VwGH Ro 2018/12/0017

VwGHRo 2018/12/001710.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Mag. G K in K, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. August 2018, Zl. W129 2167560- 1/5E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Entschädigung gemäß § 18a B-GlBG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Bundesfinanzgerichts), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1
AVG §6
B-GlBG 1993 §18a
B-GlBG 1993 §20 Abs3 idF 2012/I/120
B-GlBG 1993 §20 Abs5 idF 2013/I/210
B-VG Art130 Abs1 Z3
DVG 1984 §2 Abs5
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §16 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §8 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018120017.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht als Beamter in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Großbetriebsprüfung, wo er als Betriebsprüfer tätig ist.

2 Mit Schreiben vom 20. Dezember 2013 bewarb sich der Revisionswerber um die Planstelle eines Richters beim Bundesfinanzgericht. Er wurde in einen Besetzungsvorschlag des Personalsenates des Bundesfinanzgerichts als Zweitgereihter aufgenommen. In der Folge wurden die in den für vier Planstellen erstatteten Besetzungsvorschlägen jeweils Erstgereihten vom Bundespräsidenten gemäß Art. 134 Abs. 3 B-VG zu sonstigen Mitgliedern des Bundesfinanzgerichts ernannt.

3 Mit einem an das Bundesfinanzgericht gerichteten Schreiben vom 19. Juli 2016 beantragte der Revisionswerber die Zuerkennung einer Entschädigung gemäß § 18a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG), BGBl. Nr. 100/1993. Dieser Antrag blieb unerledigt.

4 Mit Eingabe vom 19. Mai 2017 (eingelangt beim Bundesfinanzgericht am 23. Mai 2017) erhob der Revisionswerber Säumnisbeschwerde, wobei er als belangte Behörde die Präsidentin des Bundesfinanzgerichtes anführte. In weiterer Folge leitete die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde - ausgehend von einer Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen - den Antrag des Revisionswerbers vom 19. Juli 2016 gemäß § 6 AVG an das Bundesministerium für Finanzen weiter.

5 Am 14. August 2017 langte die Säumnisbeschwerde unter Anschluss der Akten beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6 Dieses wies mit dem angefochtenen Erkenntnis den Antrag des Revisionswerbers vom 19. Juli 2016 zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

7 Begründend hielt das Gericht fest, der berechtigten Säumnisbeschwerde des Revisionswerbers sei (ohne darüber gesondert abzusprechen) "faktisch" stattzugeben gewesen. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde habe nicht fristgerecht entschieden. Aus näher genannten Gründen sei die Präsidentin des Bundesfinanzgerichts zur Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag auch nicht zuständig, weshalb der Antrag des Revisionswerbers vom 19. Juli 2016 durch das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen sei. Zuständig für die Erledigung des in Rede stehenden Antrags sei der Bundesminister für Finanzen. Dies entspreche zudem der Rechtsansicht des "Bundesfinanzgerichts", welches den Antrag vom 19. Juli 2016 an das Bundesministerium für Finanzen weitergeleitet habe.

8 Zur Zulässigkeit führte das Gericht aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob die Präsidentin des Bundesfinanzgerichts für die Entscheidung über einen auf § 18a B-GlBG gestützten Entschädigungsanspruch eines Beamten zuständig sei, der sich um eine Stelle als Richter beim Bundesfinanzgericht beworben habe.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, das angefochtene Erkenntnis aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

10 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision in Ergänzung der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts u. a. geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei gemäß § 6 AVG zur Weiterleitung des Antrags an die (nach Ansicht des Gerichts) zuständige Behörde verpflichtet gewesen und habe rechtswidriger Weise den Antrag des Revisionswerbers vom 19. Juli 2016 zurückgewiesen.

11 Die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde übermittelte eine Stellungnahme, in der sie mitteilte, dass ihrer Ansicht nach die Revision zurückzuweisen, hilfsweise abzuweisen sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Die Revision erweist jedenfalls aus dem letztgenannten

Grund als zulässig; sie ist auch berechtigt.

13 § 20 Abs. 3 und Abs. 5 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-

GlBG), BGBl. Nr. 100/1993 (Abs. 3 in der Fassung

BGBl. I Nr. 120/2012; Abs. 5 in der Fassung BGBl. I Nr. 210/2013),

lautet:

"§ 20. ...

