VfGH V1/2021

VfGHV1/20212.3.2021

Unzulässigkeit der gänzlichen Anfechtung der COVID-19-EinreiseV mangels Darlegung der Bedenken sowie Zurückweisung des Eventualantrags auf Aufhebung einzelner Worte wegen zu engen Anfechtungsumfangs; Zurückweisung der Haftprüfungsanträge gegen die Quarantäneverpflichtung nach Rückkehr aus dem Ausland mangels Zuständigkeit des VfGH

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z3
EMRK Art5
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1
EpidemieG 1950 §16, §25
COVID-19-EinreiseV BGBl II 445/2020 idF BGBl II 563/2020
VfGG §7 Abs1, §57 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:V1.2021

 

Spruch:

I. Der Individualantrag auf Verordnungsprüfung wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Haftprüfungsanträge gemäß Art6 Abs1 PersFrSchG 1988 werden als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Anträge

1. Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehrt der Antragsteller mit seinem am 4. Jänner 2021 eingebrachten Antrag, die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Einreise nach Österreich im Zusammenhang mit COVID-19 (COVID-19-Einreiseverordnung –COVID-19-EinreiseV), BGBl II 445/2020, idF BGBl II 563/2020 zur Gänze, in eventu in §4 Abs2 Satz 2 dieser Verordnung die Wörter "fünften" und "nach" als verfassungs- und gesetzwidrig aufzuheben.

2. Unter einem mit seinem Individualantrag auf Verordnungsprüfung begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge "gemäß bzw in sinngemäßer Anwendung des Art6 Abs1 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988 idgF binnen einer Woche ab Antragstellung beschließen: Die mit §4 Abs2 in Verbindung mit §3 COVID-19-Einreiseverordnung verfügte Quarantäne des Antragstellers und seiner Familienangehörigen ist unzulässig und rechtswidrig. Die Quarantänepflicht nach §4 Abs2 in Verbindung mit §3 COVID-19-Einreiseverordnung gilt für den Antragsteller und seine Familienangehörige[n] bei ihrer Wiedereinreise aus Kroatien nach Österreich zwischen dem 05. und dem 15. Jänner 2021 nicht."

In eventu begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge "gemäß bzw in sinngemäßer Anwendung des §20a VfGG durch Beschluss einstweilig anordnen", dass die COVID-19-Einreiseverordnung allgemein oder zumindest auf den Antragsteller und seine Familienangehörigen "einstweilig nicht mehr anzuwenden ist".

3. Mit weiterer Eingabe vom 18. Jänner 2021 begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge "gemäß bzw in sinngemäßer Anwendung des Art6 Abs1 [PersFrSchG 1988] binnen einer Woche ab Antragstellung beschließen: 'Die mit §4 Abs2 iVm §3 COVID-19-EinreiseVO aufgrund der Einreise in die Republik Österreich am 16.01.2021 verfügte Quarantäne des Antragstellers ist unzulässig und rechtswidrig. Die Quarantäne gilt mit sofortiger Wirkung als beendet.'"

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die §§16 und 25 Epidemiegesetz 1950, BGBl 186/1950, lauten wie folgt:

"Besondere Meldevorschriften.

 

§16. Für Orte und Gebiete, für welche die Gefahr des Entstehens oder der Einschleppung einer anzeigepflichtigen Krankheit aus anderen Gegenden besteht, können - unbeschadet der geltenden Meldevorschriften - besondere Anordnungen über die Meldung von Fremden und Einheimischen sowie über die Evidenthaltung der Meldungen erlassen werden.

 

Verkehrsbeschränkungen gegenüber dem Auslande.

 

§25. Durch Verordnung wird auf Grund der bestehenden Gesetze und Staatsverträge bestimmt, welchen Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung einer Krankheit aus dem Auslande der Einlaß von Seeschiffen sowie anderer dem Personen- oder Frachtverkehre dienenden Fahrzeuge, die Ein- und Durchfuhr von Waren und Gebrauchsgegenständen, endlich der Eintritt und die Beförderung von Personen unterworfen werden."

 

 

2. Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Einreise nach Österreich im Zusammenhang mit COVID-19 (COVID-19-Einreiseverordnung – COVID-19-EinreiseV), BGBl II 445/2020, idF BGBl II 563/2020 lautete im Zeitpunkt der Antragstellung wie folgt (die mit dem Eventualantrag angefochtenen Worte sind hervorgehoben):

"Auf Grund der §§16 und 25 des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 104/2020, wird verordnet:

 

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

 

Anwendungsbereich

 

§1. (1) Diese Verordnung regelt gesundheits- und sanitätspolizeiliche Maßnahmen betreffend die Einreise in das Bundesgebiet zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

 

(2) Personen dürfen in das Bundesgebiet einreisen, sofern dies verfassungs- und direkt anwendbare unions- und völkerrechtliche Vorschriften erzwingen.

