BVwG W204 2007932-1

BVwGW204 2007932-113.5.2015

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W204.2007932.1.00

 

Spruch:

W204 2007932-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNEIDER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörige der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2014, Zl. 831595804/1743613, zu Recht erkannt:

A. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idgF, § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52, 55 FPG, BGBl. I 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr. 1/1930 idF BGBl I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

I.1. Die im Spruch genannte Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) reiste am 01.11.2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EASt am 02.11.2013 gab die BF an, im Oktober 2013 mit ihrem volljährigen Sohn, dem Beschwerdeführer zu W204 2007929-1, ihr Heimatland verlassen zu haben und über die Ukraine, Polen und Tschechien oder die Slowakei schlepperunterstützt nach Österreich gereist zu sein. Befragt nach ihren Fluchtgründen führte sie aus, persönlich keine eigenen Fluchtgründe zu haben. Sie sei lediglich mit ihrem Sohn mitgereist, weil sie sonst in ihrer Heimat alleine gewesen wäre.

I.3. Nachdem aufgrund der Angaben der BF zu ihrer Reiseroute zunächst Konsultationsverfahren mit den Staaten Polen, Tschechien und der Slowakei eingeleitet und an diese Staaten Anfragen gemäß Art. 21 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates gestellt worden waren, wurde das Verfahren der BF am 18.11.2013 im Bundesgebiet zugelassen.

I.4. Am 06.03.2014 wurde die BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Nach ihrem gesundheitlichen Befinden befragt, führte sie eingangs aus, aufgrund zu hohen Blutdrucks in Österreich Medikamente verschrieben bekommen zu haben. Auch in ihrer Heimat sei sie deswegen bereits in Behandlung gestanden.

In ihrer Heimat sei die BF bis zum 20.05.2013 als Verkäuferin in einem Geschäft ihres Cousins tätig gewesen. Damit habe sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Zudem habe sie eine Waisenrente für ihren Sohn (AS 85) bekommen. Gemeinsam mit diesem habe sie in einem eigenen Haus gelebt.

Nach jenen Gründen befragt, die die BF bewogen hätten, die Russische Föderation zu verlassen, führte diese aus, dass ihr Sohn in ihrer Heimat Probleme bekommen habe. Am 10.05.2013 gegen 22:00 Uhr hätten ihn maskierte Männer von zu Hause abgeholt und mitgenommen. Erst drei Monate später habe sie ihn wieder gesehen, als er am 04.08.2013 im Heimatdorf neben einer Moschee bewusstlos aufgefunden worden sei. Anschließend sei er in ein Krankenhaus gebracht worden, wo er sich bis Ende August aufgehalten habe.

Von ihren Verwandten halte sich ein Bruder der BF in ihrem Heimatdorf, ein weiterer in Nordossetien auf. Ebenso befinde sich eine Schwester der BF in Nordossetien, eine weitere in Inguschetien. In Österreich würden sich drei Neffen und eine Nichte der BF aufhalten.

Im Zuge der Einvernahme legte die BF dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl medizinische Unterlagen und einen russischen Versicherungsausweis vor.

I.5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2014, Zl. 831595804/1743613, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde der BF ein Aufenthaltstitel nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2007 (FPG) idgF, erlassen. Nach § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte in seinem Bescheid die russische Staatsangehörigkeit und tschetschenische Herkunft der BF, nicht jedoch deren Identität fest. Die BF leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Die BF habe keine in ihrer Heimat gegen sie gerichtete Verfolgungshandlungen vorgebracht, sondern habe sich bei ihren Fluchtgründen auf das Vorbringen ihres Sohnes bezogen. Die BF verfüge in ihrer Heimat zudem über private und familiäre Anknüpfungspunkte. In weiterer Folge gab die belangte Behörde aktuelle Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation wieder.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend der Fluchtgründe der BF aus, dass hinsichtlich der Verfolgung ihres Sohnes, welche die BF ihrem Antrag zugrunde gelegt habe, auf die negative Entscheidung und die dortige Beweiswürdigung im Verfahren ihres Sohnes zu verweisen sei. Im Falle einer Rückkehr könne die BF wie vor ihrer Ausreise als Verkäuferin arbeiten und jenes Haus, in dem sie vor ihrer Ausreise mit ihrem Sohn gelebt habe, bewohnen. Eine medizinische Versorgung ihres Bluthochdrucks sei im Heimatland gewährleistet. Auch gebe es dort ausreichend familiäre Anknüpfungspunkte. Die BF würde im Falle einer Rückkehr somit auch nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten.

Rechtlich folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daraus, dass sich im Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher gemäß Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 zur Gewährung von Asyl führen könnte, ergeben hätten. Da unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände auch nicht festgestellt werden habe können, dass die BF im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation dort einer realen Gefahr des Todes, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung oder der Gefahr der Folter ausgesetzt bzw. in ihrem Recht auf Leben gefährdet wäre oder dass eine Rückkehr für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, habe der BF auch kein subsidiärer Schutz gewährt werden können. Zuletzt sei eine Ausweisung der BF zur Erreichung der in Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele auch als gerechtfertigt anzusehen. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG sei daher nicht in Betracht gekommen.

I.6. Mit Verfahrensanordnung vom 10.04.2014 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.7. Gegen diesen Bescheid erhob die BF rechtzeitig Beschwerde, worin der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Gänze angefochten wurde.

Die BF verwies dabei erneut auf die Probleme ihres Sohnes in Tschetschenien. Sie selbst sei im Heimatland keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen, sondern habe lediglich den Sohn begleitet. Sollte ihrem Fluchtvorbringen keine Asylrelevanz zugebilligt werden, stelle sie in eventu den Antrag auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes.

I.8. Am 16.12.2014 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung mit dem volljährigen Sohn der BF (W204 2007929-1) durch.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den die BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden gegenständlichen Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und durch die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat. Beweis wurde zudem erhoben durch Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem. Im Verfahren des Sohnes der BF, der eigene Fluchtgründe vorgebracht hatte und den die BF begleitet hat, wurde eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zur BF wird Folgendes festgestellt:

Die BF ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Sie reiste am 01.11.2013 illegal gemeinsam mit ihrem volljährigen Sohn, dem Beschwerdeführer zu W204 2007929-1, in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Ihre Identität steht nicht fest.

Die BF brachte im Verfahren keine eigenen Fluchtgründe vor. Sie hatte in der Russischen Föderation keinerlei eigene Probleme, sondern verließ diese nur, um ihren vermeintlich gefährdeten volljährigen Sohn bei dessen Ausreise zu begleiten. Im Verfahren des Sohnes der BF konnte nicht festgestellt werden, dass diesem in der Russischen Föderation eine asylrelevante Verfolgung drohen könnte.

Bei einer Rückkehr in die Russische Föderation kann keine besondere Gefährdung für die BF erkannt werden. Die BF verfügt in ihrer Heimat über zahlreiche Familienangehörige. Für sie besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

In Österreich befinden sich neben dem Sohn der BF noch drei Neffen und eine Nichte der BF.

Die BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Sie leidet an zu hohem Blutdruck, bekam im Bundesgebiet Medikamente verschrieben und war deshalb vor ihrer Ausreise auch in der Russischen Föderation in Behandlung.

Die BF lebt im Bundesgebiet von der staatlichen Grundversorgung, wobei sie gemeinsam mit ihrem Sohn untergebracht ist. Die BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Eine besonders schützenswerte Integration der BF im Bundesgebiet kann durch das Bundesverwaltungsgericht nicht festgestellt werden. Für ihren Sohn ergeht mit heutigem Tage eine gleichlautende Entscheidung.

II.1.2. Zur Lage in der Russischen Föderation und der Teilrepublik Tschetschenien im Konkreten wird Folgendes festgestellt:

Unter Heranziehung der erstinstanzlichen Feststellungen, die auf Berichten der Staatendokumentation beruhen und nach wie vor aktuell sind und inhaltlich jenen des Bundesverwaltungsgerichtes, die dem Sohn der BF in dessen Verfahren vorgehalten worden sind, entsprechen, wird Folgendes festgehalten:

1. Politische Lage

Administrativ und territorial gliedert sich die Russische Föderation in eine Vielzahl von Föderationssubjekten. Diesen stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsam Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentral reg ierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau.

Historisch verwurzelte Unabhängigkeitsbestrebungen führten in jüngster Geschichte zu zwei Kriegen mit dem föderalen Zentrum Russland. Der zweite Tschetschenienkrieg wurde offiziell im April 2009 für beendet erklärt. 2006 wurde Ramsan Kadyrow zum Premierminister, 2007 per Dekret zum Präsidenten der Republik Tschetschenien ernannt. Im Februar 2011 wurde er von Präsident Medwedew für eine zweite fünfjährige Amtszeit zum Republiksoberhaupt ernannt und in der Folge vom tschetschenischen Parlament bestätigt.

Die Macht von Ramsan Kadyrow ist in Tschetschenien unumstritten. Kadyrow versucht durch Förderung einer moderaten islamischen Identität einen gemeinsamen Nenner für die fragmentierte, tribalistische Bevölkerung zu schaffen. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig da er alle potentiellen Rivalen ausgeschaitet habe und über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Präsident Putin verfüge.

2012 restrukturierte Kadyrow die tschetschenische Regierung, was zu vielen Entlassungen führte. Zudem vereinte er die Präsidentschafts- und Regierungsverwaltung, was die Verwaltung gegenüber der lokalen Regierung stärkte und dadurch die Macht Kadyrows weiter festigte. Zum Chef der Gemeinsamen Präsidentschafts- und Regierungsverwaltung wurde Kadyrows enger Vertrauter Magomed Daudov ernannt (RFE/RL 22.5.2012). Weiters entließ Ramsan Kadyrow den Bürgermeister von Grosny, und ernannte einen seiner Verwandten, Islam Kadyrow, als neuen Bürgermeister. Zuvor hatte das Republiksoberhaupt in mehreren Bezirken der Republik Umbesetzungen in der Führungsriege vorgenommen.

In Tschetschenien hat Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung.

Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zum russischen Präsidenten im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen.