(3) Ansprüche von Beamtinnen oder Beamten gegenüber dem Bund nach § 18a sind binnen sechs Monaten mit Antrag bei der Dienstbehörde geltend zu machen, die die Bewerbung oder Beförderung abgelehnt hat. Die Frist für die Geltendmachung des Anspruches nach § 18a beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Beamtin oder der Beamte Kenntnis von der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung erlangt hat. ...

(5) Die Zuständigkeit der Dienstbehörden in Verfahren über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch Beamtinnen oder Beamte richtet sich nach dem Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, BGBl. Nr. 29/1984, und den dazu ergangenen Verordnungen...."

14 Vorauszuschicken ist, dass im Hinblick auf den vorliegenden auf § 18a B-GlBG gestützten Antrag des Revisionswerbers vom 19. Juli 2016 keine Zweifel an der Unzuständigkeit der Präsidentin des Bundesfinanzgerichts bestehen. Auf diesen Antrag ist § 20 Abs. 3 erster Satz B-GlBG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2012 anzuwenden (zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Antragstellung siehe VwGH 16.9.2013, 2013/12/0097).

15 Der Revisionswerber wurde in einen Besetzungsvorschlag des Personalsenates des Bundesfinanzgerichtes als Zweitgereihter aufgenommen. Es ist bei dieser Sachlage ausgeschlossen, dass die Präsidentin des Bundesfinanzgerichts die Dienstbehörde wäre, "die die Bewerbung oder Beförderung abgelehnt hat". Die Ablehnung der Bewerbung des Revisionswerbers erfolgte im Ergebnis dadurch, dass andere Bewerberinnen und/oder Bewerber durch - diesbezügliche Entschließungen des Bundespräsidenten intimierende - Bescheide des zuständigen obersten Organes ernannt wurden. Eine solche Ernennung impliziert auch die Ablehnung aller anderen Bewerberinnen und Bewerber (vgl. VwGH 16.9.2013, 2013/12/0097).

16 Selbst wenn man aber die Ansicht verträte, es wäre eine Zuständigkeit nach § 20 Abs. 5 B-GlBG zu prüfen, käme eine auf diese Bestimmung in Verbindung mit § 2 Abs. 5 zweiter Satz DVG gestützte Zuständigkeit der Präsidentin des Bundesfinanzgerichts nicht in Betracht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. September 2013, 2013/12/0097, festgehalten hat, spielt § 2 Abs. 5 zweiter Satz DVG für die Ermittlung der für die Entscheidung über Ansprüche nach § 18a B-GlBG zuständigen Dienstbehörde schon deshalb keine Rolle, weil der dort enthaltene Halbsatz "sofern es sich um die Begründung eines Dienstverhältnisses handelt" unzweifelhaft auf die als Hauptfrage zu entscheidende "Sache" des Verwaltungsverfahrens abstellt. "Sache" des Antrages des Revisionswerbers vom 19. Juli 2016 ist nicht dessen Ernennung zum Richter des Bundesfinanzgerichts, sondern vielmehr ein auf § 18a B-GlBG gestützter Schadenersatzanspruch infolge behaupteter Altersdiskriminierung im Zuge eines Bewerbungsverfahrens.

17 Es bestehen daher keine Zweifel daran, dass die Verneinung der Zuständigkeit der Präsidentin des Bundesfinanzgerichts zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag im Einklang mit der Rechtslage steht. Dessen ungeachtet erweist sich die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags aus folgenden Gründen als rechtswidrig:

18 Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) dient dem Rechtsschutz wegen Säumnis der Behörden. Zweck dieses Rechtsbehelfes ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in seiner Sache zu erlangen (VwGH 27.5.2015, Ra 2015/19/0075). Die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde setzt die Säumnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde voraus, deren Entscheidungspflicht geltend gemacht wird, und somit die Verpflichtung dieser Behörde, über den bei ihr eingebrachten Antrag mittels Bescheid zu entscheiden (siehe VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026; VfGH 2.7.2015, E 657/2015). Fehlt es an der Säumnis der Behörde, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen (zur Säumnis als Prozessvoraussetzung siehe VwGH 23.8.2017, Ra 2017/11/0150).