 

(3) Als Einreise gilt das Betreten des Bundesgebietes.

 

Ärztliche Zeugnisse

 

§2. Ärztliche Zeugnisse nach dieser Verordnung dienen dem Nachweis, dass die im Zeugnis angeführte Person durch einen molekularbiologischen Test oder Antigen-Test negativ auf SARS-CoV-2 getestet wurde. Die Zeugnisse sind in deutscher oder englischer Sprache entsprechend den Anlagen C oder D vorzulegen. Sie sind ungültig, wenn die Probenahme im Zeitpunkt der Einreise mehr als 72 Stunden zurückliegt.

 

Quarantäne

 

§3. (1) Personen, die nach dieser Verordnung zur Quarantäne verpflichtet sind, haben diese selbstüberwacht

1. an einem bestehenden Wohnsitz (Heimquarantäne) oder

2. in einer sonstigen geeigneten Unterkunft, über deren Verfügbarkeit bei der Einreise eine Bestätigung vorzulegen ist,

 

anzutreten. Die Kosten der Unterkunft sind selbst zu tragen. Der Wohnsitz oder die Unterkunft darf für den Quarantänezeitraum nicht verlassen werden. Personen, die zur Quarantäne verpflichtet sind, haben dies mit eigenhändiger Unterschrift entsprechend den Anlagen E oder F zu bestätigen. Das Formular entsprechend den Anlagen E oder F ist tunlichst bereits ausgefüllt bei der Einreise mitzuführen.

 

(2) Die Quarantäne kann zum Zweck der Ausreise aus Österreich vorzeitig beendet werden, wenn sichergestellt ist, dass bei der Ausreise das Infektionsrisiko größtmöglich minimiert wird.

 

2. Abschnitt

Einreise aus EU-/EWR-Staaten, aus der Schweiz, Andorra, Monaco, San Marino, dem Vatikan und dem Vereinigten Königreich

 

§4. (1) Aus EU-/EWR-Staaten sowie aus der Schweiz, Andorra, Monaco, San Marino, dem Vatikan und dem Vereinigten Königreich dürfen Personen uneingeschränkt einreisen, wenn sie

1. aus einem in der Anlage A genannten Staat oder Gebiet einreisen und

2. bei der Einreise glaubhaft machen, dass sie sich innerhalb der letzten zehn Tage ausschließlich in Österreich oder in einem in der Anlage A genannten Staat oder Gebiet aufgehalten haben.

 

(2) Personen, die bei der Einreise die Voraussetzungen des Abs1 Z1 oder 2 nicht erfüllen, haben unverzüglich eine zehntägige Quarantäne gemäß §3 anzutreten. Die Quarantäne gilt als beendet, wenn ein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 oder Antigen-Test auf SARS-CoV-2 frühestens am fünften Tag nach der Einreise durchgeführt wird und das Testergebnis negativ ist. Die Kosten für den Test sind selbst zu tragen.

 

(3) Abweichend von Abs2 ist die Einreise von

1. humanitären Einsatzkräften,

2. Personen, die zu beruflichen Zwecken einreisen,

3. einer Begleitperson im Rahmen der Einreise aus medizinischen Gründen gemäß §6,

4. Personen, die zum Zweck der Wahrnehmung einer zwingenden gerichtlich oder behördlich auferlegten Pflicht, wie der Wahrnehmung von Ladungen zu Gerichtsverhandlungen, einreisen,

5. Fremden, wenn diese über einen Lichtbildausweis gemäß §95 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I Nr 100/2005, verfügen,

 

mit einem ärztlichen Zeugnis gemäß §2 möglich. Kann das ärztliche Zeugnis nicht vorgelegt werden, ist unverzüglich eine zehntägige Quarantäne gemäß §3 anzutreten. Ist ein währenddessen durchgeführter molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 oder Antigen-Test auf SARS-CoV-2 negativ, gilt die Quarantäne als beendet. Die Kosten für den Test sind selbst zu tragen.

 

3. Abschnitt

Einreise aus sonstigen Staaten und Gebieten

 

§5. (1) Als sonstige Staaten und Gebiete im Sinne dieser Verordnung gelten alle nicht in §4 Abs1 Einleitungssatz genannten Staaten und Gebiete.

 

(2) Aus einem in der Anlage A genannten sonstigen Staat oder Gebiet dürfen Personen uneingeschränkt einreisen, wenn sie bei der Einreise glaubhaft machen, dass sie sich innerhalb der letzten zehn Tage ausschließlich in Österreich oder in einem in der Anlage A genannten Staat oder Gebiet aufgehalten haben. Andernfalls gelten die Abs3 und 4 sinngemäß.

