VwGH 99/15/0098

VwGH99/15/009830.10.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des W in M, vertreten durch Dr. Rudolf Gimborn, Dr. Fritz Wintersberger und Mag. Thomas Nitsch, Rechtsanwälte in 2340 Mödling, Bahnhofsplatz 1 A/9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom 23. März 1999, Zl. RV/017-06/09/99, betreffend Einkommensteuer 1987 bis 1991, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §147;
BAO §148;
BAO §207 Abs2;
BAO §209 Abs1;
FinStrG §33;
FinStrG §8 Abs1 idF 1975/335;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §98 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war bis zum 15. Oktober 1991 Buchhalter und Handlungsbevollmächtigter der L GmbH und auch für die L KG tätig. Er wurde entlassen, da er nach Ansicht des Geschäftsführers Andreas L Geld unterschlagen hatte. Es wurde auch Strafanzeige gegen ihn erstattet. Mit Schreiben vom 19. Dezember 1991 erstattete der Beschwerdeführer beim Finanzamt Selbstanzeige, weil er sich der Beihilfe zu den angeführten finanzstrafrechtlich relevanten Sachverhalten schuldig fühle, nicht jedoch, weil er sich persönlich bereichert oder persönliche Vorteile daraus gezogen habe.

Mit Urteil vom 16. Dezember 1994 des Landesgerichtes für Strafsachen wurde er von dem Verdacht der Untreue freigesprochen. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe zwar zugegeben, die ihm zur Last gelegten Malversationen begangen zu haben (Einlösung von Kundenschecks auf seinem Privatkonto, Manipulation der Lohnverrechnung), er habe sich aber verantwortet, dass dies keineswegs zu seinem eigenen Vorteil, sondern zum Vorteil des Geschäftsführers Andreas L und dessen Mutter, Gertrud L, geschehen sei. Er habe mit deren Wissen und Wollen die Privatentnahmen der Familie L buchhalterisch verschleiern wollen. Der Zeuge Andreas L habe diese Darstellung bestritten, und behauptet, der Beschwerdeführer, dem die Geschäftsgebarung völlig überlassen worden sei, habe die Vertrauensstellung zur eigenen Bereicherung ausgenützt. Ein Sachverständigengutachten habe jedoch die Aussage des Beschwerdeführers in wesentlichen Punkten als glaubwürdiger dargestellt als die des Zeugen Andreas L, was sich insbesondere auf ein "Privatkonto" des Beschwerdeführers bei der Sparkasse B beziehe, welches dazu gedient habe, Kundenschecks der L GmbH einzulösen. Mit diesem Konto sollte der in Zahlungsschwierigkeiten befindlichen Arbeitgeberin des Beschwerdeführers eine (zusätzliche) Kreditmöglichkeit zur Verfügung stehen, aber auch vermieden werden, dass durch die Einreichung von Kundenschecks auf den ohnehin bereits überzogenen Geschäftskonten der L GmbH über die Scheckbeträge nicht mehr verfügt werden könne. Andreas L sei darüber informiert und auch damit einverstanden gewesen. Tatsächlich seien über dieses Konto Kundenschecks in beträchtlicher Höhe eingelöst worden, was mit einer aufwändigen Verbuchungsweise verbunden gewesen sei. In den Kundenkonten der L GmbH habe die Begleichung der Forderung des Kunden (mittels Scheck) verbucht werden müssen. Wenn der Beschwerdeführer Mittel von diesem Konto seiner Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt habe, sei dies als Darlehen bzw Einlage auf einem Verrechnungskonto vermerkt worden. Die eingelösten Scheckbeträge wiederum hätten sich buchhalterisch als "Darlehensrückzahlungen" dargestellt. Der Freispruch vom Vorwurf der Veruntreuung erfolge, weil die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe alles abgezweigte Geld "für seine Chefleute" ausgegeben und mit deren Wissen gehandelt, nicht mit der im Strafverfahren nötigen Sicherheit widerlegt werden könne.

