VwGH Ro 2017/20/0001

VwGHRo 2017/20/000119.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Hainz-Sator und Dr. Leonhartsbergersowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den Einstellungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Februar 2017, Zl. W237 2142786-1/2E, in der Rechtssache betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: A N A G in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs2;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
VwGVG 2014 §12;
VwGVG 2014 §16 Abs1;
VwGVG 2014 §16 Abs2;
VwGVG 2014 §16;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §8;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss (Spruchpunkt II.A) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.

Begründung

1 I. Verfahrensgang

1. Der Mitbeteiligte, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 11. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Er erhob am 12. August 2016 (Einlangen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde).

3 2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit Bescheid vom 24. November 2016 den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III).

4 Gemeinsam mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Bescheidbeschwerde vom 11. Dezember 2016 legte das BFA den Verwaltungsakt am 21. Dezember 2016 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5 3. Mit Erkenntnis vom 3. Februar 2017 hob das Bundesverwaltungsgericht den bekämpften Bescheid vom 24. November 2016 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde gemäß § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 VwGVG auf (Spruchpunkt I.A). Zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides sei die dreimonatige Frist zur Nachholung der Entscheidung bereits abgelaufen gewesen.

6 Unter einem fasste das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Verfahrens wegen Verletzung der Entscheidungspflicht den Beschluss, dass dieses Verfahren gemäß § 31 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 VwGVG eingestellt werde (Spruchpunkt II.A). Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zu Spruchpunkt II.A aus, es erachte die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 36 Abs. 2 VwGG, BGBl. Nr. 197/1985 idF BGBl. I Nr. 51/2012 (aF), für die vorliegende Fallkonstellation für maßgeblich. Dieser Rechtsprechung zufolge sei das Verfahren über die Säumnisbeschwerde auch bei Erlassung des versäumten Bescheides nach Ablauf der zu seiner Nachholung gesetzten Frist einzustellen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei nach der Aufhebung des angefochtenen Bescheids wegen Unzuständigkeit sowie der Einstellung des Säumnisverfahrens wiederum zur Entscheidung in der Sache zuständig.

7 Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.

8 4. Gegen den Einstellungsbeschluss (Spruchpunkt II.A) richtet sich die gegenständliche Amtsrevision mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Der Mitbeteiligte beantragte in der Revisionsbeantwortung, "das angefochtene Erkenntnis zu bestätigen und dem Bundesverwaltungsgericht die inhaltliche Entscheidung über den Asylantrag der mitbeteiligten Partei aufzutragen".

II. Rechtslage

9 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I. Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (VwGVG), lauten auszugsweise:

"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur

rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem

Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

Nachholung des Bescheides

§ 16. (1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.

(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

  1. 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
  2. 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das

    Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) (...)

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

(8) (...)

Entscheidungspflicht

§ 34. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde und in den Fällen des § 28 Abs. 7 mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist. Soweit sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a AVG) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur

rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem

Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

(...)

§ 36 Abs. 2 VwGG in der bis 31. Dezember 2013

geltenden Fassung lautete auszugsweise:

Bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG ist der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Verwaltungsbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Vorverfahrens erlassen, so ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen."

III. Erwägungen

 

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 1. In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision unter anderem vor, es liege keine Rechtsprechung zur Frage vor, wer befugt sei, das Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 16 Abs. 1 letzter Satz VwGVG einzustellen. Nach Ansicht der revisionswerbenden Partei komme die Einstellungsbefugnis nach § 16 Abs. 1 VwGVG nur dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu. Das Bundesverwaltungsgericht sei demnach nicht befugt gewesen, das Säumnisbeschwerdeverfahren einzustellen. Zudem entfalte die ersatzlose Aufhebung eines Bescheides nach gefestigter Rechtsprechung eine ex-tunc Wirkung. Diese führe dazu, dass aufgrund der Bestimmung des § 16 Abs. 2 VwGVG die Zuständigkeit zur inhaltlichen Entscheidung gegen des Verstreichens der dreimonatigen Frist auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen sei. Dieses hätte inhaltlich über den Antrag der mitbeteiligten Partei absprechen müssen und hätte nicht wiederum das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Verfahrensführung für zuständig erklären dürfen.

12 2. Die Amtsrevision erweist sich im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführte und auch in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage als zulässig. Sie ist auch begründet.

