VwGH 98/14/0213

VwGH98/14/021319.2.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 23. September 1998, Zl. RV 82/1-7/95, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1991 bis 1993 sowie betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1991 bis 1993 (mitbeteiligte Partei: S M in K), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §184;
BAO §20;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §303 Abs4;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
BAO §184;
BAO §20;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §303 Abs4;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte betrieb in den Streitjahren ein Restaurant, dessen Gewinn sie durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelte.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1991 bis 1993 stellte der Prüfer fest, dass die Mitbeteiligte für Essen- und Getränkebestellungen Bonbücher verwendet und die von den Bonbüchern abgetrennten Bons, welche die Grundlage für die Abrechnung mit den Gästen gebildet hätten, nicht aufbewahrt habe. Weiters seien für die Jahre 1992 und 1993 Kalkulationsdifferenzen bei den Getränken festgestellt worden. Diese Kalkulationsdifferenzen hätten sich trotz Berücksichtigung umsatzmindernder Faktoren für Eigenverbrauch, Personalverpflegung, Werbung und Verbrauch in der Küche in Höhe von 90.000 S (1992) und 95.000 S (1993) ergeben. Eine noch höhere Berücksichtigung derartiger Faktoren stünde im Widerspruch zu den erklärten Werten für das Jahr 1991, für das keine Kalkulationsdifferenzen festgestellt worden seien, und ergäbe rund 30 % des Gesamteinsatzes, was 1991 nicht zugetroffen habe und auch den Erfahrungen in der Gastronomie widerspreche. Auf Grund der Betriebsstruktur (reines Speiselokal - drei Hauben) bedeuteten Differenzen bei den Getränkeerlösen auch Differenzen bei den Küchenerlösen, weil Getränkeerlöse nur in Verbindung mit Küchenerlösen (etwa im Verhältnis 1 : 2) anfielen. Aufgrund der Aufzeichnungsmängel (fehlende Bonbücher) erhöhte der Prüfer die für das Jahr 1991 erklärten Getränkeerlöse um einen Sicherheitszuschlag von 10.000 S und die erklärten Küchenerlöse um einen solchen von 20.000 S. Für die Jahre 1992 und 1993 wurden wegen der vom Prüfer als unaufgeklärt angesehenen Kalkulationsdifferenzen die Getränkeerlöse um 100.000 S bzw. 150.000 S und die Küchenerlöse um 200.000 S bzw. 300.000 S erhöht. Dementsprechend wurden auch die Gewinne um 30.000 S (1991), 300.000 S (1992) und 450.000 S (1993) angehoben.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO entsprechend geänderte Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1991 bis 1993.

Die Mitbeteiligte erhob Berufung sowohl gegen die Wiederaufnahme der Verfahren als auch gegen die Sachbescheide. Bei dem Gastronomiebetrieb der Mitbeteiligten handle es sich um ein Speiselokal mit drei Hauben nach Gault-Millau-Bewertung, welches nicht - wie dies der Prüfer gemacht habe - nach den allgemeinen Erfahrungen der Gastronomie beurteilt werden könne. Auch dürfe nicht auf den Verhältnissen des Jahres 1991 aufgebaut werden. Die Betriebsführung habe sich nämlich in den Jahren ab 1992 deswegen grundlegend geändert, weil dem Lokal im November 1991 die dritte Haube verliehen worden sei. Im Jahr 1991 habe es sogar Überlegungen gegeben, den Betrieb überhaupt einzustellen, nachdem das wirtschaftliche Ergebnis zur Jahresmitte äußerst negativ gewesen sei. Diese habe zur Folge gehabt, dass alle möglichen Sparmaßnahmen ergriffen worden seien, zumal auch die Hausbank nicht mehr bereit gewesen sei, eine weitere Finanzierung zu übernehmen. Durch die Verleihung der dritten Haube im November 1991 hätten sich die Anforderungen an den Betriebsablauf, das Service, die verwendeten Materialien und vor allem die angebotenen Getränke geändert.

