BVwG W200 1433680-1

BVwGW200 1433680-126.2.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W200.1433680.1.00

 

Spruch:

W200 1433680-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike Scherz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, vom 26.02.2013, Zl. 12 00.951-BAG, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist afghanische Staatsbürgerin, Muslimin, Schiitin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Sie gelangte am 22.01.2012 zusammen mit der Beschwerdeführerin zu W200 1433679-1/2013, welche sie als ihre Stiefmutter bezeichnete, illegal in das Bundesgebiet und stellte am selben Tag unter Angabe des im Spruch angeführten Namens einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 22.01.2012 gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, ihr Bruder sei zum Christentum übergetreten, weshalb für ihn Gefahr herrsche. Außerdem hätte ihr Onkel väterlicherseits gewollt, dass sie dessen Sohn heirate. Als sie sich geweigert hätte, habe er sie dazu zwingen wollen. Aus Angst, ihren älteren Cousin heiraten zu müssen, habe sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Afghanistan verlassen.

Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 09.02.2012 verneinte die Beschwerdeführerin zunächst Einwände gegen die anwesenden Personen zu haben und gab im Wesentlichen an, es gehe ihr gut, sie sei gesund und es würden keine Gründe gegen die Befragung sprechen. Sie sei afghanische Staatsbürgerin, Hazara und Moslem. Ihre letzte Wohnadresse sei in XXXX gewesen, im Detail in der Provinz Ghazni, dann gebe es den Ort namens XXXX und XXXX. Direkt an das Dorf angrenzende Dörfer würden XXXX heißen. Die Hauptstadt ihres Distriktes könne sie nicht nennen, weil sie Analphabetin sei. Befragt gab sie an, von XXXX gehört zu haben, jedoch nie dort gewesen zu sein. Sie hätten nicht das Haus verlassen dürfen, ihr Bruder habe eingekauft. Sie habe nicht die Schule besucht. Ihren Geburtstag konnte sie nicht angeben, behauptete jedoch, 19 Jahre alt zu sein. Sie habe noch nie einen "Passport" besessen. Die Größe ihres Ortes konnte sie nicht angeben und verwies darauf, dass sie nie ausgegangen sei. Als Verwandte, die im Herkunftsstaat leben, habe sie noch eine Tante mütterlicherseits in Kabul und einen Onkel mütterlicherseits in XXXX sowie ihren Onkel väterlicherseits XXXX, der in XXXX gelebt hätte, wo sie auch gelebt hätten.

Auf Vorhalt, sie habe angegeben, in XXXX gelebt zu haben, erwiderte die Beschwerdeführerin, dass der Ort so heiße, es jedoch kleine Dörfer gebe und eines davon heiße XXXX.

Auf Vorhalt, dass XXXX somit groß sein müsste, gab die Beschwerdeführerin an, dies könnte sein.

Ihre wirkliche Mutter wäre bei ihrer Geburt verstorben. Ihr Vater sei vor fünf Jahren bei einem Unfall verstorben. In Österreich würden keine Verwandte von ihr leben. Sie habe für ihren Onkel väterlicherseits, der sie nach dem Tod des Vaters gequält habe, als Haushälterin gearbeitet, dieser habe sie - so wie ihr Vater - nicht zur Schule gehen lassen.

Ihr Vater habe den LKW im Winter oft in XXXX gelassen, wie weit dieser Ort vom Heimatort entfernt ist, konnte die Beschwerdeführerin nicht angeben.

In der Heimat hätten sie ein Haus besessen, Grundstücke hätten sie mit ihrem Onkel väterlicherseits gemeinsam gehabt. Ihr Onkel in XXXX habe auch ein Haus, der Onkel XXXX sei der Vertreter des Ortes. Nach dem Tod ihres Vaters, sei nur ihre Mutter und sie zu Hause gewesen, ihr Bruder sei als Taxifahrer in Kabul sowie verschiedenen Orten gefahren. Ihr Bruder habe entschieden, dass ihr Leben im Heimatland in Gefahr sei. Ihre letzte Wohnadresse im Heimatland habe sie im Sommer des vorigen Jahres verlassen, das Datum könne sie nicht nennen. Die Ausreise aus dem Herkunftsstaat sei um zwei Uhr in der Nacht erfolgt, da wäre ihr Onkel mütterlicherseits gekommen und habe gesagt, dass es hier keinen Platz mehr für sie gebe, weil ihr Leben in Gefahr sei. Er habe sie in einem Auto, in welchem auch ihre Mutter und ihr Onkel gesessen wären, nach Kandahar und weiter nach Pakistan gebracht, wo sie ein Jahr und drei Monate gelebt habe.

Auf Vorhalt, dass sie unmöglich im vergangenen Sommer ausgereist sein könnte, wenn sie danach ein Jahr und drei Monate in Pakistan gelebt habe, gab die Beschwerdeführerin an, dies nicht zu wissen, sie sei Analphabetin.

Auf Vorhalt, dass sie in ihrer Erstbefragung andere Angaben getätigt habe, verwies die Beschwerdeführerin darauf, es sei die Wahrheit.

Ihr Bruder sei fünf bis sechs Monate vor ihr ausgereist, er habe nur mit ihrem Onkel mütterlicherseits Kontakt gehabt. Ihr Onkel habe gewusst, dass er in Pakistan sei und dass er mit XXXX zusammenarbeite. In Pakistan wären sie in XXXX aufhältig gewesen.

Befragt, wo genau XXXX liege, gab die Beschwerdeführerin Pakistan an.

Auf Vorhalt, dass sie nach einem Jahr und drei Monaten wissen müsste, wo dieser Ort ungefähr liege, schilderte die Beschwerdeführerin, ihr Leben sei in Gefahr gewesen, die Personen hätten erfahren, wo sie sich aufgehalten hätten.

Auf Vorhalt, dass sie in der Türkei und in Griechenland gewesen wären, somit in Sicherheit, erwiderte die Beschwerdeführerin, sie hätten sich dort nicht ausgekannt, in Griechenland sei der Schlepper verschwunden und sie hätten gebettelt. Ihr Bruder, den sie zuletzt in der Türkei gesehen habe und der nunmehr verschwunden wäre, hätte entschieden, dass sie weiterreisen.

Befragt, wie ihr Bruder in der Türkei entscheiden konnte, dass die Beschwerdeführerin von Griechenland nach Österreich reisen sollte, erwiderte die Beschwerdeführerin, er sei in der Türkei dabei gewesen, sie hätten vor gehabt nach Griechenland zu gehen, ihr Mann habe entschieden, nach Österreich zu gehen.

Befragt, warum ihr Ehemann nicht mitgereist sei, schilderte sie, es nicht zu wissen. Ihr Mann habe das Geld für die Schleppung bezahlt.

Befragt, wie ihr Ehemann die Schleppung hätte bezahlen können, wenn sie diesen erst in Griechenland kennengelernt habe, schilderte die Beschwerdeführerin, vorher hätte ihr Bruder, der reich sei, weil er die christliche Religion verbreite und dadurch viel verdiene, alles gemacht.

Auf Nachfrage konnte sie nicht angeben, wo er die christliche Religion verbreitet habe. Sie habe darüber von "den Leuten" im Jahr zuvor erfahren. Ihre Ausreise habe drei Monate gedauert.

Sie suche in Österreich um Asyl an, weil ihr Leben in Gefahr gewesen sei. Wenn sie zurückgehe, werde sie umgebracht.

Befragt, weshalb ihr Leben in Gefahr sei und weshalb sie im Sommer 2011 fluchtartig Afghanistan verlassen musste, gab die Beschwerdeführerin an, ihr Onkel väterlicherseits sei der Vertreter des Ortes und sei ein großer Mann. Er habe gesagt, dass ihr Bruder Christ geworden sei und er wolle sie als Frau für seinen Sohn.

Befragt, wann er dies zur Beschwerdeführerin gesagt habe, gab die Beschwerdeführerin an "Mein Onkel väterlicherseits hat es immer gemacht. Sein Sohn hat auch zweimal versucht mich zu vergewaltigen."

Ihr Onkel väterlicherseits habe die Beschwerdeführerin für ihren Sohn haben wollen, diesen hätte sie heiraten sollen. Er sei jedoch sehr alt und verheiratet gewesen sowie Vater von Kindern, daher hätte sie ihn nicht gewollt.

Ihr Onkel sei nach Hause gekommen und habe sie ("uns") geschlagen, beleidigt und bespuckt. Er sei zu ihnen gekommen, als ihr Bruder Christ geworden sei und zuvor auch.

Wenn sie dort arbeiten gewesen sei, sei dessen Sohn hinter ihr her gewesen und hätte versucht sie zu vergewaltigen. Dass der Sohn ihres Onkels sie hätte vergewaltigen wollen, habe sie nur ihrer Mutter erzählt.

Die Frage, ob die Beschwerdeführerin ein Problem damit habe, dies dem einvernehmenden Organwalter nunmehr zu erzählen und ob sie lieber von einer weiblichen Referentin einvernommen werden will, verneinte die Beschwerdeführerin.

Der Cousin sei hinter ihr her gewesen, er habe sie in den Stall verfolgt und habe sie "einmal, nein, eigentlich zweimal" vergewaltigen wollen, sie sei jedoch geflüchtet.

Befragt, was er gemacht hätte, schilderte die Beschwerdeführerin "Er hat gesagt, er möchte es mit mir machen. Entweder heiraten wir oder ich mache es jetzt. Er hat sich ausgezogen und hat gesagt er möchte mich jetzt vergewaltigen."

Auf Nachfrage, dass er sich ausgezogen hätte und die Beschwerdeführerin nicht gleich weggelaufen sei, erwiderte sie, dass er sie festgehalten habe. Es sei schwierig gewesen, sie sei dann davongelaufen. Davon würden nur ihr Bruder und ihre Mutter Kenntnis haben.

Als ihr Onkel zu ihnen gekommen wäre und sie geschlagen hätte, habe er dies gemacht, weil er der Meinung gewesen wäre, sie hätten seine Ehre befleckt, andererseits hätte er verlangt, dass sie für ihn arbeiten.

Befragt, ob ihr Onkel alleine gekommen sei, bejahte dies die Beschwerdeführerin und gab an, er sei "immer alleine gekommen, mit seinem Sohn".

Die Frage, ob sie aus Gründen Ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt worden wäre, verneinte sie und gab an, es habe sonst kein Problem gegeben. Das ganze Dorf sei hinter ihnen her gewesen. Ihr Bruder habe die zwei anderen "zum Christentum eingeladen", daher sei das ganze Dorf hinter ihnen her gewesen.

Die Beschwerdeführerin verneinte die Frage, ob sie in der Heimat Probleme gehabt hätte, weil sie eine Frau sei.

Im Falle einer Rückkehr würden sie geschlagen und getötet werden.

Nach vollständiger Rückübersetzung bestätigte die Beschwerdeführerin, dass alles richtig aufgenommen worden war.

Auf Vorhalt, dass ihre Stiefmutter, die behaupteter Maßen mit ihr im selben Haus gelebt hatte, direkt nach an ihr Dorf angrenzende Dörfer gefragt, völlig andere Dörfer genannt hätte, erwiderte die Beschwerdeführerin, sie hätten sie nicht nach den Dörfern gefragt.

Auf Vorhalt, dass sie keine Kenntnisse zu ihrer angeblichen Herkunftsregion hat und es nicht glaubhaft sei, dass sie aus der Provinz Ghazni, Distrikt XXXX, stammt, gab die Beschwerdeführerin an, sie sei von dort und sei immer "zuhause" gewesen.

Auf Vorhalt, dass sie der Frage nach der Ausreise aus Afghanistan mehrfach ausgewichen wäre, später jedoch angegeben habe, mit ihrem Onkel mütterlicherseits und ihrer Mutter in einem Auto Afghanistan verlassen zu haben, außer der Beschwerdeführerin wäre nur der Fahrer des Autos im Fahrzeug gewesen, was jedoch im eklatanten Widerspruch zu ihren Angaben bei der Erstbefragung und auch im Widerspruch zu den Angaben ihrer Mutter steht, erwiderte die Beschwerdeführerin:

"Es ist nichts anders. Es ist gleich."

Auf Vorhalt, wonach sie angegeben habe, ihr Onkel wäre zu ihr gekommen und hätte sie und ihre Mutter geschlagen, wobei nur der Sohn ihres Onkels dabei gewesen wäre, was im Widerspruch zu den Angaben ihrer Mutter stehe, erwiderte die Beschwerdeführerin, es wären außer dem Onkel väterlicherseits und seinem Sohn noch die ganzen anderen wichtigen Männer vom Dorf da gewesen. Es wären 15 bis 20 Leute gewesen.

Zusammengefasst wurde der Beschwerdeführerin vorgehalten, dass sie bei der Erstbefragung nichts von einer versuchten Vergewaltigung erwähnt habe, auch habe ihre Mutter, die angeblich davon wüsste, nichts dazu angegeben, auch habe die Beschwerdeführerin nicht angegeben, dass ihr Bruder angeblich das Christentum verbreitet habe.

Auf weiteren Vorhalt, dass die Beschwerdeführerin laut Einschätzung des Bundesasylamtes diese Behauptung wohl schon bei der Erstbefragung tätigen hätte müssen, weshalb davon auszugehen sei, dass sie ihrem fiktiven Vorbringen mehr Substanz verleihen wollte, verneinte dies die Beschwerdeführerin.

Befragt, ob es sonst einen plausiblen Grund gebe, warum sie dies bei der Erstbefragung nicht erwähnt habe, verwies sie darauf, dass sie diesbezüglich nicht gefragt worden wäre.

Auf Vorhalt, dass bei tatsächlicher Feststellung des Sachverhalts die Beschwerdeführerin jederzeit die Möglichkeit bestanden habe, in eine andere Region Afghanistans zu ziehen um den angeblichen Problemen zu entgehen, beispielsweise nach Kabul, wo auch ihre Tante laut den Angaben ihrer Stiefmutter lebe, gab die Beschwerdeführerin an, es könnte sein, dass Kabul in der Nähe von XXXX sei, die Leute hätten es erfahren.

Mit dem nunmehr angefochtenen, oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.02.2013, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 3 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.02.2014 erteilt (Spruchpunkt III.).

In der Begründung wurden nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle zunächst ausgeführt, dass ihre Identität nicht feststehe. Sie sei Staatsangehörige von Afghanistan, ihre Muttersprache sei Dari, sie sei Muslimin, Schiitin und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Ihre Herkunftsregion habe nicht festgestellt werden können. Sie habe laut eigenen Angaben in Griechenland geheiratet, und sei gemeinsam mit ihrer Stiefmutter eingereist. Sie sei gesund und leide an keiner psychischen oder physischen Erkrankung. In Österreich sei sie unbescholten und habe keine Bezugspunkte zu Österreich. Ihr Vorbringen zu den Fluchtgründen wurde vom Bundesasylamt den Feststellungen nicht zu Grunde gelegt. Es könne laut Bundesasylamt nicht festgestellt werden, dass sie zu befürchten hätte in Afghanistan einer asylrechtlich relevanten Bedrohungssituation ausgesetzt zu sein. Ihr Vorbringen sei insgesamt unglaubwürdig.

Das Bundesasylamt stellte zu Afghanistan fest:

Feststellungen Afghanistan Stand Februar 2013

Allgemeine Sicherheitslage

Die UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) dokumentierte 3.021 zivile Tote im Jahr 2011, das ist ein Anstieg von 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Jahr 2009.

Gezielte Tötungen von Zivilisten durch regierungsfeindliche Kräfte erreichten im Jahr 2011 mit 495 Fällen einen neuen Höchststand. Provinz- und Distriktgouverneure, lokale Regierungsvertreter, Mitglieder von Provinzräten oder des Friedensrates sowie Dorf- bzw. Stammesälteste wurden getötet.

Das United Nations Department of Safety and Security (UNDSS) in Afghanistan verzeichnete einen 18prozentigen Anstieg von sicherheitsrelevanten Zwischenfällen im Vergleich zum Vorjahr.

Insgesamt stieg die Zahl der Vorfälle auf 22.903 im Jahr 2011 (2010:

19.403; 2009: 11.524).

(UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan:

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict, 2011)

Die afghanische Regierung kontrolliert - mit Ausnahme von Kandahar - die meisten afghanischen Städte. Das Risiko Opfer eines terroristischen Anschlages zu werden besteht, ist aber gering.

Tötungen von niederrangigen Mitarbeitern der Regierung wurden aus Gebieten, die nicht von den Taliban kontrolliert werden, nicht berichtet.

(Landinfo (Antonio Giustozzi): Afghanistan: Human Rights and Security Situation, 9.9.2011)

Während der ersten sechs Monate des Jahres 2010 sind über 50% aller sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land auf die südlichen und süd-östlichen Regionen entfallen. Jedoch treten die sicherheitsrelevanten Zwischenfälle geographisch stärker verteilt auf als in den vorigen Jahren.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.3.2011)

Sicherheitslage im Zentralraum

(Provinzen: Panjsher, Kapisa, Logar, Parwan, Kabul und Wardak)

Auf den Zentralraum entfielen 10 Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle im ersten Halbjahr 2012.

(ANSO - Afghanistan NGO Safety Office: Quarterly Report Q2/2012, http://ngosafety.org/store/files/ANSO Q2 2012.pdf , Zugriff 22.8.2012)

Zwischen Juli und Dezember 2011 stieg die Zahl ziviler Toter im Zentralraum von 128 im Jahr 2010 auf 230 im Jahr 2011. Das bedeutet eine Zunahme von 80 Prozent. Dies lag vor allem an der Zunahme in der Provinz Kabul, wo in diesem Zeitraum sechs Selbstmordattentate stattfanden.

(UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan:

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict, 2011)

Den Taliban ist es gelungen ihren Einfluss über die traditionelle paschtunische Basis hinaus zu erweitern und sie installierten Schattenregierungen in den zentral östlichen Provinzen.

(ICG - International Crisis Group: The Insurgency in Afghanistan's Heartland, 27.6.2011,

http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/asia/south-asia/afghanistan/207 The Insurgency in Afghanistans Heartland , Zugriff 23.8.2012)

Sicherheitslage im Süden und Südosten des Landes

(Provinzen: Helmand, Ghazni, Kandahar, Khost, Nimroz, Paktika, Paktya, Uruzgan und Zabul)

Auf den Süden und Südosten entfielen 46,8 Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle im ersten Halbjahr 2012.

(ANSO - Afghanistan NGO Safety Office: Quarterly Report Q2/2012, http://ngosafety.org/store/files/ANSO Q2 2012.pdf , Zugriff 22.8.2012)

In der zweiten Hälfte 2011 ging die Zahl der zivilen Toten in Helmand und Kandahar auf 290 zurück. Dies bedeutet einen Rückgang von 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dennoch bleiben diese beiden Provinzen jene mit den höchsten Opferzahlen.

In der zweiten Jahreshälfte 2011 wurden in den Provinzen Khost, Paktika, Ghazni, Kunar und Nangarhar insgesamt 446 Zivilisten getötet. Das bedeutet einen Anstieg von 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

(UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan:

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict, 2011)

Nationale und internationale Sicherheitskräfte bekämpfen gemeinsam die Aufstandsbewegung mit Schwerpunkt im Südwesten (Helmand), Süden (Kandahar, Uruzgan) und Osten (Kunar, Khost, Paktika, Paktia) des Landes. Hier konzentriert sich auch das Gros militärischer Operationen der ISAF. Die Frühjahrsoperationen (April-Juni 2011) von ANSF und ISAF zielten darauf, der Aufstandsbewegung den erneuten Zugang zu von ihnen 2010 verlorenen Gebieten und das Gewinnen neuer Rückzugsgebiete zu verwehren. Beide Ziele wurden bisher erreicht. Auch wenn der Schutz der Zivilbevölkerung eines der strategischen Hauptziele von ISAF ist, kann bei Militäroperationen gegen Aufständische nicht ausgeschlossen werden, dass es auch zu zivilen Opfern kommt.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

In den östlichen und südöstlichen Regionen gibt es ernsthafte Sicherheitsherausforderung, die einen direkten Einfluss auf die Zivilbevölkerung haben und die humanitäre Unterstützung behindern. Dies gilt besonders für die Grenzgebiete zu Pakistan.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees, Afghanistan Protection Cluster: Protection Overview Eastern and South-Eastern Regions 2010 / 2011, 30.11.2011,

http://www.unhcr.org/refworld/pdfid/4f267c792.pdf , Zugriff 23.8.2012)

Menschenrechte

Allgemein

Die Menschenrechtssituation hat sich nicht wesentlich zum Positiven verändert. Ein bislang weitgehend unbeachtetes Amnestiegesetz sieht eine zeitlich unbegrenzte Generalamnestie (also auf Bürgerkrieg und Taliban-Herrschaft anwendbar) für fast alle Verbrechen vor, die von bewaffneten Gruppierungen begangen wurden. Die größte Bedrohung der Menschenrechte geht ebenfalls von der bewaffneten Aufstandsbewegung aus, deren Intensität und regionale Ausbreitung bereits seit 2006 zunimmt.

Afghanistan hat zahlreiche VN-Menschenrechtsabkommen - zum Teil mit Vorbehalten - ratifiziert. Im August 2005 hat Afghanistan nach mehrmonatigen Verhandlungen mit UNHCR die VN-Flüchtlingskonvention von 1951 inklusive des Zusatzprotokolls von 1967 unterzeichnet. Die Ratifikation ist noch nicht erfolgt. Die Verfassung vom Januar 2004 enthält einen umfassenden Menschenrechtskatalog, der politische ebenso wie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Innerstaatliche Fluchtalternative

Allgemeines

Das Gesetz garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes und ins Ausland sowie Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt dieses Recht aber manchmal aufgrund der Sicherheitslage ein. Die Reisefreiheit ist außerdem durch illegale Checkpoints, an denen Geld und Waren erpresst werden, eingeschränkt. Die schlechte Sicherheitslage, das Banditentum und die Landminen sowie IEDs [Improvised Explosive Device / Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung] stellen - vor allem in der Nacht - die größten Einschränkungen der Reisefreiheit dar.

Außerdem ist die Bewegungsfreiheit für Frauen ohne männlichen Begleiter durch soziale Sitten eingeschränkt.

Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen zusammen um IDPs, Flüchtlinge, zurückkehrende Flüchtlinge und andere gefährdete Personen zu unterstützen und zu schützen. Diese Bemühungen waren aber durch den Mangel an Infrastruktur und Kapazitäten begrenzt.

(US DOS - U.S. Department of State: 2010 Human Rights Report - Afghanistan, 8.4.2011)

Die Schwerpunkte der Aktivitäten der aufständischen Gruppierungen liegen einerseits entlang der Grenzen zu Pakistan, aber auch zu den nördlichen Nachbarn Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan, sowie andererseits entlang der Ring Road, der wichtigsten Straßenverbindung Afghanistans.

(Nino Hartl, Martin Schmidt, Thomas Schrott: Sicherheitslage und humanitäre Situation im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. In:

AfPak. Afghanistan, Pakistan und die Migration nach Österreich, 2011, S. 49)

Die traditionell erweiterten Familien- und Gemeinschaftsstrukturen der afghanischen Gesellschaft bilden weiterhin den vorwiegenden Schutz- und Bewältigungsmechanismus, insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen die Infrastruktur nicht so entwickelt ist. Afghanen sind auf diese Strukturen und Verbindungen zum Zweck der Sicherheit und des wirtschaftlichen Überlebens, einschließlich des Zugangs zur Unterkunft und eines angemessenen Niveaus des Lebensunterhalts angewiesen.

Alleinstehende Männer und Kernfamilien können unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft in städtischen und semi-urbanen Gegenden mit entwickelter Infrastruktur und unter effektiver Kontrolle der Regierung leben.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.3.2011)

Die Lebensbedingungen sind landesweit schlecht. Das Risiko des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt oder einer Menschenrechtsverletzung zu werden, ist überall - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung - gegeben. Ob eine Person sich einer möglichen Gefährdung durch ein Ausweichen im Land entziehen kann, hängt maßgeblich von dem Grad ihrer sozialen Vernetzung sowie von der Verwurzelung in Familienverband oder Ethnie ab.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Religion

Religionsfreiheit

Beobachter schätzen, dass 80% der Bevölkerung sunnitische und 19% schiitische Muslime sind. Andere religiöse Gruppen machen weniger als 1% der Bevölkerung aus. Nach Selbsteinschätzungen der Gemeinden gibt es ca. 3000 Sikhs, über 400 Baha'i und 100 Hindus. Es gibt auch eine kleine christliche Gemeinde mit geschätzten 500-8.000 Mitgliedern. Zusätzlich gibt es eine kleine Zahl von Anhängern anderer Religionen.

Im 20. Jahrhundert lebten kleine Gemeinschaften von Baha'i, Buddhisten, Christen, Hindus, Juden und Sikhs im Land, aber die meisten Mitglieder dieser Gruppen emigrierten während der Zeit des Bürgerkrieges und der Taliban-Herrschaft. Seit dem Sturz der Taliban sind einige Mitglieder religiöser Minderheiten zurückgekehrt, wobei viele in Kabul leben.

(USDOS - US Department of State: July-December 2010 International Religious Freedom Report, 13.9.2011)

Artikel 2 der Verfassung bestimmt, dass der Islam Staatsreligion ist. Die ebenfalls in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit gilt ausdrücklich nur für die "Anhänger anderer Religionen als dem Islam" (Artikel 2, Absatz 2). Auf die Rechte von Muslimen wird kein Bezug genommen. Demnach besteht Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionswahl beinhaltet, für Muslime nicht. Allerdings hält die Verfassung auch die Gültigkeit der von Afghanistan

ratifizierten internationale Verträge und Konventionen fest (Artikel 7), was aber wiederum im Lichte des Islamvorbehalts zu lesen ist.

Am 17.9.2003 hat Präsident Karzai die Einsetzung eines zentralen islamischen religiösen Rates (Schura) per Dekret genehmigt. Die Schura, in der Religionsgelehrte aller Provinzen vertreten sein sollen, umfasst rund 2.600 Mitglieder, die dafür Sorge tragen sollen, dass die Gebote des Islams eingehalten werden.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Im Jahr 2004 wurden der schiitische und der sunnitische Islam als gleichwertig in der Verfassung verankert. Die Verfassung proklamiert, dass Anhänger anderer Religionen ihren Glauben und ihre religiösen Riten innerhalb der Bestimmungen des Gesetzes frei ausleben dürfen.

Die Verfassung sieht vor, dass der Präsident und Vizepräsident Muslime sein sollen, unterschiedet aber nicht zwischen Sunniten und Schiiten. In der Verfassung wird der Islam als offizielle Religion des Staates bezeichnet, gegen dessen Glauben und Überzeugungen kein Gesetz verstoßen darf. Außerdem darf die Regierungsform der Islamischen Republik nicht verändert werden. In Fällen, die in der Verfassung und in den Gesetzen nicht geregelt werden, unter anderem Konversion und Blasphemie, bezogen sich Gerichte auf ihre Interpretation der Scharia, wobei einige dieser Interpretationen mit der Universellen Deklaration der Menschenrechte, die das Land unterzeichnet hat, im Widerspruch stehen.

(USDOS - US Department of State: July-December 2010 International Religious Freedom Report, 13.9.2011)

Die Religionsfreiheit hat sich seit dem Sturz der Taliban vergrößert, wird aber immer noch durch Gewalt und Störmanöver gegen religiöse Minderheiten und reformistische Muslime behindert. Ein Gericht befand im Jahr 2007, dass es sich beim Glauben der Baha'i um eine Form der Blasphemie handelte.

(FH - Freedom House: Freedom in the World 2011 - Afghanistan)

Die Religionsfreiheit und das damit zusammenhängende Recht, seine Religion im Privaten und in der Öffentlichkeit auszuüben, sind durch die afghanische Verfassung garantiert. Allerdings enthält die Verfassung eine Bestimmung, die besagt, dass kein Gesetz im Widerspruch zum Islam sein darf und verweist bezüglich der in der Verfassung nicht explizit geregelten Themen auf die Vorschriften der Scharia. Somit können Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen

und Individuen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen haben, harten Strafen ausgesetzt sein; verstärkt wird dies durch gesellschaftliche Diskriminierung und Stigmatisierung solcher Personen.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.3.2011)

Rechtsschutz

Justiz

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber in der Praxis war die Justiz häufig mit zu wenig Geld und Personal ausgestattet und politischem Einfluss sowie der Korruption ausgesetzt. Bestechung, Korruption und Druck von Amtsträgern, Stammesführern, Familien der beschuldigten Personen und Personen, die mit dem Aufstand in Verbindung stehen, bedrohten die Unabhängigkeit der Justiz. Eine Ausnahme stellte das Anti-Drogen-Tribunal in Kabul dar. Die Gehälter der Mitglieder wurden von der internationalen Gemeinschaft mitfinanziert und sie arbeiteten in einem sicheren Gebäude. Internationale Organisationen berichteten, dass es keine Hinweise auf Korruption oder politischem Einfluss bei dessen Angestellten gab. Andere Gerichte judizieren uneinheitlich, nach einer Mischung aus kodifiziertem Recht, der Scharia (Islamisches Recht) und dem Gewohnheitsrecht.

Die Mehrheit der Richter bestand aus Absolventen von Madrassas oder hatte eine Scharia-Ausbildung. Nur sehr wenige Richter kamen von einer juristischen Fakultät. Der mangelnde Zugang zu Rechtsquellen behinderte Richter und Staatsanwälte. Es herrschte ein Mangel an Richtern, vor allem in unsicheren Gebieten. Das Höchstgericht gab an, dass es Ende 2010 geschätzte 2.282 Richter, darunter 120 Richterinnen auf allen Ebenen in Afghanistan gab.

In Gebieten, die nicht unter Kontrolle der Regierung stehen, haben die Taliban ein paralleles Rechtssystem errichtet. Die Strafen dieser Gerichte inkludieren das Abschneiden von Fingern, Enthauptungen, Schläge und Hängen.

In den größeren Städten entscheiden die Gerichte überwiegend Kriminalfälle. Zivilrechtliche Fälle werden häufig im "informellen System" gelöst. In ländlichen Gebieten wird die Aufgabe der Streitschlichtung primär durch lokale Würdenträger und Schuras wahrgenommen. Einigen Schätzungen zufolge werden ca. 80% aller Fälle durch Schuras, die sich nicht an die verfassungsmäßig garantierten Rechte gebunden fühlen und häufig die Rechte von Frauen und Minderheiten verletzen, entschieden.

(US DOS - U.S. Department of State: 2010 Human Rights Report - Afghanistan, 8.4.2011)

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Weder besteht Einheitlichkeit der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), noch werden rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen.

Die Unabhängigkeit der Justiz und die Justizgrundrechte (z.B. "nulla poena sine lege", keine Sippenhaft, Unschuldsvermutung) sind zwar förmlich in der Verfassung verankert, in der Rechtswirklichkeit ist das Justizsystem aber nur teilweise und keineswegs überall funktionsfähig. Trotz verstärkt laufender Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Richter und Staatsanwälte wird es noch etliche Jahre dauern, bis das Gerichtssystem dem Anspruch der Verfassung genügen wird.

Neben dem formellen staatlichen Gerichtswesen besteht weiterhin die informelle traditionelle Gerichtsbarkeit. Vor allem auf dem Land wird die Richterfunktion weitgehend von lokalen Räten (Schuras) wahrgenommen. Einigkeit über die Gültigkeit und Anwendbarkeit von kodifizierten Rechtssätzen besteht meist nicht; mangelnde Rechtskenntnis und die mangelnde Fähigkeit zur Auslegung verschärfen die Situation. Grundsätze eines fairen Verfahrens nach rechtsstaatlichen Prinzipien werden von Gerichten oftmals nicht beachtet. Tatsächlich nehmen Gerichte, soweit sie ihre Funktion ausüben, eher auf Gewohnheitsrecht, auf Vorschriften des islamischen Rechts (Scharia) und auf die (nicht selten willkürliche) Überzeugung des einzelnen Richters Bezug als auf staatliche, säkulare Gesetze. Viele Fälle werden schlicht durch das Recht des Stärkeren geregelt. Eine anwaltliche Vertretung von Angeklagten ist kaum existent. Zudem ist davon auszugehen, dass insbesondere Schuras die Rechte von Frauen tendenziell weniger oder überhaupt nicht achten. Menschenrechtsverletzungen sind teilweise nicht strafrechtlich sanktioniert und werden, selbst wenn dies der Fall ist, kaum strafrechtlich verfolgt. Problematisch ist auch die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaft und Gefängnissen. Korruption, überlange Gerichtsverfahren und der schlechte Zustand von Haftanstalten führen immer wieder zu Hungerstreik-Aktionen und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Inhaftierten und Wachpersonal.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Afghanistan verfügt über eine im westlichen Sinn sehr fortschrittliche Strafprozessordnung. Sie wird aber kaum eingehalten. So sollte die Untersuchungshaft laut Gesetz zwei Wochen nicht übersteigen, in der Praxis ist eine Dauer zwischen einigen Wochen und einigen Jahren möglich. Außerdem kommt es unter anderem zu Haft ohne Anklage, Vorverurteilungen und auch die Objektivität des Richter und der Anklagebehörden ist manchmal nicht gegeben.