19 Nur bei Vorliegen einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde erfolgt nach Vorlage derselben oder nach ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG ein Übergang der Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht (VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001; 20.12.2016, Ro 2015/01/0010). Die Entscheidungspflicht trifft im Anwendungsbereich der amtswegigen Überweisungspflicht nach § 6 AVG nur die sachlich zuständige Behörde. Die Verletzung der Pflicht zur Weiterleitung gemäß § 6 AVG stellt keine Verletzung der Entscheidungspflicht dar (zu einer gemäß § 27 VwGG in der Fassung vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 erhobenen Säumnisbeschwerde VwGH 25.5.2007, 2007/12/0068; 15.4.2005, 2005/12/0063; in Erledigung eines im Wege der Säumnisbeschwerde anhängig gewordenen Devolutionsantrages VwGH 9.11.2004, 2002/05/1525).

20 Somit war ausgehend von der zutreffenden Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach keine sachliche Zuständigkeit der Präsidentin des Bundesfinanzgerichts zur Entscheidung über den Antrag des Revisionswerbers bestand, diese Behörde lediglich zur Weiterleitung des Antrags (und nicht auch zum bescheidmäßigen Abspruch über diesen Antrag) verpflichtet.

21 Eine Fallkonstellation, in der über die Frage der Zuständigkeit ausnahmsweise bescheidmäßig - durch Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages - abzusprechen wäre, liegt nicht vor. Es bestehen weder berechtigte Zweifel an der (offenkundigen) Unzuständigkeit der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde noch hat der Revisionswerber auf einer Zuständigkeitsentscheidung durch die Präsidentin des Bundesfinanzgerichts "beharrt" (betreffend die Geltendmachung der Verletzung der Entscheidungspflicht, welche einen Antrag auf Zuständigkeitsentscheidung nicht ersetzt VwGH 21.5.1991, 91/12/0034). Ebenso war der verfahrenseinleitende Antrag nicht etwa deshalb von der Präsidentin des Bundesfinanzgerichts zurückzuweisen, weil für das Anbringen keine (andere) Behörde zuständig ist (zu einer solchen Konstellation siehe VwGH 18.5.2018, Ra 2017/02/0029).

22 Aus den genannten Gründen war schon mangels Säumnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde ein Übergang der Zuständigkeit auf das Verwaltungsgericht zur Entscheidung über den Antrag vom 19. Juli 2016 ausgeschlossen (vgl. zur Auslösung der in § 8 Abs. 1 VwGVG festgelegten Frist erst durch Einlangen des Antrags bei der zuständigen Behörde Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Ergänzungsband, § 8 VwGVG Rn 19; siehe in diesem Zusammenhang auch VwGH 6.6.1990, 90/12/0114). Daher bestand auch keine Rechtsgrundlage für eine Zurückweisung des in Rede stehenden Antrags durch das Bundesverwaltungsgericht. Indes wäre mangels Säumnis der Präsidentin des Bundesfinanzgerichts die Säumnisbeschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen gewesen.

23 Vor diesem Hintergrund ist daher auch nicht weiter auf die Frage einzugehen, ob - ungeachtet der Frage der sachlichen Zuständigkeit der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde - ein Zuständigkeitsübergang auf das Verwaltungsgericht schon deshalb nicht in Betracht kam, weil die Behörde bereits vor Ablauf der in § 16 Abs. 1 VwGVG normierten Frist und vor Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht (somit vor Übergang der Zuständigkeit auf das Bundesverwaltungsgericht) den verfahrenseinleitenden Antrag gemäß § 6 AVG an den Bundesminister für Finanzen weitergeleitet hatte (zum Wegfall der Entscheidungspflicht durch Weiterleitung, unabhängig davon, ob diese zu Recht erfolgte, siehe VwGH 17.2.2015, Ra 2015/01/0022; VwGH 24.4.2002, 2002/12/0056; vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 18.12.2008, 2008/06/0175).

24 Es trifft aus den oben dargestellten Gründen jedenfalls die in der Revision vertretene Ansicht zu, dass das Bundesverwaltungsgericht in der vorliegenden Konstellation nicht berechtigt war, den verfahrenseinleitenden Antrag zurückzuweisen.

25 Da das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

26 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 10. Dezember 2018

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