Quellen:

1.1.Nordkaukasus

Mit der Schaffung des "Nord-Kaukasus Distrikts", der Annahme eines umfangreichen Programmes für die sozioökonomische Entwicklung und der Betrauung von Wirtschaftsfachleuten mit hohen politischen Funktionen in der Region verfolgt Moskau seit Anfang 2010 einen neuen, umfassenderen Ansatz zur Stabilisierung der nordkaukasischen Republiken. Anstatt den Fokus auf Sicherheitsaspekte im engeren Sinn zu legen und die nordkaukasischen Republiken durch Transferzahlungen in finanzieller Abhängigkeit zu halten, gehen die geplanten Maßnahmen in Richtung einer strukturellen und nachhaltigeren Konsolidierung. Der damalige Premierminister Putin hat am 6. September 2010 eine Strategie zur Entwicklung des Nordkaukasus bis 2025 signiert. Die Strategie kombiniert föderale Programme und private Geschäftsprojekte und soll bis zu 400.000 Arbeitsplätze schaffen. Im Wirtschaftsbereich sollen vor allem die Bau-, die Energie-, die Agrar- und die Tourismusbranche gefördert werden. Insgesamt wurden Projekte mit dem Gesamtwert von 600 Mrd. Rubel (ca. 15 Mrd. Euro) gebilligt. Als Teil dieses Programmes wurden im Rahmen einer Sitzung der Kommission für sozio-ökonomische Entwicklung im Nordkaukasus Anfang Mai 2011 von der russ. Regierung 30 vorrangige Investitionsprojekte für die Region ausgewählt. Für diese sollen 145 Mrd. Rubel (3,5 Mrd. Euro) zur Verfügung gestellt werden.

Als Konkurrenzzone vieler politischer Kräfte, die ihre Positionen im Bereich des Schwarzen und Kaspischen Meeres zu festigen suchen, ist der Nord-Kaukasus eine für Russland wichtige Region. Seit einiger Zeit gibt es im Nord-Kaukasus positive Entwicklungen:

• die Einsicht über die Notwendigkeit einer Strategie zur Lösung vieler örtlicher Probleme

• die Abnahme der Zahl zwischenethnischer Konflikte

• die Stabilisierung sozio-ökonomischer Bedingungen

Dennoch bleibt die Situation im Nordkaukasus in bestimmten Gebieten angespannt. Dies ist auf eine Kombination unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen: niedriger Grad wirtschaftlicher Entwicklung, verlorenes Vertrauen in die Politik Moskaus sowie ethnische Rivalitäten. Hinzu kommen noch regional spezifische Strukturen und Probleme.

Im Nordkaukasus herrscht ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen russischen Truppen, kremltreuen lokalen Einheiten, islamistischen Rebellen und kriminellen Banden. Russische

Menschenrechtler beklagen, dass die Staatsmacht im Nordkaukasus schwach ist und alle möglichen Gruppierungen in dieses Vakuum vorstoßen.

Quellen:

2. Sicherheitslage

In Tschetschenien existiert noch immer eine islamistische Untergrundbewegung. Deren Mitglieder werden als "Wäldler" bezeichnet, da sie in den ausgedehnten und dichten Wäldern des Landes ihre Verstecke haben. Ihre Anzahl ist unbekannt. Sie sind jedoch zu effektiven Anschlägen, die meist als Selbstmordattentate erfolgen, fähig. Ziel der Islamisten ist die Errichtung eines "Kaukasischen Emirats" im Nordkaukasus. Ihr Anführer ist Doku Umarov, der selbsternannte "Oberste Emir" des Nordkaukasus. Die Städte gelten gegenwärtig als sicher vor Anschlägen durch die islamistischen Rebellen. Am gefährlichsten sind die Waldgebiete, insbesondere die Gebiete in den hohen Bergen an der Grenze zu Georgien sowie die Grenzgebiete zu Dagestan.

Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter, jedoch fiel das Gewaltlevel im Nordkaukasus allgemein 2012 um 10% verglichen mit dem Vorjahr. Die Gewalt in Tschetschenien ging 2012 stark zurück. Andere kaukasische Teilrepubliken haben Tschetschenien bei der Zahl der registrierten Gewaltvorfälle überholt. 2012 gab es im Nordkaukasus insgesamt 700 kampfbedingte Todesopfer, davon mehr als die Hälfte in Dagestan, der größten kaukasischen Teilrepublik Russlands. Dort wurden knapp 300 Verbrechen verzeichnet, die mit Terrorismus im Zusammenhang standen, im restlichen Nordkaukasus 180.

Für die ersten neun Monate des Jahres 2013 berichtet Caucasian Knot 87 getötete Soldaten, 68 getöteten Zivilisten und 220 getöteten Rebellen im Nordkaukasus [Anm. nicht Tschetschenien allein]. Von staatlicher Seite wurde verlautbart, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 Straftaten, die mit Extremismus in Zusammenhang stehen im Nordkaukasus um 40% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen, jedoch terroristische Angriffe im selben Zeitraum um 10% sanken.

Im Sicherheitsbereich ist gegenwärtig ein Trend zu beobachten, der auf eine Stabilisierung Tschetscheniens bei gleichzeitiger Verschlechterung der Lage in Dagestan hinausläuft. In manchen Regionen konstatieren Beobachter auch ein Übergreifen der Gewalt auf bisher ruhige Gebiete.

Einschätzungen zur zahlenmäßigen Stärke der Rebellen divergieren stark. In Tschetschenien ist es seit Jahresbeginn 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien).

Quellen:

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen wird weiterhin gewährt, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungerechtfertigte Gewaltanwendung, rechtswidrige Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen, die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen und das Fehlen eines effektiven Rechtmittels, Versagen in der Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof und unrechtmäßige Durchsuchungen, Festnahmen und Zerstörung von Eigentum. Russland zahlt den Opfern zwar die vorgeschriebene finanzielle Kompensation, versäumt es aber, effektivere Untersuchungen durchzuführen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist in Tschetschenien völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren.

Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen - sei es mit Lebensmitteln, Kleidung oder Unterschlupf für Rebelien oder sei es durch Waffen - in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug.

Quellen:

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Russia, http://www.ecoi.net/local link/237036/359908 de.html; Zugriff 9.12.2013.

4. Sicherheitsbehörden

In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden oft zusammenfassend als Kadyrowzy bezeichnet, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften. Die tschetschenischen Sicherheitskräfte bestehen aus einem "relativ undurchsichtigen Geflecht von verschiedenen Einheiten", wie in einer Analyse der Staatendokumentation festgehalten wurde. Davon konnte man sich während des Forschungsaufenthalts überzeugen: Die zahlreichen in den Straßen der Hauptstadt Grosny zu sehenden Sicherheitskräfte tragen eine Vielzahl an verschiedenen Uniformen. Viele bewaffnete Männer in schwarzer oder Camouflage-Kleidung tragen keinerlei Abzeichen, die erkennen lassen würden, ob oder zu weicher polizeilichen oder militärischen Einheit sie gehören. Vereinzelt sieht man in den Straßen Grosnys auch Männer in Zivil, die eine Handfeuerwaffe im Gürtel tragen. Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert.

Tschetschenische Kommandoeinheiten werden von russischen Eliteeinheiten wie z.B. ALFA (eine spezielle Eliteeinheit des FSB) für den Einsatz in bergigen Gebieten und Wäldern trainiert. Das Trainingslager für tschetschenische Spezialeinheiten befindet sich im Dorf Tsenteroi im Kurchaloi Distrikt. Aus dem Bericht der Jamestown Foundation geht hervor, dass der Major und seine Auszubildenden nicht-russische khakifarbene Uniform ohne jegliches Abzeichen einer bestimmten Behörde trugen.

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führt nach wie vor häufig zu Menschenrechtsverletzungen. Bewaffnete Gruppen überfielen erneut Angehörige der Sicherheitskräfte, örtliche Staatsbedienstete und Zivilpersonen. Angriffe bewaffneter Gruppen wurden aus dem gesamten Nordkaukasus gemeldet. Im gesamten Nordkaukasus gab es 2012 weiterhin regelmäßig Sicherheitseinsätze der Polizeikräfte. Dabei kam es Berichten zufolge häufig zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidriger Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen.

Die Behörden verstießen systematisch gegen ihre Verpflichtung, bei Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte umgehend unparteiische und wirksame Ermittlungen einzuleiten, die Verantwortlichen zu identifizieren und sie vor Gericht zu stellen. In einigen Fällen wurden zwar Strafverfolgungsmaßnahmen ergriffen, meistens konnte im Zuge der Ermittlungen jedoch entweder kein Täter identifiziert werden oder es fanden sich keine Beweise für die Beteiligung von Staatsbediensteten oder man kam zu dem Schluss, es habe sich um keinen Verstoß seitens der Polizeikräfte gehandelt. Nur in Ausnahmefälien wurden Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Polizeibeamte wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit Folter- und Misshandlungsvorwürfen ergriffen. Kein einziger Fall von Verschwindenlassen oder außergerichtlicher Hinrichtung wurde aufgeklärt und kein mutmaßlicher Täter aus den Reihen der Ordnungskräfte vor Gericht gestellt.

Quellen:

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Im gesamten Nordkaukasus gab es 2012 weiterhin regelmäßig Sicherheitseinsätze der Polizeikräfte. Dabei kam es Berichten zufolge häufig zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidriger Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen.

Im Einklang mit der EMRK sind Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafen in Russland gesetzlich verboten. Ein Drittel der beim Ombudsmann für Menschenrechte eingehenden Beschwerden bezieht sich dennoch auf polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen. Exekutivpersonal greift manchmal auf Misshandlungs- und Folterpraktiken zurück, um Geständnisse zu erzwingen. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen oft nur auf Geständnissen der Beschuldigten aufbauen, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Exekutivbeamte werden oft nicht untersucht. Besonders oft wird Folter offenbar im Nordkaukasus angewendet.

Besonders Anhänger des Salafismus sind anfällig für Verfolgung wie Verschwindenlassen, Folter und außergerichtliche Tötungen.

Quellen:

6. Korruption

Es herrscht eine hohe Korruption in der tschetschenischen Gesellschaft. Das Kadyrow-Regime will aus der Bevölkerung möglichst viel Geld herauspressen. So sind beispielweise öffentliche Arbeitsplätze regelmäßig nur gegen vorherige Geldzahlungen zu erhalten. Diese erfolgen beispielsweise in den "Ahmad-Kadyrow-Fonds", den Ramsan Kadyrows Mutter leitet. Eine Beamtensteile bei der Stadt Grosny koste ein Jahresgehalt; eine Stelle als Verkehrspolizist sei am teuersten, da sich in dieser Position viel Geld von Verkehrsteilnehmern erpressen lasse. Um eine an sich kostenfreie medizinische Behandlung zu erhalten, muss grundsätzlich ein Geldbetrag an den Arzt bezahlt werden.