Das Alter für Strafmündigkeit liegt in Afghanistan für beide Geschlechter bei 18 Jahren. Unter 18jährige können im Anlassfall in Erziehungsanstalten ("correction center") untergebracht werden. Es gibt eigene Jugendgerichte.

(BAA - Bundesasylamt: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Die Sicherheitsbehörden

Drei Ministerien sind für die Sicherheit im Land verantwortlich. Die afghanische Polizei (Afghan National Police - ANP), innerhalb des Innenministeriums ist primär für die innere Sicherheit verantwortlich, ist aber immer stärker in der Bekämpfung des Aufstandes engagiert. Die ANA [Afghan National Army], innerhalb des Verteidigungsministeriums ist für die äußere Sicherheit zuständig. Das afghanische Nationale Direktorat für Sicherheit (NDS) ist für die Untersuchung von Fällen der nationalen Sicherheit verantwortlich und fungiert als Nachrichtendienst.

(US DOS - U.S. Department of State: 2010 Human Rights Report - Afghanistan, 8.4.2011)

Schwerpunkt der Tätigkeit der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF ist der Aufwuchs afghanischer Sicherheitskräfte. Diese sollen bis 2014 in die Lage versetzt werden, die Verantwortung für die Sicherheit des Landes zu übernehmen. Bis Ende 2013 soll dieser Übergang abgeschlossen sein.

Der quantitative Aufwuchs der afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) läuft schneller als geplant. Die für den 31.10.2011 gesetzten Zielmarken von 171.600 Soldaten und 134.000 Polizisten wurden bereits im Spätsommer erreicht. Bis Ende Oktober 2012 soll der Aufwuchs bei der afghanischen Nationalarmee (ANA) 195.000 Soldaten erreichen, bei der afghanischen Polizei (ANP) 157.000 Polizisten. Der qualitative Aufwuchs der ANSF konnte allerdings mit den quantitativen Ergebnissen in diesem Bereich noch nicht Schritt halten. Zunehmend werden im Bereich der Polizei auch afghanische Polizeiausbilder ausgebildet, so dass der Ausbildungsbetrieb schrittweise in afghanische Hände übergeben werden kann.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Die Straffreiheit für die Behörden ist weit verbreitet. Einige Beobachter glauben, dass die Polizei sich nicht darüber im Klaren ist, dass sie für die Verteidigung der gesetzlich garantierten Rechte verantwortlich ist. Es gab Berichte über das Erpressen von Schutzgeldern durch die Polizei. Die internationale Unterstützung im Bereich Rekrutierung und Ausbildung werden fortgesetzt. Die internationale Gemeinschaft arbeitete mit der Regierung zusammen um den Missbrauch und die Korruption innerhalb der Polizei zu bekämpfen. Das Innenministerium berichtete, dass jeder neu ausgebildete Polizist auch eine Ausbildung hinsichtlich Menschenrechte erhält. In jeder Provinz gab es zwei Polizisten, die über die Einhaltung der Menschenrechte berichteten. In Kabul waren es sogar 81. Außerdem wurde ein Generalinspektor für interne Polizeiuntersuchungen eingerichtet. Trotz allem bleiben Menschenrechtsverletzungen ein Problem.

(US DOS - U.S. Department of State: 2010 Human Rights Report - Afghanistan, 8.4.2011)

67% aller Polizeirekruten brechen ihre Ausbildung ab. Laut US-Regierungsangaben sind von den 170.000 Afghanen, die bisher Polizeitrainings erhalten haben, gar nur noch 30.000 im Dienst, das entspricht nicht einmal 20 %.

(Martin Schmidt: Ausbildung der Afghanischen Nationalen Polizei (ANP), In: SIAK-Journal 1/2011)

Das NDS ist für die Untersuchung von Fällen, die die nationale Sicherheit betreffen, zuständig. Deshalb verfügt es auch über ein eigenes Gefängnis, in dem Personen so lange in Untersuchungshaft bleiben, bis der Fall an die Staatsanwaltschaft übergeben wird.

(US DOS - U.S. Department of State: 2010 Human Rights Report - Afghanistan, 8.4.2011)

NGOs

Zivilgesellschaftliche Netzwerke sind in Afghanistan vorhanden, konzentrieren sich aber auf Kabul und die größeren Städte. NROs [NichtRegierungsOrganisationen] spielen in der Menschenrechtsarbeit eine wichtige Rolle. Sie nehmen an der öffentlichen Debatte teil, indem sie immer wieder Missstände im Menschenrechtsbereich ansprechen und auf die Defizite bei der Aufarbeitung der Verbrechen, die in den vergangenen Jahrzehnten des Bürgerkriegs begangen wurden, hinweisen.

Dreh- und Angelpunkt der Menschenrechtsarbeit ist die Unabhängige Menschenrechtskommission Afghanistans (Afghan Independent Human Rights Commission, AIHRC). Die AIHRC wurde 2002 gegründet und hat Verfassungsrang (Art. 58 der Verfassung).

Die AIHRC ist landesweit tätig. Ihr Mandat umfasst die Überwachung, die Förderung und den Schutz von Menschenrechten. Die Ernennung der Kommissionsmitglieder erfolgt -in Widerspruch zu den Pariser Grundsätzen - durch den Staatspräsidenten. Die Abberufung von zwei Menschenrechtskommissaren im Januar 2012 war entsprechend umstritten.

Die AIHRC ist bei der Beurteilung von Einzelfällen immer wieder offener Kritik aus den Reihen der Regierung und hoher Vertreter des Justizsektors ausgesetzt. Neben der AIHRC sind eine ganze Reihe von nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen im Menschenrechtsbereich tätig.

Menschenrechtsorganisationen können ihrer Arbeit grundsätzlich frei nachgehen. Einschränkungen seitens der Regierung oder offene Behinderungen gibt es nicht, aber die Organisationen müssen das gesellschaftliche Klima berücksichtigen. Zahlreiche Personen, die sich in den letzten Jahrzehnten Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, sind nach wie vor in einflussreichen Positionen. Sie verfügen über erhebliches Droh- und Druckpotenzial, um gegen unerwünschte Aktivitäten einer noch schwachen, aber an Einfluss gewinnenden, Zivilgesellschaft vorzugehen. Als überaus wirkungsvolles Instrument erweisen sich dabei immer wieder Anschuldigungen, wonach bestimmte Verhaltens- und Vorgehensweisen angeblich gegen den islamischen und/oder paschtunischen Sitten- und Wertekanon verstoßen. Dies kollidiert häufig mit dem Grundrecht auf Meinungs-, Presse- bzw. Medien- und Religionsfreiheit.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Die Arbeit hunderter von internationalen und afghanischen NGOs wird durch die Sicherheitslage und die restriktiven bürokratischen Regeln behindert. Sowohl ausländische als auch afghanische Angestellte von NGOs wurden von kriminellen und aufständischen Gruppen angegriffen.

(FH - Freedom House: Freedom in the World 2011 - Afghanistan)

Humanitäre Helfer sind in Gebieten, in denen es aufständische Aktivitäten oder Unterwanderung durch die Taliban und/oder Hezb-e Islami gibt, weiterhin Opfer von zielgerichteten Angriffen durch diese Gruppen und zwar auf Grund der ihnen unterstellten Verbindung zur Zentralregierung und zur internationalen Gemeinschaft. Familienangehörige von humanitären Helfern wurden ebenfalls Opfer von zielgerichteten Angriffen. Berichten zufolge sind Menschenrechtsaktivisten Bedrohungen und Schikanierung ausgesetzt.

Auch

Verteidiger von Frauenrechten sind Diskriminierung und Einschüchterung durch staatliche Institutionen ausgesetzt.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.3.2011)

Rückkehrfragen

Grundversorgung / Wirtschaft

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt (Platz 155 von 169 im aktuellen UNDP Human Development Index 2010). Der Staat ist in extremem Maß von Geberunterstützung abhängig: Nur knapp zwei Drittel (62%) der laufenden Ausgaben können durch eigene Einnahmen gedeckt werden. Der Entwicklungs- und Investitionshaushalt ist zu 100% geberfinanziert. Vor allem aufgrund der anhaltenden, massiven Unterstützung internationaler Geber haben sich nahezu alle volkswirtschaftlichen Indikatoren Afghanistans (BIP-Wachstum, Inflationsrate usw.) positiv entwickelt. Der IWF rechnet für das laufende afghanische Fiskaljahr 1390 (März 2011-März 2012) mit einem Wachstum von 8 Prozent des BIP außerhalb des Landwirtschaftssektors, der sich nach einer außergewöhnlich guten Ernte im Jahr 2009 und einer etwas schwächeren (aber dennoch überdurchschnittlichen) Ernte 2010 stabilisiert hat.

Bis etwa Mitte des Jahrzehnts wird ein reales jährliches Wirtschaftswachstum zwischen sechs und acht Prozent erwartet; in der Langfristprognose bis 2030 rechnen die Experten mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von fünf Prozent.

Auch die fiskalische Situation Afghanistans entspricht dank des bemerkenswerten Wachstums der Staatseinnahmen (afghanisches Fiskaljahr 1389 (März 2010 - März 2011): +30%) den Vorgaben des IWF und übersteigt diese in vielen Bereichen sogar.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Die Wirtschaftsleistung hat sich seit dem Sturz der Taliban - großteils aufgrund der internationalen Investitionen - signifikant verbessert. Das BIP verteilt sich zu 31,6% auf Landwirtschaft, 26,3% Industrie und 42,1% Dienstleistungen (Daten exklusive Opiumanbau).

(CIA World Factbook, Afghanistan, last update 18.1.2012, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html , Zugriff 14.2.2012)

Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

UNHCR schätzt die Zahl der freiwilligen Rückkehrer zwischen März 2002 und Juni 2011 auf gut 4,5 Millionen Menschen, was bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung (genaue Zahlen existieren nicht) von 32 Mio. etwa 14% entspricht. Der ganz überwiegende Teil davon kehrte mit Hilfe des UNHCR zurück. Mit lediglich 54.400 Rückkehrern wurde dabei 2009 nach Angaben des UNHCR ein historischer Tiefstand erreicht.

2010 kehrten nach Angaben von UNHCR 112.815 Personen freiwillig nach Afghanistan zurück (104.331 aus Pakistan, 8.419 aus Iran, 37 aus Russland und 28 aus Indien). Dies entspricht einem Plus von 54% im Vergleich zum Vorjahr. 2011 wurden bislang 25.442 freiwillige Rückkehrer gezählt (Stand: Juni 2011). 267.820 Flüchtlinge wurden zwischen 1.1.2010 und 5.12.2010 aus Iran nach Afghanistan ausgewiesen (das sind 10% weniger als im Vorjahreszeitraum). Zur Vermeidung der Ausweisung können afghanische Flüchtlinge in Iran eine Ausreiseerlaubnis beantragen und selbständig zurückkehren. Diese Möglichkeit nutzten zwischen 1.1.2010 und 5.12.2010 330.258 Personen (Vergleichszeitraum 2009: 147.575).

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Die Rückkehrer sind meist allein stehende junge Männer. Rückkehrer, die über eine Berufsausbildung verfügen, haben gute Chancen einen Job zu finden. Es gibt eine kleine Zahl von qualifizierten Rückkehrern, die an Banken oder Internationale Organisationen vermittelt werden. Bei Rückkehrern ohne Ausbildung ist das Problem größer, da es nicht genügend Programme für Rückkehrer gibt.

Für weibliche Rückkehrer kommt noch das Problem einer immer konservativer werdenden Gesellschaft hinzu. Die Rückkehr alleinstehender Frauen ist sehr schwierig.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Staatliche soziale Sicherungssysteme wie Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren

Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können in ihrer Umgebung auf übersteigerte Erwartungen bezüglich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen für alle Leistungen überhöhte Preise gefordert werden. Von den "Zurückgebliebenen" werden sie häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert.

Andererseits bringen Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle höhere Finanzmittel, eine qualifiziertere Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mit als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Das verschafft ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Die überwiegende Mehrheit der gebildeten Schicht ist während der Kriegsund Bürgerkriegsjahre nach Europa und Nordamerika geflüchtet. Prinzipiell könnten die Fähigkeiten dieser Personen eine erhebliche Ressource für das Land darstellen, denn es mangelt in allen Sparten an ausgebildeten Facharbeitern und Akademikern.

Adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige existieren nicht.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Eine Ansiedlung in Kabul, Mazar-i Sharif, Jalalabad und Herat ist grundsätzlich auch für Personen ohne Beziehungen möglich, sofern sie über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Für mittellose Männer ohne persönliche Anknüpfungspunkte ist dies nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Für Frauen ohne männliches Familienoberhaupt ist dies gänzlich unmöglich. Für Frauen allgemein ist die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt.

(BAA - Bundesasylamt: Protokoll des Afghanistan-Workshop vom 13.8.2008)

Bei einer Rückkehr von Frauen müssen diese im Familienverbund aufgenommen werden, um geschützt zu sein.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Der IWF rechnet für das laufende afghanische Fiskaljahr 1390 (März 2011-März 2012) mit einem Wachstum von 8 Prozent des BIP außerhalb des Landwirtschaftssektors, der sich nach

einer außergewöhnlich guten Ernte im Jahr 2009 und einer etwas schwächeren (aber dennoch überdurchschnittlichen) Ernte 2010 stabilisiert hat. Von diesen verbesserten Rahmenbedingungen profitierten grundsätzlich auch Rückkehrer. Gleichwohl führt die verbreitete Armut landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Außerdem war 2011 die Getreideernte aufgrund unzureichender Niederschlagsmengen wieder signifikant niedriger als in den Vorjahren.

Problematisch bleibt die Versorgungslage der Menschen insbesondere in abgelegenen ländlichen Gebieten des zentralen Hochlandes. Grund dafür sind fehlende oder nur im Sommer passierbare Verkehrswege sowie mangelnde Gesundheitsinfrastruktur. Hinzu kommt die Gefahr kriminell motivierter Überfälle auf kommerzielle und humanitäre Lebensmitteltransporte. Rückkehrer sind diesen Risiken aufgrund ihrer spezifischen Situation (Unterbringung vielfach in Camps, fehlende Erwerbsmöglichkeiten, usw.) besonders ausgesetzt.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Probleme bei der Nahrungsmittelverteilung gibt es vor allem in ländlichen Gebieten. Zum einen liegt das primär an der schlechten Sicherheitslage. So kommt es immer wieder zu Angriffen auf Konvois. Ein weiteres Problem stellt die schlechte Infrastruktur des Landes dar. Einige Gebiete sind kaum zu erreichen. Grundsätzlich gilt, dass das größte Problem für die Nahrungsmittelversorgung die Sicherheitslage darstellt, erst an zweiter Stelle kommt die mangelnde Infrastruktur. Generell ist in städtischen Gebieten der Zugang zu Nahrungsmitteln nicht das Problem und das Marktsystem funktioniert gut. Diese Märkte sind gut mit Nahrungsmitteln ausgestattet, die aus verschiedenen Gegenden in Afghanistan und aus den Nachbarstaaten kommen. In Kabul sind die Nahrungsmittel auch für den Großteil der Leute leistbar. Zusätzlich wird von Moscheen Gratisnahrung für bedürftige Menschen verteilt.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Der Großteil der Afghanen hat keinen angemessenen Zugang zu sauberem Wasser, um die Grundbedürfnisse zu decken. Die Herausforderungen Afghanistans im Bereich der Wasserversorgung, Bewässerung und Hydroelektronik sind immens; ein Wasserversorgungssystem gibt es praktisch nicht.