13 2.1. Im hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2015, Ra 2015/19/0075, wurde bereits festgehalten, dass die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) - neben dem in § 73 Abs. 2 AVG geregelten Devolutionsantrag für jene Fälle, in denen auch nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Rechtsstufe (noch ausnahmsweise) Berufung erhoben werden kann, - dem Rechtsschutz gegen Säumnis der Behörden dient. Zweck dieses Rechtsbehelfes ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in seiner Sache zu erlangen.

14 Nach den Erläuterungen zu § 16 Abs. 1 VwGVG soll der Behörde im Verfahren über Säumnisbeschwerden die Möglichkeit eröffnet werden, die unterbliebene Erlassung eines Bescheides nachzuholen (RV 2009 BlgNR 24. GP , ursprünglich waren die einschlägigen Bestimmungen in § 15 der RV enthalten, im Zuge des Abänderungsantrags AB 2112 BlgNR 24. GP wurden sie in § 16 verankert). Dies kommt in § 16 Abs. 1 VwGVG darin zum Ausdruck, dass die Behörde im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid noch erlassen kann.

15 2.2. Zuständigkeit nach Erhebung der Säumnisbeschwerde § 16 Abs. 1 VwGVG räumt der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit ein, innerhalb einer Frist von drei Monaten den Bescheid zu erlassen, ohne dass es erforderlich wäre, dass ihr dafür vom Verwaltungsgericht ausdrücklich eine Frist eingeräumt werden müsste (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2015, Ra 2015/19/0075).

Diese Möglichkeit der Nachholung des Bescheides baut darauf auf, dass die Säumnisbeschwerde gemäß § 12 VwGVG bei der säumigen Verwaltungsbehörde einzubringen ist und setzt auch voraus, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung in der zu erledigenden Verwaltungsangelegenheit nicht schon alleine aufgrund der Einbringung einer - zulässigen und berechtigten - Säumnisbeschwerde auf das angerufene Verwaltungsgericht übergeht. Demnach bleibt im Fall der Einbringung einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG die Zuständigkeit der säumigen Behörde zur Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit bis zum Ablauf der dreimonatigen Nachholfrist gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG bestehen. Dies gilt mit Ausnahme des Falles, dass die Behörde bereits vor Ablauf dieser Frist die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht vorlegt (§ 16 Abs. 2 VwGVG). Diese Sichtweise entspricht dem aus den Erläuterungen ersichtlichen Willen des Gesetzgebers, der Behörde im Verfahren über Säumnisbeschwerden die Möglichkeit zu eröffnen, die versäumte Erlassung des Bescheides nachzuholen.

16 2.3. Zuständigkeit nach Verstreichen der Nachholfrist

Nach dem oben Gesagten geht infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0052). Gleichzeitig erlischt die Zuständigkeit der Behörde spätestens mit Ablauf der dreimonatigen Nachfrist, die mit dem Einbringungszeitpunkt der - zulässigen und berechtigten - Säumnisbeschwerde zu laufen begonnen hat.

Tatbestandsvoraussetzung für den Zuständigkeitsübergang ist - ausgenommen im Falle einer Vorlage nach § 16 Abs. 2 VwGVG - nur das ungenützte Verstreichen der Nachholfrist. Der Zuständigkeitsübergang tritt infolge der Einbringung einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde, die die dreimonatige Frist in Gang setzt, unabhängig davon ein, ob die säumige Behörde den Bescheid nach Ablauf der Frist nachholt oder nicht. Da die nachträgliche Erlassung des die Verwaltungssache erledigenden Bescheides keinen Einfluss auf den bereits erfolgten Zuständigkeitsübergang hat, ändert die allfällige Aufhebung eines nach Zuständigkeitsübergang von der Behörde erlassenen Bescheides in einem nachfolgenden Beschwerdeverfahren ebenso nichts an der einmal eingetretenen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für die Entscheidung in der Verwaltungsangelegenheit.

Das Verwaltungsgericht ist nach Verstreichen der dreimonatigen Nachfrist zuständig, in der Verwaltungssache (meritorisch) zu entscheiden, ohne dass ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde vorzunehmen ist (vgl. wiederum das bereits zitierte Erkenntnis vom 27. Mai 2015).

