10-jährige Verjährungsfrist bei Schweizer Zinseinkünften
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2015:RV.2101024.2015
Beachte:
Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zl. Ro 2016/15/0005. Hinsichtlich Festsetzung von Verspätungszuschlägen für die Jahre 2003 bis 2011 mit Erk. v. 13.9.2018 als unbegründet abgewiesen, im Übrigen Zurückweisung mit Beschluss vom 13.9.2018.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin in der Beschwerdesache
Beschwerdeführerin,
gegen die Bescheide des Finanzamt Graz-Umgebung vom 09.12.2013, betreffend Einkommensteuer 2003 bis 2007, Verspätungszuschlag 2003 bis 2012 und Anspruchszinsen 2003 bis 2007
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2003 bis 2007 sowie Verspätungszuschlag 2012 wird abgewiesen.
Die Bescheide betreffend Verspätungszuschlag 2003 bis 2011 werden abgeändert. Der Verspätungszuschlag beträgt 6% der festgesetzten Abgabe:
Jahr | festgesetzte Abgabe | Verspätungszuschlag |
2003 | 10 | 0,6 |
2004 | 15 | 0,9 |
2005 | 20 | 1,2 |
2006 | 25 | 1,5 |
2007 | 30 | 1,8 |
2008 | 35 | 2,1 |
2009 | 40 | 2,4 |
2010 | 45 | 2,7 |
2011 | 50 | 3 |
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin ist eine Schweizer Staatsbürgerin, die laut eigenen Angaben seit 1958, laut aktenkundigem Melderegisterauszug seit 1980 an der derzeitigen Adresse in Österreich ansässig ist.
Am 7. November 2013 hat die Bf. durch den steuerlichen Vertreter Steuererklärungen betreffend die Jahre 2003 bis 2012 eingebracht. Diese Erklärungen überschnitten sich mit dem Vorhalt des FA vom 6. November 2013 (eingelangt am 12. November 2013), der aufgrund einer Schweizer Kontrollmitteilung, in der die Kontostände der einzelnen Jahre angeführt waren, erging. Die Erklärungen kamen nach Angaben des steuerlichen Vertreters dadurch zustande, dass sich der am 10. Februar 2013 verstorbene Ehegatte der Bf. an ihn gewandt hat. Aufgrund des Alters der Bf. und den erschwerten Kontaktaufnahmen mit der Schweiz war es ihm erst im November 2013 möglich, die Erklärungen einzubringen.
In den in diesem Verfahren strittigen Erklärungen betr. die Jahre 2003 bis 2007 wurden Einkünfte aus Bankzinsen, fest verzinslichen Anleihen, Dividendenerträgen und ausschüttungsgleichen Erträgen aus Investmentfonds angegeben. Die anrechenbare Schweizer Quellensteuer betrug dabei 0,4% bis. Euro) und im Jahr 2007: 90,50 Euro bis).
Das Finanzamt hat die Bf. erklärungsgemäß veranlagt und zusätzlich die in diesem Verfahren angefochtenen Bescheide betr. Verspätungszuschlag für die Jahre 2003 bis 2012 im Ausmaß von 10% sowie Bescheide betr. Anspruchszinsen 2003 bis 2007 erlassen.
Die gegen den Einkommensteuer- Anspruchszinsen- und Verspätungszuschlagsbescheid 2003 eingebrachte Beschwerde begründete der steuerliche Vertreter damit, dass Verjährung eingetreten sei: Die Bf. habe sich nämlich keiner die 10-jährige Verjährungsfrist bedingenden Abgabenhinterziehung schuldig gemacht, weil sie nicht vorsätzlich gehandelt habe. Einerseits habe sie in Geldangelegenheiten stets ihrem im Jahr 2013 verstorbenen Ehegatten vertraut und sich nie darum gekümmert, andererseits sei sie mit Französisch als Muttersprache nicht in der Lage, die komplizierten steuerlichen Regelungen auf Deutsch zu verstehen. Der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab sei der einer niemals berufstätigen Hausfrau mit französischer Muttersprache. Überdies musste sie aufgrund des KESt-Abzuges in der Schweiz davon ausgehen, dass „alles seine Richtigkeit“ habe. Im Übrigen seien die Bescheide nicht ordnungsgemäß begründet worden.