Die Mitbeteiligte habe nach Beendigung der abgabenbehördlichen Prüfung begonnen, exakte Aufzeichnungen über den Eigenverbrauch, die Personalgetränke sowie Werbung und den Einsatz von Getränken in der Küche zu führen. Diese Aufzeichnungen zeigten, dass die von der Mitbeteiligten behaupteten Einsatzminderungen zutreffen würden. Bei Berücksichtigung der nunmehr durch Aufzeichnungen belegten Einsatzminderungen würde sich in analoger Anwendung auf die Jahre 1992 und 1993 kein kalkulatorischer Abgang bei den Getränken ergeben, sodass die Umsatzerhöhung für diese Jahre zu Unrecht erfolgt sei. Bezüglich der Umsatzerhöhungen für das Jahr 1991 bestritt die Mitbeteiligte die Feststellung des Prüfers, wonach die Bons Grundlage für die Rechnungserstellung gewesen seien. Vielmehr sei die Rechnungserstellung ausschließlich von der Mitbeteiligten selbst "beim Tisch bzw. an der Anrichte" im Speiselokal erfolgt. Die Bons seien aus der Küche nicht mehr zurückgereicht worden. Insgesamt erwiesen sich somit die Hinzuschätzungen des Prüfers als unberechtigt, was in der Folge auch der Wiederaufnahme den Boden entziehen müsse. Neben den unberechtigten Hinzuschätzungen habe der Prüfer nämlich lediglich Privatanteile für Telefon mit 3.000 S (1991) und für KFZ mit 10.000 S (1992) bzw. 20.000 S (1993) ausgeschieden. Da Privatanteile für Kraftfahrzeugkosten und Telefon bereits in den Steuererklärungen ausgeschieden worden seien, bilde der (höhere) Ansatz durch den Prüfer für sich genommen keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund.

In einem weiteren Schriftsatz wies die Mitbeteiligte u.a. darauf hin, dass sich im Jahr 1993 durch die Hinzuschätzung der Betriebsprüfung im Küchenbereich ein unrealistischer Rohaufschlag von ca. 332 % ergeben würde. Für den "Kellerbereich" sei zu bedenken, dass es sich bei den in der Mengenrechnung ausgewiesenen Verkaufspreisen um kalkulierte Verkaufspreise zum Jahresanfang gehandelt habe, die Preise jedoch während des Jahres abgeändert worden seien. Wareneinkäufe mit einem sehr hohen Einkaufspreis hätten mitunter nicht zu den gewünschten Verkaufspreisen geführt. Auch sei ein entsprechender Schwund anzusetzen, weil der Wein zum Großteil nicht als Flaschenwein verkauft, sondern auch als offener Wein glasweise ausgeschenkt worden seien. Die Aufzeichnungen der Umsatzminderungen für den Zeitraum vom 25. April bis 18. Juni 1995 hätten folgende Werte ergeben:

Wein für Küche 7.220 S (hochgerechneter Jahresbetrag 42.000 S),

Wein für Werbung 5.660 S (hochgerechneter Jahresbetrag 22.000 S).

An Eigenverbrauch sei ein Betrag von 2.458 S (hochgerechneter Jahresbetrag 15.000 S) und für Personalverpflegung ein Betrag von 3.740 S (hochgerechneter Jahresbetrag 22.000 S) ermittelt worden.

Unter Einbeziehung dieser Einsatzminderungen würden sich kalkulierte Umsätze ergeben, die nur unwesentlich von den erklärten abwichen. Unter Berücksichtigung des Schwundes verblieben keine Kalkulationsdifferenzen. Zur Frage des Schwundes wies die Mitbeteiligte darauf hin, dass "im Beobachtungszeitraum" beispielsweise zwei Flaschen zu einem Einkaufspreis von 1.300 S je Flasche verdorben seien.