Es kam zu abgabenbehördlichen Prüfungen der L GmbH und der L KG, wobei ua festgestellt wurde, dass in der Buchhaltung der L KG ein Verrechnungskonto des Beschwerdeführers bestanden habe, das wirtschaftlich gesehen den Charakter eines Darlehenskontos gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe der L KG laufend Geldbeträge geborgt (wobei die Beträge von einem Bankkonto des Beschwerdeführers der Sparkasse B gestammt hätten). Die Rückzahlungen seien nach kurzer Zeit in Form von Schecks, die der Beschwerdeführer auf seinem Konto eingereicht habe, erfolgt. Das Verrechnungskonto habe folgende Entwicklung gezeigt:

 

31.12.1988: rund

S

168.000

zu Lasten des Beschwerdeführers

31.12.1989: rund

S

34.000

zu Gunsten des Beschwerdeführers

31.12.1990: rund

S

392.000

zu Lasten des Beschwerdeführers

31.12.1991: rund

S

226.000

zu Lasten des Beschwerdeführers

    

 

Die L KG sei somit zur Darlehensgeberin des Beschwerdeführers geworden, der sich das Darlehen selbst zugezählt habe. Da der Beschwerdeführer die dieser Gebarung zu Grunde liegenden Belege (Kassabelege) unterzeichnet und die Beträge nicht an seinen Dienstgeber refundiert habe, seien diese Gelder dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Als Absolvent der Handelsakademie und Buchhalter habe dieser über die Bedeutung des Verrechnungskontos und das Anwachsen eines Saldos zu seinen Ungunsten Bescheid wissen müssen. Diese Beträge seien als Vorteil aus dem Dienstverhältnis anzusehen und zu versteuern, wobei der zu Gunsten des Beschwerdeführers per 31. Dezember 1989 aushaftende Saldo in Höhe von S 34.000 als Minderung des per 31. Dezember 1988 aushaftenden Saldos zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt worden sei.

Das Konto bei der Sparkasse B sei vom Beschwerdeführer Ende 1984 - nach Angaben des Beschwerdeführers - mit Wissen und Wollen des Geschäftsführers Andreas L eröffnet worden, um dem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen zur Bargeldbeschaffung zu dienen. Der Beschwerdeführer habe sich eines Schreibens bedient, wonach die Kommanditistin Gertrud L der L KG den Beschwerdeführer berechtige, "die ausstehenden Kundenforderungen der L KG in unbeschränktem Umfang zu kassieren" sowie "Orderschecks mit Indossament zu versehen und sie sowohl über die Bankkonten der L KG als auch über seine Privatkonten einzulösen". Diese "Berechtigung" trage das Datum 12. November 1984. Die L KG sei jedoch erst mit 10. Februar 1987 gegründet worden. Da sich auch Gertrud L nicht erinnern könne, eine solche "Berechtigung" jemals unterschrieben zu haben, wurde sie vom Betriebsprüfer nicht anerkannt.

In der Niederschrift vom 29. April 1992 vor der Kriminalabteilung der niederösterreichischen Sicherheitsdirektion habe Sylvia O, Buchhalterin beim Steuerberater der L KG und der L GmbH, Uwe P, angegeben, dass der Beschwerdeführer sie auf ihr Vorhalten, dass einige Kundenforderungen schon länger offen seien, angewiesen habe, bestimmte offene Forderungen (und zwar gegenüber der P KG, der K GmbH, der W AG und der B GmbH) auf sein Verrechnungskonto zu buchen. Nach Aufforderung durch Uwe P habe der Beschwerdeführer diese Buchungsanweisung schriftlich erteilt. Durch diese Buchungsanweisung, durch die Aussage der Sylvia O und weil die Schecks, mit welchen diese Kundenforderungen von den Kunden der L KG bzw. L GmbH beglichen worden seien, auf dem vom Beschwerdeführer bei der Sparkasse B geführten Bankkonto eingelöst worden seien, sei der Geldzufluss an den Beschwerdeführer nachgewiesen.

Hinsichtlich einer Forderung gegenüber Ing. Franz B wurde vom Prüfer festgestellt, dass dieser einen Verrechnungsscheck über rund S 30.000 ausgestellt habe, der vom Beschwerdeführer giriert und über die Volksbank M eingezogen worden sei. In der Buchhaltung der L GmbH sei dieser Zahlungseingang nicht verbucht, sondern die Forderung als Schadensfall behandelt worden. Es gebe keine Buchungsanweisung hinsichtlich des Verrechnungskontos des Beschwerdeführers. Die Einlösung sei jedoch nicht über das Konto bei der Sparkasse B erfolgt, sondern über ein dem Beschwerdeführer gehörendes Bankkonto, sodass die Zuordnung dieses Betrages an den Beschwerdeführer schon aus diesem Grunde bewiesen sei.

Weiters seien Rechnungen an die K AG und die Peter K & Co bar zu Handen des Beschwerdeführers bezahlt worden. Diese Zahlungen seien jedoch nicht als Kassaeingang verbucht worden. Daher rechnete der Prüfer dem Beschwerdeführer auch diese Zahlungen als Vorteil aus dem Dienstverhältnis zu.