Auch in der Beschwerde betr. Einkommensteuer 2004 bis 2007, Anspruchszinsen 2004 bis 2007 sowie Verspätungszuschläge 2004 bis 2012 wandte die Bf. mit derselben Begründung Verjährung hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2007 ein. Zu den Verspätungszuschlägen führte die Bf. aus, die Nichtabgabe sei entschuldbar, weil sie fest davon überzeugt war, dass sie keine steuerlichen Obliegenheiten träfen. Im Übrigen sei die Ermessensentscheidung des Finanzamtes hins. Grad des Verschuldens, Ausmaß der Fristüberschreitung, Höhe der finanziellen Vorteile sowie des Umstandes der wiederholten oder ausnahmsweisen Säumigkeit nicht begründet. Schließlich dürfe die Vorschreibung von Anspruchszinsen bei der Berechnung der Höhe des Verspätungszuschlages nicht außer Acht gelassen werden.
Das Finanzamt hat die Beschwerden mit der Begründung abgewiesen, dass aufgrund der Höhe des Vermögens jedenfalls von Hinterziehung auszugehen sei, weil sich die Bf. hätte informieren müssen.
Im Vorlageantrag wiederholte die Bf. ihr Vorbringen in der Beschwerde und ihr steuerlicher Vertreter gab in der mündlichen Verhandlung auf Befragung Folgendes an:
Das Vermögen stammt lt. eigenen Angaben der Bf. von ihrem 1972 verstorbenen Vater und ihrer 1977 verstorbenen Mutter. Unterlagen darüber sind nicht mehr vorhanden. Ob bzw. in welcher Höhe in den Jahren 1972 und 1977 Erbschaftssteuer gezahlt wurde, kann die Bf. nicht beantworten.
Das Geld wurde ursprünglich bei der Bank1, Schweiz veranlagt. Die Bank wurde von der Bank2 übernommen und das Vermögen wird seitdem zum Leidwesen der Bf. in Zürich verwaltet. Wie die Bank zu dem Auftrag kam, das Geld zu veranlagen, konnte der steuerliche Vertreter nicht beantworten: Die Bf. selbst kann ihm gegenüber aufgrund ihres Alters keine Angaben machen.
Zur persönlichen Schuld der Bf. wiederholt der steuerliche Vertreter, dass sich die Bf. niemals um finanzielle Angelegenheiten gekümmert hat. Bis zum Ableben ihres Ehegatten hat sich dieser "um Alles" gekümmert. Dementsprechend hat sich auch dieser an ihn gewandt. Ob bzw. inwieweit sich die Bf. mit der Frage, ob sie steuerliche Obliegenheit treffen, an ihren Mann gewandt hat, kann nicht rekonstruiert werden. Insgesamt habe die Bf. ihr ganzes Leben lang keine "Berührung" mit Steuern gehabt. In einer Gesamtbetrachtung sei dies zu würdigen (Auf VwGH 28. 5. 1971, 433/70 und VwGH vom 28.06.1995, 94/16/0282 bzw. FG Münster 5. 9. 2007, 1 K 1544/04 E und BFG 17.06.2015, RV/7101769/2015 wurde verwiesen).
Zur rechtlichen Situation ergänzte der steuerliche Vertreter, dass Österreich im Zeitpunkt der Erbschaft 1972 mit der Schweiz noch gar kein DBA abgeschlossen hatte (lt. "Kodex" wurde dies erst mit BGBl 1975/64 wirksam). Auch auf den Universitäten habe erst um 1980 eine Befassung mit zwischenstaatlichem Steuerrecht begonnen. Nach dem Wissenstand dieser Zeit war es unbekannt, dass man Steuern für ausländische Erträge zahlen muss. Auch durch die damals noch nicht bestehende KESt war es nicht im öffentlichen Bewusstsein, dass Zinserträge zu besteuern sind.
Erst mit Aufkommen der "Steuer-CD" in Deutschland im Jahr 2008 oder 2009 rückte dieser Umstand in das öffentliche Bewusstsein. Zu dieser Zeit waren die Bf. und ihr Ehegatte allerdings mit ihrem Alter und ihrer Krankheit beschäftigt.
Schließlich führte der steuerliche Vertreter ergänzend an, dass sich unter den Erträgen Erträge aus "schwarzen Fonds" in Höhe von insgesamt fast 190.000 Euro (davon 84.000 Euro in den Jahren 2003 bis 2007) finden. Diese Erträge seien als fiktive Einnahmen zu versteuern. Hätte die Bf. dies gewusst, hätte sie auf "weiße Fonds" umgestellt.
