VwGH 2002/05/0735

VwGH2002/05/07356.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Connect Austria Gesellschaft für Telekommunikation GmbH in Wien, vertreten durch Mag. Helmut Rieger, Rechtsanwalt in Wien I, Lugeck 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. März 2002, Zl. RU1-V-01198/00, betreffend Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Brunn am Gebirge, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
BauO NÖ 1996 §5 Abs3;
BauO OÖ 1994 §14;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
BauO NÖ 1996 §5 Abs3;
BauO OÖ 1994 §14;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 16. März 2001 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangten Ansuchen vom 15. März 2001 beantragte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die angeschlossenen Beilagen die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer Sende- und Empfangsanlage für ihr Mobilfunknetz (GSM-Netz) mit dazugehörigen Adaptierungsarbeiten für die technische Ausrüstung auf dem Grundstück Nr. .448 in EZ 561 der KG Brunn am Gebirge.

Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung am 9. Juli 2001 durchgeführt, in der sich Anrainer gegen das Bauvorhaben aussprachen. U.a. führten sie aus, die Unterlagen seien unzureichend hinsichtlich der Standsicherheit, des Brandschutzes und der Lärmimmissionen. Aus diesem Grunde wurde die Bauverhandlung unterbrochen, die eingelangten Stellungnahmen (Einwendungen) wurden in der Folge der Beschwerdeführerin übermittelt. Der Vertreter der Beschwerdeführerin wies auf die Bestimmung des § 5 der NÖ BO 1996 hin, wonach die Baubehörde binnen drei Monaten über das eingelangte Ansuchen zu entscheiden habe. Weiters hätten die bei der Bauverhandlung erschienenen Anrainer keine Parteistellung im Sinne des § 6 Abs. 2 NÖ BO 1996, es hätte nach § 22 leg. cit. eine Bauverhandlung entfallen müssen, da durch das geplante Bauvorhaben keine Rechte der Nachbarn berührt seien.

In der Folge brachte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag vom 12. Juli 2001 ein, der am 13. Juli 2001 zur Post gegeben wurde, das Einlangen bei der Gemeinde ist im Akt nicht dokumentiert.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde den Devolutionsantrag mit der Begründung abgewiesen, dass für das gegenständliche Bauvorhaben eine Bewilligung nach dem Telekommunikationsgesetz für die technischen Einrichtungen eines Mobilfunktelefon-Sendemastes notwendig sei. Da sohin die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 NÖ BO 1996 für die kurze Entscheidungsfrist von drei Monaten, nämlich die nicht gegebene Notwendigkeit der Erteilung einer Bewilligung nach einem anderen Gesetz als der NÖ BO 1996, nicht vorläge, gelte für die Entscheidung zur Erteilung der Baubewilligung für einen Mobilfunktelefon-Sendemasten die normale Devolutionsfrist des § 73 AVG 1991 von sechs Monaten.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. März 2002 als unbegründet abgewiesen. Sie teilte die Ansicht des Gemeindevorstandes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Bei der gegenständlichen Anlage handle es sich um die Errichtung von Infrastruktureinrichtungen, was sich u.a. bereits aus der Bauanzeige und der Abschrift der Niederschrift betreffend die Bauverhandlung vom 9. Juli 2001 ergebe. § 5 Abs. 1 des Telekomgesetzes regle, dass die Errichtung und der Betrieb von Infrastruktureinrichtungen und Netzen zu Zwecken der Telekommunikation bewilligungsfrei sei. Diese Regelung stelle gegenüber der allgemeinen Regelung des § 68 leg. cit., der lediglich Funkanlagen betreffe, eine Sonderregelung dar. Die Beschwerdeführerin betreibe das Mobilfunknetz der Marke ONE und sei Inhaberin einer Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Sprachtelefondienstes durch ein Mobilkommunikationsnetz. Sie habe alle erforderlichen Unterlagen, die notwendig seien, um ein Verfahren nach der NÖ Bauordnung durchzuführen, vorgelegt. Überdies hätte die Baubehörde erster Instanz zumindest auf Grund des Verstreichens der sechsmonatigen Entscheidungsfrist nach AVG - diese Frist sei am 16. September 2001 abgelaufen - entscheiden müssen; alleine schon aus diesem Grund hätte dem Antrag der Beschwerdeführerin an den Gemeindevorstand Folge geleistet werden müssen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 ("Allgemeine Verfahrensbestimmungen") Abs. 3 NÖ BauO 1996 (in der insofern unverändert gebliebenen Stammfassung LGBl. 8200- 0) lautet wie folgt:

"Die Baubehörde erster Instanz hat über einen Antrag nach § 14, sofern er das Vorhaben keiner Bewilligung nach einem anderen Gesetz bedarf, binnen drei Monaten zu entscheiden. Die Entscheidungsfrist beginnt erst, wenn alle Antragsbeilagen (§§ 18 und 19) der Baubehörde vorliegen."

§ 14 BO betrifft bewilligungspflichtige Bauvorhaben; ein entsprechender Antrag lag hier vor.

§ 5 Abs. 3 regelt die Entscheidungspflicht der Behörde; die allgemeine Frist des § 73 Abs. 1 AVG wird auf drei Monate verkürzt, wenn das Projekt ausschließlich nach baurechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Die volle Frist des § 73 Abs. 1 AVG kommt nach dem Gesetzeswortlaut dann zum Tragen, wenn das Vorhaben einer Bewilligung nach einem anderen Gesetz bedarf.

