehörigen des Vaters sei er geflohen.

 

Der Beschwerdeführer legte eine Geburtsurkunde sowie ein gerichtsmedizinisches Gutachten hinsichtlich des Bruders des Beschwerdeführers der Gerichtsmedizin Kabul, Bestätigung der Mitgliedschaft des Olympischen Komitees in Afghanistan, ein auf die Mutter ausgestelltes Rezept, Anteilscheine einer Textilfirma, einer Firma in Balkh und der Firma XXXX, eine Besitzurkunde eines Grundstückes hinsichtlich des Besitzers Mohammad Jan Khan und eine Steuereinzahlungsbestätigung der afghanischen Bank vor.

 

Im Rahmen der Einvernahme am 10.10.2011 gab er an XXXX und von Beruf Schneider zu sein. Er hätte mit einem Partner ein Geschäft geführt, das derzeit geschlossen sei. Er hätte zwei Schwestern und zwei Brüder und eine Stiefschwester und einen Stiefbruder. Ein Bruder sei verstorben, von einem wisse er nicht, wo er sich aufhalte. Eine Schwester sei ebenfalls verstorben und die andere lebe in Kabul. Sie hätte vier oder fünf Kinder. Sein Halbbruder sei ebenfalls verstorben und die Halbschwester lebe in Dubai. Seine Mutter lebe in Kabul bei der Schwester. Sein Schwager kümmere sich um sie, er sei ein guter Mensch.

 

Sein Vater sei verstorben, als er sechs oder sieben Monate alt gewesen wäre. Der Tod des Vaters sei "fraglich" gewesen. Die Familie habe einen blauen Fleck am Hals gesehen, andere würden sagen, dass es ein natürlicher Tod gewesen sei. Sein Vater sei Lehrer an der Universität gewesen. Ihre Mutter hätte danach seinen Onkel nach fünf Jahren geheiratet. Dieser sei auch bereits gestorben, eine Rakete hätte ihn im Krieg getötet.

 

Zum Verlassen Afghanistans gab er an, dass sein Großvater ein reicher Mann gewesen sei. Dieser hätte insgesamt sieben Kinder inklusive seines Vaters und seines Onkels gehabt. Er wisse aber nicht, ob Kinder des Großvaters schon in der Kindheit verstorben seien. Von den fünf Onkeln, die er gehabt hätte, kenne er selbst nur drei.

 

Die älteren Söhne seines Großvaters hätten diesem das Geschäft aus der Hand genommen und ihm mit vielen Tricks das Geld aus der Tasche gezogen und in die eigene Tasche gesteckt. Sein Großvater hätte seinen Vater geliebt. Deshalb hätte er gesagt, dass sein Vater über viele Sachen in der Familie entscheiden könne. Dieser sei auch in die Schule gegangen und hätte in Ägypten studiert. Als er vom Studium zurückgekehrt sei, hätte er seinen Anteil der Grundstücke bekommen. Sein Großvater sei bereits tot gewesen. Die anderen Brüder hätten vor seinem Vater Angst gehabt, weil sie ihm zuvor schlechte Sachen angetan hätten. Sein Vater sein ein gebildeter Mann gewesen und hätte ein Mädchen aus Kabul geheiratet. Die Brüder des Vaters seien mit der Hochzeit nicht einverstanden gewesen. Seine Mutter sei eine Tadschikin. Vor dem Tod seines Bruders seien die Dokumente und das Geld von seinen Onkeln geraubt worden.

 

Die Grundstücke befänden sich außerhalb Kabuls. Sie hätten dann die Dokumente über die Grundstücke von den Onkeln wieder erhalten können. Er sei mit der Tochter eines Onkels befreundet und sie hätte das für ihn getan. Sie hätte sie heimlich mitgenommen und ihm die Dokumente gegeben.

 

Dies sei vor dem Tod des Bruders und seiner Ausreise in den Iran gewesen - vor sechs oder sechseinhalb Jahren. Als er die Dokumente bekommen hätte, hätte sein Onkel erfahren, dass er mit diesem Mädchen befreundet sei. Dies hätte die Probleme verschärft. Es hätte dann auch Prügeleien gegeben und auch sein Bruder sei von ihnen geschlagen worden, bevor er verstorben sei.

 

Die Dokumente der Grundstücke wären eigentlich bei seinem Vater gewesen. In der Nacht des Todes seines Vaters seien die Dokumente von seinen Onkeln gestohlen worden.

 

Nach dem Tod seines Bruders (etwa vierzig Tage danach) hätte eine Trauerzeremonie stattgefunden, an der auch die Onkel teilgenommen hätten. Es hätte einen heftigen Streit gegeben. Der Grund sei, dass sie über seinen Bruder Witze gemacht hätten. Dann hätten sie gesagt, dass auch er nächstes Jahr getötet werde und neben seinem Bruder ins Grab komme. Bei dieser Prügelei sei er geschlagen worden.

 

Befragt, wie lange er sich nach diesem Vorfall noch in Afghanistan aufgehalten hätte, gab er an, dass seine Mutter, seine Schwester und er von Kabul nach Kandahar zu einer anderen Schwester gezogen seien, wo sie drei bis dreieinhalb Monate geblieben seien. Sein Bruder und er seien dann in den Iran geflüchtet.

 

Befragt, ob er während des Aufenthalts in Kandahar irgendwelche Probleme gehabt hätte, antwortete er, dass er keine Probleme mit den Leuten dort gehabt hätte. Sein Schwager stamme aus Kandahar und sei zum Zeitpunkt der Hochzeit mit seiner Schwester ein Taliban gewesen. Als sie nach Kanadahar gezogen wären, sei er kein Taliban gewesen. Er hätte einen neuen Job gehabt und sei Geldwechsler. Während seines Aufenthaltes in Kandahar sei er mehrmals gefragt worden, ob er mit den Taliban zusammenarbeite. Der Vater seines Schwagers und die Brüder des Schwagers hätten ihn immer wieder gefragt. Dann hätte ihm seine Schwester geraten, Kandahar zu verlassen. Dann seien sie in den Iran und er hätte dort vier Jahre als Schneider gearbeitet.

 

Befragt, warum er den Iran verlassen hätte, antwortete er, dass nach ungefähr zweieinhalb Jahren er seinem Bruder zur Hochzeit seiner Schwester nach Afghanistan geschickt hätte. Er sei nicht mehr in den Iran zurückgekehrt. Seine Schwester hätte ihm dann gesagt, dass dieser im Gefängnis sei und hätte ihm auch gesagt, dass er den Iran verlassen müsse, weil die Angehörigen des Onkels ebenfalls im Iran seien. Er selbst hätte zufällig eines der Enkelkinder seines Onkels in Teheran getroffen. Deshalb hätte er den Iran verlassen. Diesen Enkel hätte er das letzte Mal bei der Trauerzeremonie des Bruders gesehen.

 

Die Frage, ob er mit diesem in Teheran gesprochen hätte, verneinte er und gab auf Nachfrage an, dass er ihn im Bazar getroffen hätte, wo viele Afghanen hingehen würden.

 

Zur Frage, ob dieser ihn erkannt hätte, gab er an, dass er selbst ihn gesehen hätte und sich versteckt hätte, damit er ihn nicht sehe. Er sei vielleicht zehn Meter entfernt gewesen.

 

Befragt, ob von seiner Familie jemals im Zuge der Grundstücksstreitigkeiten Gewalt angewendet worden sei, antwortete er, dass es Streitereien gebe. Er hätte niemanden verletzt und getötet. Er sei geschlagen worden. Seine Brüder hätten die anderen geschlagen, als er geschlagen worden sei. Die Grundstücke würden nunmehr von einem Bauern bewirtschaftet, sie würden die Hälfte der Ernte bekommen. Dieser Bauer hätte bereits auf den Grundstücken gearbeitet, als sein Vater noch gelebt hätte. Der Vertrag sei immer noch aufrecht. Von den Grundstücken, die seiner Familie gehören würden, hätten sechsunddreißig Jarib seinem Vater gehört und die zweiten sechsunddreißig Jarib seinem Onkel.

 

Befragt, wo das Mädchen, das ihm die Dokumente gegeben hätte, lebe, gab er an, dass sie im Haus ihres Vaters lebe – nicht verheiratet, fünfundzwanzig Jahre alt sei. Sie seien eng befreundet gewesen und hätten heiraten wollen. Sie hätten sich sogar entschieden, gemeinsam zu fliehen. Das Mädchen sei dann heftig von ihrem Vater geschlagen worden, dies sei auch der Grund, warum er Afghanistan verlassen hätte. Der Vater des Mädchens hätte den Heiratsantrag des Beschwerdeführers abgelehnt. Nach dem Heiratsantrag hätte er sich noch sechs oder sieben Monate in Kabul aufgehalten.

 

Befragt, ob er sich wegen der Streitigkeiten jemals an die Regierung gewandt hätte, antwortete er, dass sie es nicht bei der Polizei oder Regierung angezeigt hätten. Sie hätten es unter sich lösen wollen. Deshalb hätte er auch den Heiratsantrag gestellt. Diese hätten sie zuerst abgelehnt und dann gesagt, dass es möglich sei, wenn seine Familie ihnen auch ein Mädchen gäbe – also einen Tausch. Den Tausch hätten sie abgelehnt. Sie seien in der Stadt aufgewachsen und gebildet, die anderen seien vom Dorf, das passe nicht zusammen.

 

Die Aussage seiner Schwester, dass sein Bruder im Gefängnis gewesen sei, sei unrichtig gewesen. Sie hätte ihm nicht sagen wollen, dass er tot sei.

 

Befragt, wann er erfahren hätte, dass ihm seine Schwester den Tod seines Halbbruders verschwiegen hätte, antwortete er, dass er dies erst in Österreich durch einen Brief seines Schwagers erfahren hätte. Er hätte erfahren, dass sein Bruder von seinen Cousins geschlagen und dann vergewaltigt worden sei. Später sei er dann tot gewesen. Weiters nannte er die Namen der Cousins. Dass diese die Täter seien, hätte man ihm am Telefon gesagt.

 

Befragt, warum sie ihren Gegner nicht die Grundstücke überlassen hätten, da er doch selbst berufstätig sei und für seinen Lebensunterhalt sorgen hätte können, antwortete er, dass dies eine Sache der Ehre sei. Das seien die Grundstücke seines Vaters und die kann man nicht so einfach hergeben.

 

Im Fall einer Rückkehr würde ihn das gleiche Schicksal wie seinen Bruder treffen. Er fühle sich an den Streitereien Schuld, deshalb sehe er sich in Gefahr. Seine Mutter wisse noch nichts vom Tod ihrer Söhne.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.11.2011 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigens in Bezug auf Afghanistan abgewiesen und dieser nach Afghanistan ausgewiesen.

 

Diese Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht gem. § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 09.10.2014 wurde der Beschwerdeführer gem. § 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

 

Zweitverfahren:

 

Am 05.05.2015 erfolgte eine neuerliche Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wo er angab, dass seine Fluchtgründe gleich geblieben seien. Er stehe noch in Kontakt zu Familienangehörigen in Afghanistan per Telefon und per Skype. Derzeit lebe seine Familie in der Stadt Kandahar gegenüber der Moschee XXXX. Er selbst hätte in Kabul in einer Mietwohnung gelebt, seine Familie hätte ursprünglich Grundstücke und ein Haus am Land besessen. Er hätte bis zu seinem 19. Lebensjahr in Kabul gelebt und dort die Schule besucht.

 

Befragt, ob er das Haus am Land und die Grundstücke somit nicht selbst gesehen hätte, antwortete er, dass er sie als Kind gesehen hätte und dass sein Vater auch dort begraben sei. Dieser sei gestorben, als er sieben oder acht Monate alt gewesen sei. Er sei dann in den Iran gereist und hätte dort drei oder vier Jahre gelebt, sei dann nach Afghanistan zurückgekehrt, hätte dort große Probleme bekommen und hätte Afghanistan erneut Richtung Iran verlassen, wo er vier oder fünf Jahre geblieben sei. Danach sei er nach Österreich.

 

Den Alltag in Kabul hätte seine Familie bestreiten können. Er selbst hätte seit seiner Kindheit das Land verlassen wollen, da es nur Krieg gebe. Letztmalig hätte er Afghanistan vor zehn Jahren verlassen.

 

Befragt, warum er den Iran verlassen hätte, antwortete er, schlechte Erinnerungen an den Iran zu haben.

 

In Afghanistan hätte er als Metzger und später als Metallarbeiter gearbeitet, im Iran erst als Bauarbeiter, danach in einer Baumwollfabrik und zuletzt als Schneider. Er hätte das Geld für die Reise im Iran gespart. Später hätte er noch von seiner Schwester Unterstützung erhalten, die ihren Goldschmuck verkauft hätte.

