Normen
AVG §68 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
WaffG 1996 §21 Abs1;
WaffG 1996 §22 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016030050.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 A. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde (LPD) wies mit Bescheid vom 5. Juni 2015 den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Ausstellung eines Waffenpasses mangels Vorliegen eines Bedarfes iSd § 22 Abs 2 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG) ab.
2 Das Verwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab und bestätigte den bekämpften Bescheid mit der Maßgabe, dass der von der revisionswerbenden Partei am 10. April 2015 eingebrachte Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses zurückgewiesen wird (Spruchpunkt I.). Ferner erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis für unzulässig (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die LPD Wien mit rechtskräftigem Bescheid vom 5. Jänner 2015 einen auf einen jagdlichen Bedarf gestützten Antrag des Revisionswerbers vom 9. Mai 2014 auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Waffen der Kategorie B (dem eine Bestätigung des Landesjagdverbandes für Wien beigeschlossen gewesen sei) abgewiesen habe, weshalb dem nunmehrigen, ebenfalls auf einen jagdlichen Bedarf gestützten Antrag vom 10. April 2015 auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Waffen der Kategorie B (dem eine Bestätigung des Burgenländischen Landesjagdverbandes beigeschlossen gewesen sei) die Rechtskraft des Bescheides der LPD iSd § 68 Abs 1 AVG entgegenstehe.
3 B. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen nach Art 133 Abs 9 B-VG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.
4 C. Entgegen der außerordentlichen Revision ist das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, weshalb vorliegend keine Rechtsfragen aufgeworfen wurden, denen im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
5 C.1. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war (ungeachtet des von § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfangs) nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde bildete (vgl VwGH vom 17. Dezember 2014, Ra 2014/03/0049, und VwGH vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032, mwH). "Sache" des in diesem Sinne von der LPD getroffenen bescheidmäßigen Abspruchs war die Versagung der Ausstellung des beantragten Waffenpasses. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Übrigen schon ausgesprochen, dass die Sachbehauptungen des Waffenpasswerbers, mit denen das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen geltend gemacht wird, den festzustellenden Sachverhalt und damit die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts begrenzen, zumal es allein dem Antragsteller obliegt, die Sachumstände, aus denen er einen Bedarf abgeleitet wissen will, glaubhaft zu machen (vgl VwGH vom 14. August 2015, Ra 2015/03/0025).
6 C.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat zum VwGVG bereits ausgesprochen, dass auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden darf (vgl VwGH vom 24. März 2015, Ra 2015/09/0011). Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl etwa VwGH vom 24. März 2014, 2013/01/0117; VwGH vom 2. Juli 2010, 2010/09/0046 (VwSlg 17.938 A/2010)), wobei die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens allgemein anzuwenden sind (vgl VwGH vom 29. November 2005, 2004/06/0096). Dieser Grundsatz ist daher auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorkehrt. Fest steht nach der Judikatur weiters, dass auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mit ihrer Erlassung rechtskräftig wird (vgl idS VwGH vom 26. November 2015, Ro 2015/07/0018), wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben (VwGH vom 19. Jänner 2016, Ra 2015/01/0070). Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (vgl dazu VwGH vom 24. April 2015, 2011/17/0244). Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl dazu etwa VwGH vom 19. Jänner 2016, Ra 2015/01/0070).
7 C.3. Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung - hier: einer Verwaltungsbehörde - auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen (vgl idS VwGH vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0029). Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl nochmals VwGH vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0029). Auf dem Boden der Rechtsprechung hat auch das Verwaltungsgericht dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis (vgl dazu etwa VwGH vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032) einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl idS etwa VwGH vom 23. Mai 1995, 94/20/0785; vgl VfGH vom 18. Juni 2014, G 5/2014 (VfSlg 19.882/2014)).
8 C.4. Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist damit lediglich die Frage, ob das Verwaltungsgericht den Antrag der revisionswerbenden Partei zu Recht im Sinn des tragenden Verfahrensgrundsatzes, wie er sich aus § 68 Abs 1 AVG ergibt, wegen entschiedener Sache zurückwies (vgl idS VwGH vom 24. Juni 2014, Ro 2014/05/0050).
9 Dass sich die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, einer neuerlichen Sachentscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag der revisionswerbenden Partei auf Erteilung eines Waffenpasses für zwei Waffen der Kategorie B auf Grund eines jagdlichen Bedarfes im Bereich des Burgenlandes (Revier in N) stehe die Rechtskraft eines einen vergleichbaren Antrag abweisenden Bescheides der LPD vom 5. Jänner 2015 betreffend einen jagdlichen Bedarf in einem anderen Bundesland (Revier in Wien E) entgegen, außerhalb der Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bewegen würde, ist nicht zu erkennen. Bezüglich der für die Annahme einer "entschiedenen Sache" maßgeblichen rechtlichen Beurteilung für das Vorliegen eines "jagdlichen Bedarfes" iSd § 22 Abs 2 WaffG bewegt sich (auch) die in Revision gezogene Entscheidung innerhalb der einschlägigen wiederholt aufgezeigten Leitlinien (vgl etwa VwGH vom 13. Oktober 2015, Ra 2015/03/0071, und VwGH vom 19. Juni 2015, Ra 2015/03/0027, beide mwH). Weiters hat das Verwaltungsgericht die rechtskräftige Entscheidung der LPD vom 5. Jänner 2015 auf dem Boden der eben dargestellten Leitlinien beachtet, zumal eine Änderung der relevanten Rechtslage seither nicht eingetreten ist.
10 D. Die außerordentliche Revision war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 24. Mai 2016
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