VwGH Ro 2018/09/0001

VwGHRo 2018/09/000120.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die Revision des X Y in Z, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. November 2017, Zl. W116 2163244-1/7E, betreffend Disziplinarstrafe nach dem HDG 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommandant Kommando Gebirgskampf, weitere Partei: Bundesminister für Landesverteidigung), den Beschluss gefasst:

Normen

ADV §10 Abs2;
ADV §7;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs5;
B-VG Art144 Abs1;
HDG 2014 §2 Abs1;
HDG 2014 §48;
MRK Art6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018090001.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. November 2017 wurde der Revisionswerber - in Bestätigung des behördlichen Disziplinarerkenntnisses vom 30. Mai 2017 - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schuldig erkannt, er habe als Rekrut während der Ableistung seines Grundwehrdienstes am 27. April 2017 die Durchführung eines erforderlichen zweiten Drogentests gemäß Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport Nr. 136/2010 ("Beurteilung der Dienstfähigkeit und Verfahren bei gegenwärtigem oder zurückliegendem, dauerndem oder fallweisem Suchtmittelmissbrauch") verweigert und vorsätzlich gegen § 7 Allgemeine Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV) verstoßen. Dadurch habe der Revisionswerber eine Pflichtverletzung gemäß § 2 Abs. 1 Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG 2014) begangen, weshalb über ihn gemäß § 48 HDG 2014 die Disziplinarstrafe des vollen Ausgangsverbotes in der Höhe von 14 Tagen verhängt wurde. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für zulässig erklärt.

2 Das Verwaltungsgericht führte in seiner Begründung zusammengefasst - unter Betonung der zentralen Bedeutung des Befehls und der Gehorsamspflicht im Bereich der Landesverteidigung - aus, der Revisionswerber habe am 27. April 2017 von dem ihm vorgesetzten Einheitskommandanten den Befehl erhalten, sich entsprechend der in Verlautbarungsblatt I Nr. 136/2010 festgelegten Vorgangsweise einem (weiteren) Drogentest (Urintest) zu unterziehen, da er bereits am 12. April 2017 positiv auf Cannabis getestet worden sei. Der Revisionswerber habe jedoch - auch nach wiederholter Aufforderung seines Vorgesetzten - die Urinabgabe verweigert, wodurch er schuldhaft Dienstpflichten gemäß § 7 Abs. 1 ADV verletzt habe, was eine Pflichtverletzung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 HDG 2014 darstelle.

3 Dem Vorbringen des Revisionswerbers, der Befehl der Abgabe einer Harnprobe zur Durchführung eines Drogentests verstoße gegen das Selbstbezichtigungsverbot gemäß Art. 6 EMRK, entgegnete das Verwaltungsgericht, dass ein solcher Befehl grundsätzlich mit den Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK in Konflikt stehen könnte, der Eingriff jedoch im Verhältnis zum angestrebten Zweck, nämlich der abschließenden medizinischen Klärung der vollen Dienstfähigkeit des Soldaten und zur Gewährleistung der notwendigen Sicherheit des militärischen Dienstbetriebes, als durchaus verhältnismäßig erscheine. Ein unzulässiger Eingriff in die durch Art. 6 EMRK geschützten Rechte des Revisionswerbers liege daher nicht vor, weshalb der vom zuständigen Vorgesetzten erteilte Befehl verbindlich zu befolgen gewesen wäre.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Der Bundesminister für Landesverteidigung erstattete eine Revisionsbeantwortung.

5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG).

7 Die maßgeblichen Bestimmungen der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV), BGBl. Nr. 43/1979, § 7 in der Fassung BGBl. Nr. 43/1979, und § 10 in der Fassung BGBl. II Nr. 7/1998, lauten auszugsweise wie folgt:

"Gehorsam

§ 7. (1) Jeder Untergebene ist seinen Vorgesetzten gegenüber zu Gehorsam verpflichtet. Er hat die ihm erteilten Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und pünktlich auszuführen. Das bloß buchstäbliche Befolgen von Befehlen ohne Rücksicht auf die ihnen offenkundig zugrunde liegende Absicht genügt allein nicht zur Erfüllung dieser Pflicht.

Ablehnung von Befehlen

(2) Befehle, die von einer unzuständigen Person oder Stelle erteilt worden sind, sowie Befehle, deren Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde, sind nicht zu befolgen. Die Absicht, einen Befehl nicht zu befolgen, ist dem Befehlsgeber unverzüglich zu melden.

...

Verhalten bei Erkrankungen und Verletzungen

...

