VwGH Fr2017/11/0002

VwGHFr2017/11/000227.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über den Fristsetzungsantrag der Ö AG in Wien, vertreten durch Kerle-Aigner-Pichler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 57, gegen das Bundesverwaltungsgericht, betreffend Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten nach dem BEinstG (belangte Behörde:

Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice), Landesstelle Vorarlberg), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §73 Abs2;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
VwGG §38;
VwGVG 2014 §16 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs7;
VwGVG 2014 §8 Abs1 ;

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die den vorliegenden Fristsetzungsantrag stellende Partei (kurz: antragstellende Partei) begehrte mit Schriftsatz vom 23. Februar 2015 bei der belangten Behörde die nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung der mitbeteiligten Partei gemäß § 8 BEinstG.

2 Mit Schriftsatz vom 7. September 2015 erhob die antragstellende Partei die (als "Devolutionsantrag" bezeichnete) Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG, welche dem Bundesverwaltungsgericht samt Verwaltungsakten am 5. Februar 2016 vorgelegt wurde.

3 Mit Schriftsatz vom 10. August 2016 stellte die antragstellende Partei (erstmals) einen Fristsetzungsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesverwaltungsgericht.

4 Nachdem der Verwaltungsgerichtshof das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 38 Abs. 4 VwGG zur Erlassung der ausstehenden Entscheidung binnen drei Monaten aufgefordert hatte, wies dieses mit Erkenntnis vom 21. November 2016 die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde an der Verzögerung der Erledigung des Antrages auf Zustimmung zur Kündigung u.a. wegen der Komplexität des Verfahrens kein überwiegendes Verschulden treffe.

5 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 2016, Zl. Fr 2016/11/0013-5, wurde das Verfahren über den Fristsetzungsantrag gemäß § 38 Abs. 4 VwGG eingestellt.

6 Mit Schriftsatz vom 13. Jänner 2017 brachte die antragstellende Partei (erneut) einen Antrag auf Fristsetzung gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein, in welchem begehrt wurde, dem Bundesverwaltungsgericht in der genannten Kündigungssache aufzutragen, binnen einer drei Monate nicht übersteigenden Frist "in der Sache selbst zu entscheiden". Dazu wurde zusammengefasst ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht hätte nicht über die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde an sich abzusprechen, sondern in der Sache selbst zu entscheiden gehabt, da mit der Aktenvorlage durch die belangte Behörde die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache endgültig auf das Verwaltungsgericht übergegangen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe daher seine Entscheidungspflicht verletzt und hätte bereits aufgrund des ersten Fristsetzungsantrages spätestens bis zum 21. November 2016 in der Sache zu entscheiden gehabt.

7 Mit Beschluss vom 24. Jänner 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht den Fristsetzungsantrag gemäß § 30a Abs. 1 und 8 iVm § 38 VwGG als unzulässig zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht vorliege, weil die Säumnisbeschwerde bereits mit Erkenntnis vom 21. November 2016, der Antragstellerin zugestellt mittels ERV am 22. November 2016, erledigt worden sei und seit diesem Zeitpunkt in der gegenständlichen Sache beim Bundesverwaltungsgericht kein Verfahren offen sei.

8 Mit Schriftsatz vom 25. Jänner 2017 beantragte die antragstellende Partei gemäß § 30b VwGG, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Verwaltungsgerichtshof den Fristsetzungsantrag vom 13. Jänner 2017 zur Entscheidung vorlegen. Dazu führte sie aus, die säumige Behörde habe nach Verstreichen der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Säumnisbeschwerde unter Anschluss der Akten dem Verwaltungsgericht gemäß Abs. 2 leg. cit. vorzulegen. Mit der Aktenvorlage begebe sich die Behörde ihrer Zuständigkeit und das Verwaltungsgericht habe "in der Sache selbst zu entscheiden". Letzteres sei nicht erfolgt, sodass der Fristsetzungsantrag vom 13. Jänner 2017 zulässig sei.

9 Die hier maßgebenden Bestimmungen des VwGVG lauten:

"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur

rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem

Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

...

Nachholung des Bescheides

§ 16. (1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.

(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

...

Erkenntnisse

§ 28. ...

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

..."

10 Das Bundesverwaltungsgericht hat, wie dargestellt, bereits mit Erkenntnis vom 21. November 2016 über die Säumnisbeschwerde der antragstellenden Partei entschieden, indem es diese Beschwerde (mangels überwiegenden Verschuldens der Behörde an der Säumnis) gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG abgewiesen hat. Da die antragstellende Partei nicht behauptet, dass sie dieses Erkenntnis bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts erfolgreich bekämpft habe, und solches auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich ist, ist von der rechtskräftigen Abweisung der Säumnisbeschwerde auszugehen.

11 Da es sich somit um eine unbegründete Säumnisbeschwerde handelte, ist - anders als die antragstellende Partei vermeint - die Zuständigkeit, in der Verwaltungssache zu entscheiden, nicht auf das Verwaltungsgericht übergegangen (vgl. dazu die Ausführungen unter Pkt. 5 im hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2015, Zl. Ra 2015/19/0075). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abweisung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 Abs. 2 AVG wird die Unterinstanz wieder zuständig, wenn der Devolutionsantrag von der Oberbehörde abgewiesen worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. März 2003, Zl. 2002/05/0735, mwN), sodass die Entscheidungspflicht der Unterinstanz in vollem Umfang wieder auflebt (vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 39 zu § 73). Diese Rechtsprechung gilt vor dem Hintergrund der insoweit identen rechtlichen Ausgangssituation auch für die Abweisung der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG.

12 Daran ändert der im Vorlageantrag ins Treffen geführte Hinweis auf die Verpflichtung der Behörde zur Aktenvorlage gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG nichts, weil sich daraus noch nicht zwingend die Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung in der Sache ableitet. Diese ist vielmehr in § 28 Abs. 7 letzter Satz VwGVG geregelt und setzt eine unerledigte Säumnisbeschwerde (arg. "über die Beschwerde") voraus, an der es jedoch fehlt, wenn die Beschwerde bereits gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG abgewiesen wurde.

13 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass mit der Abweisung der Säumnisbeschwerde durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. November 2016 die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung in der Sache (wieder) gegeben war. Daraus folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht seit der Erlassung des letztzitierten Erkenntnisses keine Entscheidungspflicht hinsichtlich des eingangs erwähnten Antrages auf Zustimmung zur Kündigung und somit keine Säumnis iSd § 38 Abs. 1 VwGG trifft.

14 Der Fristsetzungsantrag war daher gemäß § 38 Abs. 4 iVm § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, wobei diese Entscheidung an die Stelle des erwähnten Zurückweisungsbeschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Jänner 2017 tritt (vgl. aus vielen den hg. Beschluss vom 28. November 2016, Zl. Ro 2016/11/0015).

Wien, am 27. April 2017

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