 

Aufgefordert, seine Fluchtgründe bekannt zu geben, gab er an, dass es familiäre Probleme und Feindschaften gegeben hätte. Es hätte mit seinem Großvater begonnen, sein Vater hätte die gleichen Probleme gehabt und sei deswegen getötet worden – genau wie sein Bruder. Es sei im Wesentlichen um die Grundstücke gegangen.

 

Eines Tages sei sein Vater nach der Arbeit nach Hause gekommen, es sei ihm nicht gut gegangen und wenig später hätte ihn sein Bruder tot gefunden. Die Onkel hätten dann die wichtigen wirtschaftlichen Unterlagen seines Vaters geraubt. Es seien Grundbuchsauszüge, Unterlagen über Anteile an einer Textilfabrik, viel Bargeld und solch wichtige Dokumente weggekommen. Diese wären alle in einer Metallbox gewesen. Nach dem Tod des Vaters sei die Familie praktisch zerstört gewesen. Dies sei so weitergegangen, bis er eines Tages seine Cousine - die Tochter seines Onkels – heiraten hätte wollen. Es sei aber nicht zur Hochzeit gekommen. Durch sie hätte er es aber geschafft, die gestohlenen Dokumente des Vaters wiederzubekommen. Diese Unterlagen hätte er bei seiner Schwester gelassen und sei in den Iran gereist. Er hätte seine Cousine mitnehmen wollen, aber das hätte nicht geklappt. Die familiären Verhältnisse seien dann eskaliert. Aus Sicht ihrer Familie hätten sie ihre beschmutzt, da sie bereits Sex vor der Ehe gehabt hätten. Die Familie des Mädchens hätte davon erfahren. Sein Bruder hätte sofort im Namen der Familie einen Heiratsantrag für ihn gestellt. Dieser sei abgelehnt worden, da er die Ehre der Familie beschmutzt hätte. Sie wollten die Tradition "Baad" durchführen. Dies sei bei Paschtunen sehr üblich. Laut dieser Tradition sollte er als Vergewaltiger getötet werden oder seine Familie sollte zwei Mädchen mit zwei Söhnen dieser Familie verheiraten. Seiner Familie sein es unmöglich gewesen, diesem Ritual zuzustimmen. Die Mädchen seien Uni-Absolventinnen und hätten mit Analphabeten verheiratet werden sollen. Dies sei gar nicht gegangen. Wenig später sei sein älterer Bruder unter unbekannten Umständen ums Leben gekommen. Er sei der Ansicht, dass diese Familie dahinter stecke. Es gäbe aber keine Beweise. Am vierzigsten Tag des Todes hätte es eine Trauerzeremonie gegeben, wobei es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen den beiden Familien gekommen sei. Danach sei er mit seiner Mutter und der Schwester nach Kandahar geflüchtet, sei dort zwei Monate geblieben. Es sei für ihn nicht möglich gewesen langfristig dort zu leben. Seine Schwester und seine Mutter seien bei der älteren Schwester in Kandahar geblieben und sein Bruder und er seien in den Iran gegangen. Einige Zeit später hätte seine Schwester in Afghanistan heiraten wollen. Er hätte Angst gehabt, persönlich nach Afghanistan zurückzukehren, da er gewusst hätte, dass die Familie konkret hinter ihm her sei – wegen der Beziehung zu dem Mädchen und weil er durch sie die Unterlagen des Vaters zurückbekommen hätte. Er hätte seinen Bruder nach Afghanistan geschickt, der dort vergewaltigt und getötet worden wäre. Seine Schwester hätte ihm lange verheimlicht, dass sein Bruder in Afghanistan getötet worden sei. Sie hätte gesagt, dass es einen Streit gegeben hätte, dieser festgenommen und bald wieder freigelassen worden wäre. Seine Schwester hätte ihm geraten, den Iran zu verlassen und in ein sicheres Land zu gehen und nicht mehr nach Afghanistan zurückzukehren. Erst als er in Sicherheit gewesen wäre, hätte sie ihm alles erzählt.

 

Dies sei der einzige Grund – entweder wäre er getötet oder er müsse die anderen umbringen. Sie seien ihm aber zahlenmäßig überlegen. Er hätte fünf Onkel väterlicherseits und fünfundzwanzig Cousins. Die Dokumente seien jetzt bei seiner Schwester in Kandahar. Die gesamten Grundstücke seien nach dem Tod des Großvaters an alle Söhne aufgeteilt worden. Sein Vater und dessen leiblicher Bruder seien zum Zeitpunkt des Todes des Großvaters zirka acht Jahre alt gewesen. Die anderen Stiefbrüder seien deutlich älter gewesen, hätten die Unterlagen manipuliert und die wertvollsten Teile bekommen. Für den Vater und den Onkel sei nur wenig übergeblieben. Als sein Vater älter wurde und in Ägypten studiert hätte, hätte er verstanden, dass er benachteiligt worden sei. Nach der Rückkehr nach Afghanistan hätte er alle Brüder versammelt und verlangt, dass die Anteile erneut aufgeteilt werden sollten. Seither gebe es diese Feindschaft. Sein Vater und sein Bruder seien die jüngsten Kinder des Großvaters gewesen. Befragt, ob dann die Stiefbrüder nach der Tradition als ältere Söhne bei der Vererbung der Grundstücke bevorzugt worden seien, antwortete er, dass alle gleich viel bekommen sollten. Die Anteile seien theoretisch gleich, aber die Älteren könnten die Jüngeren benachteiligen. Der Großvater hätte auch mehrere Anteile verschiedenen Firmen und Fonds und diese hätten diese Brüder für sich behalten.

 

Sein Großvater hätte seiner jüngsten Frau – der Mutter seines Vaters – ein sehr großes Haus in Kabul geschenkt. Er hätte sicher sein wollen, dass die Zukunft dieser Frau und deren Kinder gesichert sei. Das Haus hätte über dreißig Zimmer gehabt und die Zimmer konnte man vermieten und ein Einkommen lukrieren. Mit diesem Geld hätte sie das Studium des Vaters in Ägypten finanziert.

 

Die Frage, ob der Vater einen jüngeren Bruder gehabt hätte, bejahte er und antwortete auf die Frage, ob dieser sich mit den anderen Brüdern nicht gestritten hätte, dass er sehr wohl mit ihnen gestritten hätte, aber kurz nach Beginn des Najibullah – Regimes gestorben sei, als der Beschwerdeführer neun oder zehn Jahre alt gewesen sei.

 

Befragt, warum nur sein Vater Streit mit den Brüdern gehabt hätte und die anderen nicht gestritten hätten, gab er an, dass es ganz einfach sei: sein Großvater hätte zwei Frauen vor der Großmutter gehabt. Diese hätten sich nicht untereinander verstanden. Da sein Vater und sein Bruder die Jüngsten gewesen seien, seien sie am meisten benachteiligt worden. Er hätte drei Schwestern und drei Brüder, nur der ältere Bruder lebe noch, zwei wären älter gewesen und einer jünger. Der noch Lebende habe Afghanistan verlassen und lebe in Moskau. Die Mutter lebe mit einer Schwester in Kandahar.

 

Befragt, ob er jemals von seinen Onkeln konkret bedroht worden sei, antwortete er, dass sein Onkel und sein Cousin ihn aus dem Taekwondo-Club herausgezerrt und verprügelt hätten. Es sei um die Cousine gegangen, aber vorwiegend um die Grundstücke.

 

Befragt, ob sie konkret wegen der Grundstücke auf ihn eingeschlagen hätten, antwortete er, dass diese dabei gesagt hätten "Was ist mit den Dokumenten, wo sind sie?". Befragt, wann dieser Übergriff stattgefunden hätte, antwortete er, es nicht zu wissen. Vielleicht 1379 (2000). Ein Bruder sei damals in Pakistan gewesen und sie hätten nach ihm gefragt. Der Club sei in Kabul gewesen und er sei damals achtzehn oder neunzehn Jahre alt gewesen.

 

Darauf hingewiesen, dass sein Stiefvater gestorben sei, als er neun oder zehn Jahre alt gewesen sei und er tätlich angegriffen worden sei, als er achtzehn oder neunzehn Jahre alt gewesen sei und befragt, warum er erst zehn Jahre nach dem Tod des Stiefvaters und neunzehn Jahre nach dem Tod des Vaters angegriffen worden sei, antwortete er, nur vermuten zu können, dass sie von der Beziehung zur Cousine erfahren hätten und dies als Vorwand genutzt hätten, um ihn zu verprügeln.

 

Befragt, ob es nach diesem Vorfall konkrete Drohungen gegen ihn gegeben hätte, antwortete er, dass es weitere Drohungen geben hätte, als sein älterer Bruder begraben worden sei.

 

Aufgefordert, zu den übermittelten Länderfeststellungen Stellung zu nehmen, antwortete er, dass alles einseitig beschrieben sei. Die andere Seite der Wahrheit sei, dass Leute auf der Straße getötet würden und die Polizei nur zuschaue. Die Leute, die den Bruder getötet hätten, seien als Polizisten verkleidete Personen gewesen.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete eine Anfrage an die Staatendokumentation zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die zu folgendem Ergebnis führte:

 

"Inhalt:

 

( ) Ausgangslage: "Laut Angaben des Antragstellers hätten nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1982 dessen Brüder (der Großvater hatte 7 Kinder von 3 Frauen) versucht, das Erbe/Erbteil neu zu verteilen. Die Brüder seines Vaters hätten die Grundstücksdokumente gestohlen, die Tochter eines der Onkel des Antragstellers hätte sie ihm aber wiedergegeben.

 

Die Mutter des Antragstellers würde nun mit einer Schwester des Antragstellers namens XXXX in Kandahar, gegenüber der Moschee XXXX leben. Die betreffenden Grundstücke sollen sich im Bezirk XXXX in der Provinz Kabul befinden.

 

Daten des Antragstellers

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

XXXX

 

Geschwister: 3 Schwestern, 3 Brüder

 

Fragestellung:

 

1. Ist feststellbar, ob es die betreffenden Grundstücke und Grundstücksstreitigkeiten gab oder immer noch gibt? (Siehe beiliegenden Kaufvertrag des Großvaters des Antragstellers)

 

2. Wie stellen sich die nunmehrigen Besitzverhältnisse an den Grundstücken dar?

 

3. Haben die in der Anlage angeführten Aktien und Anteilsscheine heute noch einen realen Wert?

 

4. Existieren die auf den Aktien/Anteilsscheinen angeführten Firmen noch?

 

( )

 

7. Ist Kandahar von Kabul oder Mazar-e-Sharif aus gefahrlos erreichbar - und falls ja, wie?

 

( )

 

Methode der Erhebung:

 

Der beauftragte Rechercheur kontaktierte zuerst das afghanische Ministerium für Handel und Industrie unter dem Vorwand eine Reihe von Betrugsdelikten mit gefälschten Anteilsscheinen untersuchen zu wollen. Über das Ministerium konnten dann wiederum die Kontakte zu lokalen Behörden etabliert werden, die dann letztlich auch eine Befragung vor Ort ermöglichten. Die Kontaktdaten hierzu sind:

 

Büro d. Direktors d. Kriminalabteilung d. Distriktes XXXX XXXX

 

Büro d. Polizeichefs d. Distriktes XXXX XXXX

 

Hr. XXXX/Einwohner v. Karte Parwan XXXX

 

Hr. XXXX/Direktorat f. Entwicklung d. Ministeriums f. Handel u. Industrie 082662102

 

Hr. XXXX/Direktorat f. Entwicklung d. Ministeriums f. Handel u. Industrie XXXX

 

Ergebnisse der Erhebung:

 

1. Ist feststellbar, ob es die betreffenden Grundstücke und Grundstücksstreitigkeiten gab oder immer noch gibt? (Siehe beiliegenden Kaufvertrag des Großvaters des Antragstellers)

 

Die Grundstücke existieren, allerdings sind der Antragsteller und dessen Familie dort unbekannt. Darüber hinaus wird in den übermittelten Urkunden erwähnt, dass sich die Grundstücke in XXXX, Teil von XXXX befinden. Es stimmt zwar, dass Teile von XXXX früher zu XXXX gehörten, allerdings lag und liegt die Ortschaft XXXX immer noch in XXXX XXXX und nicht wie in dem Dokument angegeben in XXXX. Der vom Antragsteller behauptete Streit um die Grundstücke konnte nicht bestätigt werden, da keiner der befragten Anwohner die Familie des Antragstellers oder diesen selbst kannte.

 

2. Wie stellen sich die nunmehrigen Besitzverhältnisse an den Grundstücken dar?

 

Der Besitzer des erwähnten und mehrerer anderer Grundstücke, ist ein Kommandant namens XXXX.