Wird der verwaltungsbehördliche Bescheid nach Ablauf der der Behörde gesetzlich eingeräumten Nachfrist erlassen, so ist dieser mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde belastet. Diese Rechtswidrigkeit ist im Falle der Erhebung einer Bescheidbeschwerde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom Verwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG nicht nur über Einwand des Beschwerdeführers, sondern auch amtswegig wahrzunehmen. Weil nur eine im Sinne des § 8 VwGVG zulässige und berechtigte Säumnisbeschwerde die Rechtsfolgen des Zuständigkeitsübergangs nach sich ziehen kann (vgl. dazu auch den hg. Beschluss vom 27. April 2017, Fr 2017/11/0002), umfasst die Prüfung der Zuständigkeit im Fall eines Beschwerdeverfahrens in einer Verwaltungsangelegenheit, in deren Zusammenhang eine Säumnisbeschwerde erhoben wurde, die Beurteilung der Zulässigkeit und Berechtigung der erhobenen Säumnisbeschwerde.

17 2.4. Zuständigkeit zur Vornahme der Einstellung Wird der Bescheid innerhalb der Nachfrist von der säumigen Behörde nachgeholt, so ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß § 16 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG einzustellen (vgl. bereits zitiertes hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2015). Ergänzend ist festzuhalten, dass dies sowohl bei fristgerechter als auch bei verspäteter Bescheiderlassung gilt (vgl. auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) K 6 zu § 16 VwGVG, 124), weil das Gesetz als Tatbestandsvoraussetzung für die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens die Erlassung des Bescheides bestimmt, ohne in diesem Zusammenhang zu differenzieren, ob der nachgeholte Bescheid noch innerhalb oder erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist erlassen wurde.

Diese Rechtsansicht korrespondiert mit der Zielsetzung des Säumnisbeschwerdeverfahrens, nach dem Eintritt der Säumnis durch die Gestaltung der Bestimmungen über die Säumnisbeschwerde die Fällung einer Sachentscheidung in der kürzestmöglichen Frist herbeizuführen. Je früher dieses Ziel, auf welchem Weg immer (durch die Behörde oder das Verwaltungsgericht), erreicht wird, desto eher wird dieser Zielsetzung entsprochen. Der zeitlich kürzeste Weg, den das Gesetz vorsieht, ist der der Nachholung des Bescheides durch die Behörde bis zum Ablauf der nach § 16 Abs. 1 VwGVG eingeräumten Frist. Auch mit einem nach Ablauf der Nachfrist erlassenen Bescheid hat die Partei zunächst den von ihr mit ihrer Säumnisbeschwerde verfolgten Anspruch auf Entscheidung durchgesetzt, auch wenn dabei eine gesetzliche Bestimmung - nämlich, die zwischenzeitig eingetretene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung in der Sache - verletzt wurde. Diese Gesetzesverletzung geltend zu machen, ist in erster Linie der Disposition der Partei überlassen, als ihr die Entscheidung darüber offensteht, ob sie den Bescheid in Rechtskraft erwachsen lässt oder Beschwerde gegen den nachgeholten Bescheid erhebt. Die Gesetzesverletzung ist in dem allfälligen Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht zu klären, während das Säumnisbeschwerdeverfahren als Rechtsschutzziel (nur) die Herbeiführung einer Entscheidung in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit vor Augen hat und nicht die Richtigkeit der Entscheidung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2006, 2003/01/0502, mit Verweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 16. März 1977, Zl. 752/76).

Die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist nach der Systematik des § 16 VwGVG von der Verwaltungsbehörde vorzunehmen, weil § 16 Abs. 2 VwGVG die Vorlage der Beschwerde unter Anschluss der Akten (nur) für den Fall vorsieht, dass die Bescheiderlassung von der Behörde nicht nachgeholt wird.