Der durchschnittliche Versorgungswert mit sauberem Wasser beträgt in Afghanistan nur ca. 24 % und nur etwa 12 % der Haushalte haben Zugang zur Abwasserversorgung. Da die Mehrheit der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat, leidet Afghanistan unter einer

der höchsten Raten von durch Trinkwasser übertragenen Krankheiten in der Welt - eine der Hauptursachen der Kindersterblichkeit in Afghanistan.

(IOM - International Organization for Migration: Länderinformationsblatt Afghanistan, Oktober 2011)

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer (MoRR) bemüht sich daher um eine Ansiedlung dieser Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer (sog. "townships"). UNHCR unterstützt gemeinsam mit der "International Organisation for Migration" (IOM) das MoRR bei seiner Aufgabe, eine geordnete Rückkehr zu gewährleisten, worauf letzteres aufgrund seiner institutionellen Schwächen angewiesen ist. Die Ansiedlung der Flüchtlinge erfolgt unter schwierigen Rahmenbedingungen: Ein Großteil der vorgesehenen "townships" ist kaum für eine permanente Ansiedlung geeignet. Oft fehlt es an der notwendigen Basisinfrastruktur (z.B. Wasserversorgung), und häufig befinden sich die vorgesehenen Ansiedlungsorte in abgelegenen Gebieten. Manche Beobachter bezeichnen daher die Ansiedlung der Rückkehrer als ein "Aussetzen in der Wüste".

Nichtregierungsorganisationen leisten hier vielfach zusätzliche Hilfe.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Die Mieten in Kabul sind vergleichsweise hoch. Für eine 3-4 Zimmer-Wohnung in guter Gegend bezahlt man ca. USD 300-500,- Miete. In schlechteren Vierteln ca. USD 200,-. Aufgrund der hohen Mieten teilen sich Familien oft eine Wohnung. Für ein günstiges Zimmer wird rund USD 100,- bezahlt. Doch dank der großen Bautätigkeit hat sich das Angebot an Wohnungen erhöht und die Mietkosten reduziert. Die Lebenskosten (Essen) betragen rund USD 50,- pro Monat.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Das Thema Unterkunft ist für Rückkehrer wegen der großen Inflation bei Immobilienpreisen, dem hohen demografischen Druck in Afghanistans Ballungszentren und einer generellen Knappheit von Gebäuden im guten Zustand von großer Wichtigkeit.

Kabul beherbergt derzeit nahezu vier Millionen Menschen. Eine Vielzahl von Menschen, die das Land verlassen haben, kehrt nach und nach zurück. Mehr als 2 Millionen Häuser wurden zerstört oder irreparabel beschädigt; viele medizinische Einrichtungen und Bildungsstätten sind nicht mehr intakt. Laut Studien des Afghanischen Ministeriums für Unterkunft und

Stadtentwicklung leben statistisch gesehen etwa 18-20 Personen in einem für 6 Personen konstruierten Haus.

(IOM - International Organization for Migration: Länderinformationsblatt Afghanistan, Oktober 2011)

Die Rückkehrer sind meist allein stehende junge Männer. Rückkehrer, die über eine Berufsausbildung verfügen, haben gute Chancen ein Job zu finden. Es gibt eine kleine Zahl von qualifizierten Rückkehrern, die an Banken oder Internationale Organisationen vermittelt werden. Bei Rückkehrern ohne Ausbildung ist das Problem größer, da es nicht genügend Programme für Rückkehrer gibt.

Laut ILO arbeiten knapp 93% der Bevölkerung über 16 Jahren mindestens eine Stunde pro Woche. Daraus ergibt sich eine Arbeitslosenquote von 7,9%. Dies ist ein Zeichen dafür, dass es sich kaum jemand leisten kann gar nicht zu arbeiten. Hingegen wird der Wert für Unterbeschäftigung mit ca. 40% angegeben. Dies deckt sich mit den Angaben der ACCI [Afghanistan Chamber of Commerce and Industries], die die Arbeitslosenrate mit ca. 40% angibt. Aber es fehlen grundsätzlich zuverlässige statistische Daten für Afghanistan. Für Arbeitslose gibt es keine finanzielle Unterstützung vom Staat. Die derzeitigen Arbeitsstandards sind sehr niedrig, es gibt keine Sozialversicherung, 80% bis 90% der Bevölkerung arbeiten im Bereich der Schattenwirtschaft. 36% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze.

70% der Arbeitslosen haben keine Ausbildung. Aus diesem Grund wurden so genannte "Employment Services Centres" (ESC) (~berufsbildende Zentren) aufgebaut. Bisher wurden 13 solcher ESC errichtet. 15 weitere sollen in ganz Afghanistan verteilt errichtet werden. Das Ziel dieser Zentren besteht in der Vermittlung und Qualifizierung von Arbeitssuchenden. Vor allem sollen Frauen und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Die Bevölkerung soll außerdem ermuntert werden, die Dienstleistungen dieser Zentren in Anspruch zu nehmen. Zusätzlich wurde eine eigene Task-Force zu diesem Thema in Kooperation zwischen MoLSAMD [Ministry of Labor, Social Affairs, Martyrs and Disabled] und dem Ministry of Education (MoE) eingerichtet.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Es gibt keine regelmäßigen Statistiken zur Frage der Arbeitslosigkeit. Nichtsdestotrotz wird geschätzt, dass diese in einigen Regionen bis zu 45% beträgt und auf nationaler Ebene zwischen 30 und 35 % beträgt. Die Prozentsätze sind in allen Altersgruppen hoch, die Jugendlichen (im Alter von 16 bis 25) sind mit weniger als 25% Arbeitslosigkeit die aktivste

Gruppe. Saisonale Einflüsse können die Arbeitslosigkeit in ländlichen Gegenden signifikant beeinflussen; die Unterbeschäftigungsquote kann bis zu 40% betragen.

Die aktuellen Anstrengungen konzentrieren sich auf die Einrichtung von Arbeitsagenturen in allen 34 Provinzen des Landes, und zwar binnen drei Jahren. Diese sollen das institutionelle Verständnis von lokalen wirtschaftlichen Zusammenhängen verstärken, indem Verbindungen zum Privatsektor hergestellt werden und die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes beachtet werden: sozioökonomische Beratung soll ebenso angeboten werden wie Finanzberatung oder Jobvermittlungen.

(IOM - International Organization for Migration: Länderinformationsblatt Afghanistan, Oktober 2011)

Eine größer werdende Anzahl von Instituten bietet sogenannte Mikrokredite in Afghanistan an. Die Voraussetzungen zum Darlehensabschluss sind unterschiedlich, aber die meisten Institute stellen auf die Schutzbedürftigkeit und die potentielle Nachhaltigkeit der jeweiligen Projekte ab. Rückkehrer und insbesondere Frauen werden regelmäßig durch die Vergabe von Mikrokrediten unterstützt. Nichtsdestotrotz sind generell hohe Zinsen zu zahlen. Nachfolgend eine Auflistung führender Institute zur Vergabe von Mikrokrediten:

Agency for Rehabilitation and Energy Conservation in Afghanistan

(AREA)

AREA bietet Mikrofinanzierungen für Projekte von schutzbedürftigen Personen, Rückkehrern, Binnenflüchtlingen und insbesondere für Frauen an. Vergibt bis zu 300 USD.

Bangladesh Rural Advancement Committee (BRAC)

Ist seit Juni 2002 auf den Gebieten Bildung, Gesundheit und Einkunftsermöglichung tätig. In Afghanistan gibt es insgesamt acht BRAC-Vertretungen, die aktuell Darlehen an Frauen, Arme und Behinderte vergeben. Vergibt bis zu 200 USD.

Ariana Financial Services Group (AFSG) operated by Mercy Corps Afghanistan

Darlehen werden von AFSG an Gruppen von vier bis acht Personen mit einem Mindestalter von sechzehn Jahren und einer Mindestberufserfahrung von sechs Monaten vergeben.

Vergibt bis zu 1000 USD.

Aga Khan Microfinance Bank (AKMFB)

"The First MicroFinanceBank", Kabul, Afghanistan

Vergibt bis zu 3000 USD u.a. an Rückkehrer, Binnenflüchtlinge und schutzbedürftige Personen.

(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Afghanistan, Oktober 2011)

Die FMFB-A [First MicroFinance Bank Afghanistan] vergibt kleine Kredite in der Höhe von USD 200,- bis 5.000,- an Einzelpersonen. Dabei werden zuerst kleinere Beträge verliehen. Sollte das Kreditverhalten des Kunden stimmen, kann er auch höhere Kreditsummen erhalten. Zusätzlich gibt es noch Kredite in der Höhe von USD 5000,-

bis 50.000,- für kleinere und mittlere Betriebe (KMU). Der Schwerpunkt liegt bei Krediten in der Höhe von USD 1.000,- bis 2.000,-. Im Durchschnitt beträgt die Kredithöhe USD 926,-.

Um einen Kredit zu erhalten ist ein Bürge notwendig, da eine Besicherung des Kredites über das Grundbuch aufgrund der unklaren Besitzverhältnisse nicht möglich ist. Die Überprüfung des Bürgen ist meist innerhalb von sechs Tagen erledigt.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Über vier Millionen afghanische Flüchtlinge und illegale Migranten leben in Iran und Pakistan. Die Rückkehr dieser Flüchtlinge wurde von beiden Staaten gewünscht und IOM arbeitet um die Absorptionskapazitäten der afghanischen Gemeinschaften zu erhöhen und eine nachhaltige Integration zu fördern. Das Programm zielt auf Afghanen, die aus Iran und Pakistan zurückkehrten genauso ab, wie auf Mitglieder der Gemeinschaften von Herat, Farah, Nimroz, Kunduz, Bamyan, Kabul und Nangarhar.

(IOM Afghanistan: Emergency and Post-Conflict Migration Management, Mai 2011, http://www.iom.int/jahia/Jahia/afghanistan , Zugriff 14.02.2012)

Das Ministerium für ländliche Entwicklung (MRRD) und das Ministerium für Stadtentwicklung und Wohnungen haben auch die Unterstützung von Rückkehrern, sowohl von Flüchtlingen als auch Binnenflüchtlingen (IDPs), in ihren nationalen Programmen. Andere, darunter NGOs, UN Agenturen und Geldgeber, versuchen auch Unterstützungsprogramme für Rückkehrer in ihre Entwicklungsprogramme einzubauen.

(ICG - International Crisis Group: Afghanistan: What now for Refugees? Asia Report Nr. 175, 31.8.2009, http://www.crisisgroup.org/en/regions/asia/south-asia/afghanistan/175-afghanistan-what-now-for-refugees.aspx , Zugriff 14.2.2012)

Die Website von The Afghanistan Analyst listet über 180 Organisationen auf die im humanitären Bereich in Afghanistan tätig sind.

(The Afghanistan Analyst: Non-Governmental and international humanitarian organizations operating in Afghanistan, ohne Datum, http://afghanistan-analyst.org/ngo.aspx , Zugriff am 14.2.2012)

Den Auskunft gebenden Stellen zufolge gibt es vor Ort [Anm.: Kabul] jedoch keine Organisation/Einrichtung, die Rückkehrer [direkt nach ihrer Ankunft] unterstützt.

(BAMF - IOM: Anfragebeantwortung Aktenzeichen: ZC171/19 .08.2011, https://milo.bamf.de/llde/livelink.exe?func=ll&objId=15057924&objAction=Open&nexturl=/llde/livelink.exe?func=ll&objId=14093541&objAction=browse&viewType=1 , Zugriff 14.2.2012)

Behandlung nach Rückkehr

Grundsätzlich gibt es keine Sanktionen des Staates bei illegaler Ausreise und darauffolgender Rückkehr.

Es sind kaum Fälle bekannt, bei denen Rückkehrer Opfer von Verbrechen wurden.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Als vordringliche Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, sind Land und Grundsstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, der Rückforderung ihres früheren Besitzes und bei der illegalen Besetzung von Land offenkundig werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc., häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Hinzu kommt der mangelnde Zugang zu Rechtsmitteln. Diejenigen Afghanen, die bereits in den Nachbarländern nur einen kleinen Eigenbeitrag zu ihrem Lebensunterhalt leisten konnten, sehen sich bei Rückkehr oftmals noch größeren Schwierigkeiten gegenüber, da sie über kein Startkapital verfügen und Arbeitsmöglichkeiten insbesondere in den Provinzen sehr begrenzt sind.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Es ist unabdingbar, dass soziale und ökonomische Faktoren bei der Rückkehr gefährdeter Gruppen wie Frauen, Kindern, alten Menschen oder Alleinerziehenden mitbedacht werden müssen. In solchen Fällen stellt die Reintegration in ein religiöses und sozial traditionelles Umfeld oft eine Herausforderung dar.

(IOM - International Organization for Migration: Länderinformationsblatt Afghanistan, Oktober 2011)

Kabul kann auf dem Luftweg aus Deutschland wie folgt erreicht werden: Täglich über Dubai mit "KamAir", "Pamir", "Ariana", "flydubai" oder "Safi Airways", über New Delhi mit "Indian Airlines" (sechsmal pro Woche) und "Kam Air" oder über Islamabad mit "PIA" (dreimal pro Woche). Auf das von der EU verhängte Landeverbot für afghanische Fluggesellschaften in EU-Mitgliedstaaten wird vorsorglich hingewiesen. Es gibt zurzeit lediglich einen Direktflug zwischen Afghanistan und der EU ("Ariana"). Eine Abschiebung über die Vereinigten Arabischen Emirate wird zukünftig, aufgrund der Visumpflicht afghanischer Staatsangehöriger für die Vereinigten Arabischen Emirate, zu massiven Einschränkungen führen.

Die Straße Peshawar-Jalalabad-Kabul wird seit Herbst 2002 von Angehörigen der internationalen Gemeinschaft und NROs als wichtigste Landverbindung nach Pakistan genutzt. Seit 2007 hat sich die Sicherheitslage entlang der Straße allerdings verschlechtert. Neben Übergriffen durch regierungsfeindliche Kräfte kommt es ungeachtet mittlerweile etablierter Kontrollposten der afghanischen Sicherheitskräfte besonders abends immer wieder zu kriminell motivierten Überfällen. Die Straße gilt daher in weiten Abschnitten als unsicher. Seit Ende 2006 ist die Einreise von Afghanistan nach Pakistan mit einem in Afghanistan zugelassenen Fahrzeug nicht mehr gestattet. Ausreisende müssen sich nunmehr auf der afghanischen Seite der Grenze absetzen lassen und zu Fuß den Übergang passieren.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Minderheiten

Minderheitenrechte

Die Zahlen zur ethnischen Zusammensetzung der afghanischen Bevölkerung variieren: Paschtunen 38-42%, Tadschiken 25-27%, Hazara 9-19%, Usbeken 6-9%, zahlreiche kleinere ethnische Gruppen.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012 / CIA World Factbook, Afghanistan, last update 18.1.2012,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html , Zugriff 15.2.2012)

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat. In der Vergangenheit haben ethnische Spannungen oft zu gewaltsamen Auseinandersetzungen beigetragen. Insbesondere während des Bürgerkriegs zu Beginn der 90er Jahre verlief die politische Trennlinie weitgehend entlang ethnischer Grenzen.

Auch heute haben gesellschaftliche und politische Konflikte häufig einen ethnischen Hintergrund.

Die Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Neben Dari und Paschtu wird weiteren Sprachen unter bestimmten Bedingungen ein offizieller Status eingeräumt. Das Parteiengesetz verbietet die Gründung politischer Parteien entlang ethnischer Grenzen; in der Regierung sind alle großen ethnischen Gruppen vertreten. Es gibt Bemühungen, Armee- und Polizeikräfte so zu besetzen, dass sämtliche Volksstämme angemessen repräsentiert sind, was in der Praxis zuweilen zu einer Überrepräsentation von ethnischen Minderheiten auch in Führungspositionen führt.