Aus dem allein der Verfahrensbeschleunigung dienenden Zweck dieser Norm ergibt sich, dass es nicht Sache der Baubehörde sein kann, allein zur Beurteilung dieser (Vor‑)Frage diffizile Untersuchungen nach Bewilligungstatbeständen in Fremdmaterien anzustellen und möglicherweise durch Gutachten von Sachverständigen, die jedenfalls der Baubehörde nicht unmittelbar zur Verfügung stehen, eine exakte Zuordnung zu dem einen oder anderen Tatbestand des ihr fremden Normenwerks vorzunehmen. Vielmehr muss, auch um eine sinnvolle Vollziehbarkeit dieser Fristbestimmung zu gewährleisten, eine nicht ins Detail gehende Vorprüfung dahingehend genügen, ob ein Projekt auch einem anderen Regelungsregime unterzogen ist oder nicht. Ergibt diese Prüfung, dass auch Regelungen in anderen Gesetzesmaterien mit einem entsprechenden Bewilligungsvorbehalt auf das Projekt Anwendung finden, so kommt es im Sinne des § 5 Abs. 3 BO zu keiner Fristverkürzung; ob tatsächlich im konkreten Fall eine Bewilligungspflicht besteht oder ausdrücklich (nach jenem Gesetz) nicht besteht, kann für die von der Baubehörde zu treffende Beurteilung keine Rolle spielen. § 5 Abs. 3 BO ist nach der Zielvorstellung des Gesetzes, das Bauverfahren möglichst rasch zu einem Abschluss zu bringen, somit dahingehend zu verstehen, dass es nur darauf ankommt, ob eine Bewilligung nach einem anderen Gesetz in Betracht kommt oder nicht. Die konkrete Prüfung der Bewilligungspflicht muss der dafür zuständigen Behörde überlassen bleiben; hier geht es allein um die Frage, ob der Baubehörde eine dreimonatige oder eine sechsmonatige Entscheidungsfrist zusteht.

Dass auf das gegenständliche Projekt, nämlich die Errichtung einer Sende- und Empfangsanlage für ein Mobilfunknetz (GSM Netz), Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes Anwendung finden, kann nicht bezweifelt werden, weil eine solche Anlage jedenfalls geeignet ist, "die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit zuverlässigen, preiswerten, hochwertigen und innovativen Telekommunikationsleistungen" (§ 1 Abs. 1 TKG) zu gewährleisten und die im § 2 leg. cit. normierten Ausnahmen vom Anwendungsbereich (Anlagen zum Zweck der Landesverteidigung sowie Anlagen, die ausschließlich für Zwecke der Fernmeldebehörden errichtet und betrieben werden) nicht vorliegen. Dieses Gesetz sieht auch Bewilligungen und Konzessionen vor; ob die gegenständliche Anlage nach diesem Gesetz tatsächlich bewilligungspflichtig ist oder nicht, spielt, wie dargestellt, keine Rolle; entscheidend ist allein, dass eine Bewilligungspflicht in Betracht kommt. Daraus folgt aber, dass die Baubehörde erster Instanz vor Ablauf der im § 73 Abs. 1 AVG genannten Frist nicht säumig war.

Unrichtig ist auch die Ansicht der Beschwerdeführerin, die Baubehörde erster Instanz hätte zumindest auf Grund des Verstreichens der sechsmonatigen Entscheidungsfrist nach § 73 AVG entscheiden müssen, schon aus diesem Grunde hätte dem Devolutionsantrag vom Gemeindevorstand Folge gegeben werden müssen: Mit dem Einlangen eines auf § 73 Abs. 2 AVG gestützten Begehrens bei der Oberbehörde ist die Zuständigkeit zur Entscheidung in der betreffenden Angelegenheit auf diese Behörde übergegangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die Vorinstanz erst dann wieder zuständig, wenn der Devolutionsantrag zurückgezogen oder rechtskräftig von der Oberbehörde abgewiesen worden ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zlen. 91/05/0017, 0018, 0099, 0100, sowie die dort angeführt hg. Vorjudikatur). Ein vor Ablauf der Frist gestellter Devolutionsantrag wird auch nicht im Nachhinein dadurch wirksam, dass die bei Einbringung des Antrages noch nicht abgelaufen gewesene Entscheidungsfrist dann verstreicht, ohne dass die zuständig gewordene Behörde den Bescheid erlässt (siehe die Nachweise bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 157 zu § 73 AVG).

Da zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 25. Oktober 2001 einerseits die Baubehörde erster Instanz auf Grund des eingebrachten Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin zur Entscheidung über das Baugesuch nicht mehr zuständig war und andererseits auf Grund des zu früh eingebrachten Devolutionsantrages der Gemeindevorstand nicht in der Sache selbst entscheiden durfte, sondern den Devolutionsantrag zurückzuweisen hatte (durch die Abweisung im Spruch, die aber im Zusammenhang mit der Begründung erkennen lässt, dass eigentlich eine Zurückweisung gemeint war, ist die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt worden), liegt keine Rechtsverletzung vor.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 6. März 2003

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