Insgesamt seien dem Beschwerdeführer die von ihm vereinnahmten und nicht weitergeleiteten Zahlungen aus Kundenforderungen in Höhe von rund S 27.000 (1987), S 85.000 (1988), S 214.000 (1989) und S 73.000 (1991) zuzurechnen.

Am 22. Dezember 1997 erließ das Finanzamt einen den Beschwerdeführer betreffenden Prüfungs- und Nachschauauftrag gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG, der dem Beschwerdeführer am 9. Februar 1998 zur Kenntnis gebracht wurde, wobei dieser die Unterschrift verweigerte. Am selben Tag wurde dem Beschwerdeführer eine Niederschrift über die Schlussbesprechung überreicht. Auch hier verweigerte dieser seine Unterschrift.

Der mit 27. März 1998 datierte Bericht des Prüfers über den Beschwerdeführer enthielt im Wesentlichen die Feststellungen des Berichtes des Prüfers betreffend die L GmbH und die L KG.

Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1987 bis 1991.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in welcher er den Eintritt der Verjährung geltend machte und vorbrachte, die Bescheide enthielten keine Feststellungen, dass Abgaben vorsätzlich hinterzogen worden seien. Weiters wurde ausgeführt, dass ein Gerichtsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen "Unterschlagung" mit Freispruch beendet worden sei, weil dieser glaubhaft gemacht habe, dem Geschäftsführer Andreas L Darlehen gewährt zu haben, sodass - selbst wenn dem Beschwerdeführer Gelder zugeflossen wären - diese zur Abdeckung der Darlehen hätten verwendet werden dürfen. Aus einem Gutachten im genannten Gerichtsverfahren gehe hervor, dass aus der Buchhaltung und den Kontenbewegungen der Zufluss der Beträge an den Beschwerdeführer nicht nachgewiesen werden könne.

Weiters wurde ausgeführt, dem Abgabepflichtigen sei der Prüfungsauftrag am 9. Februar 1998 um 14.00 Uhr überreicht worden. Am selben Tag sei das Verfahren mittels Niederschrift zur Schlussbesprechung beendet worden. Dem Beschwerdeführer sei somit keine Zeit zur Verfügung gestanden, um seine Rechte zu wahren und den Sachverhalt aus seiner Sicht darzustellen. Deshalb habe er die Unterschriften verweigert.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, die Berufungsbehauptung, der Beschwerdeführer hätte dem Geschäftsführer Andreas L Geld geborgt, sei unrichtig und werde durch folgende Beweise widerlegt:

Andreas L habe vor der Sicherheitsdirektion für Niederösterreich ausgesagt, er habe den Beschwerdeführer nie um Darlehen im größeren Ausmaß ersucht. Er könne jedoch nicht ausschließen, dass der Beschwerdeführer fallweise geringe Darlehen der Firma L gewährt und sich diese selbstständig wieder zurückgeholt habe. Wie der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien ausgeführt habe, sei Andreas L hinsichtlich des Girokontos bei der Sparkasse B nicht zeichnungsberechtigt gewesen. Der Beschwerdeführer sei hingegen für sämtliche bei Banken geführten Firmenkonten zeichnungsberechtigt gewesen. Er habe sich auch Blankowechsel mit Blankounterschriften ausstellen lassen. Im vom Beschwerdeführer angeführten Sachverständigengutachten sei unberücksichtigt geblieben, dass Andreas L bei der Firmenübernahme rund 22 Jahre alt gewesen sei und die Meisterprüfung im Galvanisierungs- und Metallschleifergewerbe habe nachholen müssen. Der Beschwerdeführer sei damals schon 10 Jahre in der Firma gewesen und habe sich um alle kaufmännischen Angelegenheiten gekümmert. Nach der glaubwürdigen Aussage des Steuerberaters Uwe P habe dieser den Eindruck gehabt, dass der Beschwerdeführer die buchhalterischen und kaufmännischen Angelegenheiten von Andreas L habe fernhalten wollen. Der Gutachter gehe davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls um keine geheime Gebarung gehandelt habe. Dem stünden Gepflogenheiten wie Blankounterschriften entgegen sowie, dass sich der Beschwerdeführer zB im Kreditantrag an die Sparkasse B vom 4. November 1985 als Prokurist der Firma L bezeichnet und als solcher unterschrieben habe, obwohl er mit einer Prokura nicht ausgestattet gewesen sei. Er habe sich auch bei der Prolongation dieses Kreditkontos 1990 als Prokurist der L OHG ausgewiesen. Die Gehaltsbestätigung 1985, unterschrieben von Andreas L, führe ihn jedoch nur als Buchhalter an. Der Beschwerdeführer habe bei der Sparkasse B einen Kredit über S 100.000 zum Zwecke einer Geschäftseröffnung beantragt und dabei angegeben, er habe bis 30. November 1991 bei der L KG gearbeitet, obwohl er mit 15. Oktober 1991 fristlos entlassen worden sei. Nach Aussage des Uwe P vor der Sicherheitsdirektion für Niederösterreich am 19. Mai 1992 habe der Beschwerdeführer zum Verrechnungskonto, welches durch seine Buchungsanweisung eine Erhöhung um rund S 300.000 erfahren habe, gemeint, es müsste doch möglich sein, den Kontobetrag auf einmal oder in Teilbeträgen auf Lohnaufwand umzubuchen und damit zum Verschwinden zu bringen, da ja bereits Lohnsteuer- und Sozialversicherungsprüfungen stattgefunden hätten und daher kaum mit einer Aufdeckung zu rechnen wäre. Der Beschwerdeführer habe in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien auch ausgesagt, Andreas L habe ihm die GmbH überschreiben und dann mit dieser in Konkurs gehen wollen. Der Steuerberater Uwe P habe dazu ausgesagt, er habe am 25. September 1991 über Aufforderung des Beschwerdeführers die L GmbH besucht, wo ihm mitgeteilt worden sei, es sei wegen eines aushaftenden Steuerrückstandes von S 2 Mio beabsichtigt, die Anteile der L GmbH sowie die Geschäftsführung derselben dem Beschwerdeführer zu übertragen. Andreas L solle als Geschäftsführer ausscheiden und der Beschwerdeführer sollte nach einiger Zeit ein Insolvenzverfahren einleiten, um damit eine Entschuldung der L GmbH herbeizuführen und Andreas L vor allfälligen Folgen eines Insolvenzverfahrens unter seiner Geschäftsführung zu schützen. Er habe damals diese Vorgangsweise als betrügerische Krida abgelehnt.

Der Beschwerdeführer habe die auf dem Verrechnungskonto verbuchten Kassaausgänge unterschrieben und die Bedeutung des Verrechungskontos sei ihm als mit dem Rechungswesen betrauten Handelsakademieabsolventen bekannt gewesen. Der Beschwerdeführer bestreite zwar, das Geld für sich behalten zu haben, sage jedoch nicht, wem genau welche Beträge zugeflossen seien. Da der Beweis für die Zurechnung allein durch das Bestehen dieses Verrechnungskontos und die unterschriebenen Kassaausgangsbelege erbracht worden seien, obliege es dem Beschwerdeführer, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Geld an jemand anderen weitergegeben worden sei bzw. erst gar nicht in seine Hände gelangt sei. Einen solchen Beweis habe der Beschwerdeführer nicht erbringen können. Dem vom Beschwerdeführer zitierten Sachverständigengutachten lasse sich auch nicht entnehmen, dass dem Beschwerdeführer aus der Buchhaltung und den Kontenbewegungen der Zufluss der strittigen Beträge nicht nachgewiesen werden könne. Vielmehr sei diesem zu entnehmen, dass die strittigen Geldflüsse an sich feststünden (Seite 90, zweiter Absatz des Gutachtens).

Die Zuordnung der Geldflüsse lasse sich aus dem Aufwand des Beschwerdeführers schätzungsweise feststellen:

Der Beschwerdeführer habe in diesen Jahren monatlich zwischen S 18.000 und S 25.000 netto verdient. Bei einem arithmetischen Mittel von S 21.500 netto habe er rund S 300.000 jährlich, das seien über den gesamten Zeitraum von 1985 bis zu seiner Entlassung S 1,8 Mio, verdient. Nach den Berufungsausführungen habe er aus dem Jahreseinkommen von rund S 300.000 jährlich zwischen 1988 und 1990 S 400.000 an Schwarzzahlungen für nicht gemeldete Dienstnehmer bezahlt, jährlich seiner Gattin S 70.000 bezahlen müssen, 1990 habe er Andreas L S 140.000 (oder S 275.000, wie in der Berufung angeführt) borgen müssen, 1991 eine Finanzstrafe für die Nichtentrichtung von so genannten Automatikangaben entrichtet und über Weisung des Geschäftsführers Andreas L eine Rechnung in Höhe von S 98.000 bezahlt.