 

3. Haben die in der Anlage angeführten Aktien und Anteilsscheine heute noch einen realen Wert?

 

Keine der auf den Anteilsscheinen vermerkten Unternehmungen existiert heute noch. Darüber hinaus wäre das Vermögen der Unternehmung bei Vollbeendigung unter den Gesellschaftern / Anteilseignern aufzuteilen. Somit muss davon ausgegangen werden, dass den Anteilsscheinen kein Wert beizumessen ist.

 

4. Existieren die auf den Aktien/Anteilsscheinen angeführten Firmen noch?

 

Laut Auskunft des Ministeriums für Handel und Industrie existiert keine der genannten Firmen mehr.

 

5. Ist Kandahar von Kabul oder Mazar-e-Sharif aus gefahrlos erreichbar - und falls ja, wie?

 

Sowohl von Mazar-e Sharif als auch von Kabul aus besteht die Möglichkeit mit dem Flugzeug nach Kandahar zu gelangen. Die Flugzeit liegt bei etwa zwischen ein und zwei Stunden, es gibt jeden Tag mindestens einen Direktflug und der Preis pro Strecke beträgt zwischen 90 und 100 USD. Weiters gibt es Busverbindungen von Mazar nach Kabul und von Kabul nach Kandahar. Für die Strecke Kabul-Kandahar benötigt man mit dem Bus in etwa 10 Stunden (über den Flighway Kabul-Kandahar).

 

Schlussfolgerung:

 

Die Angaben des Antragstellers konnten nicht bestätigt werden. Die Angabe der Lage der Grundstücke weist erhebliche Ungenauigkeiten auf, die die Echtheit des Dokuments an sich in Frage stellen, darüber hinaus war der Antragsteller und dessen Familie im fraglichen Gebiet völlig unbekannt und auch die behauptete Grundstückstreitigkeit war dort nicht bekannt. Die übermittelten Anteilsscheine sind vollkommen wertlos, da die darauf angeführten Unternehmungen allesamt nicht mehr existieren und bei Auflösung derselben, die Aufteilung der Vermögenswerte unter den Anteilseignern bereits vorgenommen wurde."

 

In der dazu im Parteiengehör abgegebenen Stellungnahme konnte sich der Beschwerdeführer nicht erklären, warum der Rechercheur seine Familie nicht gefunden hätte, da sie in der Gegend sehr bekannt sei. Der nunmehrige Besitzer (Kommandant XXXX) der Grundstücke könne sie nur auf illegalem Weg erworben haben. Die Dokumente hätte er von seinem Großvater bekommen. Die auf dem Foto abgebildeten Grundstücke seien nicht seine.

 

Mit Bescheid vom 22.09.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und ihm eine zweiwöchige Ausreisefrist gewährt.

 

Im Rahmen der dagegen erhobenen Beschwerde wiederholte er sein Beschwerdevorbringen, unter anderem, dass die sexuelle Beziehung mit der Tochter des Onkels dazu geführt hätte, dass von ihm die Durchführung der Tradition "Baad" gefordert worden wäre. Er wolle hinzufügen, dass seine Onkel einflussreiche Männer seien und Beziehungen zu den Taliban hätten. Er vertrete weiterhin die Auffassung, dass der Garten ihm zustehe, womit er eine Werthaltung an den Tag lege, die für die Gestaltung bzw. Erhaltung der Ordnung des Gemeinwesens und des geordneten Zusammenlebens der menschlichen Individuen in der (lokalen) Gemeinschaft des Herkunftsdorfs des Beschwerdeführers von Bedeutung sei.

 

Im Rahmen der am 30.06.2016 öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung grüßte der Beschwerdeführer die Richterin und den anwesenden Dolmetscher mit "Servas" und wiederholte in der Befragung Afghane, Paschtune, Sunnite zu sein. Er hätte bis zum 19. Lebensjahr in Kabul gelebt, habe zehn Jahre die Schule besucht, dann sei er für ca. neun oder zehn Jahre in den Iran. Seit 20.04.2011 lebe er in Österreich. Er sei direkt vom Iran nach Österreich gefahren.

 

Die Familie hätte Grundstücke besessen - auch ein Saraj (eine Art Lager für Waren vom Großhändler); davon hätte sie gelebt.

 

Seine Mutter lebe jetzt gemeinsam mit meiner Schwester in Kandarhar. Befragt, warum er am 10.10.2011 gesagt hätte, dass die Schwester und die Mutter in Kabul leben würden, antwortete er, dass diese damals dort gelebt hätten, sie lebten seit drei Jahren gemeinsam in Kandarhar. Auf den Vorhalt, dass er bei allen anderen Einvernahmen gesagt hätte, dass er mit seiner Mutter und Schwester nach Kandarhar gegangen sei und die beiden dort geblieben seien, antwortet er, dass das, was er gesagt habe, stimme.

 

Darauf hingewiesen, dass es den Eindruck erwecke, dass er wisse, dass seine Chancen für ein Verbleiben in Österreich gleich Null seien, wenn er Angehörige in Kabul habe und dass er deshalb seine Aussage geändert hätte, antwortete er, dass allgemein bekannt sei, dass die Sicherheitslage in Kabul viel schlimmer sei als in anderer Provinzen Afghanistans.

 

Als Grund für die Auseise gab er an, dass damals die Taliban an der Macht gewesen seien. Er habe fast alles verloren, Studium, Schule. Dann sei es zu einem Familienstreit zwischen seiner Familie und dem Onkel väterlicherseits gekommen, weil er die Tochter vom Onkel väterlicherseits heiraten wollte, deshalb sei es zum Streit gekommen und er sei in den Iran gegangen. Dort habe er ca. dreieinhalb Jahre gearbeitet und gelebt, sei dann wegen des Begräbnisses zurück nach Afghanistan gegangen, weil sein Bruder bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei. Dann sei er zurück in den Iran und nie mehr nach Afghanistan zurückgekehrt.

 

Auf den Vorhalt, dass er beim BFA ausgesagt hätte, dass sein Bruder umgebracht und vergewaltigt worden sei und dass er darüber sogar schon gerichtsmedizinische Unterlagen vorgelegt hätte und er nunmehr aussage, dass es ein Verkehrsunfall gewesen sei, antwortete er, dass die Vergewaltigungsgeschichte und die Tötung den älteren Bruder betreffe. Es handelt sich um zwei verschiedene Brüder.

 

Auf den Vorhalt, dass er am 10.10.2011 gesagt hätte, dass er nach dem Tod des Bruders bei der Trauerzeremonie gewesen sei, dort sein Onkel über den getöteten Bruder Witze gemacht hätte und zu ihm gesagt hätte, dass er auch ihn töten werde – er also beim Begräbnis des ermordeten Bruders gewesen wie, antwortete er "Ja, das stimmt.".

 

Befragt, bei welchem Begräbnis er dann gewesen sei – wann sei dieses gewesen und von wo sei er angereist, antwortete er, dass er im Iran gewesen sei, als der ältere Bruder getötet worden sei. Das Begräbnis sei schon vorbei gewesen. Er hätte es geschafft, an der Bet-Zeremonie teilzunehmen. Der älteste Bruder sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, damals sei er im Iran gewesen. Das Begräbnis hätte ich nicht geschafft, er sei bei der Bet-Zeremonie gewesen. Er sei zurück in den Iran gegangen, dort habe er eine Zeitlang gelebt, dann sei er nach Österreich gekommen. Als er Österreich erreicht hätte, hätte er die Geschichte über die Vergewaltigung und Tötung seines Bruders erst hier erfahren und es handelte sich um den jüngeren Bruder.

 

Darauf hingewiesen, dass er gerade zuvor ausgesagt hätte, dass die Vergewaltigungsgeschichte und Tötung den älteren Bruder betroffen hätte, begründete er dies mit einem Missverständnis. Er hätte gesagt, dass das den jüngeren Bruder betreffe. Er hätte zwei Brüder und einen Halbbruder gehabt. Der Halbbruder sei vergewaltigt und getötet worden.

 

Darauf hingewiesen, dass er bereits am 10.10.2011 in Österreich ausgesagt hätte, dass sein Halbbruder verstorben sei, er vorhin gesagt hätte, dass er es erst in Österreich erfahren hätte und aufgefordert zu sagen, wann genau er es erfahren hätte, antwortete er, es auch damals gesagt zu haben und auch am heutigen Tag. Darum habe er auch einen Brief vorgelegt (eine Bestätigung).

 

Beim ersten Mal sei er alleine in den Iran ausgereist. Auf den Vorhalt, dass er am 05.05.2015 ausgesagt hätte, dass er gemeinsam mit seinem Bruder in den Iran gegangen sei, antwortete er, dass er beim ersten Mal alleine gegangen, dann zurückgekommen sei und beim zweiten Mal er mit dem jüngeren Bruder in den Iran gegangen sei.

 

Nach dem Grund für seine Rückkehr befragt, gab er an, dass sein Bruder bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei, seine Mutter war alleine.

 

Befragt, mit wem und wann er dann wieder in den Iran zurückgegangen sei, antwortete er, dass er beim zweiten Mal mit dem jüngeren Bruder (Halbbruder) in den Iran gegangen sei. Dann sei er wieder vom Iran nach Afghanistan mit dem Halbbruder gemeinsam gegangen. Dann sei er wieder in den Iran gegangen, aber der Bruder (Halbbruder) sei in Afghanistan geblieben.

 

Auf den Vorhalt, dass er am 05.05.2015 ausgesagt hätte, dass er gemeinsam mit seinem Bruder in den Iran gegangen sei, dann seine Schwester in Afghanistan geheiratet hätte, er Angst gehabt hätte, dann den Bruder zur Hochzeit geschickt hätte und dass dieser dann vergewaltigt und umgebracht worden sei, antwortete er, dass er es ein bisschen durcheinander gesagt hätte. Was er damals gesagt habe, stimme. Es sei schon 17 Jahre her, er sei total unter Druck und erinnere sich nicht mehr.

 

Sein Hauptfluchtgrund sei eine Feindschaft mit dem Onkel. Diese Feindschaft hätte vor 37 Jahren wegen einer Erbschaft angefangen.

 

Auf den Vorhalt, dass er vorher gesagt hätte "Dann ist es zu einem Familienstreit zwischen uns und dem Onkel väterlicherseits gekommen, weil ich die Tochter vom Onkel väterlicherseits heiraten wollte, deshalb ist es zum Streit gekommen und ich bin in den Iran gegangen." antwortete er, dass das auch stimme.

 

Wiederholt befragt, welcher sein Hauptfluchtgrund sein, antwortete er, dass beide Gründe die Hauptgründe wären, warum er das Land verlassen hätte. Es hätte sich um Erbschaft, Grundstücke und auch um das Problem mit der Tochter (Heirat) gehandelt.

 

Befragt, warum er im gesamten Erstverfahren nie gesagt hätte, dass er mit seiner Cousine Sex gehabt hätte, sondern es erst im Zweitverfahren vorgebracht hätte und dass dies sehr unglaubwürdig wirke, antwortete er, dass er gedacht hätte, dass es nicht so wichtig sei, dass er nicht über alles reden müsse und solle.

 

Er hätte gedacht, dass er nicht detailliert darüber reden müsse, dass wenn er sage, dass sie zusammen gewesen seien, dass das auch das beinhalte.

 

Befragt, was passiert sei, nachdem sein den Heiratsantrag gestellt hätte, gab er an, dass sie ihn abgelehnt hätten und trotzdem seine Schwester und auch Felder haben wollten.

 

Befragt, ob sie seine Schwester und Felder trotz der abgelehnten Heirat oder nur als "Entgelt" für die Cousine wollten, antwortete er, dass sie ihm für die Schwester und die Felder die Cousine gegeben hätten.

 

Auf den Vorhalt, dass er am 05.05.2015 gesagt hätte, dass der Heiratsantrag abgelehnt worden sei, da er die Ehre der Familie beschmutzt hätte und nach paschtunischer Tradition entweder er als Vergewaltiger getötet werden sollte oder seine Familie zwei Mädchen mit zwei Söhnen der anderen Seite verheirate, und dass dies etwas anderes sei, antwortete er, dass er gesagt hätte, dass das deren Gesetze seien. Sie seien stolz auf diese "Gesetze". Er habe gesehen, dass ein siebenmonatiges Mädchen gegen etwas eingetauscht worden sei.

 

Sie wollten seine Schwester und die Grundstücke, seine Familie sei dazu nicht bereit gewesen. Dieser schwarze Tag in meinem Leben hätte damals angefangen, dass er in den Iran gegangen sei.

 

Befragt, wie lange nach der Ablehnung er in den Iran gegangen sei, antwortete er, sich nicht mehr genau zu erinnern - nach einem Monat oder 20 Tagen.

