VwGH Ra 2015/01/0022

VwGHRa 2015/01/002217.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision der Landespolizeidirektion Salzburg, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 19. November 2014, Zl. LVwG-12/20/7-2014, betreffend Weiterleitung eines Anbringens nach § 6 AVG, den Beschluss

Normen

AVG §6 Abs1;
AVG §73 Abs1;
VwGG §25a Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §31 Abs3;
VwGVG 2014 §31;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015010022.L00

 

Spruch:

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landesverwaltungsgericht Salzburg eine am 8. September 2014 eingelangte, als "Beschwerde gemäß Art. 132 Abs. 2 B-VG und den §§ 7 ff VwGVG wegen Verletzung der §§ 5 StPO ua" bezeichnete Eingabe gemäß § 6 Abs. 1 AVG der (nach § 106 StPO als zuständig erachteten) Staatsanwaltschaft Salzburg weitergeleitet.

Weiters hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend hiezu führte das Landesverwaltungsgericht - mit näheren Darlegungen - aus, dass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliege.

Die "Rechtsmittelbelehrung" enthält ua. den Hinweis auf die Möglichkeit der Erhebung einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

2. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

2.1. Nach der - gemäß § 17 VwGVG für Verwaltungsgerichte sinngemäß anwendbaren - Bestimmung des § 6 AVG hat das Verwaltungsgericht bei ihm eingelangte Anbringen, zu deren Behandlung es nicht zuständig ist, ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichtes durch Beschluss.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist das Verwaltungsgericht an seine Beschlüsse insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 (VwGVG) sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Inwieweit gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision erhoben werden kann, bestimmt das die Organisation und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes regelnde besondere Bundesgesetz (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Gemäß § 25a Abs. 3 VwGG ist gegen verfahrensleitende Beschlüsse eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

2.2. § 31 VwGVG differenziert zwischen verfahrensabschließenden und verfahrensleitenden Beschlüssen. Verfahrensabschließende Beschlüsse (wie etwa Zurückweisung einer Beschwerde wegen Verspätung; Einstellung des Verfahrens) sind rechtskraftfähig und können vom Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht mehr abgeändert werden; verfahrensleitende Beschlüsse können vom Verwaltungsgericht bei Bedarf abgeändert werden, da sie nicht rechtskraftfähig sind (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2013) § 31 VwGVG, K. 4).

Gemäß § 31 Abs. 3 VwGVG sind nur verfahrensabschließende Beschlüsse zu begründen und zuzustellen bzw. haben nur diese eine Belehrung nach § 30 VwGVG zu enthalten.

Der genannten Unterscheidung kommt weiters insofern Bedeutung zu, als gemäß § 25a Abs. 3 VwGG gegen verfahrensleitende Beschlüsse eine abgesonderte Revision nicht zulässig ist.

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner zum unmittelbaren Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze ergangenen Judikatur ausgesprochen, dass die Weiterleitung eines Anbringens nach § 6 AVG durch "formlose Verfügung" erfolgt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1991, Zl. 91/12/0034 = VwSlg 13.443 A); eine entsprechende Mitteilung an die Partei ist kein Bescheid (vgl. in diesem Sinn auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, etwa das Erkenntnis vom 30. November 2007, B 1538/07 ua = VfSlg 18.283, mwN: "bloße Verfahrensanordnung").

Die Weiterleitung eines Anbringens bewirkt das Erlöschen der Entscheidungspflicht der abtretenden Behörde, hat sie doch durch diesen Verwaltungsakt - wenn auch nicht bindend - eine im Gesetz vorgesehene Verfügung über den Antrag getroffen, die ihrem Wesen nach notwendig die Annahme des Weiterbestehens ihrer Entscheidungspflicht ausschließt. Zum Anderen hat die Weiterleitung zur Folge, dass mit dem Einlangen des abgetretenen Antrags bei der (vermeintlich) zuständigen Behörde diese die Entscheidungspflicht trifft. Diese Rechtswirkungen treten unabhängig davon ein, ob die Weiterleitung zu Recht erfolgte oder nicht (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 6, Rz 13, und die dort zitierte bisherige hg. Judikatur, etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2002, Zl. 2002/12/0056).

Die Weiterleitung nach § 6 AVG ist nicht bindend; sie hat in diesem Sinn - anders etwa als die Zurückweisung eines Anbringens - keine die betreffende Rechtssache erledigende Wirkung.

2.4. Für die "sinngemäße" Anwendung des § 6 AVG im Verfahren der Verwaltungsgerichte nach dem VwGVG ergibt sich daraus, dass die Weiterleitung eines Anbringens (hier: der Beschwerde) nach dieser Bestimmung nicht als verfahrensabschließender Beschluss, sondern als - wenngleich ebenfalls in Beschlussform zu treffende (§ 31 Abs. 1 VwGVG) - verfahrensleitende Anordnung im Sinne des § 31 Abs. 2 und 3 letzter Satz VwGVG zu qualifizieren ist.

2.5. Im vorliegenden Fall deutet nichts darauf hin, dass das Landesverwaltungsgericht in einer der Rechtskraft fähigen Weise einen Abspruch über seine Zuständigkeit treffen wollte. Es hat vielmehr lediglich die erwähnte Eingabe an die Staatsanwaltschaft Salzburg weitergeleitet (vgl. das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2007); es handelt sich um keine Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2013, Zl. 2013/01/0036).

3. Die gegenständliche Revision erweist sich daher gemäß § 25a Abs. 3 VwGG als unzulässig (und zwar ungeachtet der im angefochtenen Beschluss enthaltenen unzutreffenden Unzulässigkeitsbegründung bzw. unrichtigen Rechtsmittelbelehrung; vgl. auch den hg. Beschluss vom 29. Oktober 2014, Zl. Ra 2014/01/0113).

4. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 17. Februar 2015

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