Die Situation der ethnischen Minderheiten hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft besonders für die traditionell diskriminierten Hazara verbessert, obwohl die hergebrachten Spannungen in lokal unterschiedlicher Intensität fortbestehen und gelegentlich wieder aufleben.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Es gibt keine Gesetze die ethnische Gruppen an der Partizipation am politischen Leben hindern. Trotzdem gibt es Beschwerden einiger ethnischen Minderheiten über zu geringe Repräsentation in öffentlichen Ämtern. Die ethnische Zusammensetzung des Unterhauses ist wie folgt: 39% Paschtunen, 28% Tadschiken, 20% Hazara, 7% Usbeken und 6% andere Minderheiten. Außerdem sind zehn Sitze für die ethnische Minderheit der Kuchi reserviert.

(US DOS - U.S. Department of State: 2010 Human Rights Report - Afghanistan, 8.4.2011)

Trotz eines Rückgangs an ethnisch-motivierten Spannungen und Gewalt seit 2001 im Vergleich mit früheren Phasen in Afghanistan sowie dem Bestehen der verfassungsrechtlichen Garantie der "Gleichheit aller ethnischen Gruppen und Stämme", bestehen im Bereich der ethnischen Minderheiten nach wie vor gewisse Bedenken. Diese beziehen sich unter anderem auf Diskriminierung auf Grund der Ethnie und ethnische Konflikte, insbesondere im Zusammenhang mit Land- und Eigentumsfragen.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.3.2011)

Hazara

Neben ihrer ethnischen Zugehörigkeit unterscheidet sie [die Minderheit der Hazara] sich auch in der Konfession von der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung, da ihre Angehörigen mehrheitlich Schiiten sind.

(ÖIF-Länderinfo: Minderheiten in Afghanistan - Hazara, Februar 2010)

Die Situation der ethnischen Minderheiten hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft besonders für die traditionell diskriminierten Hazara verbessert, obwohl die hergebrachten Spannungen in lokal unterschiedlicher Intensität fortbestehen und gelegentlich wieder aufleben. Die Hazara sind in der öffentlichen Verwaltung zwar noch immer stark unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Soziale Diskriminierung gegenüber den schiitischen Hazara bestand weiterhin.

(US DOS - U.S. Department of State: 2010 Human Rights Report - Afghanistan, 8.4.2011)

Die Volksgruppe der Hazara ist trotz nennenswerter Bestrebungen der Regierung, gegen historische ethnische Spannungen vorzugehen, weiterhin einem gewissen Grad an Diskriminierung ausgesetzt. Trotz der relativ stabilen Sicherheitslage in Provinzen und Distrikten, in welchen die Hazara die Mehrheit oder eine größere Minderheit darstellen, wie die Distrikte Jaghatu, Jaghori und Malistan in der Provinz Ghazni, hat sich die Sicherheitslage in der restlichen Provinz, einschließlich der Zufahrtsstraßen zu und von diesen Distrikten, verschlechtert.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.3.2011)

Soziale Gruppe

Frauen

Die Situation der Frauen war bereits vor dem Taliban-Regime durch sehr strenge Scharia-Auslegungen und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes geprägt. So war die Burka auch vor der Taliban-Herrschaft bei der weiblichen Bevölkerung auf dem Lande ein übliches Kleidungsstück. Viele Frauen tragen sie noch immer, weil sie ihnen ein Gefühl der Sicherheit vor Übergriffen vermittelt. Während Frauenrechte in der Verfassung und teilweise im staatlichen Recht gestärkt werden konnten, liegt deren Verwirklichung für den größten Teil der afghanischen Frauen noch in weiter Ferne. Die Lage der Frauen unterscheidet sich je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark. In weiten Landesteilen erlaubt es die unbefriedigende Sicherheitslage den Frauen nicht, die mit Überwindung der Taliban und ihrer frauenverachtenden Vorschriften zu erwartenden Freiheiten wahrzunehmen. Die meisten sind

sich ihrer in der Verfassung garantierten und im Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern bestimmt wird und in dem kaum qualifizierte Anwältinnen oder Anwälte zur Verfügung stehen, in den seltensten Fällen möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage - oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt -, Frauenrechte zu schützen.

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Seit 2001 hat die afghanische Regierung wichtige Maßnahmen unternommen, um die Situation von Frauen im Land zu verbessern. Dennoch gibt die Situation von Frauen und Mädchen in vielen Bereichen weiterhin Anlass zu großer Sorge. Dies trifft besonders in Gebieten zu, die unter der effektiven Gewalt der Taliban und Hezb-i Islami (Gulbuddin) stehen, in welchen Frauen in einer Vielzahl von Berufen, einschließlich als Staatsbedienstete, Opfer von zielgerichteten Angriffen sind.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.03.2011)

Soziale Gebräuche beschränkten die Bewegungsfreiheit von Frauen ohne einen männlichen Begleiter.

Obwohl sich die Situation für Frauen während des Jahres leicht verbessert hat, bleibt Afghanistan ein sehr gefährliches Land für Frauen.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Die Verfassung enthält einen umfangreichen Menschenrechtskatalog, der politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Gemäß Art. 22 haben Männer und Frauen gleiche Rechte und Pflichten.

[Es] ist davon auszugehen, dass insbesondere Schuras die Rechte von Frauen tendenziell weniger oder überhaupt nicht achten.

Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern bestimmt wird und in dem kaum qualifizierte Anwältinnen oder Anwälte zur Verfügung stehen, in den seltensten Fällen möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage - oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt -, Frauenrechte zu schützen.

Frauen werden weiterhin im Familien-, Erb-, Zivilverfahrens- sowie im Strafrecht benachteiligt.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Obwohl von der Regierung Anstrengungen unternommen werden, um die Gleichberechtigung der Geschlechter voranzutreiben, sind Frauen auf Grund der fortbestehenden Klischees und der herrschenden, sie marginalisierenden Praktiken nach wie vor weit verbreiteten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt. Alleinstehende Frauen oder Frauen ohne männlichen Schutz (mahram) - einschließlich geschiedener Frauen, unverheirateter, jedoch nicht jungfräulicher Frauen und Frauen, deren Verlobung gelöst wurde - sind weiterhin gesellschaftlicher Stigmatisierung und allgemeiner Diskriminierung ausgesetzt. Alleinlebenden Frauen ohne männliche Unterstützung und Schutz fehlt es grundsätzlich an Mitteln zum Überleben, da sie auf Grund der existierenden sozialen Normen Einschränkungen ausgesetzt sind, einschließlich Einschränkungen der Bewegungsfreiheit.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.03.2011)

Es gibt kein spezielles Gesetz gegen sexuelle Belästigung.

Es gibt Berichte, dass Frauen im Gerichtssystem diskriminiert wurden. Lokale Praktiken waren gegenüber Frauen diskriminierend und in jenen Teilen des Landes, wo das Gerichtssystem nicht funktionierte oder das Wissen über die Gesetze gering war, bezogen sich die Würdenträger auf eine Interpretation der Scharia und auf das Gewohnheitsrecht, die generell diskriminierend gegenüber Frauen sind. Die meisten Frauen berichteten über einen eingeschränkten Zugang zu tribalen Schuras.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Das durchschnittliche Heiratsalter von Mädchen liegt bei 15 Jahren, obwohl ein Mindestheiratsalter von 16 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist. Zwangsheirat bereits im Kindesalter, "Austausch" weiblicher Familienangehöriger zur Beilegung von Stammesfehden sowie weit verbreitete häusliche Gewalt kennzeichnen die Situation der Frauen.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Frauen haben generell nur geringe Entscheidungsmöglichkeiten in Hinblick auf ihre Hochzeit.

Das Gesetz zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen (Elimination of Violence Against Women Act - EVAW) verbietet Zwangs- und Kinderheirat sowie baadh (die Verheiratung einer Frau um einen Streit mit einer anderen Familie beizulegen bzw. zur Schuldentilgung). Geschätzte 70 Prozent der Hochzeiten waren Zwangsheiraten und trotz des Verbots war eine Mehrheit der Bräute jünger als das gesetzlich vorgeschriebene Mindestalter von 16 (bzw. 15 mit der Zustimmung des Vormunds und des Gerichts).

Nur sehr wenige Ehen wurden registriert, dadurch blieb die Zwangsheirat außerhalb der staatlichen Kontrolle.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

"Zina" steht für Ehebruch oder Unzucht und ist laut Strafgesetzbuch verboten. In der Praxis wurde dieser Straftatbestand aber auch oft angewandt um eine Verhaftung aufgrund eines Verstoßes gegen soziale Normen, wie zum Beispiel von Zuhause fortzulaufen, sich der Wahl des Bräutigams zu widersetzen oder vor häuslicher Gewalt und Vergewaltigung zu flüchten, zu rechtfertigen.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Viele Frauen sind wegen so genannter Sexualdelikte inhaftiert, weil sie sich beispielsweise einer Zwangsheirat durch Flucht zu entziehen versuchten, vor einem gewalttätigen Ehemann flohen oder weil ihnen vorgeworfen wurde, ein uneheliches Kind geboren zu haben.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Es gibt Inhaftierungen auf Grund vermeintlicher "Sittlichkeitsverbrechen", wie das "Weglaufen von zu Hause" (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt), unangemessen begleitet zu sein oder eine Heirat zu verweigern. In solchen Angelegenheiten wird das Gewohnheitsrecht oftmals vorrangig vor dem Straf- oder Zivilrecht angewandt. Auch sind unverhältnismäßig oft Frauen und Mädchen wegen des Bruches von Gewohnheitsrecht bzw. des Rechts der Scharia von Inhaftierungen betroffen.

Frauen und Mädchen, die weglaufen, werden oft auch strafrechtlich verfolgt wegen der "Absicht", zina (Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe) zu begehen. Da Ehebruch und "Sittlichkeitsverbrechen" Ehrenmorde auslösen können, wurde die Inhaftierung von Frauen, die solcher Taten beschuldigt wurden, in manchen Fällen von den Behörden als Schutzmaßnahme gerechtfertigt.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.03.2011)

In Afghanistan wurden in letzter Zeit verschiedene rechtliche Schritte unternommen, um Gewalt gegen Frauen, einschließlich sexueller Gewalt, häuslicher Gewalt, Zwangsverheiratungen sowie der Heirat mit Minderjährigen, zu bestrafen. Trotzdem ist sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Afghanistan nach wie vor weit verbreitet.

Da sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe nach weit verbreiteter Auffassung der afghanischen Gesellschaft die Familien entehren, sind Opfer von Vergewaltigungen Ächtungen, Zwangsabtreibungen und sogar dem Tod ausgesetzt.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 24.03.2011)

Opfer sexueller Gewalt sind auch innerhalb der Familie stigmatisiert. Das Sexualdelikt wird in der Regel als "Entehrung" der gesamten Familie aufgefasst. Sexualverbrechen zur Anzeige zu bringen hat aufgrund des desolaten Zustands des Sicherheits- und Rechtssystems wenig Aussicht auf Erfolg. Der Versuch endet u.U. mit der Inhaftierung der Frau, sei es aufgrund unsachgemäßer Anwendung von Beweisvorschriften oder zum Schutz vor der eigenen Familie, die eher die Frau oder Tochter eingesperrt als ihr Ansehen beschädigt sehen will.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Männer, die beschuldigt werden eine Frau vergewaltigt zu haben, geben häufig an, dass es sich um konsensualen Sex gehandelt habe. Dies kann zu einer Anzeige wegen Ehebruch gegen das Opfer führen. Das Innenministerium verzeichnet 57 Fälle von Vergewaltigungen zwischen März 2011 und Februar 2012 und weitere 63 Fälle von Gewalt gegen Frauen, doch die tatsächlichen Zahlen liegen wohl viel höher. Das afghanische Innenministerium berichtete von 77 Verhaftungen im Zusammenhang mit Vergewaltigungen. Vergewaltigungen können - aufgrund des sozialen Stigmas - nur schwer dokumentiert werden können. Männliche Opfer melden sich nur sehr selten.

Die Reaktion der Polizei auf häusliche Gewalt war beschränkt, zum Teil aufgrund der wenigen Anzeigen, aber auch aufgrund von Sympathien mit den Tätern und dem geringen Schutz für die

Opfer. Es gibt Berichte über die Beteiligung von Regierungsbeamten bei Verletzungen des EVAW Gesetzes.

Laut AIHRC [Afghanistan Independent Human Rights Commission] gab es zwischen März und November [2011] berichte von insgesamt 3.147 Fälle von Gewalt gegen Frauen, davon waren 1.075 Fälle von physischer Gewalt und 269 Fälle von sexuellem Missbrauch.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Alleinstehende Frauen können von der afghanischen Gesellschaft ausgeschossen werden oder übler Nachrede anheimfallen. Dies kann ihre Reputation oder ihren sozialen Status zerstören und die Bedingungen für Blutrache erzeugen. Das setzt die Frauen dem wachsenden Risiko von Misshandlung, Drohungen, Belästigungen und Einschüchterungen durch afghanische Männer aus und schließt das Risiko ein, entführt, sexuell missbraucht oder getötet zu werden. In der Mehrheit dieser Fälle ist die Regierung nicht in der Lage, die Frauen zu beschützen. In mehreren Landesteilen ist es Tradition, dass der Bruder des verstorbenen Ehemannes dessen Witwe mit, aber auch ohne ihre Einwilligung heiratet.

(Rahjo, Mohammad Aziz, Afghanistan - UNHCR Considerations for specific groups relevant to the determination of refugee status. In:

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Country Report Afghanistan, 11th European Country of Origin Information Seminar Vienna 21-22.6.2007, November 2007, http://www.coi-network.net/content/doc/COISeminar-2007-Afghanistan.pdf , Zugriff: 16.02.2012)

Frauen werden weiterhin im Familien-, Erb-, Zivilverfahrens- sowie im Strafrecht benachteiligt. Dies gilt vor allem hinsichtlich des Straftatbestands "Ehebruch", wonach selbst Opfer von Vergewaltigungen bestraft werden können. Fälle, in denen Frauen wegen "Ehebruchs" von Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern umgebracht werden (so genannte "Ehrenmorde") kommen besonders in den paschtunischen Landesteilen vor.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Die AIHRC dokumentierte in den ersten neun Monaten des Jahres 2011 insgesamt 27 Fälle von "Ehrenmorden", es wird aber angenommen dass die tatsächliche Zahl wesentlich höher ist und auch Fälle umfasst die als Selbstmorde oder Selbstverbrennung gelten. Laut Strafgesetz kann ein Mann der seine Frau beim Ehebruch überrascht und sie daraufhin tötet nur zu einer Höchststrafe von zwei Jahren Gefängnis verurteilt werden.

Einige Frauen versuchen manchmal sich selbst zu verbrennen. Die Provinz Herat ist eine von wenigen Provinzen die über eine eigene "Verbrennungseinheit" verfügt. Die Behörden von Herat berichteten von insgesamt 84 Fällen von Selbstverbrennung im Jahr 2011. AIHRC berichtete von 63 Selbstmorden von Frauen und 70 Selbstverbrennungen, wobei es sich teilweise auch um Ehrenmorde gehandelt haben könnte.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Lokale Behörden inhaftierten manchmal Frauen auf Wunsch von Familienmitgliedern, da sie sich den Wünschen der Familie hinsichtlich Wahl des Ehemanns widersetzten oder des Ehebruchs oder der Bigamie verdächtigt wurden.

Polizistinnen wurden speziell ausgebildet, um Opfern von häuslicher Gewalt zu helfen. Sie beschwerten sich aber, dass sie angewiesen worden wären, auf die Opfer zu warten, bis sie an sie herantreten würden.

Insgesamt gab es landesweit 355 so genannte Female Response Unit (FRU)-Ermittler in 146 FRU-Büros., wo vor allem Polizistinnen arbeiten.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Insgesamt gibt es 19 formelle und informelle Frauenhäuser in Afghanistan. NGOs berichten, dass die Polizei immer häufiger Frauen an die Frauenhäuser verweist, wenn sie Schutz benötigen. Dennoch ist der Platz beschränkt. Frauen, die Schutz benötigen, aber keinen Platz finden, landen häufig im Gefängnis.