 

Auf den Vorhalt, dass er im Erstverfahren gesagt hätte, dass er sich nach dem Heiratsantrag noch sechs oder sieben Monate in Kabul aufgehalten haben, im Zweitverfahren gesagt hätte, dass er nach der Tradition Baad getötet werden sollte, wenn er der anderen Familie nicht zwei Mädchen zur Eheschließung bereitstelle, die Mädchen nicht verheiratet worden seien, und er heute aussagen, dass er dann nur noch ein Monat geblieben sei und befragt, was denn davon stimme, führte er aus, dass er ein Monat in Kabul gewesen sei, den Rest in Kandahar geblieben sei, dann hätte ich das Land verlassen.

 

Die Frage, ob ihn die Verwandten jetzt umbringen wollten oder nicht, bejahte er. Auf den Vorhalt, dass er trotzdem die Trauerzeremonie seines Bruders besucht hätte, obwohl seine Verwandten dort gewesen seien, gab er an, dass es vieles gebe – wenn man ihm eine Frage stelle, rede er, wenn nicht, dann nicht.

 

Befragt, wieso er im Erstverfahren nicht ausgesagt hätte, dass er von einem Onkel und einem Cousin wegen der Grundstücke aus dem Taekwondo-Club herausgezerrt und verprügelt worden wäre, antwortete er, dass es sein könne, dass er es nicht als Frage bekommen hätte. Er hätte es aber erlebt. Es gebe Sachen, die er nicht erzählt hätte oder keine Frage gestellt bekommen hätte. Zu einer Schlägerei sei es auch beim Begräbnis gekommen.

 

Darauf hingewiesen, dass dieser Übergriff im Taekwondo-Club wegen der Grundstücke erfolgt sei und er damals um die 18 Jahre alt gewesen sei und befragt, warum die beiden nach dem Tod seines Vaters und seines Stiefvaters so lange gewartet hätten, um gegen ihn vorzugehen, antwortete er, dass sein Vater ein Uni-Professor in Kabul gewesen sei. Obwohl die anderen Waffen zu Hause hatten und die Cousins fast gleich alt wie sein Vater gewesen seien, hätten sie nicht den Mut gehabt, gegen seinen Vater etwas zu sagen.

 

Darauf hingewiesen, dass sein Vater gestorben sei, als er sieben Monate alt gewesen sei, der Übergriff passiert sei, als er 18 Jahre alt gewesen sei, gab er an erst mit 17 verstanden zu haben, dass sie eine Erbschaft gehabt hätten. Befragt, was die beiden durch den Übergriff erreichen wollten, führte er aus, dass er es vielleicht noch nicht gesagt, hätte, aber dass sie gekommen seien und seinen Bruder beschuldigt hätten, dass er den Saraj verkauft und Geld genommen hätte und sie hätten ihn unter Druck gesetzt und geschlagen, dass er zeigen solle, wo sein Bruder sei. Es handle sich dabei um seinen richtigen Bruder. Dieser sei vor langer Zeit in die ehemalige Sowjetunion gegangen.

 

Auf den Vorhalt des Ergebnisses der vom BFA durchgeführten Recherchen, dass sowohl er als auch seine Familie dort unbekannt sei, außerdem eine falsche Lage der Grundstück angegeben sei und der Eigentümer jetzt ein anderer Mann sei, gab er an, dass einer getötet worden und einer geflüchtet sei. Natürlich gehöre es jetzt jemand anderem. Seine Unterlagen seien original und echt.

 

Befragt, warum er in seiner Stellungnahme zum Rechercheergebnis plötzlich ausgesagt, dass er alle Dokumente von seinem Großvater bekommen hätte, der doch schon vor Jahrzehnten verstorben sei, gab er an, dass alle Unterlagen bei seinem Vater gewesen seien. Er wisse nicht, wer das damals geschrieben hätte. Die Unterlagen über die Grundstücke hätte ihm seine Schwester geschickt, sie hätte sie von seinem Vater, diese sei dann zu Hause geblieben.

 

Auf den Vorhalt, dass er im Erstverfahren gesagt hätte, dass die Onkeln die Unterlagen weggenommen hätten und er diese von seiner Cousine bekommen hätte, die er heiraten hätte wollen, antwortet er, dass dies stimme: Ein Teil dieser Dokumente sei zu Hause geblieben, ein Teil sei quasi gestohlen worden. Er hätte diesen Teil dann von der Cousine bekommen.

 

Darauf hingewiesen, dass er mehrfach vorbestraft sei - abgesehen von einem Suchtmitteldelikt und schwerem Betrug je zweimal wegen falscher Zeugenaussage und des Versuchs der Begünstigung und befragt, warum ihm irgendjemand auch nur irgendetwas glauben sollte, was er sage, bestritt der die Delikte begangen zu haben.

 

Auf den Vorhalt, dass er in seiner Beschwerde im Zweitverfahren plötzlich vorgebracht hätte, dass seine Onkel einflussreiche Männer seien und Beziehungen zu den Taliban hätten und befragt, warum er das erst jetzt sage, antwortete er, dass einer ein Kommandant der Taliban gewesen sei, der auch getötet wurde, einer sei von Hezbe Islami.

 

Wiederholt befragt, wieso er das erst in der Beschwerde im Zweitverfahren erstmals geltend mache, antwortete er, dass er vielleicht dazu keine Frage bekommen habe. Er hätte damals gesagt, dass sie mächtige Leute seien und Kontakt zur afghanischen Regierung hätten. Sie hätten auch zum Gegner der afghanischen Regierung Beziehungen.

 

Hingewiesen zu seinem Vorbringen in der Beschwerde, dass er ein Mensch sind, der eine Werthaltung an den Tag lege, die für die Gestaltung bzw. Erhaltung der Ordnung des Gemeinwesens und des geordneten Zusammenlebens der menschlichen Individuen in der (lokalen) Gemeinschaft seines Herkunftsdorfs von Bedeutung sei, und dass er dies in Österreich nicht so sehen dürfte, gab er an, nichts gestohlen, niemanden getötet zu haben. Sein großer Fehler in Österreich sei der Umgang mit kriminellen Personen gewesen.

 

Er sei gesund. In Österreich habe er als Zeitungszusteller gearbeitet. Samstag und Sonntag arbeite er als Pizzazusteller. Er hätte armenische, russische, österreichische und deutsche Freunde.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Zur Person:

 

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, Paschtune, Sunnite, aus Kabul stammend, reiste am 20.04.2011 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Er istXXXX und hat keine Kinder. Er hat keine gesundheitlichen Einschränkungen und hat zehn Jahre die Schule besucht. Seine Mutter und Schwester leben in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat Berufserfahrung als Metzger, Metallarbeiter, Bauarbeiter, Fabrikarbeiter und als Schneider. Er spricht gut deutsch. In Österreich arbeitet er fallweise als Zeitungszusteller und Pizzabote.

 

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

 

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

 

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Kabul zur Verfügung.

 

Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit 20.04.2011 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt er über keinerlei Familienangehörige und hat keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte. Der Beschwerdeführer spricht gut Deutsch und ist geringfügig als Zeitungszusteller und Pizzabote beschäftigt.

 

1. Mit Urteil des LG Wels vom 26.08.2014, XXXX HVXXXX/2014z wurde der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 1. 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG; § 12 3. Fall StGB, § 28 Abs. 1 1. 2. Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z. 1

8. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

 

2. Mit Urteil des LG Wels vom 01.10.2014, XXXX HV XXXX/2014z wurde der Beschwerdeführer gemäß § 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt. (Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf LG Wels, XXXX HV XXXX/2014z)

 

3. Mit Urteil des LG Wels vom 19.02.2015, XXXX HV XXXX/2015v wurde der Beschwerdeführer gemäß § 288 Abs. 1, § 15, § 299 Abs. 1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

 

4. Mit Urteil des LG Wels vom 23.04.2015, XXXX HV XXXX/2015a wurde der Beschwerdeführer gemäß § 288 Abs. 1 und 4, § 15, § 299 Abs. 1 StGB, verurteilt. (Keine Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf LG Wels, XXXX HV XXXX/2014z und auf LG Wels, XXXXHV XXXX/2014z)

 

Zu Afghanistan:

 

1. Politische Lage

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

 

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).

 

Parlament und Parlamentswahlen

 

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

 

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

 

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

 

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9 .2016).

 

Parteien

 

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

 

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016).

 

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

 

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9 .2016).

 

Friedens- und Versöhnungsprozess:

 

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

 

 

 

1.12.2015 - 15.2.2016

16.2.2016 - 19.5.2016

20.5.2016 - 15.8.2016

16.8.2016 - 17.11.2016

1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle

4.014

6.122

5.996

6.261

22.393

Bewaffnete Zusammenstöße

2.248

3.918

3.753

4.069

13.988

Vorfälle mit IED¿s

770

1.065

1.037

1.126

3.998

gezielte Tötungen

154

163

268

183

768

Selbstmordattentate

20

15

17

19

71

      

 

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC

7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Siehe Kapitel 2 – Politische Lage – Friedens- und Versöhnungsprozesse

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

 

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus – eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

 

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an – nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

 

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.1. Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Distrikt Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

3

Insgesamt

151

  

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Provinz Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

161

  

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.2. Erreichbarkeit

 

Im Jahr 2001 existierten in Afghanistan weniger als 80 km (50 Meilen) asphaltierter Straßen (TCSM 2.2.2015). Trotz Herausforderungen und Problemen wurden inzwischen mehr als 24.000 km Straße im Land asphaltiert. Zu den asphaltierten Straßen zählen

3.600 km regionaler Autobahnen, die "Ring Road", Provinzstraßen und nationale Autobahnen (Pajhwok 4.3.2016). Schätzungen zufolge, wurden im Ballungsraum Kabul alleine 925 km Straßen asphaltiert, mit der Aussicht auf zusätzliche Erweiterungen (TCSM 2.2.2015).

 

Unprofessionelles Fahrverhalten und beschädigte Straßen werden als die Hauptursache für Unfälle in Afghanistan gesehen, welche Dutzende Menschenleben jährlich fordern (Khaama Press 23.1.2016; vgl. auch:

Kabul Times 17.2.2017); ebenso sind schlecht asphaltierte Straßen Grund für Unfälle (Kabul Times 17.2.2017).

 

Ring Road

 

Straßen wie der "Highway 1" auch bekannt als "Ring Road", die den Kern des Landes umkreist, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (Huffington Post 9.10.2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. auch: The Guardian 22.10.2014). Sie verbindet aber auch 16 der 34 Provinzen Afghanistans miteinander. Die Gesamtlänge des Highway One ist 3.360 km (PRI 18.10.2013). Rund 14 Millionen Menschen leben um diesen Highway One (The Guardian 22.10.2014).

 

Autobahnabschnitt Kabul – Kandahar

 

Highway One liegt im Süden von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015; vgl. auch: Al-Jazeera 14.10.2015). Der Kandahar – Kabul Teil der afghanischen Ring Road zieht sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni (ISW o. D.). Dieser Teil der Autobahn ist praktisch flach, mit einigen Abschnitten im Hochland in der Nähe von Ghazni (Global Security o. D.a.) Ein Fahrer der Kabul-Kandahar Strecke, aber auch Passagiere, gaben an, dass die Straße von Kandahar bis in die Gegend von Jaldalak in Zabul in gutem Zustand ist (Pajhwok 18.3.2015).

 

Straßennetz

 

Salang Tunnel/Salang Korridor

 

Der Salang Tunnel ist dringend renovierungsbedürftig. Er gilt als Vorzeigeobjekt des Kalten Krieges, welches im Jahr 1964 durch die Sowjets eröffnet wurde (WSJ 2.10.2014). Im September 2016 wurde ein Zuschuss in der Höhe von mehr als US$ 31 Millionen gewährt, um den Salang Korridor zu renovieren (Khaama 24.9.2016).

 

Der Tunnel selbst ist 2,6 km lang, mit 21 Lawinengalerien und weiteren 83 km enger, kurviger und zweispuriger Straße durch den Hindu Kush Pass (USAID 14.12.2015). Mehr als 6.000 Fahrzeuge fahren täglich durch den Salang Tunnel, eine Straße, die ursprünglich für 1.000 Fahrzeuge konzipiert war (WSJ 2.10.2014). Im Rahmen von USAID sollen diverse Projekte zur Instandhaltung der Straßenverbesserungen fortgeführt werden (USAID 14.12.2015).

 

Die Wichtigkeit des Salang Tunnels wird auch durch den Aspekt unterstrichen, dass fast 100% der Waren aus dem Norden durch diesen Tunnel nach Kabul gelangen. Ebenso wird der Tunnel von den Afghanen als physische Verbindungen zwischen dem Norden und Süden gesehen, aber auch als Symbol der Einheit zwischen den Stämmen, die im Norden angesiedelt sind und den paschtunischen im Süden (USAID 5.2014).