Der Prüfer replizierte, dass entgegen der Darstellung der Mitbeteiligten die Bonbücher letztlich die Grundlage für die ausgestellten Rechnungen gebildet hätten, weshalb deren Fehlen die Behörde zur Schätzung berechtige. Die Behauptung der Mitbeteiligten, ab 1992 läge eine "ganz andere Betriebsführung" vor, welche sich auch auf die einsatzmindernden Faktoren niedergeschlagen habe, sei nicht nachvollziehbar. Dass die Mitbeteiligte in den Jahren 1992 und 1993 Wein und Spirituosen in der Küche in höherem Umfang verwendet habe als im Jahr 1991 erscheine unglaubwürdig. Lediglich im Bereich von Einladungen und Gratisgetränken könne eine Erhöhung stattgefunden haben, was bei der Kalkulation jedoch ohnedies berücksichtigt worden sei. Die Mitbeteiligte habe im Laufe der abgabenbehördlichen Prüfung ihre Angaben über den Verbrauch an Getränken zu Zwecken des Eigenverbrauchs und der Personalverpflegung unterschiedlich dargestellt. Der Prüfer könne die unterschiedlichen Werte laut Erklärung sowie laut Bekanntgabe im Zuge der Betriebsprüfung und bei der Schlussbesprechung sowie den Widerspruch zu den Ansätzen für 1991 mangels vorliegender Aufzeichnungen im Betrieb nicht nachvollziehen. Warum die Mitbeteiligte nunmehr den Rohaufschlagskoeffizienten für das Jahr 1993 von 4,0 auf 3,8 herabsetze, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Der Prüfer habe für die Jahre 1992 und 1993 ohnedies höhere Getränkeeinsatzminderungen berücksichtigt als von der Mitbeteiligten im Rahmen der Schlussbesprechung bekannt gegeben worden seien. Insgesamt seien Getränkeeinsatzminderungen in Höhe von 90.000 S (1992) und 95.000 S (1993) in Abzug gebracht worden. Unter Berücksichtigung eines Rohaufschlagskoeffizienten von 3,5 (1992) bzw. 4,0 (1993) ergäben sich bei den Getränken Kalkulationsdifferenzen (für das Jahr 1992 von 84.000 S und für 1993 von 162.000 S), welche die abgabenbehördliche Prüfung wegen des insgesamt gegebenen Schätzungscharakters der Kalkulation auf 100.000 S für 1992 bzw. 150.000 S für 1993 gerundet habe.

Mit Schreiben vom 1. September 1995 rügte die Mitbeteiligte, die abgabenbehördliche Prüfung habe lediglich Durchschnittsrohaufschläge ermittelt, was im gegenständlichen Fall problematisch sei, weil sich die Einkaufspreise der einzelnen Weinflaschen in sehr unterschiedlichen Höhen zwischen 90 S und 1.700 S bewegten. Die Änderung der Betriebsführung in den Jahren 1992 und 1993 gegenüber dem Jahr 1991 werde "deutlich", wenn man sich vor Augen halte, dass das Lokal im November 1991 mit der dritten Haube ausgezeichnet worden sei. Auch sei der Koch des Lokals im Jahr 1992 zum "Koch des Jahres" gewählt und dem Lokal im Herbst 1992 der 18. Punkt nach Gault-Millau verliehen worden. Diese beiden Auszeichnungen wären dem Lokal mit der gleichen Betriebsführung wie im Jahr 1991 niemals zuteil geworden. Der Betriebsprüfung seien die Rezepturen des Koches übergeben worden. Daraus wäre leicht zu erkennen gewesen, wie viel an Wein in der Küche Verwendung gefunden habe. Das Herabsetzen des Rohaufschlagskoeffizienten von 4,0 auf 3,8 in der Berufung sei damit zu erklären, dass eine nur oberflächliche Nachkalkulation einzelner Weinpreise ergeben habe, dass der Rohaufschlagskoeffizient von 4,0 durch die Betriebsprüfung jedenfalls zu hoch sei. Schwankungen des Rohaufschlages seien bei Lokalen vergleichbarer Art nicht ungewöhnlich, weil höherpreisige Weine oftmals je nach Jahrgang zu sehr unterschiedlichen Preisen eingekauft werden müssten und die Preise nicht immer an den Gast weitergegeben werden könnten.