§ 10. (1) ...

Überprüfung der Dienstfähigkeit

(2) Die Beurteilung der Dienstfähigkeit aller Soldaten obliegt den Militärärzten. Die Dienstfähigkeit der Soldaten, die Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten, ist am Beginn und am Ende der jeweiligen Wehrdienstleistung, darüber hinaus nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen zu überprüfen.

..."

8 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Erteilung eines verbindlichen Befehls an einen Präsenzdienst leistenden Soldaten, sich zur Abklärung seiner Dienstfähigkeit einem neuerlichen Drogentest durch Urinabgabe zu unterziehen, mit dem aus Art. 6 EMRK abgeleiteten Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung vereinbar sei, fehle. Derartige Befehle stellten im militärischen Dienstbetrieb keine Einzelfälle dar.

9 Der Revisionswerber wirft im Zulässigkeitsvorbringen seiner Revision die Frage auf, inwieweit der in Rede stehende Befehl mit dem aus Art. 6 EMRK abgeleiteten Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung bzw. mit dem sich aus Art. 8 EMRK ergebenden Recht auf Achtung der Privatsphäre vereinbar sei. Hierzu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

10 Soweit damit eine mögliche Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten angesprochen wird, ist zu entgegnen:

11 Zur Prüfung, ob der Revisionswerber in einem solchen Recht verletzt wurde, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen. Wird der Verwaltungsgerichtshof sohin mit einer Revision angerufen, die eine Rechtsverletzungsbehauptung aufstellt, wie sie in Art. 144 Abs. 1 B-VG als Prozessvoraussetzung für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben ist, liegt seine Zuständigkeit gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht vor. Ein solches Vorbringen ist von vornherein nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision zu begründen (vgl. VwGH 2.9.2014, Ra 2014/18/0062, mwN).

12 Dazu ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof zwischenzeitig die Behandlung der vom Revisionswerber gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 4363/2017, abgelehnt hat.

13 Soweit die Zulässigkeit der Revision darauf gestützt wird, dass Befehle wie der verfahrensgegenständliche im militärischen Dienstbetrieb keine Einzelfälle darstellten, ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand allein, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten können, nicht ihre Erheblichkeit im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG bewirkt (vgl. VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0099; 26.3.2014, Ro 2014/03/0024).

14 Auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 23.2.2017, Ro 2015/09/0013; 22.2.2017, Ro 2016/10/0009, jeweils mwN).

15 Im Sinne dieser Rechtsprechung bringt der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung weiters vor, von grundsätzlicher Bedeutung sei auch die Frage, ob die Erteilung eines Befehls, einen Harntest abzugeben, ohne jeglichen Verdacht einer Einschränkung der Dienstfähigkeit des Soldaten lediglich zur Durchführung von Stichproben, zulässig sei und ob der Befehl, zur Durchführung eines zweiten Harntests auf einen allenfalls rechtswidrig abverlangten positiven ersten Harntest gestützt werden könne. Bei dieser allgemein formulierten Frage fehlt jedoch eine Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem vom Revisionswerber dieser konkret zugrunde gelegten Sachverhalt und der darauf basierenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, die den Verwaltungsgerichtshof erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt (vgl. VwGH 10.8.2017, Ra 2016/02/0187). Aus diesem Grund wird damit in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte (vgl. VwGH 16.12.2014, Ra 2014/11/0095). Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aber aufgrund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0085; zu alldem noch einmal VwGH 21.11.2017, Ra 2016/05/0092).

16 Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung nachvollziehbar begründet, dass ein regelmäßiger Suchtmittelmissbrauch über einen längeren Zeitraum grundsätzlich negative Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit eines Soldaten haben kann bzw. in einem solchen Fall eine medizinische Abklärung durch den Militärarzt unumgänglich ist und hat auf die Bedeutung der abschließenden medizinischen Klärung der vollen Dienstfähigkeit eines Soldaten hingewiesen, nicht zuletzt auch zur Gewährleistung der notwendigen Sicherheit des militärischen Dienstbetriebes. Nicht zuletzt ist auch auf die Bestimmung des § 10 Abs. 2 ADV hinzuweisen, wonach die Dienstfähigkeit der Soldaten, die Präsenz- und Ausbildungsdienst leisten, am Beginn und am Ende der jeweiligen Wehrdienstleistung bzw. darüber hinaus nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen zu überprüfen ist.

17 Sohin wurde weder vom Verwaltungsgericht noch vom Revisionswerber eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weshalb die Revision zurückzuweisen war.

18 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 20. September 2018

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