 

Bamyan Verbindung

 

Im Norden von Kabul hat eine Straße durch den Ghorband Distrikt ihren Ausgangspunkt. An vielen Orten ist die Straße in einem schlechten Zustand mit Schlaglöchern. In der Vergangenheit gab es einige Talibanangriffe, aber auch Überfälle durch Diebe und Kidnapper (Der Spiegel 30.9.2014).

 

Eine weitere Möglichkeit um nach Bamyan zu gelangen ist die Straße, die in Maidan Shahr, 30 km südwestlich von Kabul, beginnt. Mit Stand September 2014 ist das neue Projekt noch in Bearbeitung. Ziel des Projektes ist es eine Schnellstraße zu errichten. Sobald diese Straße fertig gestellt ist, soll die Strecke Kabul-Bamyan in drei Stunden Autofahrt absolviert werden können (Der Spiegel 30.9.2014).

 

Grand Trunk Road

 

Die Grand Trunk Road, auch bekannt als G.T. Road, ist die älteste, längste und bekannteste Autobahn des indischen Subkontinentes. Diese ist etwa 2.414 km lang (1.500 Meilen) (Global Security o.D.; vgl. auch: NYT 3.7.2014), beginnt in Kabul und endet in Kalkutta (Global Security o.D.).

 

Weitere Abschnitte

 

Ausgeführt durch eine chinesische Firma, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes "Dare-e-Sof and Yakawlang Road" gegeben. In der ersten bereits fertigstellten Phase, wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden. Der zweite Teil dieses Projektes, eine Straße mit 178 km, die durch mehr als 37 Dörfer gehen soll, wird den Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan mit dem Distrikt Yakawlang verbinden; angedacht ist eine dritte Phase – dabei sollen die Provinzen Bamyan und Kandahar durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (Xinhua 9.1.2017).

 

Autobahnabschnitt Pakistan-Afghanistan /Pak-Afghan

 

Die Straße wird als Wirtschaftsroute zwischen Pakistan, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan und südasiatische Länder verwendet. Die sogenannte Pak-Afghan Autobahn ist bekannt für herrliche Ausblicke und den Khyber Pass (The Express Tribune 7.3.2016).

 

Khyber Pass

 

Der Khyber Pass bildet eine 32 km lange Strecke zwischen den Safed Koh Bergen (einem Teil des größeren Hindu Kush) zwischen Afghanistan und Pakistan (National Geographic o.D.; vgl. auch: Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa 2004). Der Khyber Pass beginnt etwa 16 km (10 Meilen) außerhalb der pakistanischen Stadt Peshawar und endet an der afghanischen Grenze bei Torkham (Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa 2004).

 

Verkehrswesen

 

Das Verkehrswesen in Afghanistan ist eigentlich recht gut. Es gibt einige angemessene Busverbindungen in die wichtigsten Großstädte. Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit. Busverbindungen existieren auf der Kabul/Herat Straße nach Kandahar; Ausländern ist es nicht erlaubt, in den Bus einzusteigen. Es gibt aber Ausnahmen – in der Verbindung Mazar-e Sharif nach Kabul, war es erlaubt, ohne dass Fragen gestellt wurden (Uncharted Backpacker 3.2016).

 

In den Provinzen Balkh, Samangan und Panjshir konnte ein Taxi gemietet werden. Die Taximietung ist eine gute Option, da man sein Fahrziel frei wählen kann und die Fahrer wissen, wie man es sicher erreichen kann. Gleichzeitig ist es auch relativ kostengünstig (Uncharted Backpacker 3.2016).

 

Beispiele für Taxiverbindungen

 

Kabul

 

In Kabul gibt es mehr als 40.000 Taxis. Der Fahrpreis wird noch vor dem Einsteigen mit dem Fahrer ausverhandelt (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.). Bis zu 80% der Taxis in Kabul sind Toyota Corolla (Khaama Press 29.11.2013).

 

Kandahar

 

Taxiverbindungen existieren in Kandahar. In den anderen Gebieten der südlichen Regionen existieren private Fahrzeuge bzw. informelle Taxis. Die Kosten hängen von der Größe/Type des Fahrzeuges und der Destination ab (BAMF 10.2014).

 

Beispiele für Busverbindungen

 

Kabul

 

In Kabul stehen viele Busse für Fahrten innerhalb Kabuls und die angrenzenden Außenbezirke zur Verfügung (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.; vgl. auch: Tolonews 26.7.2015). Der sogenannten "Afghan Milli Bus Enterprise", dem staatlich betriebenen Busunternehmen, wurden in den vergangenen 14 Jahren bereits 900 Busse zur Verfügung gestellt. Im Juli 2015 wurde verlautbart, dass weitere 1.000 Busse von Indien gespendet werden würden (Tolonews 26.7.2015).

 

Für Reisen zwischen den Provinzen variieren die Preise ja nach Destination und Entfernung:

 

 

Distanz

Preis

Kabul – Herat

AFA 2.000

Kabul – Mazar-e Sharif

AFA 1.500

Kabul – Kandahar

AFA 1.500

Kabul – Bamyan

AFA 1.500

Kabul – Jalalabad

AFA 1.000

Kabul – Kunduz

AFA 1.400

Kabul – Maimana

AFA 2.000

  

 

(BAMF 10.2014)

 

Ahmad Shah Abdali Bus Service

 

Laut einem offiziellen Vertreter ist dies das größte Busunternehmen in Afghanistan. Die Busse dieser Firma transportieren Passagiere von Kandahar nach Kabul, Helmand, Nimroz, Herat und in andere Provinzen. In den letzten Jahren fuhren 60-80 Bussen innerhalb von 24 Stunden zwischen Kandahar und Kabul, aber die Zahl ist auf 20 bis 30 täglich zurückgegangen. Die Straße ist in schlechtem Zustand und die Brücken auf dieser Strecke wurden zerstört. Überfälle und Belästigungen von Passagieren durch Aufständische sind gestiegen, besonders im Bereich des unsichersten Teils dieser Strecke in der Provinz Ghazni. Der Verkehr wird nur in Kandahar kontrolliert. Laut diesem Vertreter wird der Verkehr sonst nirgends kontrolliert, sodass häufig Unfälle vorkommen (Pajhwok 18.3.2015).

 

Beispiele für Motordreirad/ Tuk Tuk/ Rikscha-Verbindungen

 

Häufig werden Tuk-tuks - auch Zarang genannt in Afghanistan - verwendet (Olivier Chassot 17.4.2014), entweder als Taxi oder um Materialien zu transportieren (Olivier Chassot 17.4.2014; vgl. auch:

Jami Herat 10.12.2014), wie zum Beispiel in den folgenden Provinzen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unter anderem werden Rikschas in den Provinzen Bamyan (Pajhwok 11.5.2015) und Khost (U.S. Army 24.7.2010) als Krankenwagen verwendet (Pajhwok 11.5.2015; vgl. auch: U.S. Army 24.7.2010).

 

In Afghanistan werden Rikschas auch von Afghaninnen als Transportmittel verwendet (UN News Centre 3.10.2012; vgl. auch: AFP 5.4.2014; RTE 5.4.2014; Indranil Mukherjee 2005)

 

Flugverbindungen

 

Laut dem World Factbook existieren in Afghanistan 23 Flughäfen mit asphaltierten Landebahnen und 29 Flughäfen, die nicht über asphaltierte Landebahnen verfügen (The World Factbook 25.2.2016).

 

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan

 

Internationaler Flughafen Kabul

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. auch: Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (Hamid Karzai Airport 2015).

 

Internationaler Flughafen Kandahar

 

Der internationale Flughafen Kandahar hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge. Laut einem offiziellen Vertreter des Flughafens ist sowohl die externe als auch interne Sicherheit des Flughafens zufriedenstellend und der Flughafen sicherer als andere Flughäfen im Land. Der Flughafen ist Ziel nationaler, sowie auch internationaler Flüge z.B. aus Indien, Iran, Dubai und anderen Abflugsorten. Hinkünftig sollen auch Flüge der Turkish Airline den Flughafen Kandahar anfliegen, nachdem auch die Türkei ein Konsulat in dieser Provinz eröffnet hat. Ferner hat die in Bahrain ansässige Firma DHL Express damit begonnen Frachtflüge zum Flughafen Kandahar durchzuführen. Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbasis für einen Teil des afghanischen Heeres ist ebenso dort, wie andere Gebäude für Firmen (Pajhwok 3.6.2015).

 

Helikopter

 

Im Jahre 2010 wird von 11 behördlich genehmigten Hubschrauberlandeplätzen - (Heliport oder Helipad), die in Afghanistan existieren, gesprochen (Lexas 20.12.2010), während es im Jahr 2013 nur noch 9 Hubschrauberlandeplätze waren (The World Factbook 25.2.2016).

 

Zugverbindungen

 

Das afghanische Straßennetzwerk ist sehr verkehrsreich - der Transport einer großen Menge von Wirtschaftsgütern und eine große Menge von Passagieren durch eben dieses Straßennetzwerk, haben zu großen Herausforderungen für die Straßeninfrastruktur und deren Instandhaltung geführt (AFRA o.D.).

 

Im März 2016 verlautbarte das Ministerium für öffentliche Bauarbeiten Vorgespräche zwischen den drei Ländern Afghanistan, Iran und Indien bezüglich des Aufbaus von Zugverbindungen zwischen dem iranischen Hafen Chabahar in die westliche Provinz Herat (Tolonews 14.3.2016; vgl. auch: Khaama Press 14.3.2016). Es wird erwartet, dass Afghanistan einen Meereszugang durch den strategischen Chabahar Hafen im Iran bis Ende nächsten Jahres erhält. Die Arbeiten am Hafen wurden diesbezüglich bereits aufgenommen. Der Hafen wird Afghanistan Zugang zu der Garland Autobahn gewähren (Khaama Press 14.3.2016), und zwar über das existierende iranische Straßennetzwerk und die Zaranj-Delaram Straße, welche von Indien im Jahr 2009 errichtet wurde (Khaama Press 14.3.2016; vgl. auch: ISW o.D.). Dies bedeutet folglich einen direkten Zugang zu den vier bedeutendsten Städten in Afghanistan, nämlich Herat, Kandahar, Kabul und Mazar-e Sharif (Khaama Press 14.3.2016).

 

Beispiel für int. Zugverbindungen nach Afghanistan

 

Nach Testläufen wurde im August 2011 die erste Zugverbindung zwischen dem an der afghanischen Grenze gelegenen Hairatan in Usbekistan nach Mazar-e Sharif aufgenommen. Die Streckenlänge beträgt 75 Kilometer (Railway Technology o.D.; vgl. auch: IPS News 27.3.2015).

 

Erwartet wird, dass bis Ende des Jahres täglich ein Güterzug aus der chinesischen Stadt Yiwu nach Afghanistan, bis Mazar-e Sharif, fahren wird; der Weg dorthin ist 7.500 km lang; die Fahrt dauert 15 Tage (Dawn 29.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und –verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Sicherheitsbehörden

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force – AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29) (AA 9 .2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 9 .2016; vgl. OHCHR 11.2.2016).

 

Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. In jüngerer Vergangenheit wurden im Zusammenhang mit Häftlingen, die im Zuge des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan festgenommen wurden, grobe Missstände aufgedeckt (AA 9 .2016).

 

Im Jänner 2015, startete Präsident Ghani einen Nationalen Aktionsplan zur Eliminierung von Folter; das dafür zuständige Komitee wurde im Mai 2015 gegründet (HRW 27.1.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Im November 2015, war das Justizministerium dabei ein neues Anti-Folter-Gesetz zu erarbeiten. Von diesem wird erwartet, weitläufige Bestimmungen zur Wiedergutmachung für Folteropfer zu enthalten (OHCHR 11.2.2016). Human Rights Watch zufolge, gab es im Jahr 2016 diesbezüglich keine weiteren Entwicklungen (HRW 12.1.2017).

 

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer gewahrt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass sich afghanische Richter/innen bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: rund 35% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49% im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 9 .2016).

 

Im Juni 2015 gab der NDS wiederholt Anweisungen betreffend des Folterverbots, speziell zum Erhalt von Geständnissen (HRW 27.1.2016; vgl. auch AI 24.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

6. Korruption

 

Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2015 belegte Afghanistan von 168 Ländern den 166. Platz (TI 12.2016; vgl. FH 27.1.2016). Dem Bericht von Asia Foundation zufolge, sind 90% der Afghan/innen im Alltag Korruption ausgesetzt; angegeben wurde hauptsächlich Bestechungsgelder an Polizei und Regierungsbeamte zu bezahlen (FH 27.1.2016).