Mit Stellungnahme vom 21. September 1995 erwiderte der Prüfer, er habe sich bei der Rohaufschlagsermittlung der vom Steuerberater vorgelegten Mengenrechnung bedient. Darin seien sämtliche Getränkeeinkäufe detailliert mit Einkaufsmenge, Einkaufspreis, Verkaufspreis und Gesamteinkaufspreis sowie den Soll-Verkaufserlösen erfasst gewesen. Damit habe sich eine weitere Rohaufschlagsermittlung durch Einzelverprobung erübrigt. Der Verwendung von alkoholischen Getränken im Küchenbereich sei dort Grenzen gesetzt, wo ein Mehreinsatz die Qualität nicht mehr verbessern könne. Dem Lokal sei auf Grund eines im Mai 1991 erfolgten Lokalbesuchs im November 1991 die dritte Haube nach Gault-Millau verliehen worden, was die hohe Qualität der Küche bereits im Jahr 1991 bestätige. Dies habe die Auszeichnung zum "Koch des Jahres 1992" zur Folge gehabt. Den nunmehr in Fotokopie vorgelegten Detailaufzeichnungen für den Zeitraum 25. April bis 18. Juni 1995 komme u.a. schon deshalb nur eine verminderte Aussagekraft zu, weil das Enddatum (18. 6. 1995) überschrieben worden sei.

Im Verlaufe des weiteren Verwaltungsverfahrens legte die Mitbeteiligte die Reservierungsbücher der Jahre 1991 bis 1993 vor. Die Reservierungsbücher würden Hinweise auf diverse Einladungen von Gästen enthalten. Unter zeitlicher Bezugnahme auf die Eintragungen in den Reservierungsbüchern wurden Aufstellungen über die Kosten dieser Einladungen (für 1991: 1.270 S; für 1992:

22.438 S und für 1993: 24.990 S) vorgelegt. Weiters wurde ergänzend vorgebracht, dass die "Küchenhinzuschätzungen" jedenfalls ungerechtfertigt seien, weil es in diesem Bereich keinerlei Kalkulationsdifferenzen gegeben habe.

In der mündlichen Berufungsverhandlung am 17. Juni 1998 erläuterte die Mitbeteiligte, bei den nicht aufbewahrten Unterlagen habe es sich nur um so genannte "Produktionszettel" gehandelt. Die Ausgangsrechnungen seien vollzählig aufbewahrt worden. Würde das Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung zutreffen, wäre es unerklärlich, weshalb die Mitbeteiligte hohe Schulden habe und deshalb das Lokal vor kurzem geschlossen worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung betreffend Wiederaufnahme der Verfahren Folge und wies die Berufung gegen die Sachbescheide als damit unzulässig geworden zurück. Die belangte Behörde bejahte die Schätzungsbefugnis, weil nach den Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung die von den Bonbüchern abgetrennten Bons, welche die Grundlage für die Rechnungserstellung gebildet hätten, nicht aufbewahrt worden seien. Die Mitbeteiligte habe im Berufungsverfahren Aufzeichnungen der Wareneinsatzminderungen für den Zeitraum 25. April bis 18. Juni 1995 vorgelegt. Hochgerechnet auf das ganze Jahr würden sich daraus Einsatzminderungen von zusammen 101.000 S ergeben. Die belangte Behörde halte es für zulässig, zur Ermittlung der Wareneinsatzminderungen der Jahre 1992 und 1993 mangels zeitnaher Aufschreibungen auf diese Unterlagen zurückzugreifen. Es gäbe keinen