Andreas L habe bei der L KG so viel wie der Beschwerdeführer verdient. Zusätzlich habe er noch Privatentnahmen getätigt, einen Firmenwagen und eine Firmenwohnung besessen. Daraus ergebe sich, dass die Verantwortung des Beschwerdeführers, er hätte die L KG finanziell unterstützen müssen, unglaubwürdig sei. Der Beschwerdeführer habe auch nicht erklären können, weshalb ein fingierter Lohnaufwand von rund einer Dreiviertelmillion Schilling gebucht worden sei, wenn ohnehin ein tatsächlicher Betriebsaufwand vorgelegen sei. Daraus ergebe sich die Richtigkeit der Zurechnung der von der Betriebsprüfung festgestellten Beträge an den Beschwerdeführer.

In dem genannten Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien, in welchem der Beschwerdeführer gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden sei, sei ein deliktisches Verhalten des Beschwerdeführers im Sinne des Strafgesetzbuches beurteilt worden, welches von dem steuerlichen (auch wenn vorsätzlich begangenen) zu unterscheiden ist. Die im Bericht des Prüfers dargestellte Nichtversteuerung der Geldflüsse an den Beschwerdeführer sei substanziiert begründet worden, sodass von einer Abgabenhinterziehung und damit von einer zehnjährigen Verjährungsfrist auszugehen gewesen sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei der Einkommensteuer fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre. Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabenpflicht knüpft.

Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1992, 92/14/0036).

Die belangte Behörde begnügte sich in der Begründung für ihre Folgerung, dem Beschwerdeführer sei bei der in Rede stehenden Verkürzung von Einkommensteuer für 1987 bis 1991 Vorsatz anzulasten, mit einem Verweis auf die Ausführungen des Prüfers, mit denen die Nichtversteuerung der in Rede stehenden Geldflüsse an den Beschwerdeführer substanziiert begründet worden sei. Diesem Bericht sind allerdings lediglich Ausführungen zur Abgabenverkürzung, nicht jedoch zu einem vorsätzlichen Handeln des Beschwerdeführers zu entnehmen. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Die belangte Behörde hat keine sachverhaltsbezogenen Umstände festgestellt, aus denen sie auf ein solches Wissen und Wollen des Beschwerdeführers geschlossen hat. Der angefochtene Bescheid war daher nur unter Zugrundelegung der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO zu prüfen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1999, 98/15/0081, mwN).

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen. Unterbrechungshandlungen müssen aus dem Bereich der Behörde heraustreten, nach außen erkennbar werden und aus den Akten nachweisbar sein; auf die Kenntnisnahme durch den Abgabepflichtigen kommt es nicht an (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1992, 92/14/0036).

Die abgabenbehördliche Prüfung bei der L GmbH und der L KG konnte - abgesehen davon, dass dem Bescheid nicht zu entnehmen ist, wann diese Prüfungen konkret durchgeführt wurden - die Unterbrechung der Verjährung der Abgaben des Beschwerdeführers nicht bewirken, weil diese Abgaben nicht Gegenstand der genannten Prüfungen waren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. April 1984, 82/13/0050). Die in der Gegenschrift angeführte Selbstanzeige des Beschwerdeführers beim Finanzamt, die Aussagen des Steuerberaters Uwe P und seiner Buchhalterin Sylvia O vor der Sicherheitsdirektion Niederösterreich sowie die Ankündigung der Betriebsprüfung vom 22. Dezember 1997 stellen keine tauglichen Unterbrechungshandlungen dar. Dem angefochtenen Bescheid ist nämlich zu entnehmen, dass die Selbstanzeige lediglich in einem Schreiben des Beschwerdeführers an das Finanzamt bestand und somit keine Amtshandlung der Abgabenbehörde darstellte. Die Einvernahmen der Zeugen Uwe P und Sylvia O im Mai bzw. April 1992 durch die Kriminalabteilung der niederösterreichischen Sicherheitsdirektion fanden im Zuge der Erhebungen zum Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Untreue statt und stellten daher auch keine Handlung zur Feststellung oder Geltendmachung des Abgabenanspruchs durch die Abgabenbehörde dar. Was die Ankündigung der Betriebsprüfung vom 22. Dezember 1997 betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass - abgesehen davon, dass die bloße Ausstellung des Prüfungsauftrages die Verjährung noch nicht unterbricht - die Verjährungsfrist von fünf Jahren für die Einkommensteuer 1987 bis 1991 mangels einer Unterbrechung bereits mit Ende der Jahre 1992 bis 1996 abgelaufen war. 1997 oder später gesetzte Amtshandlungen der Abgabenbehörde konnten somit keine Unterbrechung bewirken.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Oktober 2003

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