Rechtslage
§ 207 (1) BAO idF BGBl 105/2010: Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe. (…)
§ 208 (1) BAO : Die Verjährung beginnt
a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;
§ 33 (1) FinStrG : Der Abgabenhinterziehung macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. (…)
§ 134 (1) BAO : Die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer, (…) und die Umsatzsteuer sind bis zum Ende des Monates März jedes Jahres einzureichen. Diese Frist kann vom Bundesminister für Finanzen allgemein erstreckt werden. (…)
§ 135 BAO: Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; (…)
§ 205 BAO (1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). (…)
(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Verjährung Einkommensteuer 2003 bis 2007
Im Beschwerdefall steht unwidersprochen fest, dass die Bf. in den Streitjahren 2003 bis 2007 Zinseinkünfte aus der Schweiz bezogen hat und diese in Österreich nicht erklärt hat. Mit den angefochtenen Bescheiden hat das Finanzamt den an sich rechtmäßigen Abgabenanspruch der Republik durchgesetzt.
Dagegen wendet die Bf. (nur) Verjährung ein.
Nach § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben nunmehr 10 Jahre. (Da abgabenrechtliche Verjährungsbestimmungen Normen des Verfahrensrechtes sind, kommt es nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches, sondern auf die im Zeitpunkt von dessen Durchsetzung gegebenen Verhältnissen an. Daher ist das zitierte Verjährungsrecht BGBl 105/2010 auch auf den Beschwerdefall anzuwenden, der sich vor dem Inkrafttreten ereignet hat vgl. Ritz, BAO 4 , § 209, Tz 42, mwN).
Die verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren gilt unabhängig davon, ob eine Bestrafung zulässig ist oder - wie im Beschwerdefall aufgrund einer Selbstanzeige - nicht (vgl. VwGH 28.1.1997, 96/14/0152).
Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs 1 lit a BAO). Die strittigen Abgabenansprüche betreffend die zu veranlagende Einkommensteuer für die Jahre 2003 bis 2007 sind gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO jeweils mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorzunehmen war, entstanden. Die „reguläre“ Verjährungsfrist von fünf Jahren endete dementsprechend für den Veranlagungszeitraum 2003 mit Ablauf des Kalenderjahres 2008, für den Veranlagungszeitraum 2004 mit Ablauf des Kalenderjahres 2009, für den Veranlagungszeitraum 2005 mit Ablauf des Kalenderjahres 2010, für den Veranlagungszeitraum 2006 mit Ablauf des Kalenderjahres 2011 und für den Veranlagungszeitraum 2007 mit Ablauf des Kalenderjahres 2012.
Die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogenen Abgaben des Veranlagungszeitraumes 2003 endet hingegen mit Ablauf des Kalenderjahres 2013, die des Veranlagungszeitraumes 2004 mit Ablauf des Kalenderjahres 2014 die des Veranlagungszeitraumes 2005 mit Ablauf des Kalenderjahres 2015, die des Veranlagungszeitraumes 2006 mit Ablauf des Kalenderjahres 2016 und die des Veranlagungszeitraumes 2007 mit Ablauf des Kalenderjahres 2017.
Im Falle des Vorliegens von hinterzogenen Abgaben ist die Erlassung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide entsprechend den dargestellten gesetzlichen Bestimmungen innerhalb der Verjährungsfristen erfolgt.
Damit ist entscheidungswesentlich, ob eine Abgabenverkürzung stattgefunden hat. Wenn - wie im gegenständlichen Fall - eine das Vorliegen der Abgabenhinterziehung aussprechende Entscheidung der Strafbehörde nicht vorliegt, hat die Abgabenbehörde bzw. das überprüfende BFG festzustellen, ob Abgaben nach § 33 FinStrG hinterzogen wurden (vgl. VwGH 26.2.2004, 99/15/0127).
Im Beschwerdefall ist die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 FinStrG unstrittig erfüllt: Die Bf. hat unter Verletzung der ihr nach § 119 BAO obliegenden abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch das Nichterklären der Schweizer Kapitaleinkünfte eine Verkürzung von Abgaben bewirkt.
Streit besteht hingegen über die Erfüllung der subjektiven Tatseite, der vorsätzlichen Handlung.
Vorsätzliches Handels beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. VwGH 23.6.1992, 92/14/0036 oder VwGH 30.10.2003, 99/15/0098). Dabei genügt es - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. VwGH 25.4.1996, 95/16/0244; VwGH 19.2.2002, 98/14/0213 oder VwGH 9.9.2004, 99/15/0250). Die Abgabenbehörde muss dabei den Bestand der Tatsache nicht "im naturwissenschaftlichen-mathematisch exakten Sinn" nachweisen, wenn eine Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet (vgl. VwGH 23.2.1994, 92/15/0159).