40 Prozent der Frauen in den Frauenhäusern sind unter 18 Jahren. Im Jänner 2012 wurde eine dreijährige Untersuchung zum Vorwurf, dass die Frauenhäuser Bordelle ähnelten, abgeschlossen. Die Regierung forderte daraufhin, dass alle Frauenhäuser unter die Kontrolle des Frauenministeriums (MOWA) gestellt würden. Im Gesetz über Frauenhäuser - das noch die Zustimmung des Präsidenten benötigt - wird nur eine Regulierung durch das MOWA festgeschrieben.

Da alleinstehende Frauen in der Gesellschaft nicht akzeptiert werden, haben Frauen, die nicht bei ihren Familien leben können, keinen Platz zum Leben. Eine Lösung für Frauen, die in Frauenhäusern leben, zu finden, wird auch durch die verbreitete Meinung, dass Frauenhäusern etwas Anrüchiges anhaftet, erschwert.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Es gibt landesweit ca. 12 bis 17 Frauenhäuser, 3 bzw. 5 davon befinden sich in der Hauptstadt Kabul, wo 2002 das erste Frauenhaus eröffnet wurde. Weiters finden sich Frauenhäuser in den Städten Herat, Mazar-e-Sharif, Parwan und Jalalabad. Jedes dieser Frauenhäuser bietet Unterkünfte für ca. 10 bis 40 Frauen. Die meisten der Frauenhäuser bieten - zusätzlich zu einer Unterkunft - juristische Vertretung an und vermitteln Frauen eine Ausbildung. Jenes Frauenhaus in Parwan verschafft den Frauen Zugang zu Staatsanwälten, um so eine strafrechtliche Verfolgung der Täter zu ermöglichen.

Die Frauenhäuser werden ausschließlich von nichtstaatlichen (nationalen und internationalen) Organisationen angeboten, seitens des Staates wurde bislang kein Frauenhaus errichtet. Seitens des Frauenministeriums wird lediglich auf die bestehenden Frauenhäuser verwiesen. Die Frauenhäuser sind vor Übergriffen weitgehend sicher.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20.-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Im Juni 2008 wurde der mit Unterstützung von UNIFEM [United Nations Development Fund for Women / Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen] erarbeitete National Action Plan for Women of Afghanistan (NAPWA) von der Regierung gebilligt. NAPWA soll helfen, die Situation der Frauen in Afghanistan zu verbessern, insbesondere ihre Diskriminierung zu beenden, die Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen und ihnen volle und gleichberechtigte Beteiligung in allen Lebensbereichen (Wirtschaft, Gesundheit, Bildung) zu gewähren. Die staatlichen Institutionen sind jedoch bisher nicht fähig, die Vorgaben des NAPWA wirksam durchzusetzen. Oft liegt dies auch an den weiterhin bestehenden, den Forderungen des NAPWA entgegenstehenden, kulturell verankerten Traditionen.

Die Situation der Frau in Afghanistan wird in der Theorie durch die Verabschiedung des "Gesetzes zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen" (EVAW-Gesetz) verbessert. Auch dieses Gesetz wurde am 19.7.2009 von Präsident Karzai unterzeichnet. Das EVAW-Gesetz genießt nach seinem Schlussartikel Vorrang vor allen entgegenstehenden Normen. Es enthält zahlreiche strafbewehrte Bestimmungen und hat zum Ziel, Gewalt gegen Frauen in allen Formen zu bekämpfen und zur Schaffung eines Bewusstseins von der Würde und den Rechten der Frau beizutragen. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden, die es nach einer UNAMA-Studie von Dezember 2010 zum Teil gar nicht kennen, weit entfernt.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

DAS EVAW Gesetz verbietet Gewalt gegen Frauen, darunter Vergewaltigung, Körperverletzungen, Schläge, Erniedrigung, Bedrohung oder die Verweigerung von Nahrung. Das Gesetz bedroht Vergewaltigung mit lebenslänglicher Haft und falls die Vergewaltigung mit dem Tod des Opfers endet auch mit der Todesstrafe. Das EVAW Gesetz wurde nicht richtig implementiert.

Während des Jahres wurden 38 Fälle nach dem EVAW Gesetz verfolgt. Über 500 Fälle wurden an die Violence Against Women (VAW) Einheit in Kabul übergeben. In 26 Fällen wurde eine Verurteilung erreicht. Dies deutet auf eine verbessertes Bewusstsein bei Frauenrechten. Frauen aus 21 Provinzen kamen zur VAW nach Kabul um über Fälle zu berichten. Die neu eingerichtete VAW Einheit in Herat stieß insgesamt 59 Fälle an. Die im Juni in Balkh eröffnete VAW Einheit sandte 21 der 66 Fälle ans erstinstanzliche Gericht.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Das Frauenministerium und NGOs bewarben weiterhin Frauenrechte und -freiheiten. Das Frauenministerium hat Provinzbüros, leidet aber an zu geringen Mitteln. Die Provinzbüros unterstützten hunderte Frauen durch rechtliche Beratung, Familienberatung und der Weitervermittlung von Frauen an die entsprechenden Organisationen.

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Auch die deutsche "Medica Mondiale", die u.a. die Ausbildung von Strafverteidigerinnen bzw. Strafverteidigern im Zusammenhang mit sog. "zina crimes" und den Schutz von Frauenrechten zum Schwerpunkt ihrer Arbeit hat, ist in Afghanistan aktiv.

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012)

Weitere Organisationen, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen und in Afghanistan aktiv sind, sind:

•?Afghanistan Women Council (AWC - http://www.afghanistanwomencouncil.org/ )

•?CARE International (http://www.care-international.org/ )

•?Revolutionary Afghan Women Association (RAWA - http://www.rawa.org/index.php )

•?United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women (UN Women - http://www.unwomen.org/ )

•?Women for Afghan Women (WAW - http://www.womenforafghanwomen.org/ )

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20.-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Es gibt keine gesetzlichen Einschränkungen, denen zufolge Frauen bestimmte Berufe verwehrt werden würden. Afghaninnen dürfen jeden Beruf erlernen. In der Praxis wird der Zugang zu verschiedenen Berufsfeldern durch die Sicherheitslage, mangelnde Ausbildung sowie kulturelle und traditionelle Gründe eingeschränkt.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20.-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Kulturelle Einschränkungen der Reisefreiheit und des unbegleiteten Verlassens des Hauses schränkten viele Frauen bei der Arbeit außerhalb des Hauses, beim Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen sozialen Dienstleistungen sowie beim Polizeischutz ein. Frauen wurden beim Zugang zu Arbeit diskriminiert. Einige gebildete urbane Frauen fanden substantielle Arbeit, aber vielen blieben nur niedrige Tätigkeiten.

Das Independent Administrative Reform & Civil Service Commission Gender Directorate arbeitete daran, den Anteil von Frauen im öffentlichen Dienst bis 2013 auf 30 Prozent anzuheben (von zurzeit geschätzten 26 Prozent).

(US DOS - U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan, 24.5.2012)

Eine bessere medizinische Versorgung von Frauen und Kindern ist dringend geboten; die Sterblichkeit von Kindern unter 5 Jahren beträgt in Afghanistan 191 pro 1000 Geburten. Eine Behandlung in Krankenhäusern wird von Personen, die sich die entsprechende Anreise leisten können, gewöhnlich in angrenzenden Ländern, insbesondere in Peshawar (Pakistan) durchgeführt.

(IOM - International Organization for Migration: Länderinformationsblatt Afghanistan, Oktober 2011)

Der vorhandene Anteil an Ärztinnen (23%) stellt insofern ein Problem dar, da sich Frauen nur von Frauen behandeln lassen wollen bzw. die Ehemänner und Väter nur eine Behandlung durch Frauen zulassen. Ein Grund für den Mangel an weiblichen Ärzten liegt in der schlechten Sicherheitslage in vielen ländlichen Gebieten. In Kabul selbst gibt es zwei Entbindungsstationen.

Vor allem am Land ist die medizinische Behandlung für Frauen deshalb schwierig. Sie erhalten medizinische Hilfe meist von älteren Frauen ohne entsprechende medizinische Instrumente. Dies ist auch ein Grund für die hohe Kinder- und Müttersterblichkeit.

(BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20.-29.Oktober 2010, Dezember 2010)

Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt aus, aufgrund ihrer Sprachkenntnisse sei es plausibel nachvollziehbar, dass sie aus Afghanistan stamme. Hinsichtlich ihrer Herkunft, Abstammung und Volksgruppenzugehörigkeit wären ihre diesbezüglichen Angaben schlüssig und somit auch glaubhaft. Ihre Identität habe mangels Vorlage von amtlichen Identitätspapieren nicht festgestellt werden können. Sie habe angegeben, in Ghazni, XXXX gelebt zu haben, auf die Frage, nach direkt an ihr Heimatdorf angrenzende Dörfer, habe sie angegeben "XXXX", ihre mit ihr eingereiste, angebliche Stiefmutter, habe auf die gleiche Frage: "XXXX." angeführt. Da sie angegeben habe, im gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben, seien diese divergierenden Antworten wenig lebensnah. Keines dieser angeblichen Nachbardörfer sei laut Bundesasylamt in der aktuellen Karte der Provinz Ghazni eingezeichnet. Dass die Beschwerdeführerin eine fiktive Herkunftsregion genannt habe, sei aber auch in ihrer Verneinung der Frage, ob sie XXXX, ein Nachbardorf, das ihre angebliche Stiefmutter erwähnte, kennen würde, begründet. Auch die Hauptstadt ihres angeblichen Herkunftsdistriktes habe sie nicht nennen können. Diesbezüglich habe sie darauf verwiesen, Analphabetin zu sein. Die Frage, ob ihr die Hauptstadt des Distrikts XXXX etwas sagen würde, habe sie mit "Ich habe es gehört. Ich war aber nie dort." beantwortet. In Zusammenschau mit ihren weiteren Angaben ging das Bundesasylamt aber davon aus, dass sie bewusst aus asyltaktischen Gründen ausgeführt habe, sie wisse nichts, weil sie nicht aus dem Haus hätte gehen können. So habe sie auf die Frage, mit wem sie im Haus zusammengelebt hätte, angegeben: "Am Anfang Vater, Mutter mein Bruder und ich. Dann als mein Vater verstarb, waren ich und meine Mutter zuhause. Mein Bruder hat als Taxifahrer gearbeitet und ist nach Kabul, XXXX und XXXX gefahren." Sie besitze somit sehr wohl Kenntnisse zu Kabul und XXXX. Dass sie in der Folge, wie zuvor zitiert behauptet habe, von XXXX gehört zu haben, aber nicht zu wissen, wo es wäre, erscheint laut Bundesasylamt wenig plausibel.

Sie habe auch angegeben verheiratet zu sein. Sie hätte in Athen einen Afghanen kennengelernt, den sie einen Monat vor ihrer Einreise in Österreich in Griechenland geheiratet hätte. Beweismittel dazu habe sie nicht vorlegen können, das Bundesasylamt gehe davon aus, dass sie dies ebenso aus asyltaktischen Gründen angeführt habe. Da entgegenstehende Informationen nicht vorliegen, ging das Bundesasylamt davon aus, dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich gesund sei. Auf Grund ihrer Angaben habe sich die Feststellung ergeben, dass sie keine Bezugspunkte zu Österreich habe.

Ihr Vorbringen sei wenig detailreich, nicht lebensnah und insgesamt unglaubwürdig. Bei der Erstbefragung habe sie angegeben, dass für ihren Bruder Gefahr herrschen würde, da er zum Christentum übergetreten wäre. Sie hätte ein Problem, da ihr Onkel die Beschwerdeführerin hätte zwingen wollen, dessen Sohn zu heiraten. Aus Angst davor hätte die Beschwerdeführerin mit ihrer Stiefmutter und ihrem Bruder Afghanistan verlassen.

Vor dem Bundesasylamt habe sie in der Folge ihr Vorbringen gesteigert und behauptet, dass der Sohn ihres Onkels sie zu vergewaltigen versucht hätte. Die entscheidende Behörde gehe davon aus, dass bei tatsächlichem Zutreffen eines derartigen Sachverhalts, es wenig plausibel erscheine, dass die Beschwerdeführerin diesen nicht schon bei der ersten Möglichkeit erwähnt hätte. Es sei der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht möglich Erlebtes glaubhaft zu schildern. Auf die Frage, warum ihr Leben in Gefahr wäre, habe sie angegeben: "Mein Onkel väterlicherseits ist der Vertreter des Ortes und ist ein großer Mann. Er sagte, dass mein Bruder Christ geworden ist und er möchte mich für seinen Sohn." Wann er dies zu ihnen gesagt habe, habe sie damit beantwortet: "Mein Onkel väterlicherseits hat es immer gemacht. Sein Sohn hat auch zweimal versucht mich zu vergewaltigen." Die Beschwerdeführerin habe auch angegeben, dass sie den Sohn des Onkels nicht heiraten hätte wollen, da dieser sehr alt und auch verheiratet gewesen wäre. Da sie angegeben habe, dass ihr Onkel zu ihnen nach Hause gekommen wäre, führte die Beschwerdeführerin befragt, wie sie dies erlebt hätte, aus: "Er hat uns geschlagen und beleidigt. Er hat uns bespuckt. Wenn ich dort arbeiten war, war sein Sohn hinter mir her und wollte mich vergewaltigen. Dass der Sohn meines Onkels mich vergewaltigen wollte, habe ich nur meiner Mutter erzählt und ihnen jetzt." Auch dies wertete das Bundesasylamt als Indiz für unwahre Angaben. So sei es der Beschwerdeführerin offensichtlich bewusst, dass sie dies zuvor nie erwähnt habe. Warum hätte sie ansonsten den zuletzt zitierten Satz erwähnen sollen. Befragt, ob sie ein Problem damit hätte, diesen Sachverhalt einem männlichen Referenten zu schildern, habe sie dies verneint. Auch dies sah das Bundesasylamt als Indiz dafür, dass ihre Angaben nicht glaubhaft sind. Sie habe ausgeführt:

"Nein, es ist kein Problem. Der Cousin war hinter mir her, er hat mich in den Stall verfolgt und hat einmal, nein, eigentlich zweimal, wollte er mich vergewaltigen, ich bin aber geflüchtet."

Befragt nach seinen Handlungen habe die Beschwerdeführerin damit beantwortet: "Er hat gesagt, er möchte es mit mir machen. Entweder heiraten wir, oder ich mache es jetzt. Er hat sich ausgezogen und hat gesagt, er möchte mich jetzt vergewaltigen." Warum sie nicht gleich weggelaufen wäre, als er sich ausgezogen hätte, habe sie damit beantwortet: "Er hat mich festgehalten. Es war schwierig, ich bin dann davongelaufen. Davon weiß nur mein Bruder und meine Mutter." Da sie behauptet habe, der Cousin hätte es zweimal versucht, erscheint die Antwort auf die Frage, weshalb sie zurückgekehrt wäre, wenn sie doch von diesem Risiko gewusst hätte, wenig lebensnah und nicht plausibel, da sie ausgeführt habe: "Ich bin nicht zu ihm hingegangen. Ich habe im Stall gearbeitet. Er war immer hinter mir her.".

Dass ihr Vorbringen offensichtlich einstudiert und mit ihrer angeblichen Stiefmutter abgesprochen sei, dokumentiert sich laut Bundesasylamt auch darin, dass ihre Stiefmutter als Ursache des Problems der Beschwerdeführerin den Onkel "XXXX" genannt habe. So sei ihre angebliche Stiefmutter beispielsweise nochmals nach Angehörigen im Heimatland gefragt worden und habe ausgeführt: "Es gibt meinen Schwager, er heißt XXXX. Er hat einen Sohn und eine Tochter. Sonst gibt es nur weitschichtige Verwandte." Von ihrer in Kabul lebenden Schwester und ihrem Bruder, der der Beschwerdeführerin angeblich die Flucht nach Pakistan organisiert hätte, habe ihre angebliche Stiefmutter jedoch nichts erwähnt.