Quellen:

7. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Die Nichtregierungsorganisation Vesta bietet kostenlose qualifizierte Rechtsberatung in den folgenden Bereichen:

Rechtsberatung bezüglich ziviler und juristischer Angelegenheiten, Vorbereitung von Anträgen und Anfragen, Ausstellung von Urkunden und Petitionen für die Gerichtshilfe, Einlegung von Berufung bei Verwaltungs- und Strafverfolgungsinstitutionen. Die Menschenrechtsorganisation Memorial bietet Rechtshilfe und befasst sich mit Wohnraumproblemen von Rückkehrern und Zwangsumgesiedelten in Grosny.

Der Verein AMICA befähigt Frauenorganisationen in Nachkriegs- und Krisenregionen dazu, nachhaltige Strukturen zur Unterstützung von Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, aufzubauen. Dazu gehört:

• psychosoziale Arbeit mit Traumatisierten

• medizinische Versorgung

• Rechtsberatung

• Begegnungen zwischen ethnischen Gruppen

• berufliche Qualifizierung

• Maßnahmen zur Existenzsicherung

• Aufklärungsprogramme für Mädchen

• Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying zu Frauenrechten und der Situation von Frauen in Kriegs- und Krisenregionen

• Stärkung der Rolle von Frauen in Nachkriegsregionen

• Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen (AMICA o.D.)

Quellen:

8. Ombudsmann

Der Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates bezweifelt ernsthaft, ob der tschetschenische Ombudsmann seine Rolle als unabhängige Institution zum Schutz der Menschenrechte in der Republik versteht.

Quellen:

9. Allgemeine Menschenrechtslage

In Teilen des Nordkaukasus kommt es weiterhin zu Entführungen, illegalen Festnahmen und Folter von Verdächtigen.

Menschenrechtsverletzungen werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. Mehrere Opponenten und Kritiker des Oberhauptes Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, wurden in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland, durch Auftragsmörder getötet (darunter Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden.

Seit 2002 sind in Tschetschenien über 2.000 Personen entführt worden, von denen über die Hälfte bis zum heutigen Tage verschwunden bleibt. Auch heute noch wird von Fällen illegaler Festnahmen und Folter von Verdächtigen berichtet. Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt.

Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungskräften, Aufständischen, islamistischen Militanten und kriminellen Kräften zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, wie außergerichtlichen Tötungen, Folter, körperlichem Missbrauch und politisch motivierten Entführungen führte.

Familien sehen sich weiterhin Vergeltungsmaßnahmen für angebliche Vergehen von Familienmitgliedern gegenüber. Kadyrow führte seine Anti-Widerstandsstrategie der kollektiven Bestrafung gegen Familienmitglieder von verdächtigen Aufständischen weiter, einschließlich des Anzündens ihrer Häuser.

Menschenrechtsgruppen beschwerten sich, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter fielen Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und -kämpfern.

Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bei der Unterdrückung größerer Rebellenaktivitäten in seinem Einflussbereich wird begleitet von zahlreichen Berichten über außergerichtliche Hinrichtungen und Kollektivbestrafungen.

Auch 2012 gab es Berichte über die Schikanierung von Menschenrechtsverteidigern im Nordkaukasus und in anderen Regionen. Engagierte Bürger, Journalisten und Rechtsanwälte, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen vertraten, mussten mit tätlichen Angriffen u.a. durch Polizeibeamte rechnen.

Vertreter russischer und internationaler NGOs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend.

Quellen:

Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.ecoi.net/iocal link/248036/374230 de.html; Zugriff 24.10.2013,

9.1. Unterstützung der Rebellen

Es kann von niemandem mit Sicherheit gesagt werden, wie viele Rebellen heutzutage in Tschetschenien aktiv sind. Rekrutierung findet konstant statt. Rebellen und jene die aktive Rebellen unterstützen sind Hauptziel der tschetschenischen Behörden, während ehemalige tschetschenische Rebellen für die Behörden von geringerem Interesse sein dürften. Aktive Rebellen werden für gewöhnlich während Sonderoperationen getötet, während Unterstützer festgenommen werden. Bei der Befragung von Personen, die der Zusammenarbeit mit Rebellen bezichtigt werden, soll es zu Folter kommen. In einer Reihe von Fällen wurden Personen für verschiedenartige Unterstützung der Rebellen zu Haftstrafen verurteilt.

Die Verfolgung von Familienmitgliedern und Unterstützern von Widerstandskämpfern ist in der Russischen Föderation eine der Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus im Nordkaukasus.

In deutsch- und englischsprachigen Medien und Berichten von russischen und anderen Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen finden sich keine Hinweise, dass in den letzten Jahren oder derzeitig, Personen, die den Widerstand in den Jahren vor der letzten offiziellen Amnestie 2006 unterstützt oder selbst gekämpft und eine Amnestie in Anspruch genommen haben, oder die mit einer solchen Person verwandt sind, nunmehr allein deshalb verfolgt würden. Betroffen sind hauptsächlich Unterstützer und Familienmitglieder gegenwärtig aktiver Widerstandskämpfer. Um unbehelligt leben zu können müssen sich amnestierte Kämpfer und Unterstützer und deren Familien Ramsan Kadyrow gegenüber sicherlich weiterhin loyal zeigen. Ein Austritt aus den lokalen Sicherheitskräften, in denen viele der Amnestierten nunmehr arbeiten (müssen) wird nur bedingt möglich sein.

Obwohl eine strafrechtliche Verfolgung von Unterstützern des Widerstandskampfes möglich ist, greifen die tschetschenischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den Terrorismus weiterhin auf Mittel ohne rechtliche Grundlage zurück. Einerseits gibt es vereinzelte Berichte, dass Unterstützer ohne jegliches Verfahren für ihre vermeintliche Hilfeleistung "bestraft" werden. Andererseits finden sich zahlreiche Berichte über Formen der Kollektivbestrafung von Familienmitgliedern (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer. Betroffen sind vorwiegend der engere Familienkreis, also Eltern, Onkel, Cousins und Ehefrauen. Die tschetschenischen Behörden gehen aufgrund der traditionell sehr engen Familienbande davon aus, dass Familien ihre im Wald lebenden Angehörigen unterstützen, vor allem aber davon, dass diese Familien im Stande sind ihre Angehörigen zu einer Rückkehr aus dem Wald zu bewegen. Die Verfolgung beginnt mit dem Einsatz von Druckmitteln wie der Streichung von Sozialbeihiifen, und führt bis zum Niederbrennen der Wohnhäuser der betroffenen Familien. Offizielle Beschwerden oder Anzeigen hiergegen sind kaum möglich.

Quellen:

10. Meinungs- und Pressefreiheit

Für vor Ort arbeitende Medien und Journalisten, die über dortige Vorkommnisse berichten wollen, ist die Arbeit in Tschetschenien eine große Herausforderung.

Reporter ohne Grenzen setzten Ramsan Kadyrow auf ihre Liste der "Feinde der Pressefreiheit". Nach einem Erkundungsbesuch 2011 berichtete die Organisation, dass Selbstzensur bei den traumatisierten und eingeschüchterten Medien verbreitet sei und durch ein Klima völliger Straffreiheit verstärkt wird.

Fernsehen ist die verbreitetste Nachrichtenquelle, fast jeder Haushalt hat einen Fernseher. Russische Sender sind weitgehend verfügbar. Der Sender Grozny TV strahlt unter dem Schirm der ChGTRK (Chechen Republic State TV and Radio Broadcasting Company) aus, die von den tschetschenischen Behörden betrieben wird. Printmedien sind eher klein und die Verteilung ungleichmäßig.

Separatistische und dschihadistische Webseiten verbreiten eine unterschiedliche Sichtweise von Vorkommnissen. Dazu gehört Chechenpress, die von der international nicht anerkannten Exilregierung betrieben wird.

Kadyrow betreibt einen Blog über die Plattform des russischen LiveJournal. Lokale Blogger vermeiden es, die lokale Verwaltung zu kritisieren. Mehr als 200.000 Tschetschenen verwenden russische Social Media wie Odnoklassniki oder Vkontakte.

Quellen:

11. Religionsfreiheit

Die Bevölkerung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an, wobei traditionell eine mystische Form des Islam, der Sufismus, vorherrschend ist. Gegenwärtig ist eine Zunahme der Anhänger des Saiafismus/Wahabismus, eine strenge, radikale Form des Islam, zu verzeichnen.

Beim Sufismus handelt es sich um eine weit verbreitete und zudem äußerst facettenreiche Glaubenspraxis innerhalb des Islam. Heutzutage sind Sufis sowohl innerhalb des Schiitentums als auch unter Sunniten verbreitet (Glaubensrichtungen 2013).

Es sind heute 74 religiöse Organisationen in der Republik Tschetschenien registriert, die drei Konfessionen repräsentieren: 72 davon den Islam, eine die Orthodoxie und eine das Evangelische Christentum. Außerdem gibt es mehr als 200 nicht registrierte Gruppen sowohl islamischer als auch orthodoxer Konfession.

Kadyrow billigt oder leitet Massenverstöße gegen die Menschenrechte, darunter gegen die Religionsfreiheit. Er verfälschte tschetschenische Sufi-Traditionen um seine Herrschaft zu rechtfertigen, errichtete auf Grundlage seiner religiösen Ansichten einen repressiven Staat und wies das Tragen einer Hidschab in öffentlichen Gebäuden an.

Kadyrow nutzt den traditionellen Sufismus politisch und als Instrument seines Antiterrorkampfes, um mit dem "guten" sufistischen Islam dem von weiten Teilen der heute in der Republik aktiven Rebellen propagierten "schlechten" fundamentalistischen Islam, dem oft auch Wahhabismus genannten Salafismus, entgegenzuwirken. Diese Strategie hatte bereits sein Vater unter Maschadow - relativ erfolglos - anzuwenden versucht. Diese politische Nutzung der Religion führt aus mehreren Gründen zu heftiger Kritik: Durch die kadyrowsche Islamisierung werden zunehmend Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, beschnitten. Innerhalb der tschetschenischen Bevölkerung empfinden viele die von Kadyrow angeordneten Verhaltensnormen als nicht gerechtfertigten, und schon gar nicht durch tschetschenische Tradition rechtzufertigenden Eingriff in ihr Privatleben. Einige der aufgrund der (Re-)lslamisierung erfolgten Erlässe und Aussagen des Republikoberhauptes, wie etwa die Kopftuchpflicht für Frauen in öffentlichen Gebäuden oder seine Aussprache für Polygamie, widersprechen zudem russischem Recht. Beobachter der Lage sind sich gemeinhin einig, dass all dies von föderaler Seite geduldet wird, weil und solange es Kadyrow gelingt, die relativ stabile Sicherheitslage zu erhalten.