 

(3) Die Einreise aus einem anderen als in der Anlage A genannten sonstigen Staat oder Gebiet ist unzulässig. Diesfalls ist die Einreise zu untersagen.

 

(4) Abweichend von Abs3 gilt bei der Einreise aus einem anderen als in der Anlage A genannten sonstigen Staat oder Gebiet §4 Abs2 sinngemäß, wenn es sich um

1. österreichische Staatsbürger, EU-/EWR-Bürger und Personen, die mit diesen im gemeinsamen Haushalt leben,

2. Schweizer Bürger und Bürger des Vereinigten Königreichs sowie Personen, die mit diesen im gemeinsamen Haushalt leben,

3. Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in EU-/EWR-Staaten oder Andorra, Monaco, San Marino, dem Vatikan, der Schweiz oder im Vereinigten Königreich und Personen, die mit diesen im gemeinsamen Haushalt leben,

4. Fremde, wenn diese über ein von Österreich ausgestelltes Visum D oder einen Lichtbildausweis gemäß §95 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I Nr 100/2005, verfügen,

5. Personen, die auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung, eines Aufenthaltstitels oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl I Nr 100/2005, oder dem Asylgesetz 2005, BGBl I Nr 100/2005, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,

6. Mitglieder des Personals diplomatischer Missionen oder konsularischer Vertretungen und Personen, die mit diesen im gemeinsamen Haushalt leben,

7. Angestellte internationaler Organisationen und Personen, die mit diesen im gemeinsamen Haushalt leben,

8. humanitäre Einsatzkräfte,

9. Personen, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder einer inländischen Körperschaft öffentlichen Rechts stehen und deren Dienstort im Ausland liegt oder deren Dienstverrichtung im Ausland erfolgt, soweit die Tätigkeit dieser Körperschaft im Ausland im Interesse der Republik Österreich liegt,

10. Personen, die zu beruflichen Zwecken einreisen,

11. eine Begleitperson im Rahmen der Einreise aus medizinischen Gründen gemäß §6,

12. Personen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums oder zur Forschung einreisen,

13. Personen, die zur Teilnahme am Schulbetrieb einreisen, oder

14. Personen, die zum Zweck der Wahrnehmung einer zwingenden gerichtlich oder behördlich auferlegten Pflicht, wie der Wahrnehmung von Ladungen zu Gerichtsverhandlungen, einreisen,

 

handelt.

 

(5) Abweichend von Abs3 und 4 gilt §4 Abs3 für die dort genannten Personen auch bei der Einreise aus einem anderen als in der Anlage A genannten sonstigen Staat oder Gebiet.

 

4. Abschnitt

Ausnahmen und Sonderbestimmungen

 

Einreise aus medizinischen Gründen

 

§6. (1) Die Einreise von

1. österreichischen Staatsbürgern,

2. Personen, die der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung in Österreich unterliegen, oder

3. Personen, denen von einer österreichischen Krankenanstalt aus besonders berücksichtigungswürdigen medizinischen Gründen eine Behandlungszusage erteilt wurde,

ist ohne Einschränkung zulässig, wenn sie zur Inanspruchnahme unbedingt notwendiger medizinischer Leistungen in Österreich erfolgt. Bei der Einreise ist eine Bestätigung über die unbedingte Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer medizinischen Leistung entsprechend den Anlagen G oder H vorzuweisen.

 

(2) Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich dürfen nach Inanspruchnahme unbedingt notwendiger medizinischer Leistungen im Ausland ohne Einschränkung wieder einreisen. Bei der Wiedereinreise ist eine Bestätigung über die unbedingte Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer medizinischen Leistung entsprechend den Anlagen G oder H vorzuweisen.

 

Besonders berücksichtigungswürdige Gründe im familiären Kreis

 

§7. (1) Diese Verordnung gilt nicht für die Einreise aus unvorhersehbaren, unaufschiebbaren, besonders berücksichtigungswürdigen Gründen im familiären Kreis wie insbesondere schwere Krankheitsfälle, Todesfälle, Begräbnisse, Geburten sowie die Betreuung von unterstützungsbedürftigen Personen in Notfällen.

 

(2) Für die Einreise im Zusammenhang mit planbaren sonstigen wichtigen Ereignissen im familiären Kreis wie Hochzeiten, Taufen, Geburtstagsfeiern oder dem nicht regelmäßigen Besuch des Lebenspartners gilt §4 Abs1 und 2 sinngemäß.