Die Beschwerdeführerin habe auf die gleichgestellte Frage angegeben:

"Ich habe eine Tante mütterlicherseits. Einen Onkel mütterlicherseits. Dann gibt es XXXX." Auch wenn es nicht ungewöhnlich wäre, dass man jenen Onkel, der angeblich dafür verantwortlich sei, dass man fluchtartig das Land verlassen muss, namentlich erwähnt, so sei es doch wenig lebensnah, dass die Beschwerdeführerin und auch ihre angebliche Stiefmutter, keinen anderen Namen nennen, aber konkret diese Person deckungsgleich anführen. Auch zum Aufenthalt in Pakistan wären die Angaben der Beschwerdeführerin wenig glaubhaft. So habe sie behauptet, ein Jahr und drei Monate in Pakistan gelebt zu haben. Ihre Stiefmutter habe dies ebenso angegeben. Im weiteren Verlauf der Einvernahme sei ihre Stiefmutter dann nochmals gefragt, wie lange der Aufenthalt in Pakistan gewesen wäre, und habe dazu angegeben: "Ich kann mich nicht erinnern. Das Mädchen hat gesagt ein Jahr und drei Monate." Auf nochmalige Nachfrage schilderte sie: "Ich weiß nicht. Ich habe das Mädchen gefragt und sie hat es gesagt." Für das Bundesasylamt stellt dies ein weiteres Indiz für eine abgesprochene Fluchtgeschichte dar. So habe ihre angebliche Stiefmutter, auf die Frage nach dem Aufenthalt in Griechenland, folglich angegeben: "Das Mädchen sagt, dass wir zwei Monate in Griechenland waren. Ich weiß nicht. Das Mädchen sagt." Laut Bundesasylamt ist der Umstand, dass das Vorbringen zwar abgesprochen worden, jedoch offenbar nicht gut durchdacht worden ist, auch an den Angaben zur Flucht aus Afghanistan selbst ersichtlich. So habe ihre Stiefmutter auf die Frage, welche Personen im Auto bei der Ausreise gewesen wären, an:

"Das Mädchen, mein Bruder, ich und ein paar Leute." Die Beschwerdeführerin beantwortete die gleichen Frage mit dem Satz:

"Ich, meine Mutter und mein Onkel. Sonst niemand nur der Fahrer.". Auch habe die Stiefmutter auf die Frage, wie die Beschwerdeführerin ausgereist sei, ausgeführt "Es war um 2 Uhr in der Nacht. Mein Bruder kam und hat gesagt, er bringt uns nach Pakistan zu meinem Sohn, weil wir hier nicht mehr leben konnten. ..."., die Beschwerdeführerin habe fast deckungsgleich angegeben: "Um 2 Uhr in der Nacht, ist mein Onkel mütterlicherseits gekommen und hat gesagt, dass es hier keinen Platz mehr für uns gibt. ...".Dies stelle laut Bundesasylamt erneut ein Indiz für eine abgesprochene Fluchtgeschichte dar.

Insofern die Beschwerdeführerin vorgebracht habe, dass sie der Volksgruppe der Hazara angehöre, wurde vom Bundesasylamt festgehalten, dass sich aus den Länderfeststellungen nicht ergebe, dass Angehörige der Volksgruppe der Hazara systematischen Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären. Zu dem Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin Afghanistan verlassen habe, sei die Lage für diese Volksgruppe zwar angespannter, aber seit dem Sturz der Taliban habe sich die Lage sehr verbessert. Laut dem Bericht des oben angeführten Auswärtigen Amtes "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012" habe sich die Situation der ethnischen Minderheiten seit dem Ende der Taliban-Herrschaft besonders für die traditionell diskriminierten Hazara verbessert, obwohl die Spannungen in lokal unterschiedlicher Intensität fortbestehen und gelegentlich wieder aufleben würde. Die Hazara wären in der öffentlichen Verwaltung zwar noch immer stark unterrepräsentiert, aber dies scheine eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Eine individuell konkrete Bedrohungssituation wegen des Umstandes eine Hazara zu sein, habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft darlegen können. Sie selbst habe auch angegeben, dass ihre Angehörigen alle sehr reich wären. Auch dies würde nicht auf eine Diskriminierung schließen lassen.

Sie habe vorgebracht, dass sie dieser Schwager auch bei ihrer Schwester in Kabul finden könnte und ihr etwas antun würde, diesbezüglich habe sie jedoch ihren Sachverhalt auf vage Schilderungen reduziert und sei nicht in der Lage gewesen, konkrete und detaillierte Angaben über ihre angeblichen eigenen Erlebnisse zu machen. So habe sie aufgrund der vagen und allgemein gehaltenen Angaben nicht glaubhaft machen können, dass sie das von ihr Geschilderte tatsächlich selbst erlebt hätte. Nach der Schilderung der angeblichen Fluchtgründe habe das Bundesasylamt versucht durch Fragestellungen die vage Schilderung zu hinterfragen. Anstatt konkret auf die Fragen einzugehen, habe die Beschwerdeführerin immer versucht, auszuweichen und weitere vage Behauptungen aufzustellen. Abgesehen von der allgemeinen und vagen Schilderung ihres Fluchtgrundes sei sie jedoch sehr wohl in der Lage gewesen, Sachverhalte zu schildern. Die Darstellung der Geschehnisse, nachdem ihr mitgeteilt worden wäre, dass sie zwangsverheiratet werden sollte, seien nicht plausibel. Auch die Versuche sie zu vergewaltigen, seien für das Bundesasylamt so nicht nachvollziehbar. Die Schilderung der Reaktion auf die angeblichen einschneidenden Ereignisse seien laut Bundesasylamt äußerst knapp und seien weitere Indizien dafür, dass es sich um eine eingelernte Geschichte handelt. Zusammenfassend hielt das Bundesasylamt fest, dass es im Asylverfahren nicht ausreichend sei, Behauptungen aufzustellen, sondern müsste man diese glaubhaft machen. Das Vorbringen zu ihren Fluchtgründen sei jedoch vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten und als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Das Bundesasylamt gelangte demnach zu dem Schluss, dass dem behaupteten Sachverhalt bezüglich einer aktuellen asylrechtlich relevanten Bedrohungssituation in Afghanistan kein Glauben geschenkt werde. Vielmehr gehe die Behörde davon aus, dass die Beschwerdeführerin aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen sei und nicht mehr in Afghanistan leben wolle.

Die Länderfeststellungen würden sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen ergeben. Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wurde darauf verwiesen, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können. Mit der Beschwerdeführerin seien die Feststellungen zur Lage in Afghanistan erörtert worden und sei sie diesen nicht substantiiert entgegengetreten.

Rechtlich wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die im Heimatstaat eines Antragstellers allgemein herrschenden politischen und sozialen Verhältnisse für sich allein nicht die Gewährung von Asyl rechtfertigen würden. Potentielle Gefahren dieser allgemeinen Gegebenheiten würden grundsätzlich alle Einwohner einer Region gleichermaßen treffen. Zentraler Aspekt der dem § 3 AsylG zugrundeliegenden, in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten, Verfolgung im Herkunftsstaat, sei die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus den in der Konvention angeführten Gründen.

Voraussetzung für die Gewährung von Asyl ist, dass den vom Asylwerber vorgebrachten Argumenten entnommen werden könne, er müsse konkrete, individuell gegen ihn selbst gerichtete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung befürchten (vgl. Erk. des VwGH vom 15.9.1994, Zahl 94/19/0389). Im Umstand, dass im Heimatland des Asylwerbers Bürgerkrieg herrsche, liege nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, würde es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten, Gefährdung des Asylwerbers bedürfen, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine Frau sei, könne allein die Flüchtlingseigenschaft nicht begründen. Unter Verfolgung sei ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Von einem solchen könne im Fall der Beschwerdeführerin nicht gesprochen werden. Den Länderberichten sei auch keine systematischen asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen zu entnehmen. Ebenso verhalte es sich mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin zur Volksgruppe der Hazara gehöre. Eine individuelle Bedrohungssituation habe sie nicht glaubhaft machen können und es hätten in ihrem Fall keine Umstände ermittelt werden können, dass sie auf Grund persönlicher Eigenschaften oder der beruflichen und sozialen Stellung einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sei bzw. im Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre.

Verwiesen wurde auf das Erkenntnis C10 411066-1/2010/10E vom 22.11.2010, mit welchem der Asylgerichtshof festgestellt habe, dass sich im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage der Frauen in Afghanistan sich keine ausreichenden Anhaltspunkte ergeben hätten, dass afghanische Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans, insbesondere auch in Kabul, einer systematischen asylrelevanten (Gruppen‑) Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von solchen Einschränkungen und Diskriminierungen könne laut Bundesasylamt bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere einer diesen traditionellen und durch eine konservativ religiöse Auslegung geprägten gesellschaftlichen Zwängen nach außen hin offen widerstrebenden Wertehaltung einer Frau, jedoch Asylrelevanz erreichen. Dieses Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände habe jedoch im gegenständlichen Fall nicht glaubhaft gemacht werden können.

Der Wunsch nach besseren Lebensbedingungen rechtfertige nicht die Gewährung von Asyl. Auch eine allgemeine unsichere Lage in einem Herkunftsstaat könne nicht zur Asylgewährung führen. Die von der Beschwerdeführerin geschilderte problematische Sicherheitslage betreffe jedoch nicht nur die Beschwerdeführerin, sondern auch andere Menschen in ihrem Land, unabhängig von Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, und stelle demnach keine individuell gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes dar. Das Vorbringen sei wie oben ausführlich dargestellt weder glaubhaft noch verifizierbar. Im vorliegenden Fall habe daher keine Bedrohungssituation pro futuro festgestellt werden können. Weil das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft sei, habe Asyl nicht gewährt werden können.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in sein Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im Fall der Beschwerdeführerin ging das Bundesasylamt von einer realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus. Wenngleich im Fall der Beschwerdeführerin eine asylrelevante Verfolgung nicht vorliege, so befinde das Bundesasylamt doch, dass sich Afghanistan in einer schwierigen Umwälzungsphase befindet, wirtschaftlich darniederliege und daher eine Prüfung unter Zugrundelegung des Zumutbarkeitskalküls geboten sei. Für die Bewertung, ob die Lebensgrundlage nicht mehr gegeben sei, setze das hierfür aus der Lehre und Judikatur entwickelte "Zumutbarkeitskalkül" voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet in eine ausweglose Lage gerate. Sowohl den Ausführungen als auch die derzeitige Lage in Afghanistan würden die Behörde zum Befinden kommen lassen, dass in diesem Falle die Kriterien für eine ausweglose Lage derzeit vorliegen würden, der Beschwerdeführerin somit objektiv gesehen die Lebensgrundlage im Herkunfts- und Heimatstaat entzogen sei. Aberkennungsgründe würden zudem nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass gemäß § 8 Abs. 4 AsylG einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen sei.

In dem gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobenen Rechtsmittel wurde ausgeführt, dass ihr Asyl zu gewähren sei, weil sie der sozialen Gruppe der Frauen in Afghanistan angehöre sowie aufgrund von Bedrohungen seitens ihres Onkels väterlicherseits, weil ihr Bruder zum Christentum konvertiert sei. Die afghanischen Behörden wären nicht gewillt bzw. in der Lage, ihr Schutz zu bieten, weshalb sie Flüchtling im Sinne der GFK sei. Die Art und Weise in welcher ihr die Behörde die Glaubwürdigkeit abgesprochen habe, entspreche nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht. Ihre (Stief)Mutter und sie selbst hätten ihr Heimatland verlassen, weil sie einerseits mit dem Onkel väterlicherseits und dessen Leute Probleme bekommen hätten, weil ihr Sohn zum Christentum konvertiert sei, und andererseits, weil sie mit dessen Sohn zwangsverheiratet hätte werden sollen. Er hätte sich an ihnen rächen wollen, weil ihr Bruder konvertiert sei. Zur Situation von Frauen in Afghanistan wurde auf eine aktuelle Entscheidung des Asylgerichtshofs vom 14.01.2013, GZ. C15 416 968-1/2010/11E, verwiesen, deren darin enthaltenen Länderfeststellungen sie vollinhaltlich zustimme. Durch die Einführung diverser Gesetze, vor allem durch das "Elimination of Violence Against Women" (EVAW)-Gesetz wäre die Lage der Frauen auf dem Papier grundsätzlich verbessert worden, es sei dennoch für Frauen in Afghanistan sehr gefährlich. Diesbezüglich wurde auf einen auszugsweise wiedergegebenen Bericht des US Departement of State über Gewalt an Frauen in Afghanistan verwiesen. Auch in einem Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 10.01.2013 wurde ausgeführt, dass staatliche Akteure aller drei Gewalten häufig nicht in der Lage oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt wären, Frauenrechte zu schützen. Unter Verweis auf eine Entscheidung des Asylgerichtshofs vom 07.01.2013 zu GZ. C4 421346-1/2011 wurde festgehalten, dass Behörden Inhaftierungen von Frauen, die beschuldigt werden "Sittlichkeitsverbrechen" begangen zu haben, in manchen Fällen als Schutzmaßnahmen rechtfertigen würden. Zahlreiche Berichte von NGOs sowie von staatlichen Institutionen würden belegen, dass die Rechte der Frauen in Afghanistan mit Füßen getreten würden. Der Beschwerdeführerin sei es unter Verweis auf die Entscheidung des Asylgerichtshofs vom 18.06.2012 zu GZ. C3 418036-1/2011 unzumutbar, in einem Land wie Afghanistan zu leben, in dem sie täglich um ihre körperliche Unversehrtheit und um ihr Leben bangen müsste, allein aufgrund der Tatsache, dass sie als Frau geboren worden sei. Auch die Gründerin der Organisation "Frauen ohne Grenzen" bestätige, dass die Lage für Frauen in Afghanistan sehr gefährlich sei. Frauen hätten in Afghanistan keine tatsächlichen Rechte, würden von der Gesellschaft diskriminiert und wie Menschen "zweiter Klasse" behandelt. Die staatlichen Institutionen würden dem ohnmächtig gegenüberstehen und wären nicht in der Lage bzw. nicht willens, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, sondern würden oftmals die eigentlichen Opfer als Verbrecher behandeln. Der Beschwerdeführerin sei somit internationaler Schutz zu gewähren, weil sie iSd Art. 1 A GFK ein Flüchtling sei, da sie begründete Furcht vor Verfolgung habe wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (der Frauen, deren Dispositionen ihr entzogen wären), sie sich außerhalb ihres Herkunftsstaates befinde und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen könne oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will.

Beantragt wurde, der Beschwerdeführerin den Asylstatus zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof anzuberaumen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin sowie der im erstinstanzlichen Verfahren eingeführten Länderdokumente.

Das Bundesverwaltungsgericht geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

Zur Person:

Die beschwerdeführende Partei ist Staatsangehörige Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist muslimischen (schiitischen) Glaubens, verließ Afghanistan gemeinsam mit ihrer Stiefmutter, war danach ua. für einige Zeit in Pakistan aufhältig, ist gesund und arbeitsfähig und verfügt über Verwandte im Herkunftsstaat, darunter eine (Stief‑)Tante mütterlicherseits mit ihrer Familie in Kabul, einen Onkel mütterlicherseits sowie einen Onkel väterlicherseits im Heimatort.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Im (hinsichtlich Spruchpunkt I.) angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.02.2013 wurde unter Spruchpunt II. der Status der subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig erteilt und diesbezüglich festgestellt, dass sowohl aufgrund der Ausführungen der Beschwerdeführerin als auch wegen der derzeitigen Lage in Afghanistan alle Kriterien für eine ausweglose Lage für die Beschwerdeführerin erfüllt sind, weshalb der Beschwerdeführerin objektiv gesehen die Lebensgrundlage im Herkunfts- und Heimatstaat entzogen ist und für sie eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan besteht.

2. Diese Feststellungen resultieren aus folgender Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin und resultieren aus ihrer Erstbefragung und ihrer Einvernahme beim Bundesasylamt.

Die Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religionszugehörigkeit gelten auf Grund ihrer diesbezüglich glaubwürdigen Angaben vor der Behörde erster Instanz als erwiesen. Feststellungen über die Identität konnten mangels Dokumenten nicht getroffen werden. Die Feststellungen zum Lebenslauf (Verlassen Afghanistans in Richtung Pakistan, wo sie gemeinsam mit ihrer Stiefmutter für einen längeren Zeitraum aufhältig war) ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der Erstbefragung und der Einvernahme beim Bundesasylamt.

Die Feststellungen zu den familiären Anknüpfungspunkten der Beschwerdeführerin in Afghanistan ergeben sich aus den diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren.

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren - oben wiedergegebenen - beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid.