Grund, an der Richtigkeit dieser Aufzeichnungen zu zweifeln. Der Umstand, dass die Getränkekalkulation des Jahres 1991 bei Berücksichtigung von Wareneinsatzminderungen in Höhe von insgesamt rund 44.000 S bereits einen Überhang von rund 24.000 S ergebe, falle dabei nicht entscheidend ins Gewicht. Die Mitbeteiligte habe im Berufungsverfahren nämlich glaubhaft dargelegt, dass sich die Betriebsführung ab dem Jahr 1992 wesentlich geändert habe. Die Verleihung der dritten Haube sei Ansporn und Verpflichtung gewesen, den Qualitätsstandard weiter zu erhöhen, und zwar auch durch eine Umstellung der Küche hin zu mehr Speisen, bei deren Zubereitung Wein zu verwenden sei. Den stark gestiegenen Einsatz von Wein und weinähnlichen Getränken für Werbezwecke ab dem Jahr 1992 habe die Mitbeteiligte glaubhaft damit erklären können, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt erkannt habe, dass ein Haubenlokal nur mit einem entsprechenden Werbeaufwand betrieben werden könne. Die Richtigkeit dieses Werbeeinsatzes werde auch durch die im Berufungsverfahren vorgelegten Reservierungsbücher untermauert. Dass die darin festgehaltenen Beträge in Summe nicht mit jenen Beträgen übereingestimmt hätten, welche die Mitbeteiligte in ihrer während der abgabenbehördlichen Prüfung erstellten Kalkulation angesetzt hatte, habe die Mitbeteiligte glaubhaft damit zu erklären vermocht, dass ihre steuerliche Vertretung die Kalkulation erstellt habe, ohne die Reservierungsbücher durchzusehen. Hinsichtlich der Kalkulation der Getränkeerlöse des Jahres 1993 habe die Mitbeteiligte überzeugend dargelegt, dass eine Ermittlung des Rohaufschlagskoeffizienten auf Basis von Soll-Verkaufspreisen nicht zielführend sei "zumal die Ist-Verkaufspreise davon zum Teil abgewichen" seien. Angesichts des unstrittigen Rohaufschlagskoeffizienten für 1991 in Höhe von 3,5 erscheine es zulässig, für das Jahr 1993 von einem Rohaufschlagskoeffizienten von höchstens 3,8 auszugehen. Wenn man bei der Kalkulation der Getränkeerlöse der Jahre 1992 und 1993 Einsatzminderungen in der Höhe von jeweils 101.000 S berücksichtige und bei der Kalkulation für 1993 überdies einen Rohaufschlagskoeffizienten von (lediglich) 3,8 ansetze, verblieben keine ins Gewicht fallenden Kalkulationsdifferenzen. Auf Grund der fehlenden Grundaufzeichnungen sei es jedoch gerechtfertigt, wie vom Finanzamt für das Jahr 1991 gemacht, auch für die Jahre 1992 und 1993 Sicherheitszuschläge zu verhängen. "Dieser Mangel" rechtfertige keine höheren Sicherheitszuschläge als solche in Höhe von 40.000 S pro Jahr für den Getränke- und den Küchenbereich zusammengenommen. Dies entspreche im Durchschnitt rund 1 % der erklärten Erlöse. Ein Sicherheitszuschlag in dieser Höhe erscheine aber nicht ausreichend, um im Rahmen des Ermessens eine Wiederaufnahme zu rechtfertigen, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der weiteren Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung hinsichtlich der Personalzimmer und der Privatanteile.