 

Sonstige Ausnahmen

 

§8. (1) Diese Verordnung gilt nicht für die Einreise

1. zur Aufrechterhaltung des Güter- und Personenverkehrs,

2. ausschließlich aus zwingenden Gründen der Tierversorgung oder für land- und forstwirtschaftlich erforderliche Maßnahmen im Einzelfall,

3. im Rahmen der Durchführung einer beruflichen Überstellungsfahrt/eines beruflichen Überstellungsfluges oder

4. im zwingenden Interesse der Republik Österreich.

 

(2) Diese Verordnung gilt ferner nicht für

1. Transitpassagiere oder die Durchreise durch Österreich ohne Zwischenstopp, die auch bei ausschließlich unerlässlichen Unterbrechungen vorliegt,

2. die Einreise oder Wiedereinreise im Rahmen des regelmäßigen Pendlerverkehrs zu beruflichen Zwecken, sofern es sich nicht um Personenbetreuer/innen handelt,

3. die Einreise oder Wiedereinreise im Rahmen des regelmäßigen Pendlerverkehrs zur Teilnahme am Schul- und Studienbetrieb,

4. die Einreise oder Wiedereinreise im Rahmen des regelmäßigen Pendlerverkehrs zu familiären Zwecken oder zum Besuch des Lebenspartners,

5. die Besatzung einer Repatriierungsfahrt/eines Repatriierungsfluges einschließlich der mitreisenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes,

6. die Einreise von Insassen von Einsatzfahrzeugen gemäß §26 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl I Nr 159/1960, und Fahrzeugen im öffentlichen Dienst gemäß §26a StVO 1960,

7. die Einreise von Personen, die aus Österreich kommend ausländisches Territorium ohne Zwischenstopp zur Erreichung ihres Zielortes in Österreich queren,

8. die Einreise in die Gemeinden Vomp-Hinterriss, Mittelberg und Jungholz.

 

Glaubhaftmachung

§9. Im Fall einer behördlichen Überprüfung gemäß §12 sind die Ausnahmegründe gemäß den §§7 und 8 glaubhaft zu machen.

 

Kinder

§10. (1) Für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr gelten mit Ausnahme der Verpflichtung zur Testung die gleichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen wie für den Erwachsenen, unter dessen Aufsicht die Kinder reisen. Gilt die Quarantäne des Erwachsenen, unter dessen Aufsicht die Kinder reisen, als beendet, gilt auch die Quarantäne der Kinder als beendet.

(2) Abs1 gilt nicht für Kinder, die alleine reisen.

 

Ausnahme im Hinblick auf das Verbot, den Wohnsitz oder die Unterkunft zu verlassen

§11. Ausgenommen vom Verbot gemäß §3, den Wohnsitz oder die Unterkunft zu verlassen, sind unbedingt notwendige Wege zur Inanspruchnahme eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2. Dabei ist auf die größtmögliche Minimierung eines allfälligen Infektionsrisikos zu achten.

 

5. Abschnitt

Behördliche Überprüfung

 

§12. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde ist berechtigt, bei der Einreise sowie jederzeit an Ort und Stelle zu überprüfen, ob die Vorgaben dieser Verordnung eingehalten werden. Personen haben diese Überprüfung zu dulden, auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Nachweise über die Veranlassung des molekularbiologischen Tests sowie dessen Ergebnis vorzulegen.

(2) Bestätigungen gemäß §3 entsprechend den Anlagen E oder F sind im Fall einer Überprüfung gemäß Abs1 von der Behörde an die für den Quarantäneort zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu übermitteln. Nach Ablauf von 28 Tagen ab dem Einreisedatum sind vorliegende Bestätigungen von den Behörden unwiderruflich zu löschen bzw zu vernichten.

 

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Wahrnehmung der ihnen sonst obliegenden Aufgaben über Ersuchen der Gesundheitsbehörde an der Vollziehung des Abs1 mitzuwirken.

 

6. Abschnitt

Schlussbestimmungen

 

§13. (1) Diese Verordnung tritt mit 17. Oktober 2020 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2, BGBl II Nr 263/2020, in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 411/2020, außer Kraft.

 

(2) Die Anlagen A und B in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 462/2020 treten mit 31. Oktober 2020 in Kraft.

 

(3) §2, §3 Abs1 und 2, §4 Abs2 und 3, §5 Abs5, §7 Abs2, §8 Abs2, §13 und die Anlagen A, C, D, E und F in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 563/2020 treten mit 19. Dezember 2020 in Kraft und gleichzeitig tritt Anlage B außer Kraft.

 

(4) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 31. März 2021 außer Kraft.