Als Fluchtvorbringen behauptete die Beschwerdeführerin und ihre Stiefmutter, sie hätten ihr Heimatland verlassen, weil sie einerseits mit dem Bruder ihres verstorbenen Vaters und dessen Leuten Probleme bekommen hätten, da der Bruder zum Christentum konvertiert sei, und andererseits, weil die Beschwerdeführerin an den Sohn des Onkels zwangsverheiratet hätte werden sollen. Wie das Bundesasylamt ausgeführt hat, waren die Angaben der Beschwerdeführerin äußerst vage und widersprüchlich - insbesondere auch bei Vergleich der Angaben der Stiefmutter - dies geht vor allem aus der Niederschrift der Einvernahme des Bundesasylamtes hervor.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat, das sich aus ihren Angaben in der Erstbefragung und in den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt sowie aus den Ausführungen in der Beschwerde ergibt, der Einschätzung des Bundesasylamtes folgend als nicht glaubhaft.

Wie sich aus der Erstbefragung und den Einvernahmen im Verfahren vor der belangten Behörde sowie aus der Beschwerde ergibt, hatte die Beschwerdeführerin ebenso wie ihre Stiefmutter im gesamten Verfahren ausreichend Zeit und Gelegenheit, ihre Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen, zur Vorlage von allfälligen Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben und der Verletzung der Mitwirkungspflicht belehrt.

Auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die genauen Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistenter Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Wie sich aus den - in gegenständlicher Entscheidung zusammengefasst wiedergegebenen - Einvernahmeprotokollen und der Wiedergabe der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides ergibt, hatte das Bundesasylamt versucht, nach Schilderung der angeblichen Fluchtgründe durch Fragestellungen die vage Schilderung zu hinterfragen. Anstatt konkret auf die Fragen einzugehen, hatte die Beschwerdeführerin jedoch immer versucht, auszuweichen und weitere vage Behauptungen aufzustellen. Abgesehen von der allgemeinen und vagen Schilderung ihres Fluchtgrundes sei sie jedoch sehr wohl in der Lage gewesen, Sachverhalte zu schildern. Insbesondere die Darstellung der Geschehnisse, nachdem ihr mitgeteilt worden wäre, dass sie zwangsverheiratet werden sollte, waren nicht plausibel nachvollziehbar. Die Schilderung der Reaktion auf die angeblichen einschneidenden Ereignisse seien laut Bundesasylamt äußerst knapp und waren weitere Indizien dafür, dass es sich lediglich um eine eingelernte Geschichte handelt. Die geschilderten Fluchtgründe werden auch von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichts als vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten und als nicht glaubhaft einzustufen.

Aus einer Gesamtschau der Angaben der Beschwerdeführerin und ihrer Stiefmutter im Verfahren vor der belangten Behörde ergibt sich jedoch, dass die Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht imstande war, eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Es konnte weder eine konkret gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen ließen.

Die Beschwerdeführerin vermochte nicht, im Rahmen des behaupteten Sachverhaltes ausreichend substanziierte, widerspruchsfreie und plausible und damit auch insgesamt als glaubhaft zu bewertende Angaben zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates und zu ihrer Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat zu tätigen. Die Beschwerdeführerin führt ebenso wie ihre Stiefmutter ihre Gründe für die Ausreise oberflächlich aus und konkretisierte dies trotz wiederholter Nachfragen zu keinem Zeitpunkt. Die Beschwerdeführerin wurde mehrmals aufgefordert, konkrete Angaben zu machen - ihre Antworten entbehrten jedoch weiterhin jegliche detaillierte Angaben - sei es zum Zeitpunkt, der Umstände der fluchtauslösenden Ereignisse und der daran beteiligten Personen.

Bei Durchsicht der Einvernahmeprotokolle ergibt sich zudem eindeutig, dass die Beschwerdeführerin abgesehen von der allgemeinen und vagen Schilderung ihres Fluchtgrundes sehr wohl in der Lage gewesen war, Sachverhalte zu schildern und teilweise bei Vergleich der Ausführungen der Stiefmutter wortwörtliche Antworten gab, was wiederum als Indiz für eine einstudierte Fluchtgeschichte zu werten war.

Des Weiteren wird vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin die Frage, ob sie aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt worden war, diese ausdrücklich verneinte. Insbesondere hatte sie befragt, ob sie persönlich in ihrer Heimat Probleme gehabt hätte, weil sie eine Frau ist, dies ausdrücklich verneint. Sie behauptete - als weitere Steigerung ihres Vorbringens - lediglich, dass das ganze Dorf hinter ihnen her gewesen wäre, weil ihr Bruder zwei andere "zum Christentum eingeladen" hatte. Insbesondere im Rahmen der Beschwerde wurde folglich darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführerin als afghanischer Frau Asyl zu gewähren sei.

Im Gegensatz zu anderen afghanischen Frauen, die vor allem wegen ihrer im Zuge des gesamten Asylverfahrens in Österreich näher ausgeführten persönlichen Erlebnisse ihren Herkunftsstaat Afghanistan verlassen haben und die wegen ihrer nach außen offen dargelegten Ablehnung gegenüber den sie besonders als Frauen betreffenden in Afghanistan vorherrschenden religiös-gesellschaftlichen Zwängen auch nicht mehr in ihren Herkunftsstaat zurückkehren können, lassen im gegenständlichen Fall die von der Beschwerdeführerin und ihrer Stiefmutter dargebrachte persönliche Wertehaltung und Einstellung zu ihrer familiären und persönlichen Situation in Afghanistan und in Österreich jedenfalls nicht den Schluss zu, dass sich ihre persönliche Einstellung und Wertehaltung an dem allgemein als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten würde und sie auch deshalb nach Österreich geflüchtet wäre, weil sie sich den in Afghanistan für Frauen herrschenden gesellschaftlichen Zwängen und Diskriminierungen nicht mehr unterwerfen wollten. Die Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahmen sowie die Beschwerdeausführungen haben nicht den Schluss zugelassen, dass das traditionelle afghanische Frauenbild für die Beschwerdeführerin oder ihre Stiefmutter ein persönliches Problem dargestellt hätte oder darstellen würde und dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine an dem allgemein als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau handeln würde. Letztlich war auch zu berücksichtigen, dass weder vor der belangten Behörde, noch im Rahmen der Beschwerde konkret behauptet wurde, dass die Beschwerdeführerin von ihrer Einstellung her eine derart "westlich orientierte" Frau wäre.

Im Gegenteil antwortete sie auf die definitive Frage "Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme, seil Sie eine Frau sind?" folgendermaßen:

"Nein, sonst hatte ich keine Probleme.".

Überdies konnte durch die Behauptungen in der Beschwerde der schlüssigen und ausführlichen Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten werden und ergab sich weder die Glaubhaftigkeit des dargelegten Fluchtvorbringens noch eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende und dem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführerin. Im Rahmen der Beschwerde wurde im Wesentlichen Entscheidungen des Asylgerichtshofs zitiert, mit welchen afghanischen Frauen der Asylstatus zuerkannt wurde. Diesbezüglich ist jedoch darauf zu verweisen, dass es sich um andersgelagerte Fälle handelt. In den in der Beschwerde zitierten Entscheidungen des Asylgerichtshofs konnten zusammengefasst glaubhaft dargelegt werden, dass einerseits minderjährige Beschwerdeführerinnen sich als junge minderjährige Frauen nicht an das (traditionell-religiöse) Rollenbild der Frauen in Afghanistan einfügen wollen (C15 416968-1/2010/11E vom 14.01.2013 und C4 421346-1/2011 vom 07.01.2013) oder dass ihnen aufgrund ihrer nach außen offen dargelegten Wertehaltung als "westlich" orientierte Frau ein Verfolgungsrisiko im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe drohe (C3 418.036-1/2011/9E vom 18.06.2012). Demgegenüber vermochten die Beschwerdeführerin und ihre Stiefmutter ihre Fluchtbehauptung, wonach die beiden Frauen ihr Heimatland Afghanistan verlassen hätten, weil sie einerseits mit dem Bruder ihres verstorbenen Vaters und dessen Leuten Probleme bekommen hätten, da der Bruder der Beschwerdeführerin zum Christentum konvertiert sei, und andererseits, weil die Beschwerdeführerin an den Sohn des Onkels zwangsverheiratet hätte werden sollen, nicht glaubhaft darzulegen.

In einer Gesamtschau der dargelegten Erwägungen war daher von der fehlenden Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin zur behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat auszugehen.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin gesund ist, ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin im gesamten Asylverfahren keinerlei medizinische Unterlagen über etwaige Erkrankungen in Vorlage gebracht hatte.

Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin über Verwandte in Afghanistan verfügt und insbesondere die Familie ihrer (Stief‑)Tante in Kabul lebt, beruht auf ihren glaubwürdigen Angaben.

Hinsichtlich der behaupteten Hochzeit mit einem afghanischen Staatsbürger in Griechenland, der nicht mit der Beschwerdeführerin weiter nach Österreich gereist war, konnten mangels Vorlage von Unterlagen und aufgrund der diesbezüglich unnachvollziehbaren Schilderungen keine Feststellungen getroffen werden.

Hinsichtlich der Länderfeststellungen wird auf die im angefochtenen Bescheid verwendeten Länderfeststellungen (vgl. I.) verwiesen. Zur Lage der Hazara wird auf die Länderfeststellungen (Auswärtiges Amt:

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: Jänner 2012) im angefochtenen Bescheid verwiesen. Die Länderfeststellungen gründen sich auf die darin genannten unterschiedlichen Quellen und werden als ausgewogen erachtet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 idF BGBl. I 68/2013 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A)

3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Beschwerdeführerin, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte von der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin hat ihren Herkunftsstaat Afghanistan vielmehr aus persönlichen Gründen verlassen, um fortan mit ihrer Stiefmutter gemeinsam in Österreich zu leben. Diese Gründe stellen jedoch keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar.

Wenngleich im Hinblick auf die zahlreichen und weitestgehend unbestrittenen Informationen zur äußerst schwierigen Lage von Frauen in Afghanistan nicht verkannt wird, dass die Beschwerdeführerin als Frau in Afghanistan allenfalls massiven Einschränkungen und Diskriminierungen unterworfen war und im Fall ihrer Rückkehr wahrscheinlich auch wieder unterworfen sein würde, und dass die Intensität von solchen Diskriminierungen bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere einer diesen traditionellen und durch eine konservativ-religiöse Auslegung geprägten gesellschaftlichen Zwängen nach außen hin offen widerstrebenden Wertehaltung einer Frau, durchaus Asylrelevanz erreichen kann, so ist im gegenständlichen Fall jedenfalls festzuhalten, dass bloß die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin eine afghanische Frau ist, für sich alleine genommen ohne Berücksichtigung ihrer konkreten und individuellen Lebensumstände im Herkunftsstaat, ihrer persönlichen Einstellung und Wertehaltung, ihrem bisherigen Verhalten, sowie ohne gesamtheitliche Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihres individuellen Fluchtvorbringens jedenfalls nicht ausreicht, um jedenfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der Beschwerdeführerin ausschließlich auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgehen zu können (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 13.11.2009, Zl. C9 317335-1/2008/7E; 18.01.2011, Zl. C9 407153-1/2009/6E; 30.08.2011, Zl. C10 413864-1/2010/6E;

23.11.2011, Zl. C9 411134-1/2010/10E; 08.02.2012, Zl. C9 415186-1/2010/8E; 24.02.2012, Zl. C10 418124-1/2011/6E; 06.08.2012, Zl. C9 415948-1/2010/11E; 29.01.2013, Zl. C9 417317-1/2011/6E;

04.11.2013, Zl. C9 411035-2/2010/16E).

Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich jedenfalls keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans, insbesondere auch im Großraum der Hauptstadt Kabul, wo auch die Familie ihrer (Stief‑)Tante lebt, einer von staatlichen Einrichtungen oder vom überwiegenden Großteil der Bevölkerung ausgehenden systematischen (Gruppen‑)Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt zu sein.

Im gegenständlichen Fall konnte von der Beschwerdeführerin jedoch nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden, dass sie allenfalls als afghanische Frau einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne der GFK angehören und aus diesem Grund im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auch Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein, ohne dass die staatlichen Institutionen ihres Herkunftsstaates in der Lage oder willens wären, ihr angemessenen und ausreichenden Schutz vor Verfolgung zu bieten.

Auf Grund des durchgeführten mängelfreien Ermittlungsverfahrens des Bundesasylamtes, welche die Beschwerde nicht sustantiiert widersprechen vermochte, hat sich insbesondere ergeben, dass die Beschwerdeführerin von ihrer persönlichen Einstellung und Wertehaltung her eben nicht einer an dem allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Frau entspricht.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.3. Die Beschwerdeführerin stellte in ihrer Beschwerde auch den Antrag auf Durchführung einer Verhandlung:

§ 21 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG; BGBl. I Nr. 68/2013 besagt:

Zu Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht ist das Bundesamt zu laden; diesem kommt das Recht zu, Anträge und Fragen zu stellen.

Gemäß Abs. 7 leg. cit. kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

§ 21 Abs. 7 BFA-VG stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unterbleiben kann, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Neben dieser Bestimmung ist § 24 VwGVG anzuwenden. § 21 Abs. 7 BFA-VG entspricht inhaltlich dem früheren § 41 Abs. 7 AsylG, wonach der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden hatte, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Was das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe des Beschwerdeführers. Auch tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde den seitens der Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen.

§ 24 Abs. 1 VwGVG besagt:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Abs. 4 leg. cit. besagt: Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Art. 6 EMRK besagt: "Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang."

Art. 6 EMRK findet auf Asylverfahren keine Anwendung, da davon nur zivilrechtliche Ansprüche und strafrechtliche Verfahren erfasst sind.

Art. 47 GRC lautet:

Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Aus den Erläuterungen der Grundrechtecharta geht hervor, dass die Charta im Unterschied zu Art. 6 EMRK eben nicht nur auf zivilrechtliche Ansprüche abzielt, weshalb hier eine Erweiterung auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit gemeint sein könnte.

Nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC) hat zwar jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb an-gemessener Frist verhandelt wird. Die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung der Verhandlungspflicht i.S.d. Art. 52 Abs. 1 GRC ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zulässig, weil sie eben - wie in der GRC normiert - gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des in Art. 47 Abs. 2 GRC verbürgten Rechts achtet. Die möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge ist ein Ziel der Union, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa Erwägungsgrund 11 der Präambel der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 [Asyl-VerfahrensRL]). Das Unterbleiben der Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt festgestellt werden kann, ohne dass der Entfall der mündlichen Erörterung zu einer Verminderung der Qualität der zu treffenden Entscheidung führt, trägt zur Erreichung dieses Zieles bei. Damit erfüllt die in § 21 Abs. 7 BFA-VG und in § 24 Abs.4 VwGVG vorgesehene Einschränkung auch die im letzten Satz des Art. 52 Abs. 1 GRC normierte Voraussetzung.

Zufolge der Rechtsprechung des VfGH (U 466/11 vom 14.03.2012) steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC, wenn - wie im vorliegenden Fall - zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde.

Gegen eine Verhandlungspflicht spricht überdies, dass in Asylverfahren zwar direkt innerstaatliches Recht Anwendung findet, jedoch auch Unionsrecht (z.B. Statusrichtlinie, Verfahrensrichtlinie) angewendet wird. Aus Art. 12 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie geht jedoch eindeutig hervor, dass auf eine persönliche Anhörung des Asylwerbers unter bestimmten Umständen verzichtet werden kann.

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Art. 47 der Grundrechtecharta den Gerichten tatsächlich eine Verhandlungspflicht auferlegen wollte - dies würde Art. 12 der Verfahrensrichtlinie widersprechen. Da der Art. 47 der Charta der Grundrechte allgemein das Recht auf ein unparteiisches (...) Gericht gewährleistet, die Verfahrensrichtlinie jedoch speziell die Mindestnormen für Asylverfahren regelt, ist die Statusrichtlinie in dieser Hinsicht lex specialis zur Charta der Grundrechte und daher vorrangig anzuwenden. (AsylGH vom 16.12.2011, GZ C2 420722-1/2011)

Daher ist auch aus europarechtlicher Sicht eine Verhandlung im Asylverfahren nicht zwingend vorgesehen.

Im vorliegenden Fall konnte somit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Entscheidung war nur von Sachverhaltsfragen abhängig.

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