„Bedingter Vorsatz“ (dolus eventualis), der eine Untergrenze des Vorsatzes darstellt, ist dann gegeben, wenn der Täter die Verwirklichung des Unrechtes des Sachverhaltes zwar nicht anstrebt, ja nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem Eintritt des verpönten Erfolges rechnet, dies jedoch für möglich hält, d.h. als naheliegend ansieht und einen solchen Erfolg hinzunehmen gewillt ist (VwGH 17. 12. 1992, 91/16/0133 und 0136, VwGH 26. 4. 1994, 93/14/0052 oder VwGH 28.06.1995, 94/16/0282, je m.w.N.).
Die Bf. wendet diesbezüglich zusammengefasst ein, dass ihr die Verwirklichung einer Abgabenhinterziehung aufgrund ihres Desinteresses an Geldangelegenheit gar nicht in den Sinn gekommen sei. Dies begründet sie damit, dass sie in Geldangelegenheiten stets ihrem im Jahr 2013 verstorbenen Ehegatten vertraut und sich nie selbst darum gekümmert habe; dass sie als Hausfrau nie mit Steuern in Berührung gekommen sei; dass sie mit Französisch als Muttersprache nicht in der Lage sei, die komplizierten steuerlichen Regelungen auf Deutsch zu verstehen und dass sie aufgrund des KESt-Abzuges in der Schweiz davon ausgehen konnte, dass „alles seine Richtigkeit“ habe.
Dass die Bf. aufgrund ihres Desinteresses an Steuerangelegenheiten gutgläubig der Auffassung gewesen wäre, die nicht unerheblichen Einkünfte aus den Schweizer Depots seien in Österreich nicht zu versteuern und müssten nicht einmal in den Steuererklärungen angegeben werden, ist realitätsfremd. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass Einkünfte jeder Art zu versteuern sind. Von diesem Kenntnisstand muss man sowohl bei einer Hausfrau als auch bei einer Französisch sprechenden Privatperson ausgehen. Selbst wenn in den 70er-Jahren dieses Bewusstsein hinsichtlich ausländischer Zinseinkünfte nicht gegeben gewesen sein sollte, hat das auf den Beschwerdefall keine Auswirkungen, weil hier ein Sachverhalt zu beurteilen ist, der sich ab 2003 abgespielt hat. Spätestens seit der öffentlichen Diskussion um die „Steuer-CD“ in Deutschland im Jänner 2006 (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Steuersünder-CD ) ist der Umstand, dass Erträge ausländischer Veranlagungen zu versteuern sind, in das allgemeine Bewusstsein gerückt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist auch regelmäßig anzunehmen, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfügt, von der potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge weiß.
Soweit die Bf. daher vorbringt, ihr sei die Steuerbarkeit und damit die Hinterziehung gar nicht bewusst gewesen, ist dem entgegen zu halten, dass diese Angaben realitätsfremd sind. Da die Bf. in der Lage war, sich um die Vermehrung ihres Vermögens zu kümmern, musste sie auch in der Lage sein, sich über die Versteuerung zu informieren.
Bereits das Unterlassung einer ihr nach ihren persönlichen Verhältnissen zumutbaren Erkundigung über die Versteuerung stellt ein Verschulden dar, das das Vorliegen eines entschuldbaren Irrtums ausschließt (VwGH 1.12.1972, 2072/71; VwGH 15.6.1973, 390/73).
Hinsichtlich der weiteren, einzeln angeführten Gründe für ihr fehlendes Unrechtsbewusstsein ist auszuführen:
Zur französischen Muttersprache:
Die Bf. lebt laut eigenen Angaben seit mehr als 50 Jahren in Österreich. Es entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens dass sich ihre Deutschkenntnisse angepasst an ihre Lebenssituation auf einem zumindest gehobenen Niveau befinden. Das wurde im Verfahren auch nicht bestritten. Bezüglich des Verständnisses des österreichischen Gesetzestextes befindet sie sich damit in derselben Lage wie jeder nicht fachkundige Österreicher deutscher Muttersprache.