 

Anlage A

 

Australien

Finnland

Irland

Island

Japan

Neuseeland

Norwegen

Südkorea

Uruguay

Vatikan

 

Anlage C

[…]"

 

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Zum Individualantrag auf Verordnungsprüfung

1.1. Der Antragsteller bringt zur Zulässigkeit seines Individualantrags gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG vor, er sei österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitzen in Wien bzw Niederösterreich und einem Haus in Kroatien, das ungefähr 20 Kilometer von Zadar entfernt liege. Er sei am 27. Dezember 2020 mit seiner Familie per PKW nach Kroatien gefahren und beabsichtige, voraussichtlich am 15. Jänner 2021 nach Österreich mit seinem PKW zurückzureisen. Er und seine Familie hätten in Kroatien zur dortigen Bevölkerung nur im Rahmen der unumgänglichen Lebensmittelbeschaffung Kontakt, sohin weniger Kontakte, als sie im Vergleich bei einem Aufenthalt im selben Zeitraum in Österreich hätten. §4 Abs2 COVID-19-EinreiseV ordne für den Antragsteller, wenn er aus Kroatien zurückkehre, den unverzüglichen Antritt einer zehntägigen Quarantäne an, bei welcher der Wohnsitz gemäß §3 der Verordnung nicht verlassen werden dürfe. Die Quarantänepflicht werde nicht mit Bescheid, sondern unmittelbar und bei Strafe mit Verordnung auferlegt. Damit werde jedenfalls in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit eingegriffen. Der Antragsteller sei auch aktuell von der Verordnung betroffen, da er sich im Antragszeitpunkt in Kroatien befinde und zwischen dem 10. und 15. Jänner 2021 wiedereinzureisen beabsichtige. Ferner beabsichtige er im zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung neuerlich nach Kroatien und sodann wieder nach Österreich zu reisen. Ein anderer zumutbarer Weg, seine Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, stünde dem Antragsteller nicht zur Verfügung.

Zum Anfechtungsumfang führt der Antragsteller (eingehend) aus, dass zwar insbesondere die §§5 bis 8 COVID-19-EinreiseV für den Antragsteller "keine Bedeutung" hätten, dass aber letztlich die Aufhebung der gesamten Verordnung begehrt werden müsse, um unvollziehbare Bestimmungen (wie etwa §5 Abs4 nach allfälliger Aufhebung von §4 Abs2 der Verordnung) und inhaltsleere Torsi zu vermeiden. Der Eventualantrag werde für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof lediglich dagegen Bedenken hegen sollte, dass ein "Freitesten" aus der Quarantäne erst nach dem fünften Tag nach der Einreise möglich sei.

1.2. In der Sache legt der Antragsteller seine Bedenken auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt dar:

Die angefochtene Verordnung basiere auf unzureichender Grundlagenforschung (Hinweis auf VfGH 1.10.2020, V405/2020). §25 Epidemiegesetz 1950 enthalte keine Verordnungsdeterminanten. Die im Internet abrufbare Begründung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Novelle zur Einreiseverordnung lasse eine Auseinandersetzung mit der epidemiologischen Lage der von den Einreisebeschränkungen betroffenen Staaten gänzlich vermissen.

Die Quarantäneanordnung greife – wie eine Absonderung nach §7 Epidemiegesetz 1950 – angesichts ihrer Art und Dauer in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit (Art5 EMRK, BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit) ein (Hinweis auf EGMR 17.1.2012, Stancov gegen Bulgarien, 36760/06, Rz 115; Pixner, Coronavirus: Ein Situationsbericht aus rechtlicher Perspektive, N@HZ2020, 20, 22). Nach diesem Grundrecht dürfe in die persönliche Freiheit nur auf die "gesetzlich vorgeschriebene Weise" eingegriffen werden. §25 Epidemiegesetz 1950 ermächtige nun aber nicht, zumindest nicht in einer Art18 B‑VG entsprechenden Weise, zu Freiheitsbeschränkungen. Überdies erfülle die Quarantäneanordnung nicht die Voraussetzungen des Art5 Abs1 lite EMRK bzw des Art2 Abs1 Z5 PersFrSchG 1988, die eine erwiesene Infektion voraussetzen würden. Aus grundrechtlicher Perspektive sei eine Einzelfallprüfung erforderlich. Schließlich stünde mit der Durchführung eines PRC-Tests unmittelbar im Zuge der Einreise auch ein gelinderes Mittel zur Verfügung, um die Freiheitsentziehung zu vermeiden. Aus dem verfassungsrechtlich gebotenen Haftprüfungsverfahren (Art5 Abs4 EMRK, Art6 PersFrSchG 1988) folge ferner, dass jede Festnahme oder Haft nur durch einen individuell-konkreten Hoheitsakt erfolgen dürfe. Die Quarantäneanordnung durch Verordnung sei daher mit dem Rechtsschutzsystem des Art5 EMRK bzw des Art6 PersFrSchG 1988 nicht vereinbar, zumal die Verordnung selbst auch keine Rechtsschutzmöglichkeiten einräume.