Diese Entscheidung der Behörde, das Verfahren einzustellen, enthält dabei zwar keinen Abspruch über die Berechtigung und Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde im Sinne des § 8 VwGVG, weil Voraussetzung für die Einstellung gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG ausschließlich der Tatbestand der Bescheiderlassung ist. Es handelt sich jedoch um die Entscheidung der Behörde, im Säumnisbeschwerdeverfahren wegen Erreichung des Rechtsschutzzieles keine weiteren Schritte zu setzen. Wegen der Bedeutung dieser Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden im Säumnisbeschwerdeverfahren kommt eine formlose Einstellung nicht in Betracht. Das Erfordernis einer bescheidmäßigen Einstellung wird dem Rechtsschutzgedanken im Säumnisbeschwerdeverfahren auch insofern gerecht, als der Antragsteller in die Lage versetzt wird, gegen die Einstellung im Wege eines eigenen Beschwerdeverfahrens vorzugehen, wenn er die Ansicht vertritt, dass die Verwaltungsangelegenheit durch den ergangenen Bescheid nicht oder nicht zur Gänze erledigt worden sei (vgl. zum Erfordernis der förmlichen Einstellung eines vom Verwaltungsgericht geführten Beschwerdeverfahrens den hg. Beschluss vom 29. April 2015, Fr 2014/20/0047).

18 2.5. Auswirkungen der Einstellung:

19 Die Behörde hat als Voraussetzung für die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens alleine auf die Tatbestandsvoraussetzung der Erlassung des Bescheides abzustellen. Auf die Kriterien des § 8 VwGVG nimmt § 16 VwGVG nicht Bezug.

20 Wie bereits dargelegt, geht spätestens nach Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit auf das Verwaltungsgericht über und dieses hat nunmehr in der Verwaltungssache alleine zu entscheiden. Die Unzuständigkeit der Behörde ist gemäß § 27 VwGVG vom Verwaltungsgericht im Bescheidbeschwerdeverfahren von Amts wegen aufzugreifen (vgl. auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) K 5 zu § 16 VwGVG, 124).

21 Der die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde begründende Zuständigkeitsübergang tritt - wie bereits dargestellt - unabhängig von einer allfälligen nachträglichen Bescheiderlassung alleine aufgrund des ungenützten Verstreichens der dreimonatigen Nachholfrist nach Einbringung einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde ein. Er bleibt als Rechtsfolge des Ablaufs der Nachholfrist aufrecht. Im Falle der Behebung des nachgeholten Bescheides fällt der Zuständigkeitsübergang nicht weg. Im Gegenteil stellt der eingetretene Zuständigkeitsübergang die Begründung für eine allfällige amtswegige Wahrnehmung der Unzuständigkeit der Behörde im Beschwerdeverfahren dar. Die als Rechtsfolge der Ingangsetzung des Fristenlaufs eingetretene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung in der Sache ist dem weiteren Beschwerdeverfahren zugrunde zu legen.

22 Eine von der Behörde vorgenommene Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens ändert daran nichts. Mit der Einstellung wurde lediglich erklärt, dass die Behörde im Säumnisbeschwerdeverfahren keine weiteren Schritte setzen werde. Diese beseitigt jedoch nicht die bereits eingetretene Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs, der im Verfahren über die Verwaltungsangelegenheit berücksichtigt werden muss.

23 Der Behörde nach Ablauf der ihr gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfrist und nach Ablauf durch § 16 Abs. 1 VwGVG eingeräumten Nachholfrist eine neuerliche Zuständigkeit für eine Entscheidung in der Sache zuzuschreiben, findet hingegen weder im Gesetz noch in der Systematik des mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 geschaffenen Verfahrensrechts Deckung. Für eine Übertragung der Rechtsprechung zu § 36 Abs. 2 VwGG aF auf § 16 VwGVG bleibt daher kein Raum.

24 2.6. Fallbezogene Ausführungen

Vorliegend hat die Behörde nicht innerhalb der dreimonatigen Nachholfrist, sondern nach Ablauf derselben, entschieden. Die aus diesem Grund eingetretene Unzuständigkeit der Behörde war gemäß § 27 VwGVG vom Verwaltungsgericht im Bescheidbeschwerdeverfahren von Amts wegen aufzugreifen, was dieses auch getan hat (unangefochtener Spruchpunkt I.A).

25 Das Verwaltungsgericht hat die Rechtslage mit dem Beschluss Spruchpunkt II.A insofern verkannt, als es sich für die Einstellung des Säumnisverfahrens zuständig erachtete. Weder ist das Verwaltungsgericht nach dem oben Gesagten zuständig für die Einstellung gemäß § 16 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG noch - so ausdrücklich in der Begründung des angefochtenen Beschlusses - ist mit dieser Einstellung die Zuständigkeit zur Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag in der Verwaltungsangelegenheit auf die Behörde "zurückgefallen".

26 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Wien, am 19. September 2017

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