VwGH Ro 2015/07/0018

VwGHRo 2015/07/001826.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Dr. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenwarter, über die Revision der K GmbH in J, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 27. März 2015, Zl. LVwG 46.23-5268/2014-16, betreffend Aussetzung eines Verfahrens i.A. des WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murtal; mitbeteiligte Parteien: 1. A H und 2. T GmbH, beide in K, beide vertreten durch die Neger/Ulm Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Parkstraße 1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
B-VG Art132;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §25a Abs3 impl;
VwGG §25a Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 17. Juli 2014 wurde Beschwerden der nunmehr revisionswerbenden Partei und der G. GmbH stattgegeben und diesen in einem bei der belangten Behörde anhängigen Wasserrechtsverfahren betreffend Wiederverleihung bzw. Anpassung an den Stand der Technik die Parteistellung zuerkannt.

Gegen dieses Erkenntnis erhoben die nunmehrigen mitbeteiligten Parteien (außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof und beantragten mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2014, ihrer Revision möge gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden.

Mit hg. Beschluss vom 9. Jänner 2015, Zl. Ra 2014/07/0076, wurde diesem Antrag nicht stattgegeben.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 2014 wurde den mitbeteiligten Parteien die wasserrechtliche Bewilligung für den Weiterbetrieb (Wiederverleihung des bestehenden Wasserrechts) der Wasserkraftanlage am G.-Bach in der KG G. nach Maßgabe der Projektunterlagen und unter Zugrundelegung einer Anlagenbeschreibung und Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbende Partei, weiters G.S. und die K. GmbH Beschwerden.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 27. März 2015 wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG iVm § 31 VwGVG ausgesetzt.

Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen - nach Wiedergabe des § 38 AVG - aus, dass die Frage der Parteistellung im vorliegenden Fall eine Vorfrage darstelle. Der Ausgang des Verfahrens beim Verwaltungsgerichtshof (zur hg. Zl. Ra 2014/07/0076) hinsichtlich der Parteistellung sei eine Vorfrage in Bezug auf die Beschwerdelegitimation in dem vor dem Verwaltungsgericht nunmehr anhängigen Verfahren.

Aus diesem Grund werde das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich des Bestehens der Parteistellung ausgesetzt. Da § 17 VwGVG ausdrücklich die subsidiäre Anwendung des AVG vorsehe, sei eine Aussetzung gemäß § 38 AVG zulässig.

Das Verwaltungsgericht traf im angefochtenen Beschluss keinen Ausspruch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG über die Zulässigkeit einer Revision und führte im Rahmen der Rechtsmittelbelehrung aus, dass gegen den Beschluss kein Rechtsmittel zulässig sei.

4. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende "außerordentliche Revision", welche mangels eines Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision als ordentliche Revision zu behandeln ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 24. März 2015, Zl. Ro 2014/05/0089, mwN).

Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach Art 133 Abs. 4 erster Satz B-G ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Artikels sinngemäß anzuwenden. Inwieweit gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision erhoben werden kann, bestimmt das die Organisation und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes regelnde besondere Bundesgesetz.

Gemäß § 25a Abs. 3 erster Satz VwGG ist gegen "verfahrensleitende Beschlüsse" eine abgesonderte Revision nicht zulässig.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (u.a.) die Bestimmungen des AVG mit der Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles anzuwenden.

Gemäß § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

2. Vorauszuschicken ist, dass eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung - wie der vorliegend angefochtene Beschluss - keine bloß verfahrensleitende Entscheidung im Sinne des § 25a Abs. 3 VwGG ist und damit nicht dem Revisionsausschluss nach dem ersten Satz dieser Bestimmung unterliegt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Zl. Ra 2015/10/0023, unter Hinweis auf die ausführliche Begründung des hg. Beschlusses vom 24. März 2015, Zl. Ro 2014/05/0089).

Das Verwaltungsgericht hätte daher im vorliegend angefochtenen Beschluss gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aussprechen müssen, ob dagegen die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Mangels eines solchen Ausspruches ist die vorliegende Revision als ordentliche Revision zu behandeln (vgl. wiederum den hg. Beschluss zur Zl. Ro 2014/05/0089, mwN).

3.1. Die revisionswerbende Partei bringt im Wesentlichen vor, der angefochtene Beschluss weiche von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weshalb die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorlägen. Danach dürfe insbesondere keine Aussetzung erfolgen, wenn die Vorfrage bereits rechtskräftig entschieden sei. "Die Rechtsfrage" sei "auch rechtskräftig entschieden, wenn sie beim Verwaltungsgerichtshof angefochten" worden und keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Das der revisionswerbenden Partei die Parteistellung zuerkennende Erkenntnis des Verwaltungsgerichts sei allerdings - ungeachtet des dazu anhängigen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof - rechtskräftig.

3.2. Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Nach § 38 letzter Satz AVG ist die Behörde nur dann zur Aussetzung des Verfahrens befugt, wenn das Verfahren über die Vorfrage noch nicht beendet, also insbesondere nicht rechtskräftig entschieden worden ist (vgl. dazu die Judikaturnachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 42).

Selbst wenn man - mit dem angefochtenen Beschluss - davon ausgeht, dass die Frage der Parteistellung der revisionswerbenden Partei eine für das gegenständliche Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht relevante (prozessuale) Vorfrage darstelle, erweist sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aussetzung des Verfahrens nicht als rechtmäßig:

Diese Vorfrage wurde nämlich - wie die revisionswerbende Partei richtig vorbringt - mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 17. Juli 2014 rechtskräftig entschieden. Daran ändert auch die dagegen von den nunmehrigen mitbeteiligten Parteien erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof nichts (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 2001/11/0101, mwN).

4. Das Verwaltungsgericht war somit zu der mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochenen Verfahrensaussetzung nicht befugt, weshalb dieser Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. November 2015

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