Die Quarantäneanordnung verletze aber auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B‑VG, Art2 StGG). Das Abstellen auf die 10-Tages-Inzidenz von über 100 pro 100.000 Einwohner sei zu pauschal und stelle nicht auf die einzelnen Regionen in den einzelnen Staaten ab. Es widerspreche dem Sachlichkeitsgebot, wenn nahezu sämtliche Staaten der Welt als Risikogebiet gelten würden. Die Verordnung lasse auch unberücksichtigt, ob durch die Einreise - insbesondere abhängig vom Reisezweck – zusätzliche Infektionsgefahren begründet würden. Aus einer Gegenüberstellung zum Infektionsgeschehen in Österreich ergebe sich, dass sich das von Rückkehrern ausgehende Infektionsrisiko - jedenfalls bei vergleichbaren Inzidenzwerten – nicht anders darstelle als bei in Österreich verbliebenen Personen, die jedoch nicht unter Quarantäne gestellt würden (Hinweis auf OVG Nordrhein-Westfalen 20.11.2020, 13 B1770/20.NE). Die Quarantänepflicht für Rückreisende wäre nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn im Aufenthaltsgebiet ein höheres Ansteckungsrisiko als in Österreich bestehe. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass das Ansteckungsrisiko in allen Staaten der Welt, insbesondere in Kroatien, höher als in Österreich sei. Die in Rede stehende Quarantänepflicht verfolge überdies den fiskalischen Zweck, Einreisende und deren Arbeitgeber von einer Entschädigung nach §7 iVm §32 Epidemiegesetz 1950 auszuschließen, weil §25 leg. cit. von dieser Entschädigungsbestimmung nicht erfasst sei. Die entschädigungsrechtliche Ungleichbehandlung von nach §7 Epidemiegesetz 1950 Abgesonderten und von Personen, die nach der angefochtenen Verordnung unter Quarantänepflicht gestellt würden, sei unsachlich.

Schließlich verstoße §25 Epidemiegesetz 1950, auf dem die angefochtene Verordnung basiere, auch gegen das Determinierungsgebot des Art18 B‑VG. Insbesondere lasse §25 Epidemiegesetz 1950 unklar, welche Maßnahmen auf seiner Grundlage verfügt werden könnten. Der Wortlaut setze den "Maßnahmen" keine Grenzen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Determinierungsanforderungen an eingriffsnahe Gesetze höher wären. Aus Art1 Abs2 PersFrSchG 1988 ergebe sich ein spezielles, über das Maß des Art18 B‑VG hinausgehendes Determinierungsgebot (das der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 1.10.2020, V405/2020, nicht hinreichend berücksichtigt habe). Im Anwendungsbereich des Art1 Abs2 PersFrSchG 1988 reiche eine rein zweckbezogene Determinierung nicht aus. Aus diesem Grund werde ein Gesetzesprüfungsverfahren zu §25 Epidemiegesetz 1950 angeregt.

1.3. Der verordnungserlassende Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der die Zulässigkeit der Anträge bestritten und den Bedenken des Antragsteller entgegengetreten wird.

2. Zu den Haftprüfungsanträgen

2.1. Zu seinen auf Art6 Abs1 PersFrSchG 1988 gestützten Anträgen vom 4. Jänner 2021 (im Hinblick auf die bei seiner voraussichtlichen Wiedereinreise zu gewärtigende Quarantäne) bzw vom 18. Jänner 2021 (im Hinblick auf seine nunmehr angetretene Quarantäne) bringt der Antragsteller auf das Wesentliche zusammengefasst vor, §4 Abs2 iVm §3 COVID-19-EinreiseV verpflichte ihn ohne weiteres, sich in eine (grundsätzlich) zehntägige Quarantäne zu begeben, während der er seinen Wohnsitz bei sonstiger Verwaltungsstrafe nicht verlassen dürfe. Diese Quarantäne sei als Freiheitsentziehung im Sinne von Art5 EMRK bzw des PersFrSchG 1988 zu qualifizieren, auf welche die Bestimmungen über das "Haftprüfungsverfahren" der Art5 Abs4 EMRK und Art6 Abs1 PersFrSchG1988 unmittelbar anwendbar seien. Einfachgesetzlich sei kein entsprechender Rechtsweg angeordnet. Der Verfassungsgerichtshof sei in diesem Fall zur Haftprüfung im Sinn von Art6 Abs1 PersFrSchG 1988 zuständig, weil die Freiheitsentziehung unmittelbar durch eine Verordnung angeordnet und nur der Verfassungsgerichtshof zur Verordnungskontrolle berufen sei.