Zum Vertrauen auf den Ehegatten:
Abgesehen davon, dass diese Angaben nicht überprüfbar sind, erscheint es unglaubwürdig, dass die Bf. ihre Geldangelegenheiten ihrem Gatten derart überlassen hätte, dass sie mit ihm nicht einmal darüber geredet hätte: Die Bf. hat laut eigenen Angaben eine in Großbritannien lebende Tochter. Es entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass Eltern sich auch um das finanzielle Fortkommen ihrer Kinder sorgen. Schon aus diesem Grund musste die Veranlagung des Geldes zur Sprache gekommen sein. Überdies steht aufgrund ihres Alters bzw. Krankheit (es wurde ja vorgebracht, dass die Bf. mit ihrem Alter und ihrer Krankheit beschäftigt war) die Frage der Pflegebetreuung im Raum. Dazu ist es uU erforderlich, auf Vermögen leicht zugreifen zu können, weshalb ein Befassen mit der Veranlagung des Vermögens notwendig ist. Dass dies der verstorbene Ehegatte ohne Wissen und Einbindung seiner Gattin eigenmächtig vorgenommen hätte, wurde ohnedies nicht behauptet. Daher kann das Vorbringen, dass die Bf. ihre Geldangelegenheiten gänzlich und ohne Überprüfung ihrem Gatten überlassen hätte, nur als Schutzbehauptung verstanden werden.
Zum Kümmern um Steuerangelegenheiten:
Bereits im Rahmen der Abwicklung der Erbschaften musste die Bf. mit einem berufsmäßigen Parteienvertreter zu tun gehabt haben, der der französischen Sprache mächtig ist. Dabei werden zwangsläufig auch steuerliche Fragen (Erbschaftsteuer, Einkommensteuererklärung des Verstorbenen etc.) angesprochen.
Im Hinblick auf die Größenordnung der Erbschaft (eine einkommenslose Person erbt ein Vermögen, das sie so gewinnbringend veranlagen kann, dass sie – erklärungsgemäß - monatliche Erträge in Höhe eines bescheidenen Erwerbseinkommens erzielt) erscheint es unglaubwürdig und weder im Einklang mit den Erfahrungen des täglichen Lebens noch mit logischen Denkgesetzen vereinbar, dass die Bf. seit dem Erbanfall nicht auch mit jemandem – ihrem Ehegatten oder einem steuerlichen Vertreter - über die aus dem geerbten Vermögen erwirtschafteten Einkünfte gesprochen hätte. Gerade im Zuge der Veranlagung des Vermögens stellen sich (auch) steuerliche Fragen. Bereits der Umstand, diese gänzlich unbeantwortet zu lassen bedeutet, dass man sich mit einer allfälligen Abgabenhinterziehung abgefunden hat.
Auch das gänzliche Außerachtlassen jedes Interesses an Geldangelegenheiten muss als Schutzbehauptung verstanden werden: Die Bf. hat ja das Vermögen nicht einfach auf einem Sparbuch „liegen gelassen“, sondern der Bank den Auftrag gegeben, das Geld „anzulegen“. Dabei hat es sie laut eigenen Angaben „gestört“, dass diese Veranlagung über die Bank2 in Zürich erfolgte. Daraus lässt sich schließen, dass sie sehr wohl ein „natürliches Interesse“ an ihrem Geld hatte.
Auch kann aus den üblicherweise versendeten Mitteilungen über den Fondserfolg und der den Schweizer Kontrollmitteilungen zu entnehmenden Reduktion des veranlagten Vermögens von einem Betrag von 617.132 Euro im Jahr 2002 auf 387.202 Euro im Jahr 2012 davon ausgegangen werden, dass ihr aufgrund der Mitteilungen sehr wohl bewusst war, dass sie mit ihrem Vermögen Einnahmen erzielt hat. Auch der Schluss, dass sie über das Vermögen verfügt hat, liegt aufgrund der erheblichen Reduktion nahe, zumal die Bf. in den betr. Jahren Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt hat.
Zur Versteuerung durch KESt-Abzug in der Schweiz:
Schließlich geht auch das Argument, die Bf. sei durch die Versteuerung in der Schweiz zu der Überzeugung gelangt, die Einkünfte würden in der Schweiz versteuert, ins Leere: Laut Erklärung hat die Bf. im Jahr 2003: 252,28 Euro anrechenbare Quellensteuer (bei Einkünften iHv 33.570,96 Euro das sind 0,75%), im Jahr 2004: 218,86 Euro (bei Einkünften iHv 21.652,74 Euro imAusmaß 0,4 bis 1,6% angegeben.