Über die gegen diesen Bescheid vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der beschwerdeführende Präsident wendet sich gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, die vom Prüfer aufgezeigten Kalkulationsdifferenzen der Jahre 1992 und 1993 an Hand von Aufschreibungen über Wareneinsatzminderungen während des Zeitraumes vom 25. April bis 18. Juni 1995 als aufgeklärt anzusehen. Diese in Kenntnis der Ergebnisse einer abgabenbehördlichen Prüfung erstellten Aufschreibungen über Wareneinsatzminderungen seien keineswegs geeignet, Wareneinsatzminderungen der Vorjahre zu belegen. Selbst wenn diese Aufzeichnungen richtig sein sollten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Wareneinsatzminderungen bewusst hoch gehalten worden seien, um ein günstigeres Ergebnis im Berufungsverfahren zu erzielen. Zudem habe der Prüfer in seiner Stellungnahme zu Recht darauf hingewiesen, dass das Datum 18. Juni 1995 überschrieben worden sei, sodass den Aufschreibungen auch aus diesem Grund nur eine verminderte Aussagekraft zukommen könne.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es hiebei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die Beweiswürdigung muss den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1990, 87/14/0155).

Hievon ausgehend hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand. Zu Recht rügt der beschwerdeführende Präsident, dass die im Gefolge der abgabenbehördlichen Prüfung für einen kurzen Zeitraum des Jahres 1995 geführten Aufschreibungen über Wareneinsatzminderungen keine geeignete Grundlage darstellen können, die Verhältnisse der Jahre 1992 und 1993 auch nur einigermaßen verlässlich abzubilden. Zudem ist nicht erkennbar, dass die belangte Behörde in ihrer Auseinandersetzung mit diesen Aufschreibungen den Umstand berücksichtigt hätte, dass die Mitbeteiligte im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung zunächst selbst von einem wesentlich geringeren Betrag an Wareneinsatzminderungen ausgegangen war. Nicht unberechtigt erscheint weiters der Vorwurf des beschwerdeführenden Präsidenten, für eine ab dem Jahr 1992 eingetretene geänderte Betriebsführung (in Bezug auf die vermehrte Verwendung von Wein in der Küche) fehle es an einem plausiblen Anhaltspunkt, weil die Auszeichnung des Lokales gerade auf die im Jahr 1991 erbrachte Küchenleistung zurückgegangen sei. Dass sich ein erhöhter Weinverbrauch in der Küche mit geänderten Rezepturen im Zusammenhang mit einer neuen Angebotspalette und geänderten Bestellverhalten der Gäste erklären ließe, hat die belangte Behörde konkret nicht festgestellt. Solcherart erweist sich die unreflektierte Übernahme des diesbezüglichen (unbestimmt gebliebenen) Vorbringens der mitbeteiligten Partei im Verwaltungsverfahren als für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Zutreffend ist auch die Rüge des beschwerdeführenden Präsidenten, die belangte Behörde habe ohne hiefür eine schlüssige Begründung zu geben, den vom Prüfer (anhand der ihm von der mitbeteiligten Partei zur Verfügung gestellten Unterlagen) ermittelten Rohaufschlagskoeffizienten für das Jahr 1993 von 4,0 auf 3,8 herabgesetzt. Der von der belangten Behörde hiezu ohne nähere Erläuterung getroffenen Aussage, eine Ermittlung des Rohaufschlagskoeffizienten auf Basis von Soll-Verkaufspreisen sei nicht zielführend, kommt ein eigenständiger Begründungswert nicht zu. Weder wurden von der belangten Behörde Feststellungen darüber getroffen, dass aus den vorgelegten Getränkekarten im Jahresvergleich Preisreduzierungen hervorgegangen wären, noch ist es eine Erfahrungstatsache, dass die in Lokalen ausgepreisten Beträge den zahlenden Gästen (mitunter) nicht in voller Höhe verrechnet werden. Der bloße Umstand, dass sich aus den Unterlagen der mitbeteiligten Partei für die Vorjahre ein Rohaufschlagskoeffizient von lediglich 3,5 ergeben habe, vermag - worauf der beschwerdeführende Präsident zu Recht hinweist - den Ansatz eines Rohaufschlagskoeffizienten von 3,8 im Jahr 1993 nicht zu rechtfertigen. Zum einen wurde nämlich auch der Rohaufschlagskoeffizient für die Vorjahre durch Gegenüberstellung der Soll-Verkaufspreise und der Einkaufspreise ermittelt, zum anderen hat die mitbeteiligte Partei selbst wiederholt darauf hingewiesen, die Verleihung der dritten Haube habe dem von der Schließung bedrohten Lokal neuen Aufschwung gegeben, was die vom Prüfer festgestellte Erhöhung der Rohaufschläge plausibel erscheinen lässt.

Im Übrigen kann dem angefochtenen Bescheid auch nicht entnommen werden, dass die belangte Behörde von dem ihr nach § 303 Abs. 4 BAO eingeräumten Ermessen gesetzmäßig Gebrauch gemacht hat. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung, die Verfahren nicht wieder aufzunehmen, lediglich auf den Umstand, ein Sicherheitszuschlag von jährlich 40.000 S wäre als geringfügig zu bezeichnen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, sind auch Ermessensentscheidungen zu begründen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2000, 95/14/0094). Dabei werden der Sinn des Gesetzes sowie gemäß § 20 BAO Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe zu berücksichtigen und im Rahmen der Bescheidbegründung gegeneinander abzuwägen sein. Der angefochtene Bescheid enthält mit seinem bloßen Hinweis auf die Geringfügigkeit eines allfällig zu verhängenden Sicherheitszuschlages eine derartige Abwägung nicht. Zudem kann auch nicht gesagt werden, dass der im Beschwerdefall in Rede stehende Betrag von 40.000 S absolut gesehen als geringfügig zu betrachten sei.

Mit den aufgezeigten Begründungsmängeln hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Wien, am 19. Februar 2002

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