2.2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz tritt in seiner Äußerung diesen Anträgen wie folgt entgegen:

"5. Zum Antrag auf Haftprüfung gemäß Art6 PersFrG

 

5.1. Der Antragsteller leitet aus Art5 Abs4 EMRK und Art6 PersFrG einen unmittelbaren Rechtsschutz dahingehend ab, dass der Verfassungsgerichtshof binnen einer Woche die mit §4 Abs2 iVm §3 COVID-19-EinreiseV verfügte Quarantäne des Antragstellers für unzulässig befinden und aussprechen wolle, dass sie bei seiner Wiedereinreise nach Kroatien nicht gilt.

 

5.2. Dieser Antrag ist aus zahlreichen Gründen unzulässig: Zunächst steht ihm bereits grundlegend entgegen, dass es sich bei der selbstüberwachten Heimquarantäne gemäß §4 Abs2 iVm §3 COVID-19-EinreiseV nicht um einen Freiheitsentzug handelt. Der Anwendungsbereich des PersFrG ist damit nicht erfüllt […].

 

5.3. Selbst wenn der Verfassungsgerichtshof vom Vorliegen eines Freiheitsentzugs ausgehen sollte, ist Art6 PersFrG nicht unmittelbar anwendbar. Er bedarf vielmehr einer Umsetzung in Form organisatorischer und verfahrensrechtlicher Ausführungsbestimmungen (dazu und zur mangelnden Durchsetzbarkeit auf der Grundlage der Art130 ff B‑VG Kopetzki in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B‑VG, PersFrG Art6 Rz 63 f).

 

5.4. Mit seinen Ausführungen verkennt der Antragsteller zudem ganz grundlegend das Wesen des Haftprüfungsverfahrens nach Art6 PersFrG im Vergleich zum Rechtsschutzsystem der Art137 ff B‑VG im Hinblick auf die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofs. Indem er sich auf Art139 B‑VG beruft, übersieht er, dass der Verfassungsgerichtshof auf dieser Grundlage Verordnungen im Falle ihrer Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit nur aufheben, nicht aber im Sinne einer einstweiligen Verfügung aussprechen kann, dass sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums für Einzelfälle nicht gelten. Das Verordnungsprüfungsverfahren lässt sich auch sonst in keiner Weise mit einem Haftprüfungsverfahren gemäß Art6 PersFrG vergleichen.

 

Ebenso wenig scheint es aus praktischen Erwägungen schon aus Kapazitätsgründen zielführend zu sein, einen Rechtsschutz gegen die Heimquarantäne im Fall der Einreise beim Verfassungsgerichtshof anzusiedeln.

 

5.5. Abgesehen von diesen grundlegenden Einwänden setzt die Verfahrensgarantie des Art6 Abs1 PersFrG eine tatsächliche Festnahme und Anhaltung voraus (Hauer in Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayr, Handbuch der Grundrechte §11 Rz 29). Dies ist beim Antragsteller, der im Zeitpunkt der Antragstellung in seinem Haus in Kroatien weilte, nicht der Fall.

 

5.6. Soweit der Antragsteller seinen Antrag 'auf sofortigen Rechtsschutz' auf Art13 EMRK (iVm Art2 4. ZP EMRK) stützt, verkennt er schon ganz grundlegend, dass Art13 EMRK selbst keinen Rechtsweg schafft (Berka/Binder/Kneihs, Grundrechte² [2020] 836).

 

5.7. Soweit sich der Antragsteller auf §20a VfGG zu stützen versucht, ist zunächst richtig, dass die Voraussetzungen des §20a VfGG schon mangels entsprechenden unionsrechtlichen Bezugs nicht erfüllt sind (abgesehen davon gewährt §20a VfGG kein Antragsrecht: mwN Muzak, B‑VG §20a VfGG [Stand 1. 10. 2020, rdb.at]). Eine analoge Anwendung scheidet aus, zumal angesichts der ausdrücklichen Beschränkung auf das Unionsrecht keine planwidrige Lücke anzunehmen ist.

 

5.8. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist daher zum einen mangels Eingriffs in das Grundrecht auf persönliche Freiheit, zum anderen mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs zurückzuweisen."

