VwGH Ra 2015/10/0023

VwGHRa 2015/10/002320.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der "B Apotheke" KG in L, vertreten durch Mag. Klaus Übermaßer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafnerstraße 11, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 8. Dezember 2014, Zlen. LVwG-050039/2/Gf/Rt und LVwG- 050040/2/Gf/Rt, betreffend Aussetzung des Verfahrens i.A. des Apothekengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Linz-Land; mitbeteiligte Parteien: 1. G M in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nußdorfer Straße 10-12; 2. J und F OHG, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §38a;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art133 Abs3;
VwGG §25a Abs3 impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015100023.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2014 gab die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) einem Antrag der revisionswerbenden Partei auf Bewilligung der Erweiterung des mit Bescheid vom 24. April 2001 genehmigten Standortes der "B Apotheke" in L statt und legte den künftigen Standort der "B Apotheke" auf näher beschriebene Weise fest, wobei unter anderem Einsprüche der mitbeteiligten Parteien als unbegründet abgewiesen wurden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

2. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. Dezember 2014 setzte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich das Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm "den §§ 38 und 38a AVG bis zur Beendigung des Vorabentscheidungsverfahrens durch den Gerichtshof der Europäischen Union" aus und erklärte eine ordentliche Revision gegen diesen Beschluss gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig.

Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht - nach Darstellung des Verfahrensganges - lediglich aus, nach dem Vorbringen der zweitmitbeteiligen Partei in ihrer Beschwerde lasse sich aus den Feststellungen der belangten Behörde nicht mit Sicherheit ableiten, ob tatsächlich ein Bedarf an der beabsichtigten Standorterweiterung gegeben sei.

Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2014 habe das Verwaltungsgericht an den EuGH einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV "zur Klärung der Vereinbarkeit der Bestimmung des § 63 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes mit Art. 267 AEUV und/oder allgemein mit dem Grundsatz des Vorranges des Unionsrechts" gestellt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sei "die Antwort des EuGH auch für die Entscheidung der gegenständlich anhängigen Rechtssache von Bedeutung", weshalb das Verfahren gemäß § 17 VwGVG iVm "den §§ 38 und 38a AVG" bis zur Beendigung des Vorabentscheidungsverfahrens auszusetzen sei.

Da im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, sei eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diesen Beschluss nicht zulässig.

3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Das Verwaltungsgericht hat die Revision sowie die Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

Die mitbeteiligten Parteien haben Revisionsbeantwortungen erstattet. Die belangte Behörde hat von einer Revisionsbeantwortung abgesehen.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung - wie der vorliegend angefochtene Beschluss - keine bloß verfahrensleitende Entscheidung im Sinne des § 25a Abs. 3 VwGG ist und damit nicht dem Revisionsausschluss nach dem ersten Satz dieser Bestimmung unterliegt (vgl. dazu mit ausführlicher Begründung den hg. Beschluss vom 24. März 2015, Zl. Ro 2014/05/0089).

2. Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

3. Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vor, der angefochtene Beschluss führe lediglich lapidar aus, die "Antwort des EuGH" auf das genannte Vorabentscheidungsersuchen sei auch für die vorliegend anhängige Rechtssache von "Bedeutung", ohne dies näher zu begründen. Der angefochtene Beschluss leide daher "entgegen der ständigen Rechtsprechung des VwGH unter einem massiven Begründungsmangel".

4. Ausgehend von diesen in der Revision vorgebrachten Gründen (vgl. § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG) erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, hat das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des § 17 VwGVG seine Entscheidung im Sinn der §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG zu begründen (vgl. das Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076, mwN).

Die vorliegend auf § 17 VwGVG iVm § 38 AVG gestützte Aussetzungsentscheidung stellt eine Ausübung des in § 38 AVG eingeräumten Ermessens dar (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 29, 39, mwN). Auch Ermessensentscheidungen sind allerdings nach § 60 AVG in der Weise zu begründen, dass in der Begründung die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufgezeigt werden, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes (vgl. Art. 133 Abs. 3 B-VG) erforderlich ist; dies erfordert jedenfalls eine die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls voll berücksichtigende Interessenabwägung (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 60 Rz 12, mit Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung).

Zutreffend weist die revisionswerbende Partei darauf hin, dass sich die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Beschlusses nach dem Gesagten als mangelhaft erweist. Diesem Begründungsmangel kommt auch Relevanz zu, weil ohne entsprechende Darlegungen nicht beurteilt werden kann, ob die Aussetzung zu Recht erfolgt ist.

5. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Mai 2015

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