In Anbetracht des Vorliegens diverser ausländischer Einkunftsquellen (auch wenn diese nur von einer Bank veranlagt wurden) kann der Einwand, die Bf. sei rechtsirrigerweise davon ausgegangen, dass mit dem in der Schweiz erfolgten verschwindend geringen Quellensteuerabzug sämtliche Steuerpflichten erfüllt wären, nicht als ernsthaftes Vorbringen gewertet werden. Umso mehr als davon ausgegangen werden kann, dass die Bf. bereits aufgrund des beim österreichischen Bankkonto vorgenommenen KESt-Abzuges wissen musste, dass die österreichische (mit Endbesteuerungswirkung verbundene) Kapitalertragsteuer 25% beträgt. Die Ausführungen der Bf., dass eine 0,4 bis 1,6 %ige Abzugssteuer eine gleichartige Abgeltungswirkung haben kann, sind daher völlig unglaubwürdig und lebensfremd.
Zu den Erkenntnissen des VwGH/FG Münster
Die hier vorgenommene Würdigung entspricht den Aussagen des VwGH in den zitierten Erkenntnissen VwGH 28. 5. 1971, 433/70 und VwGH vom 28.06.1995, 94/16/0282 zum dolus eventualis und steht auch nicht in Widerspruch zum Erkenntnis des BFG 17.06.2015, RV/7101769/2015: In diesem Fall konnte die Bf. „auf Grund der ungewöhnlichen Familienstruktur keinen Einfluss auf die Veranlagung des Vermögens nehmen und war in dem Glauben, dass die Versteuerung der Erträge, die ihr in Form von monatlichen Zuwendungen ihrer Mutter zugeflossen sind, ordnungsgemäß erfolgt ist. Eine Überprüfung war für sie nicht möglich, weil die Depotauszüge an ihre Mutter übermittelt wurden und damit ihrer Kontrolle entzogen waren. Darüber hinaus gelangte der Senat zur Überzeugung, dass es der Bf. auf Grund ihrer schwierigen persönlichen Verhältnisse nicht möglich war, die erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um das Unrecht der Vorgangsweise erkennen zu können, und Erkundigungen einzuholen“. All das trifft auf die Bf. nicht zu, die zwar behauptet, ein Desinteresse an finanziellen Angelegenheiten zu haben, jedoch ihr Vermögen nicht in fremde Hände gegeben hat. Auch unterscheidet sich der vom FG Münster 5. 9. 2007, 1 K 1544/04 E zu entscheidende Fall vom Berufungsfall dadurch, dass die Kläger von der Bank hinsichtlich der Steuerpflicht (nachweislich) falsch informiert wurden und ist bereits deshalb nicht einschlägig.
Die Würdigung aller Sachverhaltselemente führt zu dem Schluss, dass die Bf. die Steuerverkürzung zwar nicht absichtlich, jedoch zumindest billigend in Kauf genommen hat. Allein aus dem Umstand, dass die Kapitalerträge von der Bf. gar nicht deklariert wurden, ist bereits ein bedingter Vorsatz durch fehlende Angaben anzunehmen, weil es realitätsfremd ist, dass ein in Mitteleuropa lebender Mensch - egal welcher Muttersprache - keine Ahnung von der Steuerpflicht von Einnahmen hat (in diesem Sinne auch BFG 11.09.2015 RV/2100695/2014).
Ein (entschuldbarer) Irrtum liegt deswegen nicht vor, weil die Bf. bei Anwendung der nach ihren Verhältnissen erforderlichen Sorgfaltspflicht entsprechende Erkundigungen hinsichtlich der Aufnahme der ausländischen Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuererklärung einholen hätte müssen, zumal ihr grundsätzlich die Steuerpflicht ausländischer Kapitaleinkünfte bekannt gewesen sei musste.
Somit ist der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinn des § 207 Abs. 2 BAO gegeben. Die Erlassung der angefochtenen Bescheide erfolgte innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist.
Die Beschwerde war diesbezüglich abzuweisen.
Verspätungszuschlag 2003 bis 2012
Verspätungszuschlagsbescheide (§ 135 BAO) sind abgeleitete Bescheide iSd § 252 Abs. 2 BAO (Ritz, BAO5, § 252 Tz 11). Soweit die Bf. daher in den gegen die angefochtenen Verspätungszuschlagsbescheide gerichteten Berufungen einwendet, dass die Stammabgaben unrichtigerweise festgesetzt worden seien, ist dieser Berufungsgrund schon auf Grund der Bestimmung des § 252 Abs. 2 BAO nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen.