 

Zur Erkennung, Verfolgung und Verhinderung von Korruption existiert kein gesetzlicher Rahmen (TI 10.2016). Trotz umfangreicher Reformvorhaben und aufwendiger Konsultationsmechanismen – oft unter direkter Federführung des Staatspräsidenten oder von ihm beauftragter Gremien – bleiben Qualität und Transparenz der Regierungsführung und der demokratischen Prozesse weiterhin mangelhaft. Die RNE (Einheitsregierung) startete im Mai 2016 eine neue Initiative zur Bekämpfung der Korruption, deren integraler Bestandteil das Anti Corruption Justice Center (ACJC) sein soll. Das ACJC soll Fällen erheblicher Korruption insbesondere auch unter hochrangigen Funktionären der afghanischen Regierung nachgehen, harrt aber noch seines offiziellen Startes (AA 9 .2016; vgl. auch TI 10.2016). Die Regierung verfolgte weiterhin Anti-Korruptionsziele – dies beinhaltet die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von großen Korruptionsfällen und die Stärkung des rechtlichen und behördlichen Rahmens (UN GASC 13.12.2016).

 

Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um; einerseits wurde von öffentlich Bediensteten berichtet, die regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Andererseits gab es Korruptionsfälle, die erfolgreich vor Gericht gebracht wurden. Berichte deuten an, dass Korruption innerhalb der Gesellschaft endemisch ist – Geldflüsse von Militär, internationalen Gebern und des Drogenhandels verstärken das Problem (USDOS 13.4.2016).

 

Die Einheitsregierung hat im Bereich der Korruptionsprävention einige Fortschritte gemacht: Der afghanische Präsident bekräftigte seine Transparenzverpflichtungen, veranlasste eine externe Kontrolle von Beschaffungsprozessen, sowie eine Umstrukturierung des Justizsektors. All dies sind wichtige Schritte des Präsidenten, welche die Bereitschaft signalisieren, Korruption in den Griff zu bekommen (IWA 11.2016).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, Mohammad Farid Hamidi, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016).

 

Manch hochrangiger Akteure wurde dennoch strafrechtlich verfolgt – mit wenig abschreckender Wirkung. Der ehemalige Chef der Kabul Bank - Khalil Ferozi – wurde im Jahr 2014 aufgrund schweren Betrugs zu 15 Jahren Haft verurteilt. Berichten zufolge, durfte er das Gefängnis bei Tag verlassen, um seinen geschäftlichen Tätigkeiten nachzugehen. Im November 2015 unterzeichnete er ein Übereinkommen, an einem 900 Millionen US Dollar schweren Projekt mitzuarbeiten. Das Übereinkommen wurde aufgrund des öffentlichen Aufschreis storniert (FH 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

7. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9 .2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9 .2016).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

 

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet – (AI 24.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

8. Haftbedingungen

 

Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten werden von unterschiedlichen Organisationen verwaltet:

 

Das General Directorate of Prisons and Detention Centers (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MoI), ist verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse, sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge. Das MoI und das Juvenile Rehabilitation Directorate (JRD) sind verantwortlich für alle Jugendrehabilitationszentren und Zivilhaftanstalten. Die Afghan National Police (ANP) unter dem Innenministerium und dem National Directorate of Security (NDS), ist verantwortlich für Kurzzeit-Haftanstalten auf Provinz- und Bezirksebene. Das Verteidigungsministerium betreibt die Nationalen Haftanstalten Afghanistans in Parwan und Pul-e-Charki (USDOS 13.4.2016).

 

Aus dem Bericht der UNAMA, dem eine fast zweijährige Studie (1. Februar 2013 bis 31. Dezember 2014) in 221 Anstalten in 28 verschieden Provinzen Afghanistans vorrausgegangen war, geht hervor, dass allgemein die Zahl der interviewten Häftlinge, die misshandelt bzw. gefoltert wurden, um 14% niedriger ist als im Vergleichszeitraum (Oktober 2011 bis Dezember 2013). Von den 790 befragten Häftlingen gaben 278 an misshandelt oder gefoltert worden zu sein, was in etwa 35% entspricht (UNAMA 2.2015; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Ein staatliches Komitee führte Interviews, um die im UNAMA-Bericht 2013 vorgebrachten Folteranschuldigungen zu prüfen. Die Feststellungen des Komitees wurden nicht veröffentlicht. Die Regierung hat die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (USDOS 13.4.2016). In einem Fall wurden zwei Beamte des nationalen Geheimdienstes (NDS) aufgrund von Folter strafrechtlich verfolgt (OHCHR 11.2.2016).

 

Im Juni 2015 erließ der NDS eine Anordnung, in der nachdrücklich auf das Verbot von Folter, insbesondere bei Polizeiverhören, hingewiesen wurde; trotzdem kam es zu Folter und anderen Misshandlungen und Isolationshaft, im afghanischen Strafvollzugssystem (AI 24.2.2016)

 

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sind in den meisten Provinzen ein Problem. Beobachtern zufolge, werden Individuen gelegentlich von Polizei und Staatsanwälten, auf Basis von Handlungen, die nach afghanischem Recht nicht strafbar sind, ohne Anklage inhaftiert (USDOS 13.4.2016; vgl. AI 24.2.2016). Teilweise auch deshalb weil das Justizsystem nicht in der Lage ist, die Festgenommenen in gegebener Zeit weiter zu beamtshandeln (USDOS 13.4.2016). Die UNAMA berichtete von Verhaftungen wegen "moralischer" Vergehen, Vertragsbruch, Familiendisputen usw. zum Zwecke des Erhalts von Geständnissen. Beobachter berichten, dass ausschließlich Frauen für "moralische" Vergehen inhaftiert werden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016).

 

Das Gesetz gewährt einem/r Angeklagte/n das Recht gegen die Untersuchungshaft Einspruch zu erheben und eine Verhandlung in dieser Angelegenheit zu bekommen. Nichtdestotrotz, ist lange Untersuchungshaft ein Problem. Aufgrund fehlender Ressourcen, einer geringen Anzahl an Verteidigern, unerfahrenen Rechtsanwält/innen und Korruption, profitierten viele Häftlinge nicht von allen Bestimmungen der Strafprozessverordnung. Viele Häftlinge werden, trotz Bestimmungen, über die gesetzliche Frist festgehalten, selbst wenn es keine Anklage gibt (USDOS 13.4.2016).

 

Es gibt Berichte über harte und manchmal lebensbedrohliche Bedingungen und Misshandlungen in öffentlichen Haftanstalten (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Berichten zufolge, existieren von Mitgliedern der ANDSF privat geführte Gefängnisse, in denen gefoltert und misshandelt wurde (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

9. Religionsfreiheit

 

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

10. Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, die Regierung schränke die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 13.4.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

 

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Die Taliban verhängen nächtliche Ausgangssperren in jenen Regionen, in denen sie die Kontrolle haben – Großteiles im Südosten (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

11. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.1.2017).

 

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017) (UN OCHA 5.2.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.1.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).

 

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).

 

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 5.2.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.1.2017; UN OCHA 1.11.2016; UN OCHA 1.10.2016; vgl. ACBAR 7.11.2016).

 

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.4.2016; vgl. auch ACBAR 15.5.2016).

 

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).

 

2017

 

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.1.2017).

 

2016

 

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar (UN GASC 13.12.2016).

 

Flüchtlinge in Afghanistan:

 

Laut UNHCR sind derzeit in Afghanistan rund 55.000 registrierte Flüchtlinge (darunter viele pakistanische Staatsangehörige) und ca. 300 Asylwerber. Der Großteil der Menschen aus Pakistan ist im Juni 2014 vor Auseinandersetzungen aus der Nord-Waziristan-Region nach Afghanistan geflüchtet (AA 9 .2016).

 

Informationen und Zahlen zu Rückkehrer/innen nach Afghanistan siehe Kapitel 23. Rückkehr

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

12. Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels – Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig – sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung – Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens’ Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

13. Medizinische Versorgung

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

 

Medikamente

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

 

Beispiele für Behandlung psychischer Fälle in Afghanistan

 

In öffentlichen und privaten Kliniken ist beispielsweise paranoide Schizophrenie behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patient/innen nichts für ihre Aufnahme bezahlen. Die Patient/innen müssen ihre Medikamente in außenstehenden Apotheken kaufen (IOM 11.10.2016). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn Patient/innen kein unterstützendes Familienumfeld haben. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Krankenhäuser in Afghanistan

 

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

 

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).

 

Krankenhäuser in Kabul:

 

* Antani Hospital Address: Salan Watt, District 2, Kabul Tel: +93 (0)20 2201 372

 

* Ataturk Children’s Hospital Address: Behild Aliabaad (near Kabul University), District 3, Kabul Tel: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312

 

* Ahyaia Mujadad Hospital Address: Cinema Pamir, 1st District, Kabul Tel: +93(0)20 2100436

 

* Centre Poly Clinic Address: District 1, Cinema Pamir, Kabul Tel:

+93 (0)202100445

 

* Istiqlal Hospital Address: District 6, Kabul Tel: +93 (0)20 2500674

 

* Ibnisina Emergency Hospital Address: Pull Artal, District 1, Kabul

Tel: +93 (0)202100359

 

* Jamhoriat Hospital Address: Ministry of Interior Road, Sidarat

Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375

 

* Malalai Maternity Hospital Address: Malalai Watt, Shahre Naw,

Kabul Tel: +93(0)20 2201 377

 

* Noor Eye Hospital Address: Cinema Pamir, Kabul Tel: +93 (0)20 2100 446

 

* Rabia–i-Balki Maternity Hospital Address: Frosh Gah, District 2, Kabul Tel: +93(0)20 2100439

 

* Tuberculosis Hospital Address: Sana Turiam, Dar-ul-Aman, District 6, Kabul Tel:+93 (0)75 201 4842

 

Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:

 

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

 

In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, welches von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz, hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft einen Platz zu bekommen (Time 31.8.2016).

 

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

 

Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.

 

Das ICRC:

 

 

 

 

 

 

 

 

Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan

 

Das Telemedizinprojekt, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14. Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

Afghanische Rückkehrer/innen, afghanische Flüchtlinge und nicht registrierte Afghan/innen

 

Pakistan

 

Pakistan hat seit 1978 nicht weniger als eine Million Afghan/innen beherbergt. In den Jahren 1986 bis 1991 waren etwa drei Millionen Flüchtlinge in Pakistan. Zwischen 2002 und 2015 unterstütze UNHCR 3,9 Millionen Afghan/innen bei der Rückkehr. Der Großteil davon kehrte bis Ende 2008 zurück, danach ging die Rückkehrrate signifikant zurück (HRW 13.2.2017).

 

Wegen zunehmender Spannungen zwischen der afghanischen und pakistanischen Regierung (Die Zeit 13.2.2017), waren im Jahr 2016

249.832 Afghan/innen entweder freiwillig oder durch Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Stand: 7.1.2017) (IOM 8.1.2017).

 

Bis Ende 2017 soll eine weitere halbe Million Afghan/innen aus Pakistan zurückkehren. Die Anzahl der Rückkehrer/innen ist in den letzten zwei Jahren stetig gestiegen (DAWN 12.1.2017). In der ersten Jännerwoche 2017 kehrten 1.643 nicht registrierte Afghan/innen aus Pakistan (freiwillig oder im Rahmen von Abschiebungen) nach Afghanistan zurück (IOM 8.1.2017). In der zweiten Jännerwoche sind insgesamt 1.579 nicht registrierte Afghan/innen über Nangarhar und Kandahar, entweder freiwillig oder im Zuge von Abschiebungen zurückgekehrt. IOM hat im Berichtszeitraum 79% nicht registrierte Afghan/innen unterstützt; dies beinhaltete Essen und Unterbringung in Transitzentren in Grenznähe, sowie Haushaltsgegenstände und andere Artikel für Familien, spezielle Unterstützung für Personen mit speziellen Bedürfnissen, eine ein-Monatsration vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) und andere relevante Hygieneartikel. Im Rahmen einer Befragung gaben 76% Ende 2016 an, Nangarhar als Niederlassungsprovinz zu wählen, für 16% war dies Kabul, für 4% war es Laghman, 2% gingen nach Kunar und weitere 2% nach Logar (IOM 15.1.2017).

 

Im Februar 2017 veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) einen Bericht, in dem von "Zwangsrückführungen" afghanischer Flüchtlinge gesprochen wird (HRW 13.2.2017). Der HRW-Bericht basiert auf 115 Interviews mit afghanischen Rückkehrer/innen nach Afghanistan, sowie afghanischen Flüchtlingen und nicht registrierten Afghan/innen in Pakistan (DAWN 13.2.2017; vgl. auch: HRW 13.2.2017). UNHCR hatte im Juni 2016 die finanzielle Unterstützung für jede Rückkehrer/in von US$ 200 auf US$ 400 erhöht (HRW 13.2.2017). HRW argumentiert, dies sei ein Faktor, der afghanische Flüchtlinge dazu bewogen habe nach Afghanistan zurückzukehren. Laut UNHCR wurden 4.500 Rückkehrer/innen bei Ankunft interviewt, von denen keiner die Bargeldzuschüsse als primären Faktor für die Rückkehrentscheidung angab (DAWN 13.2.2017). Als Gründe für die Rückkehr wurden unter anderem folgendes angegeben: Einrichtung formeller Grenzkontrolle in Torkham; große Besorgnis über die Gültigkeit der Proof of Registration Card (PoR-Cards); Kampagne der afghanischen Regierung in Pakistan ("home sweet home"), die Afghan/innen bat nach Hause zurückzukehren (UNHCR 3.2.2017).

