VwGH 91/05/0017

VwGH91/05/001725.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über 1) die Beschwerden der A OHG gegen die Bescheide der Bauoberbehörde für Wien vom 6. Dezember 1990, Zlen. MDR-B I-20/90 und MDR-B I-21/90, betreffend die Zurückweisung von Devolutionsanträgen, sowie 2) damit zusammenhängende Anträge, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden:

Normen

AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;

 

Spruch:

I. den Beschluß gefaßt:

Die Anträge, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, werden zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 6.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1991, Zlen. 90/05/0180, 0181, 0184, 0185, verwiesen.

Am 28. August 1986 war beim Magistrat der Stadt Wien ein dort zur Zl. 6/86 protokolliertes Ansuchen um Erteilung einer Planwechselbewilligung betreffend die Umwidmung zweier Wohnungen im Hause Wien I, B-Straße 18, eingelangt. In einem Aktenvermerk vom 16. Dezember 1986 wurde festgehalten, daß der Vertreter der Einschreiterin bei der Baubehörde vorgesprochen und die Erklärung abgegeben habe, daß zur Zl. 7/86 ein Antrag auf Umwidmung der Wohnung Tür Nr. X anhängig sei. Im Falle einer Bewilligung des zu Zl. 7/86 anhängigen Ansuchens würde dann das Gebäude überwiegend Büro- und Geschäftszwecken dienen. Im Hinblick darauf ersuche der Einschreiter, vorerst den letztgenannten Antrag einer positiven Erledigung zuzuführen.

Am 28. März 1990 war bei der Bauoberbehörde für Wien ein auf Erledigung des Ansuchens vom 28. August 1986 gerichteter Devolutionsantrag eingelangt. Die belangte Behörde hat der Einschreiterin den Aktenvermerk vom 16. Dezember 1986 vorgehalten. In einer Stellungnahme dazu hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, dieser Aktenvermerk werde schon stimmen, es seien aber seit dem 16. Dezember 1986 dreieinhalb Jahre vergangen, die Behörde habe diese Zeit einfach verstreichen lassen und würde dies wohl noch weiter tun, wenn nicht durch den Devolutionsantrag "Leben in die Sache" gekommen wäre. Es sei Aufgabe der Behörde, innerhalb von sechs Monaten zu entscheiden. Mit Bescheid vom 5. Juli 1990, Zl. MDR-B I-8/90, hatte die belangte Behörde den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid war die zur hg. Zl. 90/05/0180 protokollierte Beschwerde eingebracht worden. Diese Beschwerde war mit dem zur hg. Zahl 90/05/0181 protokollierten Antrag verbunden, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, da die belangte Behörde eine Entscheidung verweigere und damit ihre Entscheidungspflicht verletzt habe.

Am 3. Februar 1986 war beim Magistrat der Stadt Wien ein Ansuchen der Beschwerdeführerin um Erteilung der Baubewilligung für den Einbau eines Personenaufzuges im Hause Wien I, B-Straße 18, eingelangt. Einem Aktenvermerk vom 29. April 1986 zufolge habe der Vertreter der Beschwerdeführerin erklärt, es sei in Kürze mit einem Antrag um Planwechselbewilligung für das Dachgeschoß zu rechnen. Er ersuche, die Erledigung des in Aussicht gestellten Antrages um Planwechselbewilligung abzuwarten, da die Errichtung des Aufzuges derzeit ohnehin nicht in Angriff genommen werden solle, und den vorliegenden Antrag vorerst ruhen zu lassen. Am 28. März 1990 war bei der Bauoberbehörde für Wien ein auf Erledigung des Ansuchens vom 3. Februar 1986 gerichteter Devolutionsantrag eingelangt. Nachdem die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Aktenvermerk vom 29. April 1986 vorgehalten und die Beschwerdeführerin dazu vorgebracht hatte, dieser Aktenvermerk werde schon seine Richtigkeit haben, wies die belangte Behörde den Antrag vom 28. März 1990 mit Bescheid vom 5. Juli 1990, Zl. MDR-B I-7/90, gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 zurück. Gegen diesen Bescheid richtete sich die zur hg. Zl. 90/05/0184 protokollierte Beschwerde, die mit dem zur Zl. 90/05/0185 protokollierten Antrag verbunden war, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, da die belangte Behörde eine Entscheidung verweigere und damit ihre Entscheidungspflicht verletzt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 22. Jänner 1991 die Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht zurückgewiesen und gleichzeitig mit Erkenntnis die Beschwerden gegen die Bescheide vom 5. Juli 1990 als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis ausgeführt, die Beschwerdeführerin hätte zunächst klarstellen müssen, daß sie eine Entscheidung über ihre ursprünglichen Anträge nach wie vor wünsche, obwohl die Entscheidungen über die beiden anderen Anträge, deren Erledigung zunächst abgewartet werden sollte, noch nicht ergangen seien. Dies habe die Beschwerdeführerin jedoch nicht getan. Im Hinblick auf die Parteienerklärung vor der Behörde erster Instanz sei somit zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages eine Entscheidungspflicht (noch) nicht gegeben gewesen. Zu Recht habe daher die belangte Behörde den jeweiligen Devolutionsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG seien gemäß § 27 VwGG zurückzuweisen gewesen, weil eine Säumnis der belangten Behörde hinsichtlich der Entscheidung über den Devolutionsantrag nicht vorliege, eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aber Säumnis der belangten Behörde voraussetze.