 

IV. Zur Zulässigkeit der Anträge

1. Zur Zulässigkeit des Antrages gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch die die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Gesetzwidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

1.3. Nach §57 Abs1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Ein Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt einer Verordnung richtet, muss die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit aller Bestimmungen der Verordnung "im Einzelnen" darlegen und insbesondere auch dartun, inwieweit alle angefochtenen Verordnungsregelungen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Bei der Prüfung der aktuellen Betroffenheit hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 14.277/1995, 15.306/1998, 16.890/2003, 18.357/2008, 19.919/2014, 19.971/2015). Anträge, die dem Erfordernis des §57 Abs1 VfGG nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfSlg 14.320/1995, 14.526/1996, 15.977/2000, 18.235/2007) nicht im Sinne von §18 VfGG verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen (vgl etwa VfSlg 12.797/1991, 13.717/1994, 17.111/2004, 18.187/2007, 19.505/2011, 19.721/2012 und zuletzt etwa VfGH 1.10.2020, V405/2020; 1.10.2020, V463/2020).

Die COVID-19-EinreiseV enthielt in der angefochtenen, im Zeitpunkt der Antragstellung in Geltung gestandenen Fassung Regelungen sowohl für die Einreise aus EU/EWR-Staaten, der Schweiz, Andorra, Monaco, San Marino, dem Vatikan und dem Vereinigten Königreich (§4 der Verordnung) als auch für die Einreise aus sonstigen Staaten (§5 der Verordnung), ferner allgemeine Bestimmungen (§§1 bis 3 der Verordnung) und Ausnahmen und Sonderbestimmungen (§§6 bis 11 der Verordnung), die idR einen übergreifenden Anwendungsbereich hatten. Der Antrag legt weder dar, inwiefern §5 der angefochtenen Verordnung über die Einreise aus sonstigen Staaten unmittelbar und aktuell in seine Rechtssphäre eingreift, noch formuliert er diesbezügliche Bedenken. Die Regelungsansätze nach §4 der Verordnung einerseits und nach §5 der Verordnung andererseits sind auch voneinander trennbar. Entgegen der Auffassung des Antragstellers begründet nämlich allein der Umstand, dass nach Aufhebung einer Norm verbleibende Bestimmungen ganz oder zum Teil nicht mehr vollziehbar sind, für sich allein noch keinen Sachzusammenhang, sondern ist in aller Regel zwangsläufige Folge eines verfassungsgerichtlichen Normenprüfungsverfahrens (vgl VfSlg 17.023/2003; VfGH 13.12.2019; G78/2019 ua). Der Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Verordnung zur Gänze ist daher schon aus diesem Grund unzulässig.

Mit seinem Eventualantrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Worte "fünften" und "nach" in §4 Abs2 Satz 2 COVID-19-Einreiseverordnung. Dieser Eventualantrag ist zu eng gefasst und daher ebenfalls unzulässig: Durch die Aufhebung allein dieser Worte würden weder die vom Antragsteller behaupteten Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeiten, lägen sie vor, beseitigt, noch versetzt der eventualiter begehrte Aufhebungsumfang den Verfassungsgerichtshof in die Lage darüber zu befinden, auf welche Weise die behaupteten Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeiten, lägen sie vor, zu beseitigen wären (vgl VfGH 10.3.2015, G201/2014).

1.4. Der Individualantrag auf Verordnungsprüfung ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

1.5. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach §20a VfGG abzusprechen.

2. Zu den Haftprüfungsanträgen

2.1. Mit seinen eingangs (I.2. und I.3.) wiedergegebenen Anträgen stellt der Antragsteller der Sache nach Haftprüfungsanträge zu seiner von ihm als Freiheitsentziehung im Sinne des PersFrSchG 1988 qualifizierten, ihm drohenden (I.2.) bzw ihm unmittelbar durch Verordnung auferlegten (I.3.) Quarantäne.

2.2. Die Haftprüfungsanträge sind mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen, wobei offen bleiben kann, ob die hier in Rede stehende Quarantäne als Freiheitsentziehung im Sinn des (Art5 EMRK bzw des) PersFrSchG 1988 zu qualifizieren ist. Die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofes sind in den Art137 bis Art145 B‑VG in taxativ angelegter Weise aufgezählt (vgl VfSlg 8202/1977, 15.789/2000, 17.220/2004; VfGH 14.6.2000, B664/00); weitere Zuständigkeiten können ihm nur durch Verfassungsvorschrift zugewiesen werden (vgl Art126a und Art148f B‑VG). Die Entscheidung über Haftprüfungsanträge zählt nicht zu den Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofes. Anderes ergibt sich auch nicht aus Art6 Abs1 PersFrSchG 1988, dessen erster Satz nicht unmittelbar anwendbar ist (arg.: "durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde").

V. Ergebnis

1. Der Individualantrag auf Aufhebung der COVID-19-Einreiseverordnung ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Die Haftprüfungsanträge sind als unzulässig zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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