 

Iran

 

Seit 1. Jänner 2016 sind insgesamt 461.112 nicht-registrierte Afghan/innen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. In der zweiten Jännerwoche 2017 sind insgesamt 9.378 nicht registrierte Afghan/innennach Afghanistan durch Herat oder Nimroz zurückgekehrt; von diesen sind 3.531 freiwillig und 5.847 im Zuge von Abschiebungen zurückgekehrt - 2% der nicht registrierten Afghan/innen, die in den Transitzentren in Herat oder Nimroz ankamen, wurden von IOM unterstützt. Dazu zählten 101 UMF (Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge), denen IOM eine besondere Unterstützung zukommen ließ, inklusive medizinischer Behandlung, sichere Unterkünfte und die Suche nach Familienangehörigen (IOM 15.1.2017).

 

Ein UNHCR-Vertreter berichtete, dass afghanische Flüchtlinge in Gegenden zurückkehrten, in denen der Friede wieder hergestellt wurde. Dennoch sei es schwierig, alle afghanischen Flüchtlinge eines Jahres zu verteilen, da der Iran afghanische Migrant/innen zurückschickt und Afghanistan eine Anzahl wohnungsloser Menschen hat, die zusätzlich die Situation verkomplizieren (Pakistan Observer 2.1.2017). Die IOM-Transitzentren in Grenznähe bieten elementare Unterkünfte, Schutz für unbegleitete Minderjährige, Haushaltsgegenstände (Töpfe und Pfannen), sowie Transportmöglichkeiten für Familien, um sich in ihren Wunschgebieten ansiedeln zu können (DAWN 12.1.2017).

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt – um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Staatliches Pensionssystem

 

Es ist nur ein öffentliches Rentensystem etabliert. Das übliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 65 Jahren, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Personen, die in Afghanistan gearbeitet haben, haben Zugang zu Rentenzahlungen. Es gibt keine Einschränkungen, die einzige Voraussetzung ist, dass die Person mehr als 32 Jahre gearbeitet hat und zwischen 63-65 Jahren alte ist. Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen werden als vulnerabel/schutzbedürftig eingestuft. Sie können Sozialhilfe beziehen und zumindest körperlich benachteiligte Menschen werden in der Gesellschaft respektvoll behandelt. Schwierig ist es allerdings mit mental erkrankten Menschen, diese können beim Roten Halbmond und in entsprechenden Krankenhäusern (Ali Abad Mental Hospital, siehe Kontakte) behandelt werden (IOM 2016).

 

Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org ) angeboten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan

 

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).

 

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).

 

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vgl. auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).

 

Memorandum of Understanding (MoU)

 

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen (MoU – Memorandum of Understanding) zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u. a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien schieben abgelehnte Asylbewerber/innen afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Der afghanische Flüchtlingsminister Balkhi (seit Ende Januar 2015 im Amt) lehnt die Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen ab und ignoriert die MoUs, wurde jedoch von Präsident Ghani in seinem Einfluss beschnitten. Ein deutsch-afghanisches Rücknahme-MoU wurde am 2. Oktober 2016 in Kabul unterzeichnet (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Identität, Nationalität, Religion sowie Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers und zu seiner Abstammung aus Kabul sowie der bisherigen Erwerbstätigkeit und Berufserfahrung stützen sich auf die Angaben im Asylverfahren. Der Beschwerdeführer machte diesbezüglich durchgehend gleichbleibende und glaubhafte Angaben. Die Feststellung zu seinen rechtskräftigen Verurteilungen ergibt sich aus einem eingeholten aktuellen Strafregisterauszug. Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen Angaben vor BVwG.

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers wird wie folgt gewürdigt:

 

Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV270 Blg. NR. 18. GP; AB 328 Blg. NR 18. GP] zu verweisen, die wiederum der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entnommen wurden):

 

1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

 

2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

 

3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und

 

4. der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

 

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck ist, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt (siehe z.B. VwGH 24.06.1999, Zl. 98/20/0435 bzw. VwGH 20.5.1999, Zl. 98/20/0505).

 

Der Beschwerdeführer hinterließ in der öffentlich-mündlichen Beschwerdeverhandlung einen persönlich völlig unglaubwürdigen Eindruck. Wie auch bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seiner Beweiswürdigung zutreffend ausgeführt hat, konnte der Beschwerdeführer während des gesamten Asylverfahrens nicht den Eindruck erwecken, dass seine Angaben den Tatsachen entsprechen, weshalb sie als unglaubwürdig bzw. nicht nachvollziehbar eingestuft wurden. Trotz guter Kenntnis der deutschen Sprache und eines sechsjährigen Aufenthaltes in Österreich sowie trotz der Teilnahme an vier Gerichtsverhandlungen des LG Wels, die zu den in den Feststellungen festgehaltenen Verurteilungen führten, begrüßte der Beschwerdeführer die Richterin und den Dolmetscher beim Eintreten in den Verhandlungssaal mit "Servas". Unter Zugrundelegung der guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers und der Teilnahme an vier Strafverhandlungen ist an diesem Benehmen erkennbar, dass es dem Beschwerdeführer kein Anliegen ist, den österreichischen Behörden und Gerichten mit dem gebotenen Benehmen zu begegnen.

 

Als Ausreisegrund nannte der Beschwerdeführer im Erstverfahren am 10.10.2011 die Grundstücksstreitigkeiten als Grund, dass er seine Heimat verlassen hätte. Die Onkel hätten die Grundstücksdokumente an sich genommen, als sein Vater gestorben sei, er hätte sie durch seine Cousine, die sie ihm heimlich gegeben hätte, wieder zurückerhalten.

 

An der Trauerzeremonie seines Bruders hätten die Onkel teilgenommen, es hätte einen Streit gegeben und dann hätten sie ihm gesagt, dass nächstes Jahr auch er getötet werde. Deshalb seien seine Mutter, seine Schwester, sein Bruder und er nach Kandahar und sein Bruder und er dann in den Iran gegangen.

 

Später gab er in der Einvernahme an, dass er die Cousine heiraten hätte wollen. Das Mädchen sei heftig vom Vater geschlagen worden – deshalb hätte er Afghanistan verlassen. Der Vater des Mädchens hätte seinen Heiratsantrag abgelehnt. Danach hätte er sich noch sechs oder sieben Monate in Kabul aufgehalten.

 

Widersprüchlich dazu gab er am 30.06.2017 in der Verhandlung des BVwG an, dass alle Unterlagen beim Vater gewesen seien. Seine Schwester hätte diese von seinem Vater gehabt und diese seien dann im Haus geblieben. Auf den Vorhalt, dass er bisher angegeben hätte, dass die Onkel ihm die Unterlagen weggenommen hätten, und er sie von seiner Cousine erhalten hätte, die er heiraten hätte wollen, gab er an, dass dies stimme.

 

Weiters machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben zur behaupteten Vergewaltigung und Tötung seines Bruders, in dem er einmal angibt, dass es sich beim vergewaltigten und getöteten Bruder um seinen älteren handelt und bei Nachfrage – wegen Ungereimtheiten in den Aussagen - dass dieser sein jüngerer Bruder sei.

 

Im Zweitverfahren nannte er erstmals vorehelichen Sex mit der Cousine als Fluchtgrund. Als die Familie des Mädchens davon erfahren hätte, hätte sein Bruder sofort einen Heiratsantrag im Namen der Familie gestellt, der abgelehnt worden sei, da er die Ehre der Familie beschmutzt hätte. Man hätte dann die paschtunische Tradition "Baad" durchführen wollen: Entweder werde er als Vergewaltiger getötet oder seine Familie müsse zwei Mädchen mit zwei Söhnen der anderen Familie verheiraten. Das hätten sie nicht gemacht und wenig später sei sein älterer Bruder unter unbekannten Umständen ums Leben gekommen.

 

Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer diesen Verfolgungsgrund, sofern er tatsächlich vorliege, bereits im Erstverfahren geltend gemacht hätte, zumal dies ein in vielen Asylverfahren afghanischer Asylwerber oftmals vorgebrachter Fluchtgrund ist.

 

Abgesehen von der unglaubwürdigen Steigerung des Vorbringens schildert er den Sachverhalt dann in der Verhandlung vor dem BVwG dahingehend abweichend, dass die andere Familie (nur) eine Schwester und darüber hinaus Grundstücke als eine Art "Entgelt" für die Ehe mit der Cousine gefordert hätte.

 

Es ist auch realitätsfern und unplausibel, dass sich der Beschwerdeführer – wie er im Erstverfahren angibt – nach der Ablehnung des Heiratsantrages noch sechs oder sieben Monate in Kabul aufgehalten hat, wenn ihm doch – wie er erst im Zweitverfahren angibt – die Ermordung aufgrund der Tradition "Baad" droht, da seine Schwester nicht der anderen Familie übergeben worden war. Wäre die Angst des Beschwerdeführers vor seinen Onkeln so groß gewesen, so hätte er sich keinesfalls noch ein halbes Jahr lang in Kabul aufgehalten bzw. hätte er keinesfalls an der Trauerzeremonie des Bruders teilgenommen, wo die "gegnerische" Familie (Onkel) auch anwesend waren. Erst aufgrund einer dort ausgesprochenen Drohung und Prügel (vgl. Erstverfahren) hätte er Kabul in Richtung Kandahar verlassen.

 

Der Beschwerdeführer machte auch widersprüchliche Angaben zu seinem jüngeren Halbbruder: Während er im Erst- und Zweitverfahren ausgesagt hatte, dass er seinen jüngeren Bruder vom Iran aus zur Hochzeit seiner Schwester geschickt hätte und er im Iran verblieben sei, gab er in der Verhandlung des BVwG an, dass er gemeinsam mit dem Halbbruder vom Iran nach Afghanistan gegangen sei und dieser dann dort geblieben sei und er alleine zurück in den Iran gereist sei.

 

Der Beschwerdeführer brachte auch erstmals im Zweitverfahren Übergriffe seines Onkels und Cousins in einem Taekwondo-Club vor. Am 30.06.2017 in der Verhandlung des BVwG befragt, was durch diesen Übergriff erreicht werden hätte sollen, steigerte er das Vorbringen weiter, dass man seinem Bruder unterstellt hätte, ein Saraj verkauft und Geld genommen zu haben. Er hätte ihnen zeigen sollen, wo sein Bruder sei.

 

Weiters ist auch auf das Ergebnis der Recherchen des BFA zu verweisen, an deren inhaltlicher Richtigkeit für das BVwG kein Zweifel besteht. In dem Rechercheergebnis ist die Art und Weise, wie der beauftragte Rechercheur zu seinem Ergebnis gekommen war, genauestens aufgelistet (ua wurden die Ansprechpartner entweder durch ihre Funktion oder namentlich (samt deren Telefonnummern) bekanntgegeben. Insbesondere ist relevant, dass weder der Beschwerdeführer noch seine Familie den Anwohnern der Grundstücke bekannt waren. Dies führt auch zur einzigen logischen Schlussfolgerung, dass die behaupteten Grundstücksstreitigkeiten nicht den Tatsachen entsprechen. Die sich widersprechenden und sich im Laufe des Verfahrens steigernden Aussagen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, das Rechercheergebnis zu entkräften.

 

Nachdem im angefochtenen Bescheid das Rechercheergebnis vom BFA schlüssig und nachvollziehbar verwertet wurde, steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen in der Beschwerde im Zweitverfahren weiter, in dem er die Onkel erstmalig als einflussreiche Männer mit Beziehungen zu den Taliban schildert. Dies widerspricht seinen Angaben in der Einvernahme vom 05.05.2015 im Zweitverfahren, in der er sie abwertend als Analphabeten aus dem Dorf beschreibt.

 

Gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sprechen insbesondere auch die Verurteilungen des LG Wels, insbesondere auch wegen falscher Zeugenaussage und versuchter Begünstigung.

 

Vielmehr scheinen die Aussagen des Beschwerdeführers am 05.05.2015, dass er seit seiner Kindheit das Land verlassen wollte, da es nur Krieg gebe, den Tatsachen zu entsprechen.

 

Aufgrund der zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben des Beschwerdeführers, und des Rechercheergebnisses wird sein Fluchtvorbringen auch aufgrund des persönlichen Eindruckes im Rahmen der Beschwerdeverhandlung als unglaubwürdig bewertet.