Quellen:

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22,10.2013 in Nürnberg,

12. Frauen/Kinder

In Tschetschenien hat der Druck auf Frauen erheblich zugenommen, sich gemäß den vom dortigen Regime als islamisch propagierten Sitten zu verhalten und zu kleiden. Russische Menschenrechtsorganisationen sprechen von systematischen Diskriminierungen, die nicht zuletzt im Widerspruch zur russischen Verfassung und anderen geltenden Gesetzen stehen.

Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen materiellen Bedingungen statt. Nach Angaben der Vereinten Nationen entspricht die Anzahl der Lehrer wieder dem Niveau vor den Tschetschenienkriegen, allerdings sei die Versorgung mit Lernmitteln häufig noch unzureichend (AA Bericht 10.6.2013).

In Tschetschenien praktiziert der Autokrat Ramzan Kadyrow eine eigenwillige Kulturpolitik, die unter dem Schlagwort "nationale Tradition" Frauen islamische Bekleidung vorschreibt. Kadyrows "Anstandskampagne" für Frauen ging auch 2012 weiter. Auf Frauen wird Druck ausgeübt, Kopftücher im öffentlichen Raum zu tragen. In den meisten öffentlichen Gebäuden müssen Frauen Kopftücher tragen. Laut Frauenrechtsaktivisten nahmen Ehrenmorde zu. Ramsan Kadyrow hat sich öffentlich für Ehrenmorde ausgesprochen. In einigen Teilen des Nordkaukasus sind Frauen mit Brautentführung, Polygamie und erzwungenem Beachten islamischer Kieidungsvorschriften konfrontiert. In einigen Teilen des Nordkaukasus gab es Fälle, in denen Männer Vorgaben in alter Tradition Bräute zu entführen, junge Frauen aber entführten und vergewaltigten und in einigen Fällen zu einer Heirat zwangen. In anderen Fällen waren Frauen für immer "befleckt", da sie keine Jungfrauen mehr waren und somit nicht in eine legitime Ehe eintreten konnten.

Der Einfluss des tschetschenischen Gewohnheitsrechts Adat und teilweise die Islamisierung in Tschetschenien unter dem Regime von Ramsan Kadyrow scheinen die Situation von tschetschenischen Frauen erschwert zu haben. Die zwei tschetschenischen Kriege beeinflussten die Familienmuster und machten Frauen insgesamt schutzloser. Sehr wenige Frauen versuchen Schutz bei den Behörden zu finden, wenn sie Opfer von Gewalt werden. In den wenigen Fällen, wo sich Frauen doch an die Behörden wenden, scheinen sie nicht den benötigten Schutz zu bekommen.

Aus Traditionsgründen oder durch Sicherheitskräfte begangene Verbrechen werden oft nicht angezeigt oder verfolgt. Häusliche und sexuelle Gewalt sind weiterhin Tabuthemen in der tschetschenischen Gesellschaft und werden gemeinhin gemäß den Traditionen gelöst, können jedoch bei den Behörden angezeigt werden. Bei Scheidungen bzw. im Falle des Todes eines Mannes "gehören" seine Kinder den Bräuchen folgend ihm bzw. seiner Familie. Auch hier besteht in der Praxis die Möglichkeit für Frauen, sich an Gerichte zu wenden, die im Normalfall zu Gunsten der Frau entscheiden dürften. Ob und inwieweit eine tschetschenische Frau Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nimmt hängt, ebenso wie etwa Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, Kleidung, oder Vorgehen bei "unehrenhaftem Verhalten", stark von ihrer individuellen Situation ab: von ihrer Erziehung, ihren sozialen Netzwerken, vor allem also von ihrer Familie bzw. jener ihres Ehemannes, von deren Modernität, Traditionalität und Religiosität.

Gewalt gegen Frauen in der tschetschenischen Gesellschaft bleibt ein anhaltendes und schwerwiegendes Thema. Es gibt Berichte von Übergriffen in der Familie, im öffentlichen Raum oder am Arbeitsplatz. Das Projekt [Anm.: Der Verein AMiCA mit den Projektpartnern Zhenskoe Dostoinstvo bzw. Zhenshchiny za razvitie und Sintern in Grosny] gibt den Opfern häuslicher Gewalt eine Stimme und es unterstützt und vernetzt jene Frauenrechtlerinnen, die sich für eine adäquate Rechtsprechung und für Opferschutz einsetzen. Häusliche Gewalt ist eine Straftat, die auch juristisch entsprechend verfolgt werden muss. Dieses Bewusstsein muss sich in mancher Hinsicht noch in der tschetschenischen Gesellschaft etablieren. Deshalb richteten die Mitarbeiterinnen der Frauenorganisationen lokale Netzwerktreffen ein mit dem Ziel, ihre Position in der Öffentlichkeit zu stärken und Strukturen für ein überregionales Frauennetzwerk zu schaffen.

Die Projektmitarbeiterinnen vermittelten Lehrerinnen, Studierende, Polizisten, Juristlnnen, Sozialarbeiterinnen und Krankenschwestern in Trainings und Workshops Methoden zur Arbeit mit Opfern häuslicher Gewalt und klärten über rechtliche und soziale Hilfen auf. Parallel schulten die Mitarbeiterinnen Juristen und Juristinnen sowie Mitarbeiterinnen des Sozialministeriums, um deren Kenntnisse der europäischen Rechtslage zu verbessern. Themen waren die Gleichstellung der Geschlechter und der Schutz von Opfern häuslicher Gewalt. Schutzhäuser fehlen in Tschetschenien.

Obwohl Russland das internationale Abkommen zur Beseitigung von Diskriminierung von Frauen unterzeichnet hat, stehen die Bemühungen, dieses in nationalem Recht zu verankern, still. Hinzu kommt in der tschetschenischen Republik die Schwierigkeit, dass die Täter bei der Rechtsprechung willkürlich zwischen nationalem russischem Recht, islamischem Recht und traditionellem Gewohnheitsrecht [Anm.: Adat] wählen können und somit Straffreiheit erreichen. Zudem wird Häusliche Gewalt mehrheitlich als private Angelegenheit angesehen und in der Familie geregelt.

Im Frauenzentrum und einem angegliederten Haus oder in den vier Flüchtlingsunterkünften von Grozny findet Aufklärung und Weiterbildung in einer Atmosphäre der Geborgenheit und des gegenseitigen Verständnisses statt. Für die dortigen Bewohnerinnen bieten die Mitarbeiterinnen psychologische und gynäkologische Sprechstunden an.

Schulen in Grozny und der Umgebung laden regelmäßig eine Psychologin und eine Gynäkologin ein, die zu Gesundheitsthemen informieren und Interessierte zur weiterführenden ehrenamtlichen Arbeit anleiten.

Zusätzlich können Frauen im Zentrum Kurse zur beruflichen Qualifizierung in Buchhaltung, Arbeiten am Computer und Nähen belegen und ihre Chancen auf einen selbständigen Erwerb verbessern.

Im Frauenzentrum finden zudem Mutter-Kind-Kurse statt, die einerseits dazu beitragen, die hohe Säuglingssterblichkeit zu mindern, aber auch über finanzielle Mutterschaftsansprüche informieren sollen.

Die mangelhafte Gesundheitsversorgung, verursacht durch fehlende medizinische Ausrüstung und Personal, führt zu "käuflichen" Gesundheitsdienstleistungen. Die kostenlose staatliche Gesundheitsversorgung wird so unterlaufen.

Die Projektmitarbeiterinnen organisierten einen runden Tisch zum Thema "Gesundheit jugendlicher Mädchen - gegen frühe Schwangerschaft und Heirat" mit Vertretern der tschetschenischen Regierung aus den Bereichen Gesundheit, Bildung und Religion sowie Lehrerinnen und Mitarbeiterinnen anderer Frauenorganisationen.

Erste Erfolge dieser Arbeit wurden sichtbar, als sich ein religiöser Vertreter während einer Diskussion öffentlich gegen "frühe Schwangerschaft und Heirat" aussprach.

Quellen:

ev.org/de/presse/iahresberichte/iahresbericht-2012; Zugriff 11.12.2013,

U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, http://www.ecoi.net/local link/245202/368649 de.html; Zugriff 24.10.2013.

13. Bewegungsfreiheit/Registrierung

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben. Die Kontrollposten der russischen Armee in Grosny gibt es nicht mehr.

Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung sind gesetzlich gewährleistet. Alle erwachsenen Staatsbürger müssen bei Inlandsreisen behördlich ausgestellte Jnlandspässe" mit sich führen und müssen sich nach ihrer Ankunft bei den lokalen Behörden registrieren. Personen ohne Inlandspass oder ohne ordentliche Registrierung wurden von Behörden oft staatliche Dienste verwehrt. Viele regionale Regierungen schränken das Recht durch Regelungen für die Registrierung des Wohnsitzes, die an Sowjetzeiten erinnerten, ein. Personen mit dunklerer Hautfarbe aus dem Kaukasus oder afrikanischer oder asiatischer Herkunft wurden oft zur Überprüfung ihrer Dokumente herausgegriffen. Es gab glaubhafte Berichte, dass die Polizei nicht registrierte Personen willkürlich und über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus strafte oder Bestechungsgelder verlangte.

Die dauerhafte Registrierung wird laut FMS in den Inlandsreisepass gestempelt, eine vorübergehende Registrierung ist auf einem einzulegenden Blatt Papier vermerkt. Bis zu 90 Tage kann man sich ohne jegliche Registrierung an einem Ort aufhalten. Die Registrierung kann in der räumlich zuständigen Zweigstelle des FMS in Russland vorgenommen werden. Besitzt eine Person nicht die für die Registrierung notwendigen Dokumente, so kann der FMS die Identität der Person über Datenbanken verifizieren, und die notwendigen Dokumente ausgestellt werden. Gemäß IOM besteht betreffend Zugang zur medizinischen Versorgung, Bildung oder sozialen Rechten, kein Unterschied zwischen dauerhafter und vorübergehender Registrierung.

Die vorübergehende Registrierung wurde erleichtert, indem sie nunmehr postalisch erledigt werden kann. Persönliches Erscheinen ist nun nicht mehr notwendig. In St. Petersburg bevorzugen es viele Tschetschenen für 90 Tage unregistriert dort zu leben, und nach 90 Tagen neue Papiere zu suchen, die eine erst kürzliche Ankunft bestätigen, wie etwa ein Zugticket.

Gemäß einem Anwalt der Memorial Migration & Rights Programme and Civic Assistance Committee (CAC) haben Tschetschenen bei einer Registrierung in St. Petersburg nicht mehr Probleme als andere russische Bürger. Gemäß einem Vertreter der Chechen Social and Cultural Association ist die Registrierung des Wohnsitzes kein Problem für Tschetschenen.

Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten.

Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen. Personen, die Kadyrow fürchten, würden ihren Aufenthalt nicht registrieren lassen. Auch in St. Petersburg werden in Mietanzeigen Wohnungen oft nur für Russen angeboten. Tschetschenen nutzen aber ihre Netzwerke, um Wohnungen zu finden.

Einer internationalen Organisation zufolge ist es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden.

Laut einem Vertreter des Committee Against Torture sind tschetschenische Familien, die in andere Regionen Russlands kommen, nicht automatisch schweren Rechtsverletzungen ausgesetzt Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird. Tschetschenen könnten Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sein, nicht aber Gewalt. Laut einer Vertreterin des House of Peace and Non- Violence und einer westlichen Botschaft zufolge könnten aber temporäre Registrierungen nur für drei Monate anstatt für ein Jahr ausgestellt werden, weshalb dann die betroffene Person öfter zum Amt kommen muss.

Memorial geht davon aus, dass der FMS die Polizei über die Registrierung eines Tschetschenen informieren muss. Zudem verheimlichen Tschetschenen oft ihre Volksgruppenzugehörigkeit, da Annoncen Zimmer oft nur für Russen und Slawen anbieten.

Mehrere Quellen gaben an, dass im Zuge der Registrierung vermutlich Bestechungsgeld zu zahlen ist. Es kann vorkommen, dass Personen aus dem Nordkaukasus eine höhere Summe zu zahlen angehalten werden.

Quellen:

13.1. Lage von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien

Ethnische Tschetschenen und Angehörige anderer nordkaukasischer Nationalitäten können In der Russischen Föderation (Kernrussland) von Diskriminierung am Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche sowie vor Gericht betroffen sein.

Was die Sicherheit von Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation betrifft, so kann eine Beurteilung der Gefährdung nur im Einzelfall erfolgen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Tschetschenen, die in Tschetschenien keine Probleme hatten und etwa nur zur Arbeitssuche in einen anderen Teil der Russischen Föderation kommen (diese haben möglicherweise mit Diskriminierung und Anfeindungen aufgrund der weit verbreiteten Fremdenfeindlichkeit in Russland zu kämpfen) und Tschetschenen, die in Tschetschenien tatsächlich verfolgt werden (diese sind gegebenenfalls auch in anderen Teilen der Russischen Föderation nicht sicher).

Sk-Strategy (Center for Strategie studies and development of civil society in the North Caucasus) gab im Juni 2011 an, dass es unter Tschetschenen verbreitet sei, in andere Teile der Russischen Föderation zu ziehen, die Mehrheit tue dies aus wirtschaftlichen Gründen. Jene, die es sich leisten könnten, würden sich in Moskau oder St. Petersburg niederlassen, aber der durchschnittliche Tschetschene könne sich dies aufgrund der dortigen hohen Lebenshaltungskosten nicht leisten.

Die meisten durchschnittlichen Tschetschenen ließen sich typischerweise in Städten mit weniger Einwohnern nieder und bevorzugten hier Hafenstädte, wie Murmansk, Arkhangelsk und Städte in der Region Leningrad. In kleineren Städten gibt es weniger Wettbewerb um Arbeitsplätze und tschetschenische Migranten fänden daher leichter Arbeit. Hafenstädte haben öfter eine heterogene Bevölkerung, das heißt eine Migrantengemeinde. Von einem solchen kosmopolitischen Klima können tschetschenische Migranten profitieren.

Eine westliche Botschaft gab an, dass es in Moskau und St. Petersburg, aber auch in anderen Städten in ganz Russland eine große tschetschenische Bevölkerung gibt.

Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Assosiation gab an, dass sein Verein in 60 Regionen in Russland Zweigstellen hat. Jede Zweigstelle erfasst 10.000 bis 20.000 Tschetschenen. Die meisten tschetschenischen Einwohner gibt es in Moskau und St. Petersburg, und in vielen der umgebenden Regionen. Beträchtliche tschetschenische Gemeinschaften gibt es auch in den Städten und Regionen im südlichen Russland, darunter in Voigograd, Saratov, Samara und Astrachan. Von den rund 100.000 Tschetschenen, die 1996 nach Moskau flohen, halten sich heutzutage noch rund 26.000 in der Region Moskau auf. Diese haben dort eine dauerhafte Registrierung. Zusätzlich lebt eine große Gruppe von Tschetschenen in Moskau und der Region Moskau, die nicht registriert ist, oder nur vorübergehend registriert ist. Ein großer Anteil der außerhalb Tschetscheniens lebenden Tschetschenen hätte keine Registrierung und arbeitet im Handel, auf Märkten und in Cafes.

Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence umfasst die tschetschenische Gemeinde in der Region St. Petersburg 20.000 bis 30.000 Personen. Viele würden auch zu Besuchen oder um Schulen oder Universitäten zu besuchen nach St. Petersburg kommen. Obwohl Rassismus gegenüber Kaukasiern in St. Petersburg vorkomme, ist dieser "nicht unerträglich".

Ein ethnischer Tschetschene in St. Petersburg schätzte die Anzahl der Tschetschenen in St. Petersburg selbst auf 13.000. Ein anderer Tschetschene in Moskau gab an, dass die sozioökonomische Lage in Moskau zwar besser sei als in Tschetschenien, aber dass viele Tschetschenen es dennoch schwer hätten, Arbeit zu finden.

Einem Vertreter einer NGO zufolge könnte es für einen Tschetschenen schwer sein, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, wenn man dort keinerlei Verwandte hat. Jedoch gibt es Tschetschenen in fast allen Regionen Russlands. Das Bestehen einer tschetschenischen Gemeinschaft in einer Region kann Neuankömmlingen zur Unterstützung oder zum Schutz gereichen, es sei denn, es handelt sich um einen Clan-Konflikt.

Laut SOVA leben viele Tschetschenen in der Region Stavropol, es gibt viele tschetschenische Studenten an der Universität der Stadt Stavropol. Dies führte bereits zu kleineren Spannungen im Süden der Region. Betreffend rassistisch motivierter Gewalt gibt es keine allein Tschetschenen betreffenden Daten, Tschetschenen gehören hier zur Gruppe der Kaukasier. Es gibt keine Hinweise, dass Tschetschenen mehr als andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus Hassverbrechen zum Opfer fallen. Untererfassung von Hassverbrechen ist gemäß SOVA ein Thema und dürfte im Steigen begriffen sein. Im Verlauf der letzten 10 Jahre konzentrierten sich ultranationalistische Banden bei rassistisch motivierter Gewalt immer mehr auf Zentralasiaten, nicht zuletzt weil sich Kaukasier dieser Gewalt zunehmend widersetzten.

IOM bestätigte, dass die Grenze zwischen Tschetschenien und dem restliche Russland völlig offen ist. Zudem gab IOM an, dass es in Russland einen politischen Willen zur Bekämpfung von Hassverbrechen, Diskriminierung und Korruption zu geben scheint. Einer westlichen Botschaft zufolge schenken Strafgerichte heutzutage Hassverbrechen mehr Aufmerksamkeit.

Swetlana Gannuschkina und Oleg Orlov (Memorial) gehen davon aus, dass Tschetschenen in andere Regionen Russlands ziehen können, und einige tun dies auch. Ist eine Person nicht offenkundig kritisch gegenüber Kadyrow, so kann diese überall in der Russischen Föderation leben, ohne Angst haben zu müssen getötet oder in die Republik Tschetschenien zurückgeschickt zu werden. Wird eine Person aber tatsächlich von Kadyrow gesucht, so könnte jener die Person überall in der Welt, auch in Kopenhagen, Wien, Dubai oder Moskau finden. Laut einem Anwalt von Memorial könnten Personen in Verbindung mit Oppositionsführern mit hohem Bekanntheitsgrad, aktive Rebellenkämpfer oder bekannte und tatverdächtige Terroristen der Bedrohung einer Entführung oder Tötung durch tschetschenische Behörden ausgesetzt sein. Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Association betrachtet es als unmöglich für die tschetschenischen Behörden, einen low-profile-Unterstützer der Rebellen in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zu finden.

Im Mai/Juni 2012 schätzte eine westliche Botschaft die Anzahl der Tschetschenen in Moskau auf Hunderttausende. Außerhalb Tschetscheniens leben die meisten Tschetschenen in Moskau und der Region Stawropol, eine größere Anzahl an Tschetschenen kann in St. Petersburg, Jaroslawl, Wolgograd und Astrachan gefunden werden. SK-Strategy schätzt die Zahl der in Moskau lebenden Tschetschenen auf 100.000 bis 200.000, rund 70.000 Tschetschenen seien in Moskau registriert, rund 50.000 in Jaroslawl. Die NRO Vainakh Congress schätzt die Zahl der Tschetschenen in der Region St. Petersburg auf 20.000 bis 30.000.

SOVA gab an, dass die Haltung gegenüber Personen aus dem Nordkaukasus negativer wird. Russen haben verschiedene Gründe, warum ihnen Personen aus dem Nordkaukasus unbehaglich seien: Diese werden als anders oder als gewalttätig betrachtet, oder man hat Angst vor terroristischen Aktivitäten. In großen Städten werden sie zudem als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt betrachtet. Gemäß SOVA gab es seit 2008 einen Rückgang rassistisch motivierter Übergriffe. 2008 fielen 116 Personen rassistisch motivierten Morden zum Opfer, 2011 waren es

23. 2007 hatte es 623 Berichte über rassistisch motivierte Übergriffe gegeben, 2011 waren es 183. Die meisten Opfer stammten aus Zentralasien, Personen aus dem Kaukasus lagen bei den Opferzahlen an zweiter Stelle. Wenngleich die Berichterstattung über solche Verbrechen lückenhaft ist, kann dennoch aufgrund der von der Organisation gesammelten Information von einem tatsächlichen Rückgang von Hassverbrechen ausgegangen werden. Der Rückgang der Zahlen liegt gemäß SOVA daran, dass der Druck der Behörden auf Neonazi-Gruppen erhöht wurde und dass diese Gruppen nunmehr eher auf politischer Ebene partizipieren. 2011 wurden 189 Personen für gewalttätige Hassverbrechen verurteilt (2010: 297, 2009: 130).

Gemäß der Chechen Social and Cultural Association ist die negative Stimmung nicht nur gegen Tschetschenen, sondern gegen Personen aus dem Kaukasus insgesamt gerichtet. Eine zunehmende Anzahl von jungen Kaukasiern studiert an Universitäten in Moskau, diese würden ihre ethnische Zugehörigkeit und Kultur offen zur Schau stellen; gelegentlich käme es zu (auch physischen) Auseinandersetzungen.