Es ist unstrittig, dass die Bf. die die Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen 2003 bis 2012 nicht gewahrt hat. Die Abgabenbehörde ist damit berechtigt, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) aufzuerlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verspätung nur dann entschuldbar im Sinne des § 135 BAO ist, wenn dem Abgabepflichtigen ein Verschulden nicht zugerechnet werden kann, das heißt, wenn er die Versäumnis der Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Unter Fahrlässigkeit ist hier auch leichte Fahrlässigkeit zu verstehen. Auch ein ganz geringfügiges Verschulden (culpa levissima) rechtfertigt die Verhängung eines Verspätungszuschlags.
Jeder Abgabepflichtige hat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben jenes Maß an Sorgfalt anzuwenden, das von ihm objektiv nach den Umständen des Einzelfalls gefordert werden kann. Verletzt er nach diesen Maßstäben beurteilt die Verpflichtung, die Abgabenerklärungen rechtzeitig einzureichen, gilt die Säumnis als verschuldet. Erforderlichenfalls ist durch entsprechende organisatorische Maßnahmen für die rechtzeitige Erstellung der Abgabenerklärungen zu sorgen. Wenn dies nicht geschieht, liegt ein Mangel vor, der es ausschließt, derartige Unterlassungen als entschuldbar zu beurteilen.
Im Beschwerdefall hat die Bf. Unkenntnis eingewendet. (Gesetzes)unkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind aber nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde (Ritz, BAO 5, § 135 Tz 10 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).
In der Unterlassung einer entsprechenden, den Umständen und persönlichen Verhältnissen nach gebotenen oder zumindest zumutbaren Erkundigung bei Dritten (z.B. Abgabenbehörde oder einer gesetzlich zur Rechtsberatung zugelassenen Person oder hierfür eingerichteten Stelle) liegt ein Verschulden (z.B. VwGH 16.11.2004, 2002/17/0267 ).
Die Höhe des festgesetzten Verspätungszuschlages wiederum liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Bei der Ermessensübung nach § 135 BAO sind vor allem das Ausmaß der Fristüberschreitung, das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen (erstmalige oder mehrfache Säumnis), der Grad des Verschuldens und die Höhe des durch die verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils zu berücksichtigen (vgl. Ritz, BAO5, § 135 Tz. 13).
Im Beschwerdefall ist die Fristversäumnis erheblich: Die Einkommensteuererklärung 2003 wäre Ende April 2004 einzureichen gewesen. Die längste Fristversäumnis beträgt damit rund 9 ½ Jahre. Auch die Erklärung 2012 wäre bereits im März 2013 einzubringen gewesen womit auch die kürzeste Fristversäumnis ein halbes Jahr beträgt. Diese Fristversäumnis kann somit nicht als geringfügig angesehen werden.
Auch wurde die Bf. durch die jahrelange Nichtabgabe wiederholt säumig (auch in den bereits verjährten Veranlagungszeiträumen, denn seit ihren Erbschaften wurde niemals eine Erklärung eingereicht).
Zum Grad des Verschuldens wurde bereits im Zusammenhang mit der Verjährung darauf hingewiesen, dass dieser über den minderen Grad des Versehens hinausgeht.
Auch der finanzielle Vorteil liegt auf der Hand, hat die Bf. ja jahrelang gar keine Steuern bezahlt und so über den gesamten Wertzuwachs verfügen können. Finanzielle Vorteile aus einer verspäteten oder wie im vorliegenden Fall gänzlich unterlassenen Erklärungsabgabe sind nämlich nicht nur Zinsvorteile, sondern auch wirtschaftliche Vorteile aller Art zu verstehen, beispielsweise Liquidität (Stoll, BAO, 1534). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass wesentliche Teile der Erträge – wie vom steuerlichen Vertreter dargestellt – aus „schwarzen Fonds“ stammen und der so genannten Pauschalbesteuerung unterliegen: Es ist nämlich davon auszugehen, dass mit diesen Fonds auch tatsächlich Erträge erwirtschaftet wurden, ansonsten wäre es ja bereits aus diesem Grund zu einer Umschichtung gekommen.