 

Zur Lage im Herkunftsstaat

 

Die oben getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie den zitierten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage in Afghanistan.

 

Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund an der Richtigkeit der schlüssigen Situationsdarstellungen im Herkunftsstaat zu zweifeln. Der Beschwerdeführer ist den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten. Die der Entscheidung zugrunde gelegte aktuelle Beurteilung der Lage in Afghanistan, insbesondere der Situation in der Stadt Kabul, die bei einer Rückkehr den Zielort des Beschwerdeführers darstellt, ergibt, dass sich seit der Beurteilung der Lage mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine für das gegenständliche Verfahren relevante erhebliche Änderung der Situation ergeben hat. Die Stadt Kabul ist über den dortigen Flughafen gut erreichbar. Die afghanische Regierung behält nach den vorliegenden Länderberichten die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. In Kabul sind Hauptziele der Angriffe meist Regierungsgebäude, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, ausländische Organisationen, Restaurants, Hotels und Gasthäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass das Bundesamt ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Dem Beschwerdeführer wurde ausreichend die Möglichkeit eingeräumt, seine persönlichen Fluchtgründe in Bezug auf seinen Herkunftsstaat geltend zu machen und kann es daher nicht der belangten Behörde angelastet werden, wenn der Beschwerdeführer davon nicht mit Erfolg Gebrauch gemacht hat.

 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher aus oben angeführten Überlegungen der Beurteilung durch das Bundesamt an, dass es dem Beschwerdeführer konkret nicht gelungen ist, eine persönliche Verfolgungsgefahr in Bezug auf seinen Heimatstaat Afghanistan aufzuzeigen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183, 18.02.1999, 98/20/0468).

 

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 leg. cit.).

 

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Gründen, weshalb er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, waren aus den im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Erwägungen unglaubwürdig.

 

Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich konkret für den Beschwerdeführer kein Status eines Asylberechtigten ableiten. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH vom 14.03.1995, 94/20/0798, sowie VwGH vom 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre.

 

Dass der Beschwerdeführer aus anderen in seiner Person gelegenen Gründen einer – ausreichend wahrscheinlichen – asylrelevanten Verfolgung maßgeblicher Intensität in Afghanistan ausgesetzt wäre, wurde vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargelegt.

 

Da der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen konnte noch auf Grund des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen wäre, dass ihm asylrelevante Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Der Fremde hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren und in den Schutzbereich des Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention fallenden Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 02.08.2000, 98/21/0461, zu § 57 FrG 1997; auch VwGH vom 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

 

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist im Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095).

 

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen zur seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.

 

Nach den Ergebnissen des Verfahrens vor dem Bundesamt muss - wie oben bereits dargestellt - davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer weder aus "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" aus einem der in der GFK angeführten Asylgründe sein Land verlassen hat, noch dass er im Falle seiner Rückkehr einer "realen Gefahr" iSd Art 2 oder Art 3 EMRK ausgesetzt wäre, die subsidiären Schutz notwendig machen würde.

 

Der Schutzbereich des Artikels 3 EMRK umfasst nicht nur Fälle, in denen der betroffenen Person unmenschliche Behandlung (absichtlich) zugefügt wird. Auch die allgemeinen Umstände, insbesondere unzulängliche medizinische Bedingungen im Zielstaat der Abschiebung können - in extremen Einzelfällen - in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK fallen. Allgemein ist der Rechtsprechung des EGMR zu entnehmen, dass "allein" schlechtere oder schwierigere (auch kostenintensivere) Verhältnisse in Bezug auf die medizinische Versorgung nicht ausreichen, um - in Zusammenhang mit einer Abschiebung - in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu reichen. Dazu sei - jeweils - das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände erforderlich. Der EGMR betonte weiters im Fall Bensaid gg. Vereinigtes Königreich, dass auf die "hohe Schwelle" des Artikels 3 besonders Bedacht zu nehmen sei, wenn der Fall nicht die "direkte" Verantwortung eines Vertragsstaates (des abschiebenden Staates) für die Zufügung von Leid betreffe (vgl. Putzer, Leitfaden für Asylrecht² (2011) Rz 196, mwH).

 

Eine Verletzung des Artikels 3 EMRK ist im Falle einer Abschiebung nach der Judikatur des EGMR, der sich die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts angeschlossen haben, jedenfalls nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. hiezu EGMR ‚ U 02.05.1997, D vs. United Kingdom, Nr. 30240/96; EGMR E 31.05.2005, Ovdienko Iryna and Ivan vs. Finland, Nr. 1383/04 sowie VfGH vom 06.03.2008, Zl. B 2400/07, mwH).

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären.

 

Auch nach Ansicht des EGMR ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht dergestalt, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. EGMR Urteil Husseini v. Sweden vom 13.10.2011, Beschwerdenummer 10611/09, Ziffer 84 sowie das rezente Erkenntnis des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoße würde: EGMR AGR/Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 und das dementsprechende rezente Erkenntnis des VwGH vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/01/0134-7). Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage erscheint damit eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional - sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedlichen - Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers ist diesem die Rückkehr in die Stadt Kabul aus folgenden Gründen auch zumutbar:

 

Wie oben festgestellt, ist der Beschwerdeführer gesund, verfügt über Schulbildung und Berufserfahrung und ist im erwerbsfähigen Alter. Er kennt die Stadt Kabul gut, da er bis zu seinem 19. Lebensjahr dort gelebt hat. Dadurch, dass der Beschwerdeführer seine bisherigen Lebensjahre in Afghanistan verbrachte und auch mit seiner afghanischen Familie zusammenlebte, ist er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Aufgrund seiner gesammelten Berufserfahrung und seiner Arbeitsfähigkeit hat er die Möglichkeit, sich beispielsweise wieder als Bauarbeiter oder Schneider eine Existenzgrundlage in Kabul zu sichern.

 

Weiters verfügt er über ein familiäres und soziales Netzwerk in Afghanistan. Seine Mutter, Schwester und Schwager leben laut seinen Angaben in Kandahar und könnten ihn im Falle einer Unterkunftnahme in Kabul jedenfalls finanziell unterstützen. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass er weiters die Möglichkeit hätte nach Kandahar zu ziehen gehen, wäre er dort nicht auf sich alleine gestellt und müsse auch keinen Wohnraum suchen, da seine Familie dort wohnt – und er laut eigenen Angaben auch in Kandahar bereits problemlos gelebt hat. Im Übrigen hat er ausreichende Kenntnisse über die infrastrukturellen Gegebenheiten.

 

Zusammenschauend ergibt sich, dass in Kabul die Möglichkeiten für eine den durchschnittlichen afghanischen Verhältnissen entsprechende Lebensführung realistisch sind und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Darüber hinaus ist Kabul eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Die afghanische Regierung behält nach den vorliegenden Länderberichten die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. In Kabul sind Hauptziele der Angriffe meist Regierungsgebäude, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, ausländische Organisationen, Restaurants, Hotels und Gasthäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es auch nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände konnte der Beschwerdeführer im Verfahren jedoch nicht glaubhaft machen. Er verfügt über Berufserfahrung, spricht eine der dortigen Landessprachen, ist gesund und arbeitsfähig. Von einer finanziellen Unterstützung durch die Kandahar lebenden Familienmitglieder ist jedenfalls auszugehen. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Unter diesen Gesichtspunkten kann davon ausgegangen werden, dass er auch nach seiner Rückkehr in seine Heimat in der Lage sein wird, sich seinen Lebensunterhalt zu sichern.

 

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Stadt Kabul jedenfalls möglich und auch zumutbar ist.

 

Ausgehend davon, ist mit Blick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

 

Die Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan steht daher nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb dem Beschwerdeführer nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen ist.

 

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

§ 55 (1) AsylG 2005 lautet: "Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

 

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

 

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. "

 

§ 57 AsylG 2005 lautet:

 

"§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist. [ ]"

 

§ 58 AsylG 2005 lautet:

 

"§ 58 (1) Z. 2: Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. [ ]"

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

 

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

 

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

 

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

 

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

§ 50 (1) FPG: Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

§ 52 (1) [...]

 

(2) Z. 2: Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige. [...]

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. [...]

 

§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

[...]"

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

 

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahe Angehörige in Österreich. Die Ausweisung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

 

Geht man nun im vorliegenden Fall von einem zweifellos bestehenden Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich aus, fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht der erkennenden Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes zu Lasten des Beschwerdeführers aus und würde die Rückkehrentscheidung jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellen:

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof stellen in ihrer Rechtsprechung darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (VwGH 30.04.2009, 2009/21/086, VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 09.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.04.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich;

31.01.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande;

31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

 

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Asylantragstellung im April 2011 im Bundesgebiet auf und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts des Asylverfahrens. Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über Bindungen zum Herkunftsstaat: Er hat dort sein gesamtes Leben bis zur Ausreise verbracht, spricht eine Landessprache als Muttersprache, lebte in seinem afghanischen Familienverband. Er wurde sohin mit einem starken Bezug zu seinem Herkunftsstaat sozialisiert. In den darauffolgenden Jahren war er im Iran, wo sich eine große Anzahl afghanischer Staatsbürger aufhalten, und stand mit seiner Familie immer in Kontakt. Es ist daher davon auszugehen, dass er sich in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird. Seine Familie lebt weiterhin in Afghanistan, die ihn vor einer Obdachlosigkeit und existentiellen Notlage bewahren würde. Er könnte daher, zusätzlich zu seiner Selbsterhaltungsfähigkeit, auf familiäre Unterstützung zurückgreifen.

 

Im Gegensatz dazu ist der Beschwerdeführer in Österreich schwach integriert: Er lebt zwar seit knapp fünfeinhalb Jahren in Österreich und spricht die deutsche Sprache gut und ist fallweise geringfügig beschäftigt. Er verfügt außerhalb des Kontaktes zu anderen Asylwerbern bzw. anerkannten Flüchtlingen über keine sozialen Bindungen. Die in Asylverfahren üblicherweise nach einem mehrjährigen Aufenthalt vorgelegten Unterstützungserklärungen fehlen im gegenständlichen Fall vollkommen.

 

Auch eine weitgehende Unbescholtenheit gilt als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl. dazu Chvosta; Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK in ÖJZ 2007, 859). Hierzu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die in den Feststellungen aufgezählten Verurteilungen aufweist.

 

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Kontakte ist noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste: Der Beschwerdeführer durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

 

Zur Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme trotz langjährigem Aufenthalt in Österreich und mangelnder Integration in Österreich ist insbesondere auf folgende höchstgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen: VwGH 17.11.2005, 2005/21/0370 (7-jähriger Aufenthalt mit "nicht stark ausgeprägter Integration" - Ausweisung zulässig), VwGH 25.9.2007, 2007/18/0348 (5-jähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 3.7.2007, 2007/18/0361 (5-jähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 26.9.2007, 2006/21/0288 (7-jähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 8.11.2006, 2006/18/0316 (8-jähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 25.9.2007, 2007/18/0416 (4-jähriger Aufenthalt - "kein individuelles Bleiberecht" - Ausweisung zulässig), VwGH 28.2.2008, 2008/18/0087 (eineinhalbjähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 18.5.2007, 2007/18/0136 (11-jähriger unrechtmäßiger Aufenthalt (von insgesamt 15 Jahren) - Ausweisung zulässig), VwGH 8.11.2006, 2006/18/0316 (4-jähriger unrechtmäßiger Aufenthalt nach 4-jährigem Asylverfahren - Ausweisung zulässig), VfGH 29.9.2007, B 1150/07, EuGRZ 2007, 728 (11-jähriger Aufenthalt, zwei Scheinehen, zwei Asylanträge - Ausweisung zulässig).

 

Den schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

 

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

 

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Da der Antrag des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen wurde, liegt weder ein Fall des § 8 Abs. 3a noch des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vor. Der Beschwerdeführer gab nicht an, über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen.

 

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe oben).

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe oben).

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den tragenden Gründen des gegenständlichen Erkenntnisses betreffend die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan im Sinne des § 50 FPG ergeben würden. Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige besondere Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auch in diesen Spruchpunkten als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern stellt die Entscheidungsfindung ausschließlich das Resultat einer eingehenden Glaubwürdigkeitsauseinandersetzung, basierend auf den konkret im Verfahren präsentierten Angaben des Beschwerdeführers, dar. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A angeführten zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar (vgl. dazu insb. Notwendigkeit einer maßgeblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit und dem Ungenügen der entfernten Möglichkeit einer Verfolgung VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a; sowie zur Bewertung der aktuellen [Rückkehr-]situation in Afghanistan EGMR AGR/Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 und das dementsprechende rezente Erkenntnis des VwGH vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/01/0134-7). Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 ergeben sich aus der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, jene für den Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall des Beschwerdeführers nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides an.

 

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

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