Am 9. Oktober 1990 langte bei der Bauoberbehörde für Wien jeweils ein weiterer auf Erledigung des Ansuchens vom 28. August 1986 und vom 3. Februar 1986 gerichteter Devolutionsantrag datiert mit 8. Oktober 1990 ein. Mit Bescheiden vom 6. Dezember 1990, Zlen. MDR-B I-20/90 und MDR-B I-21/90, wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführerin vom 8. Oktober 1990 auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 zurück. Begründet wurde dies jeweils damit, daß am 10. Oktober, dieselbe Angelegenheit betreffend, eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sei. Mit Einlangen der Beschwerde sei die Bauoberbehörde für Wien zur Behandlung des Devolutionsantrages unzuständig geworden.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden; die Beschwerdeführerin erachtet sich durch die Verweigerung der Behörde, in der Sache zu entscheiden, beschwert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, die Verfahren wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung und Entscheidung zu verbinden.

Über die Beschwerden und die von der belangten Behörde erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Begründung, auf die die belangte Behörde die Zurückweisung des jeweiligen Devolutionsantrages vom 8. Oktober 1990 gestützt hat, nämlich die Unzuständigkeit der belangten Behörde infolge Anhängigkeit einer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in dieser Angelegenheit, ist schon deshalb unzutreffend, weil Gegenstand der Säumnisbeschwerden zu den hg. Zlen. 90/05/0181 und 90/05/0185 die Devolutionsanträge der Beschwerdeführerin vom 28. März 1990, nicht jedoch jene vom 8. Oktober 1990 waren.

Dennoch ist die Beschwerdeführerin durch die Zurückweisung der Devolutionsanträge im Ergebnis in keinem Recht verletzt worden.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung geht dann, wenn der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt wird, auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Mit dem Einlangen eines auf § 73 Abs. 2 AVG 1950 gestützten Begehrens bei der Oberbehörde ist die Zuständigkeit zur Entscheidung in der betreffenden Angelegenheit auf diese Behörde übergegangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die Vorinstanz wieder zuständig, wenn der Devolutionsantrag zurückgezogen oder rechtskräftig von der Oberbehörde abgewiesen worden ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1982, Zl. 2450/79 u.a.). In seinem Erkenntnis vom 22. April 1987, Zlen. 85/12/0024, 0026, 87/12/0017, 0018, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß mit dem Einlangen eines Devolutionsantrages, gleichgültig, wie über ihn entschieden wird, die Zuständigkeit endgültig der bisher zuständigen Behörde entzogen und auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergangen ist. Diese Rechtsansicht vertritt auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 1956, Zl. B 42/56, Slg. Nr. 3011.

Auf die Beschwerdefälle bezogen, bedeutet dies, daß mit dem Einlangen der Devolutionsanträge bei der Bauoberbehörde am 28. März 1990 die Zuständigkeit zur Erledigung der Bauansuchen der Beschwerdeführerin vom 3. Februar 1986 sowie vom 28. August 1986 zunächst wieder auf die Bauoberbehörde übergegangen ist. Bis zur Erlassung der Bescheide vom 5. Juli 1990 war die Zuständigkeit zur Erledigung dieser Bauansuchen der Behörde erster Instanz entzogen. In seinem Erkenntnis vom 22. Jänner 1991 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß im Hinblick auf die Parteienerklärungen vor der Behörde erster Instanz zum Zeitpunkt der Einbringung der Devolutionsanträge am 28. März 1990 eine Entscheidungspflicht (noch) nicht gegeben war. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Behörde erster Instanz infolge des Einbringens der Devolutionsanträge am 28. März 1990 bis zur Zustellung der Bescheide der Bauoberbehörde vom 5. Juli 1990 zur Erledigung der Bauansuchen nicht zuständig war, konnte zum Zeitpunkt der Einbringung der weiteren Devolutionsanträge vom 8. Oktober 1990 keinesfalls die Sechsmonatsfrist des § 73 Abs. 1 AVG 1950 für die Behörde erster Instanz abgelaufen sein. Im Ergebnis hat daher die belangte Behörde den jeweiligen (zweiten) Devolutionsantrag zurecht zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Anträge, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, waren gemäß § 27 VwGG zurückzuweisen, weil eine Säumnis der belangten Behörde hinsichtlich der Entscheidung über die Devolutionsanträge nicht vorliegt, eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aber Säumnis der belangten Behörde voraussetzt.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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