Vom Finanzamt unberücksichtigt blieb jedoch der Umstand, dass die Bf. für die nicht entrichtete Einkommensteuer Anspruchszinsen zu zahlen hat. Bei der Ermessensübung darf für den Verspätungszuschlag die Höhe von Anspruchszinsen nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Im Allgemeinen wird bei der Vorschreibung von Verspätungszuschlägen nämlich zu berücksichtigen sein, dass der Zinsvorteil des Abgabepflichtigen bereits durch die Nachforderungszinsen abgeschöpft wird. Eine zweifache Berücksichtigung dieses Vorteils ist unzulässig (Ritz, SWK 2001, S 35 mit Hinweis auf Tipke/Kruse, AO, § 233 a Tz 82; ebenso Ritz, BAO5, § 135 Tz 13 mit Hinweis auf UFS 6.10.2008, RV/2366-W/06 und UFS 3.2.2010, RV/0302-L/08; ebenso Ellinger u.a., BAO, § 135 Anm 4; UFS 16.5.2007, RV/0065-L/03 oder BFG 25.06.2015, RV/5101376/2012).
Der Verspätungszuschlag ist in Prozentsätzen der Abgabe zu berechnen, während für die Höhe der Anspruchszinsen Prozentsätze pro Kalenderjahr maßgebend sind (vgl. Ritz in SWK 2010, S 35). Der (durchschnittliche) Prozentsatz der Aussetzungsszinsen kann daher allenfalls nur ein grober Anhaltspunkt für den zu wählenden Prozentsatz der Verspätungszuschlages sein, und dies auch nur dann, wenn die relevanten Zeiträume (Anspruchszinsenzeitraum und Verspätungszeitraum) sich decken. Dabei ist es aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich, den Betrag der festgesetzten Anspruchszinsen von einem – unter Außerachtlassung des Zinsvorteiles – bereits ermittelten Betrag eines Verspätungszuschlages in Abzug zu bringen (so allerdings UFS 3.2.2010, RV/0302-L/08). Die Höhe des durch eine verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils ist nämlich nur ein Ermessenskriterium, welches auch nicht streng mathematisch bei der Wahl des Prozentsatzes für den Verspätungszuschlag oder gar durch Abzug der Anspruchszinsen vom Verspätungszuschlag zur berücksichtigen ist.
Grundsätzlich wäre unter Berücksichtigung der außergewöhnlich langen Fristüberschreitung, des bisherigen steuerlichen Verhaltens und des Verschuldensgrades die Festsetzung eines Verspätungszuschlages in der maximalen Höhe gerechtfertigt. Da der finanzielle Vorteil für die Jahre 2003 bis 2011 durch die festgesetzten Anspruchszinsen bereits abgeschöpft wurde, ist der Verspätungszuschlag für diese Erklärungen mit 6% angemessen zu berechnen (vgl auch BFG 25.06.2015, RV/5101376/2012). Im Jahr 2012 wurden keine Anspruchszinsen vorgeschrieben, weshalb die Behörde in diesem Bescheid das Ermessen rechtsrichtig geübt hat, indem sie aufgrund der Fristüberschreitung, der wiederholten Fristversäumnis, des finanziellen Vorteils und der auffallenden Sorglosigkeit den Verspätungszuschlag im maximalen Ausmaß vorgeschrieben hat (ebenfalls 10% angemessen: zB UFS 6.11.2013, RV/3267-W/11 oder 18.02.2010, RV/0098-L/06).
Anspruchszinsen
Die Anspruchszinsenbescheide 2003 bis 2007 wurden mit der Begründung angefochten, die Vorschreibung sei unzulässig, weil die Vorschreibung der Einkommensteuer wegen Verjährung nicht möglich sei.
Mit Anspruchszinsen wird gem. § 205 BAO die Differenz von Einkommensteuer, die sich aus dem rechtswirksam erlassenen Jahresbescheid ergibt und entrichteten Vorauszahlungen bzw. bisher rechtswirksam festgesetzten Abgabenbeträgen, verzinst.
Anspruchszinsenbescheide sind damit an die Höhe der im Bescheidspruch der entsprechenden Einkommensteuerbescheide ausgewiesenen Nachforderungen gebunden. Zinsenbescheide setzen jedoch nicht die materielle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides, wohl aber einen solchen rechtswirksam erlassenen Bescheid voraus. Daher sind Anspruchszinsenbescheide auch nicht mit der Begründung anfechtbar, der Stammabgabenbescheid bzw. ein abgeänderter Bescheid wäre rechtswidrig.
Revision
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu der Frage zulässig, ob und in welcher Art und Weise Anspruchszinsen bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlages zu berücksichtigen sind. Dieser Rechtsfrage kommt eine, über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zu. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehlt und die Frage wurde vom Unabhängigen Finanzsenat nicht einheitlich beantwortet.
Graz, am 16. November 2015
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 28.01.1997, 96/14/0152 |