Einer internationalen Organisation zufolge sind Moskau und St. Petersburg nicht mit anderen Städten Russlands vergleichbar, da dort die Menschen mehr Vorurteile gegenüber Migranten haben. Nicht nur Tschetschenen sind in den großen Städten Diskriminierung ausgesetzt. Die internationale Organisation geht jedoch nicht davon aus, dass im Allgemeinen diese Diskriminierung eine Verfolgung darstellt.

Laut einem Vertreter des Committee Against Torture ist Diskriminierung von Tschetschenen durch Behörden (etwa Polizisten) nicht auf einen Erlass oder Befehl der Regierung zurückzuführen, sondern auf persönliche Vorurteile und das Misstrauen einzelner.

Mehrere Quellen gaben an, dass Tschetschenen heutzutage weniger oft für Personenkontrollen herausgegriffen werden, als etwa Zentralasiaten.

Zumindest gelegentlich kommt es nach Aussage mehrerer Quellen vor, dass Tschetschenen Drogen oder Waffen untergeschoben werden, um einen Strafrechtsfall zu fabrizieren. Jedoch kommen solche Fälle falscher Anschuldigungen weniger oft vor als vor einigen Jahren und sind nicht systematisch; betroffen von solchen Praktiken sind nicht nur Tschetschenen.

Mehreren Quellen zufolge finden nur sehr wenige Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst und bei der Polizei.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann.

Quellen:

from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, http://www.nvidanmark.dk/NR/rdonlvres/6EC0730B- 9F8E-436F-B44F-A21BE67BDF2B/0/ChechensintheRussianFederationFINALpdf; Zugriff 25.10.2013,

ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation.

14. Grundversorgung/Wirtschaft

Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich dank großer Zuschüsse aus dem russischen Föderalen Budget nach Angaben von internationalen Flilfsorganisationen seit 2007 deutlich verbessert - ausgehend von sehr niedrigem Niveau. Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Die Staatsausgaben in Tschetschenien sind pro Einwohner doppelt so hoch wie im Durchschnitt des südlichen Föderalen Bezirks. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen dank föderaler Gelder fast vollständig wieder aufgebaut. Gleichwohl bleibt Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut der Bevölkerung das größte soziale Problem.

Die Gesamtbevölkerung der Republik betrug zuletzt 1.324.767 Menschen. 34,1% leben in Städten und 65,19% auf dem Land. Urbane Bevölkerung in den Städten Tschetscheniens: Grosny (271573 Einwohner), Gudermes (45631 Einwohner), Argun (29525 Einwohner), Schali (47708 Einwohner) und Urus-Martan (49070 Einwohner).

Die Arbeitslosigkeit in der Nord-Kaukasus-Region ist die höchste in Russland. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen beträgt ca. 576.7 Tausend Menschen (bzw. 13% der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung). Die höchste Arbeitslosenquote findet man hierbei in Inguschetien - 47%, Tschetschenien - 33% und Dagestan - 11,6%. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Russland liegt bei 5,3%.

Die wichtigsten Wirtschaftszweige der Republik Tschetschenien sind:

Erdöl- und Erdgasförderung, die petrochemische Industrie, Landwirtschaft, Maschinenbau, Leichtindustrie und Forstwirtschaft.

Die auf dem Land lebenden Tschetschenen leben nicht schlecht. Sie nutzen das fruchtbare Land zum Gartenanbau und halten sich ein bis zwei Nutztiere. Die Großfamilien wohnen in "Mehrgenerationenhäusern", d.h. auf einem Areal hinter hohen Mauern mit mehreren Häusern und Anbauten. Innerhalb der Großfamilie stehen alle füreinander ein. Der enge Zusammenhalt gewährleistet die Versorgung mit Nahrungsmittel.

Nächstgrößere Familienstrukturen sind die "Tejps" (Clans). Einer der bekanntesten ist der Benoi- Tejp, dem auch Ramsam Kadyrow angehört.

Obwohl Kadyrow auf den Ausbau des Tourismus in Tschetschenien setzt - unter anderem ein großes Ski-Ressort namens Veduchi im Itum-Kale Distrikt ~ behindert die verbreitete Korruption und repressive Maßnahmen gegenüber Eigentümern von kleinen Unternehmen dieses Vorhaben.

Die Politik des Präsidenten der Republik ist darauf ausgerichtet, das Ansehen von Bildung zu erhöhen. Diese Frage gehört nicht nur zum Aufgabenbereich des Bildungsministeriums, sondern auch der Bezirks-, Stadt- und Dorfadministrationen der Republik. Laut den Angaben des tschetschenischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft wurden 2007-2008 1 Billion 540 Millionen Rubel (USD 50 Millionen) für den Wiederaufbau von 3 Universitäten, 2 Fachhochschulen, 4 Berufsschulen und 25 Schulen ausgegeben. Im Jahre 2007 erhielten die Schulen 169 Lernausstattungen und 65 Busse (vor allem für die Schulen auf dem Land). Über 320 Schulen bekamen einen Internetanschluss und 102 Schulen erhielten je 1 Million Rubel (USD 32258) für die Realisation innovativer Entwicklungsprogramme.

Quellen:

15. Medizinische Versorgung

Medizinische Grundversorgung ist in Tschetschenien flächendeckend gewährleistet. Spezialisierte Kliniken sind nur in der (Hauptstadt Grosny verfügbar, was aber in Anbetracht der Größe der Republik (ungefähr der Steiermark) zu verstehen ist. Grundsätzlich ist medizinische Versorgung kostenlos, auf die allseits verbreitete Korruption muss aber auch hier hingewiesen werden. Für Behandlungen, die in Tschetschenien nicht verfügbar sind, besteht die Möglichkeit, zur Behandlung nach Stawropol (Distanz zu Grosny ca. 450 km), nach Moskau, oder in andere russische Städte zu reisen. Kriegsbedingt herrscht noch immer ein Mangel an qualifiziertem medizinischem Personal, was man jedoch durch Ausbildungsmaßnahmen, aber auch durch die Bewerbung einer Rückkehr von Fachkräften aus anderen Teilen Russlands und aus dem Ausland zu verbessern bemüht ist.

Es gibt insgesamt nach Auskunft des Gesundheitsministers ca. 368 medizinische Einrichtungen, wie (Rajon- und Republiks‑)Krankenhäuser und Polykliniken. Die Polykliniken sind Ambulanzen, in denen (Vorsorge‑)Untersuchungen und ambulante Behandlungen durchgeführt werden. Der Auskunft des Gesundheitsministeriums zufolge gibt es in jeder Siedlung der Republik medizinische Einrichtungen. Es gibt in Tschetschenien unter anderem 22 Rajons- und 32 Republikseinrichtungen für medizinische Behandlung und Prophylaxe, sowie in Grosny allein weitere 26 medizinische Einrichtungen.

Es gibt mindestens drei Krankenhäuser für psychisch Kranke, sowie weitere Krankenhäuser, die sich mit Personen, die an der Schwelle zu psychischen Krankheiten stehen, beschäftigen. Das Republikskrankenhaus für psychisch Kranke "Samaschki" beispielsweise hat 180 Betten, das Republikskrankenhaus für psychisch Kranke "Darbanchi" 250 Betten. Das "Republikszentrum für medizinisch-psychologische Rehabilitation von Kindern" hat 120 Betten. Des Weiteren gibt es eine "Republiksfürsorgestelle für Psychoneurologie" mit 80 Betten. Im "Psychoneurologischen Kinderhaus Nr. 2 der Stadt Grosny" gibt es 120 Betten, behandelt werden dort Kinder bis zu zehn Jahren mit beispielsweise Down Syndrom, Zerebralparese oder Autismus, in der Klinik arbeiten neben Kinderärzten und Krankenschwestern auch Neurologen, Psychiater, Physiotherapeuten, Logotherapeuten oder Masseure.

Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung inzwischen das durchschnittliche Niveau in der Russischen Föderation erreicht haben. Problematisch bleibt jedoch auch laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben.

Angaben liegen nur für die tschetschenische Hauptstadt vor: im Rahmen der Durchführung des vorrangigen nationalen Projekts "Gesundheitswesen" finden in fast allen medizinischen Einrichtungen der im Krieg zerstörten Stadt Grosny Wiederaufbauarbeiten statt. Bereits 27 medizinische Einrichtungen sind wieder an die Wasserversorgung angeschlossen. Renovierungs- und Bauarbeiten werden in den städtischen Krankenhäusern Nr.1 und Nr.5, in dem Kinderheim Nr. 1, in dem Kinderkrankenhaus Nr.2, im Geburtskrankenhaus Nr.2 und den Kinderpolykliniken Nr.1 und Nr. 5 durchgeführt. Aus Mitteln des republikanischen Haushalts werden die Wiederaufbaumaßnahmen im Klinischen Krankenhaus Nr.3 und in den Polykliniken Nr.1, 3, 4 und 5 finanziert.

Falls z.B. innerhalb der Familie nicht genügend Geld für eine teure Operation vorhanden ist, kann man sich an eine in der Clanstruktur höher stehende Person wenden. Aufgrund bestehender Clanstrukturen sind die Familien in Tschetschenien finanziell besser abgesichert als in anderen Teilen Russlands.

Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land, ist es auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung).

Quellen:

15.1. Behandlungsmöglichkeiten

PTSD (PTBS) ist in Tschetschenien ambulant und stationär durch Psychiater behandelbar, beispielsweise bei der Psychoneurologischen Republiksausgabestelle in Grosny oder im Psychiatrischen Republikskrankenhaus Samaschki in Atschoj-Martan.

In Tschetschenien betreibt Ärzte ohne Grenzen (MSF) ein Programm für Psychosoziale Unterstützung für von Gewalt betroffene Einwohner und Binnenflüchtlinge. Das Programm konzentriert sich auf die Beratung von Personen, die in den Berggebieten wohnen, da dort gewalttätige Vorfälle häufiger sind.

MSF hat gemeinsam mit dem tschetschenischen Gesundheitsministerium ein umfassendes Tuberkulose-Programm implementiert, einschließlich rascher Diagnosen und Behandlung für Patienten mit multiresistenter TB. MSF richtet einen speziellen Fokus auf Kinder und Ko-Infektionen mit HIV.

In Grosny arbeitet MSF an der Verbesserung der Kardiologischen Abteilung im Republikanischen Notfallkrankenhaus, indem das Personal geschult wird, medizinische Ausrüstung und lebenswichtige Medikamente für spezielle Behandlungen gekauft werden.

