Normen
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs6 Z2
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art140
B-VG Art144 Abs1
EURallg
VwGG §28 Abs3
32011L0095 Status-RL Art2 litj
32011L0095 Status-RL Art3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:RA2014180062.L00
Begründung
Die Revision wird zurückgewiesen.
1. Die Revisionswerberin, eine irakische Staatsangehörige, beantragte am 8. April 2010 internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 21. Mai 2010 erkannte ihr das Bundesasylamt den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu. Ihr Antrag auf Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten wurde hingegen abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab. Gleichzeitig sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig ist.
Begründend stellte das BVwG fest, die Revisionswerberin habe am 1. März 2011 in Österreich einen anerkannten Konventionsflüchtling geheiratet. Der Ehe entstamme ein am 4. Februar 2012 geborener Sohn, dem im Familienverfahren nach dem Vater ebenfalls Asyl zuerkannt worden sei. Der Revisionswerberin könne jedoch aus näher dargestellten rechtlichen Gründen im Familienverfahren kein Asyl zuerkannt werden.
2. Die Revisionswerberin erachtet sich durch diese Entscheidung in ihrem Recht auf Gewährung des Status einer Asylberechtigten bzw. in ihrem Recht auf Gewährung desselben Schutzstatus, wie er auch ihrem Ehemann und ihrem Kind zukommt, verletzt.
Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision bringt sie vor, der vorliegende Fall werfe Fragen zum Anwendungsbereich und zur Auslegung der Bestimmungen des § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 und des § 2 Z 22 AsylG 2005 auf. Insbesondere zeige sich am konkreten Fall, dass Zweifel an der Verfassungs‑ und Unionsrechtskonformität der genannten Bestimmungen bestünden. Zum einen sei vordergründig keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, Ehegatten untereinander nur dann als Familienangehörige nach § 2 Z 22 AsylG 2005 anzusehen, wenn die Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden habe. Der EGMR habe sich kürzlich in der Entscheidung Hode und Abdi gegen das Vereinigte Königreich mit einer vergleichbaren Regelung im britischen Recht auseinandergesetzt und eine Verletzung von Art. 8 iVm Art. 14 EMRK festgestellt. Im Lichte dieser Rechtsprechung stelle sich die Frage, ob die österreichische Rechtslage, die bei der Familienzusammenführung Asylberechtigter und subsidiär Schutzberechtigter darauf abstelle, ob die Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden habe oder erst später eingegangen worden sei, mit den genannten Bestimmungen der EMRK konform gehe. Diese Überlegungen bezögen sich nicht nur auf das sich aus der Definition des Begriffs des Familienangehörigen in § 2 Z 22 AsylG 2005 ergebende Hindernis für die Revisionswerberin, denselben Schutzstatus wie ihr Ehemann zu erlangen. Der vorliegende Fall zeige, dass es der Revisionswerberin auch nicht möglich sei, denselben Schutzstatus wie ihr minderjähriger Sohn zu erlangen und wecke damit auch Bedenken an der sachlichen Rechtfertigung, ein Familienverfahren dann auszuschließen, wenn der betreffenden "Ankerperson" der Schutzstatus selbst bereits im Zuge eines Familienverfahrens gewährt worden sei. Es liege zu diesen aufgeworfenen Fragen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Auch zu den Auswirkungen der EGMR‑Entscheidung in der Sache Hode und Abdi gegen das Vereinigte Königreich auf die österreichische Rechtslage und einer allenfalls sich aus dieser Entscheidung ergebenden Notwendigkeit, die genannten asylgesetzlichen Bestimmungen verfassungskonform einschränkend auszulegen oder aber gemäß Art. 140 B‑VG den Verfassungsgerichtshof anzurufen, habe sich der Verwaltungsgerichtshof bis dato noch nicht geäußert.
Schließlich spielten auch Fragen der Auslegung von Unionsrecht im vorliegenden Fall eine Rolle. Die Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) liefere die unionsrechtliche Grundlage für das in § 34 AsylG 2005 geregelte Familienverfahren und verlange die Zuerkennung desselben Status ‑ bzw. zumindest die Gewährung der selben mit einem Status verbundenen Rechte ‑ an Familienangehörige. Wenn auch der Begriff des "Familienangehörigen" in der Statusrichtlinie auf Mitglieder einer Familie Bezug nehme, die schon im Herkunftsstaat bestanden habe (Art. 2 lit. j), so stelle sich doch die Frage, ob die österreichische Rechtslage insofern ‑ insbesondere im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot bzw. das Diskriminierungsverbot ‑ mit Unionsrecht konform gehe, als das AsylG 2005 für minderjährige Kinder vom Erfordernis des Bestehens der Familie im Herkunftsstaat absehe, für Ehegatten jedoch auf dieses Kriterium abstelle. Auch zu diesen Überlegungen fehle bis dato eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
3. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, ist, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGG die Revision auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.
4. Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist dem Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist ‑ mit hier nicht relevanten Einschränkungen ‑ auf Antrag ebenfalls der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen (Familienverfahren). Diese Regelung ist nach § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 auf Familienangehörige eines Fremden nicht anzuwenden, dem der Status des Asylberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn, es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind. Als "Familienangehörigen" definiert § 2 Z 22 AsylG 2005 unter anderem den Elternteil eines minderjährigen Kindes, den Ehegatten oder ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
5. Dass der Revisionswerberin, deren Ehe mit einem Konventionsflüchtling nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden hat und die den Status als Asylberechtigte im Familienverfahren nur aus ihrer Verwandtschaft zu einem minderjährigen Kind ableiten könnte, das seinerseits Asyl im Rahmen eines Familienverfahrens nach dem Vater erlangt hat, die Begünstigungen des Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 nicht zukommen, ist aufgrund der geschilderten (einfachgesetzlichen) Rechtslage eindeutig und bedarf keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender hg. Rechtsprechung etwa VwGH vom 28. Mai 2014, Ro 2014/07/0053).
6. Soweit die Revision verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtslage geltend macht, ist Folgendes zu erwidern:
Nach Art. 140 B‑VG obliegt es dem Verfassungsgerichtshof, nicht aber dem Verwaltungsgerichtshof, über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen zu entscheiden. Dementsprechend begründet nicht schon das Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die ausdrücklich zur Verfassungsmäßigkeit bestimmter gesetzlicher Regelungen Stellung nimmt, eine Rechtsfrage nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG (vgl. dazu die für das Revisionsmodell der ZPO sinngemäß gleichlautende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes RIS‑Justiz RS0122865).
Wird der Verwaltungsgerichtshof mit einer Revision angerufen, die ausschließlich eine Rechtsverletzungsbehauptung aufstellt, wie sie in Art. 144 Abs. 1 B‑VG als Prozessvoraussetzung für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben ist, liegt seine Zuständigkeit nach Art. 133 Abs. 5 B‑VG nicht vor (vgl. dazu bereits die hg. Rechtsprechung zu Art. 133 Z 1 B‑VG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, etwa VwGH vom 17. Oktober 2011, 2010/12/0170, mwN). Ein solches Vorbringen ist daher von vornherein nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision zu begründen.
Auch mit dem Vorbringen, das AsylG 2005 müsse verfassungskonform einschränkend interpretiert werden, zeigt die Revisionswerberin eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht auf, zumal der Verfassungsgerichtshof sich mit den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 bei vergleichbarem Sachverhalt bereits beschäftigt und diese nicht geteilt hat (vgl. VfGH vom 22. Februar 2013, U 2445/12‑3, mit Hinweis auf VfGH vom 10. Oktober 2012, U 1533/12). Die Revision führt keine relevanten neuen Gesichtspunkte ins Treffen, die es rechtfertigen würden, die Vorschriften des AsylG 2005 über das Familienverfahren in dem von der Revisionswerberin gewünschten Sinn auszulegen. Insbesondere der Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 6. November 2012, Hode und Abdi gegen das Vereinigte Königreich, reicht dafür nicht, weil der dort entschiedene Fall (Familiennachzug von getrennt lebenden Ehegatten) mit dem gegenständlichen Sachverhalt (die Kernfamilie der Revisionswerberin lebt gemeinsam in Österreich, die Revisionswerberin genießt aufrechten subsidiären Schutz und es steht daher eine Trennung der Familie nicht in Diskussion) nicht vergleichbar ist.
7. Im vorliegenden Fall werden in der Zulassungsbegründung neben den verfassungsrechtlichen Bedenken auch solche geltend gemacht, die sich aus dem Unionsrecht ergeben sollen. Soweit den diesbezüglichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zukäme, wäre die Revision zulässig.
Letzteres ist aber zu verneinen, weil Art. 2 lit. j der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) in Bezug auf "Familienangehörige" verlangt, dass die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat; eine Voraussetzung, die im Fall der Revisionswerberin nicht erfüllt ist. Es trifft im Übrigen zu, dass Art. 3 der Statusrichtlinie günstigere Normen im nationalen Recht zulässt. Das bedeutet aber nicht, dass der österreichische Gesetzgeber unionsrechtlich gehalten gewesen wäre, Personen wie der Revisionswerberin ‑ abweichend von der Statusrichtlinie ‑ die Begünstigungen des Familienverfahrens zukommen zu lassen. Insbesondere ist der von der Revision angestellte Vergleich mit minderjährigen ledigen Kindern (einer Personengruppe, die nach nationalen und unionsrechtlichen Vorschriften als besonders schützenswert anerkannt ist) nicht geeignet, eine andere Sichtweise zu begründen.
Die angefochtene Entscheidung steht daher im Einklang mit dem eindeutigen Unionsrecht.
8. Die Revision war daher mangels Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2014
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