Quellen:

SOS International (via MedCOl): BMA 4433, 31.10.2012.

16. Behandlung nach Rückkehr

Einerseits stehen Rückkehrer, ebenso wie die restliche Bevölkerung vor den alltäglichen Problemen der Region. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit, die Wohnungsfrage und die Beschaffung von Dokumenten sowie die Registrierung. Viele Fläuser wurden für den Neubau von Grosny abgerissen und der Kauf einer Wohnung sei für viele unerschwinglich, die Arbeitslosigkeit sei um einiges höher als in den offiziellen Statistiken angegeben und bei der Beschaffung von Dokumenten würden oft Schmiergeldzahlungen erwartet. Darüber hinaus stellen Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe dar, da sie ein leichtes Opfer im Antiterrorkampf darstellen. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, würden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet wird, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Manchmal würden Rückkehrer gezwungen, für staatliche Behörden zu spionieren. Eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien könne nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhängt.

Von einer NGO in Tschetschenien, die freiwillige Rückkehrer betreut, wurde mitgeteilt, dass freiwillige Rückkehrer bei Behördenkontakten in der Regel nicht mit besonderen Problemen konfrontiert seien. Es sei weder ein besonders Prozedere für Rückkehrer noch Befragungen vorgesehen. Rückkehrer müssten auch bei der Neuausstellung von Dokumenten keine besonderen Fragen beantworten, viele seien ohnehin noch im Besitz ihres russischen Inlandspasses. Sogar wenn ein Heimreisezertifikat vorgelegt werde, würde dies nicht zu Problemen führen, da den Behörden die Situation in diesem Fall ohnehin klar wäre. Nichtsdestotrotz wurde mitgeteilt, dass es Einzelfälle gab, wo freiwillige Rückkehrer mit Heimreisezertifikaten bei Ankunft am Flughafen Moskau für einige Stunden angehalten wurden. Es sei ein Fall bekannt, wo ein freiwilliger Rückkehrer angeblich als ehemaliger Widerstandskämpfer "mitgenommen worden sei".

Zur Wohnungssituation wurde mitgeteilt, dass Rückkehrer in der Regel bei Verwandten Unterkommen.

Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten.

Ebenso liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor, ob Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.

Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt.

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert.

Seit 01.07.2010 implementiert IOM das Projekt "Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation / Republik Tschetschenien", das vom Österreichischen Bundesministerium für Inneres und dem Europäischen Rückkehrfonds ko- finanziert wird. Im Rahmen des Projekts werden Russische Staatsangehörige aus der Republik Tschetschenien, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren möchten, nicht nur bei der Rückkehr, sondern auch bei ihrer Reintegration im Herkunftsland unterstützt.

Die Projektteilnehmer/innen erhalten nach ihrer Rückkehr Unterstützung von der lokalen Partnerorganisation (NGO Vesta), die soziale, rechtliche und wirtschaftliche Beratung zur Verfügung stellt und sie bei der Auswahl ihrer individuellen Reintegrationsmaßnahmen (z.B. Weiterbildungskurse, Geschäftsgründung, Erwerb von Werkzeug oder Materialien, etc.) unterstützt. Die Reintegrationsmaßnahmen erfolgen in Form von Sachleistungen im Wert von bis zu max. EUR 2.000 (pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen); im Fall von Kleingeschäftsgründungen, die eine Registrierung erfordern, ist eine zusätzliche Unterstützung von bis zu EUR 1.000 in Form von Sachleistungen möglich. Zusätzlich werden alle Rückkehrer/innen bei der Deckung der Lebenserhaltungskosten während der ersten Monate nach der Rückkehr mit EUR 500,- pro Fall unterstützt.

Die Reintegrationsunterstützung kann z.B. für die folgenden Maßnahmen genutzt werden:

• Berufsausbildung: z.B. Computer- oder Sprachkurse, Buchhaltung, Reparatur von Haushaltsgeräten, Reparatur von Mobiltelefonen, Mechaniker/in, Holzarbeiter/in, Friseurbetrieb, Nagelpflege, Näharbeit, etc.

• Ankauf von für die Ausübung eines Berufes benötigtem Werkzeug und geeigneter Ausrüstung

• Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (z.B. in der Landwirtschaft, Milchwirtschaft, Ackerbau, Viehhaltung, Schweißer/in, Schneider/in, Zimmerer/in, kleine Geschäfte, Schönheitssalons, Werkstätten, Internet-Cafes, etc.). Die Unterstützung in Form von Sachleistungen wird unter anderem für den Ankauf von Ausrüstungsgegenständen, die für die Aufnahme des Betriebs nötig sind, sowie bei Bedarf für Geschäftsplanungs- und - managementstrainings verwendet.

• Organisation von Kinderbetreuung und medizinischer Versorgung für Rückkehrerinnen mit besonderen Bedürfnissen (IOM o.D.).

Quellen:

http://www.iomvienna.at/de/?option=com content&view=:article&id=545:unterstuetzunq-derfreiwilliqen-rueckkehr-und-reintegration-von-rueckkehrenden-in-die-russische-foederationrepublik-tschetschenien&catid=92:unterstuetzte-freiwNlige-rueckkehr-ausoesterreich<emid=143&lang=de; Zugriff 12.12.2013,

II.2. Die Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Verwaltungsaktes sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

II.2.2. Die Feststellungen betreffend die Staatsangehörigkeit der BF und ihre tschetschenische Herkunft beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind diesbezüglich keine Zweifel aufgekommen. Ihre Identität konnte bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mangels Dokumenten nicht feststellen. Auch dem Bundesverwaltungsgericht hat die BF keine Identitätsdokumente vorgelegt.

II.2.3. Die Feststellung betreffend der im Heimatland zahlreich aufhältigen Familienangehörigen der BF ergeben sich aus den im Laufe des Verfahrens diesbezüglich getätigten glaubwürdigen eigenen Angaben der BF. Diese wurde auch durch die Angaben des Sohnes der BF im Zuge einer durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Ebenso auf den Angaben der BF und jenen ihres Sohnes beruht die Feststellung, dass sich drei Neffen und eine Nichte der BF im Bundesgebiet befinden. Zu diesen wurde kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis geltend gemacht.

II.2.4. Die Feststellungen, dass die BF im Bundesgebiet strafrechtlich unbescholten ist und Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus den Auszügen des GVS und des Strafregisters vom 27.02.2015. Die Feststellung zur gemeinsamen Unterbringung ergibt sich aus der Aktenlage sowie den Aussagen des Sohnes in der Beschwerdeverhandlung.

II.2.5. Die BF brachte nicht vor, an einer lebensbedrohlichen Erkrankung zu leiden, und dies geht auch aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Die Feststellung, dass die BF an zu hohem Blutdruck leidet, gründet auf den vorgelegten medizinischen Unterlagen. Die Feststellung, dass sie bereits im Heimatland diesbezüglich behandelt worden ist, geht auf ihre eigenen glaubwürdigen Aussagen vor dem BFA zurück.

II.2.6. Hinsichtlich der Negativfeststellungen einer Integration im Bundesgebiet ist anzumerken, dass die BF seit ihrer Einreise ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit Leistungen aus dem Grundversorgungssystem bestreitet, sie sich seit etwa 1 1/2 Jahren im Bundesgebiet aufhält und eine besondere Integration weder behauptet hat noch Anzeichen für das Bestehen einer solchen erkennbar sind. Die Auskunft aus dem Strafregister zeigt keine Verurteilungen auf.

II.2.7. Die BF brachte im Laufe des gesamten Verfahrens keine eigenen Fluchtgründe vor. Sie gab weder in ihrer Erstbefragung noch vor dem Bundesasylamt oder in ihrer Beschwerde an, persönlich Probleme in der Russischen Föderation gehabt zu haben. Sie führte lediglich aus, ihren Sohn bei dessen Ausreise begleitet zu haben und im Falle einer Rückkehr Angst um dessen Leben zu haben. Während sie in ihrer durch die Rechtsberaterin unterstützten Beschwerde ganz allgemein "unsere Probleme mit den Widerstandskämpfern" anführt und dass sie "nirgendwo in Sicherheit leben" könnten, führt sie dies in einem handschriftlichen Zusatz erneut lediglich dahingehend aus, dass sie ihren Sohn vor den Banditen retten musste und um Schutz für ihren Sohn bitte. Damit trat sie aber der Entscheidung des BFA nicht entgegen und brachte erneut keine eigene Gefährdung vor.

Mit Entscheidung vom heutigen Tage zu W204 2007929-1/13E wurde die Beschwerde des Sohnes betreffend die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz und gegen die Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation durch das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls abgewiesen. Dem Fluchtvorbringen des Sohnes wurde dabei die Glaubwürdigkeit abgesprochen.

II.2.8. Dass im Falle einer Rückkehr der BF keine besondere Gefährdung für diese festgestellt werden konnte, beruht auch darauf, dass die BF an keiner Erkrankung leidet, die nicht im Herkunftsland behandelbar wäre. Ausreichende medizinische Versorgung und ein ausreichendes Sozialsystem sind gemäß den Länderfeststellungen vorhanden. Zudem führte die BF selbst aus, aufgrund ihres hohen Blutdruckes in ihrer Heimat bereits behandelt worden zu sein und legte auch eine Versicherungskarte vor. Im Falle einer Rückkehr könnte die BF wie vor ihrer Ausreise als Verkäuferin arbeiten und jenes Haus, in dem sie vor ihrer Ausreise mit ihrem Sohn gelebt habe, bewohnen. Im Heimatland leben zudem zahlreiche Verwandte und die BF könnte, wenn nötig, auch von diesen Unterstützung erwarten.

II.2.9. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten sowie inhaltlich jenen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen, besteht eingedenk des vorliegenden Falles und unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen für das erkennenden Gericht (auch angesichts der gerichtsbekannten gegenwärtigen Situation in der Russischen Föderation/Tschetschenien) kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen der belangten Behörde zu zweifeln. In Anbetracht der gerichtsnotorisch bekannten gegenwärtigen (und seit der Bescheiderlassung bezogen auf den vorliegenden Beschwerdefall unveränderten) Lage in der Russischen Föderation/Tschetschenien konnten die im angefochtenen Bescheid enthaltenen aktuellen Länderfeststellungen somit dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt werden. Diesen ist die BF auch nicht entgegengetreten.

Die belangte Behörde hat im Zuge der Einvernahme der BF vom 06.03.2014 dieser die maßgeblichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht und der BF zur Wahrung des Rechts auf Parteiengehör die Möglichkeit eingeräumt, zu den getroffenen Feststellungen binnen 14 Tagen zu äußern. Die BF ließ diese Frist verstreichen, ohne eine Stellungnahme dazu abzugeben. Die BF ist auch in der gegenständlichen Beschwerde den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht ausreichend entgegengetreten und somit sind im gesamten Verfahren keinerlei Gründe hervorgekommen, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

II.3.1.

Zu Spruchpunkt A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, 90/01/0041).

Zunächst ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Asyl- und Verwaltungsgerichtshofes nicht von einer Gruppenverfolgung in der Russischen Föderation, hier konkret Tschetschenien, gesprochen werden kann. Dabei verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass es im Einzelfall sehr wohl eine entsprechende und zu berücksichtigende Bedrohung geben kann. Für die BF kann eine solche jedoch nicht erkannt werden.

Wie in der Beweiswürdigung unter II.2.7. ausgeführt wurde, brachte die BF im Laufe des gesamten Verfahrens keine eigenen Fluchtgründe vor. Laut ihren eigenen Angaben hat sie selbst keine Verfolgung erlebt oder befürchtet, sondern lediglich ihr Heimatland verlassen, um ihren vermeintlich gefährdeten volljährigen Sohn bei dessen Ausreise zu begleiten. Auch in ihrer Beschwerde bittet sie lediglich um Schutz für ihren Sohn und bringt nichts Eigenes vor. Die BF konnte somit keine asylrelevante Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft machen.

Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle angemerkt, dass das Fluchtvorbringen des Sohnes der BF als unglaubwürdig empfunden wurde, weshalb mit heutigem Tage für diesen eine gleichlautende Entscheidung wie für die BF erging.

Auch wenn die BF keine Verfolgungen im Heimatland glaubhaft darlegen konnte, ist zudem festzuhalten, dass nicht ersichtlich ist, weshalb sie sich im Falle des Vorliegens einer Verfolgung nicht in andere russische Städte außerhalb Tschetscheniens, die gemäß den Länderinformationen über eine hohe Anzahl an tschetschenischer Bevölkerung verfügen, begeben könnte. Zudem brachte die BF auch vor, zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte in ihrer Heimat außerhalb Tschetscheniens zu haben, so insbesondere in Nordossetien und Inguschetien. Es wäre ihr somit möglich und durchaus zuzumuten, von einer innerstaatlichen Fluchtalternative Gebrauch zu machen. Auch die Möglichkeit einer (wenn nötig) finanziellen Unterstützung zur Ansiedlung in anderen Teilen der russischen Föderation wäre seitens der zahlreich in Tschetschenien und anderen Teilrepubliken der russischen Föderation aufhältigen Verwandten der BF durchaus denkbar.

Die Beschwerde zu Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG 2005 an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird -auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiären Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EUGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07 , Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45).

Wie oben bereits ausgeführt wurde, hat die BF keine sie konkret drohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. für eine aktuell drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe vorgebracht.

Weiters kann nicht erkannt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien bzw. die russische Föderation dort die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, zumal die BF über ausreichend Familienangehörige in ihrem Heimatland verfügt und sie auch keinen Grund vorgebracht hat, im Falle einer Rückkehr nicht mit deren Unterstützung rechnen zu können. Zudem gilt es anzumerken, dass die BF erst im Oktober 2013 ihre Heimat verlassen hat, zuvor (zumindest bis Mai 2013) durch eine Tätigkeit als Verkäuferin im Geschäft ihres Cousins ihren Lebensunterhalt verdient und mit ihrem Sohn in einem eigenen Haus gelebt hat. Abgesehen davon kann - wenn nötig - aufgrund des kurzen Zeitraumes ihrer Abwesenheit, der zahlreich im Heimatland aufhältigen Familienangehörigen und des engen kulturell bedingten familiären Zusammenhaltes in ihrem Heimatland jedenfalls auch davon ausgegangen werden, dass im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien oder in die übrige Russische Föderation, der BF auch eine ausreichende Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung stehen bzw. sie die notwendige Unterstützung erhalten wird. Zudem wird die BF bei Bedarf Zugang zu den Sozialleistungen des Heimatlandes haben.

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Dies wurde von der BF im Verfahren auch nicht behauptet und es ist auch aus den getroffenen Länderfeststellungen nichts dergleichen abzuleiten.

Hinsichtlich dem gesundheitlichen Befinden der BF, insbesondere ihrer Probleme mit zu hohem Blutdruck, gilt es darauf hinzuweisen, dass aus den Länderberichten hervorgeht, dass in der Russischen Föderation die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist und die erforderlichen Medikamente erhältlich sind. Zudem wurde die BF laut eigenen Angaben in ihrer Heimat diesbezüglich auch bereits behandelt und verfügt über eine Versicherungskarte. Die BF leidet auch an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.

Es liegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes somit keine Gründe vor, weshalb der BF nicht zugemutet werden könnte, in ihr Heimatland zurückzukehren. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann auf ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.

Es sind weiter keine Umstände amtsbekannt, dass in Tschetschenien / der Russischen Föderation aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation in Tschetschenien auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr der BF für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; in Tschetschenien ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde die BF somit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht der BF im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen und ist die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation im Falle der BF somit nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde zu Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls abzuweisen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 55 AsylG 2005 lautet:

"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen."

§ 57 AsylG 2005 lautet:

"§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

§ 58 AsylG 2005 lautet:

"§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idF BGBl. I 68/2013 lauten:

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

...

§ 50 (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

...

§ 52 (1) [...]

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

[...]

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt."

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Die belangte Behörde hat den Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen und hatte daher eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 AsylG 2005 zu erlassen.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde und gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Bei Verfahren, die nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurden, ist diese Prüfung im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmen (vgl. Böckmann-Winkler in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, AsylG 2005 § 75 Anm. 4). Dabei sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht bindend (§ 75 Abs. 20 AsylG 2005).

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch wurde die BF ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG. Weder hat die BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

In Österreich halten sich von den Familienangehörigen der BF drei Neffen und eine Nichte auf. Zu diesen wurde jedoch kein Familienleben behauptet oder ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis vorgebracht. Zudem befindet sich in Österreich auch der Sohn der BF, mit welchem diese vor ihrer Ausreise gemeinsam im Heimatland im gemeinsamen Haushalt lebte und mit dem sie 2013 auch gemeinsam in das Bundesgebiet einreiste. Da jedoch auch die Beschwerde des Sohnes der BF gegen sämtliche Spruchpunkte des ihn betreffenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit Entscheidung der Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tage abgewiesen und der Sohn ebenfalls zeitgleich aus dem österreichischen Bundegebiet in die Russische Föderation ausgewiesen wird, kann im Falle der BF bei einer allfälligen aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen ihre Person folglich kein Eingriff in das Familienleben erkannt werden.

Da im gegenständlichen Fall ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Familienleben zu verneinen ist, bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung in das Privatleben der BF eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.4.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhal-tung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251, uva.). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190). Das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden ist bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen (VfGH 17.03.2005, G 78/04).

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und Verfassungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat-und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/ Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).

Die BF befindet sich seit Oktober 2013 im Bundesgebiet. Sie ist nach illegaler Einreise somit seit etwa 1 1/2 Jahren in Österreich aufhältig und hat ihren Aufenthalt hier ausschließlich auf einen letztlich unbegründeten Asylantrag gestützt (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, "... der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte..." und zu diesem Erkenntnis: Gruber, "Bleiberecht" und Artikel 8 EMRK, in Festgabe zum 80. Geburtstag von Rudolf MACHACEK und Franz MATSCHER

(2008) 166," ... Es wird im Ergebnis bei einer solchen (zu kurzen)

Aufenthaltsdauer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zur "Bindung zum Aufenthaltsstaat" als nicht erforderlich gesehen...").

Eine auch nur annähernd fortgeschrittene Integration der BF während ihres nur auf das Asylgesetz gestützten Aufenthaltes im Bundesgebiet kann seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht erkannt werden:

Die BF reiste im Oktober 2013 unter Umgehung der Einreisevorschriften in Österreich ein, stellte einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz und bezog Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Die BF besuchte im Bundesgebiet während ihres Aufenthaltes keine Sprachkurse, verrichtete keine gemeinnützige Arbeit und betätigte sich in keinen Vereinen oder in der Nachbarschaftshilfe. Die BF ließ keine Bemühungen erkennen, sich im Bundesgebiet integrieren zu wollen und entscheidungserhebliche integrative Anknüpfungspunkte der BF im österreichischen Bundesgebiet, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen der BF an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr der BF in ihren Herkunftsstaat führen könnten, können gegenständlich somit nicht erkannt werden. Aufgrund ihres kurzen Aufenthaltes hätten aber auch entsprechende integrative Bemühungen nur in außergewöhnlichen Fällen eine andere Beurteilung und Abwägung bewirken können.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse der BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der BF in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag der BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und der BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Weil der Antrag der BF im Hinblick auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen wurde, liegt weder ein Fall des § 8 Abs. 3a noch des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vor. Die BF gab nicht an, über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen.

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Dies wurde gegenständlich verneint.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde gegenständlich ebenso verneint.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für die Russische Föderation nicht.

Die Abschiebung der BF in die Russische Föderation ist daher zulässig.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige besondere Umstände für die BF nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 75 Abs. 20 iVm §§ 55 und 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 FPG als unbegründet abzuweisen.

II.3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

§ 21 Abs. 7 erster Satz BFA-VG entspricht zur Gänze dem Wortlaut der Bestimmung des durch das Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG) BGBl. I Nr 87/2012 aufgehobenen § 41 Abs. 7 erster Satz AsylG 2005. In der Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP ) wurde zu § 21 BFA-VG idF BGBl. I Nr 64/2013 ausgeführt: "§ 21 entspricht dem geltenden § 41 AsylG 2005 und legt Sondernomen für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen des Bundesamtes fest." Zu § 21 Abs. 7 hält die RV fest: "Abs. 7 stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unterbleiben kann, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Neben dieser Bestimmung ist § 24 VwGVG anzuwenden."

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der VfGH äußerte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 und stellte dazu klar: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde" (VfGH 14.03.2012, Zl. U 466/11).

In seinen Erkenntnissen vom 28.05.2014, Zl 2014/20/0017 und -0018 sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Im gegenständlichen Fall sind die genannten Kriterien erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist. Auch wurde in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Im gegenständlichen Verfahren konnte somit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Die Frage der Rückkehrentscheidung war vom Bundesverwaltungsgerichtshof zudem nicht abschließend zu beurteilen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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