VwGH 92/01/0486

VwGH92/01/048630.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Jänner 1992, Zl. 4.321.301/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, reiste am 1. September 1991 in das Bundegebiet ein und stellte am 3. September 1991 einen Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Befragung gab er an, er sei bis 1989 bei der Sicherheitsdirektion in O als Unteroffizier beschäftigt gewesen. Vom 28. Juni 1989 bis 25. Dezember 1989 sei er bei der Securitate in O wegen eines Fluchtversuches nach Jugoslawien in Haft gewesen. Seit seinem Austritt aus der Securitate habe er ständig Schwierigkeiten mit der Polizei; Vorladungen wegen seiner ehemaligen Tätigkeit als Unteroffizier seien an der Tagesordnung gewesen. Er bekomme in Rumänien keine Arbeit; seine frühere Tätigkeit bei der Securitate werde ihm immer angelastet. Während seiner Haft sei seine Frau nach Österreich ausgewandert. Seine Ausreiseansuchen seien ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden. Im April 1991 sei sein Haus von unbekannten Tätern in Brand gesteckt worden. Nach seiner Haftentlassung sei er in das Geburtshaus seines Vaters "in die Berge" zurückgekehrt.

Mit Bescheid vom 5. September 1991 sprach die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich aus, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zukäme.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, der Bescheid gehe nicht auf sein Vorbringen und seine persönliche Situation ein. Sein Vorbringen sei geeignet, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen.

Mit Bescheid vom 22. Jänner 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat sie die Auffassung, die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides entspreche den Erfordernissen des § 60 AVG. Der Beschwerdeführer habe keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde. Sanktionen wegen eines Verstoßes gegen die den Grenzübertritt oder den Aufenthalt eines Staatsangehörigen im Ausland regelnden Vorschriften stellten für sich alleine keine Verfolgung aus den in der Genfer Konvention normierten Gründen dar. Das Recht auf Arbeit sei, sofern nicht durch dessen Verweigerung die Lebensgrundlage entzogen werde, kein geschütztes Rechtsgut im Sinne der Flüchtlingskonvention; dies umsomehr, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes nicht dem Heimatstaat zuzurechnen sei. Die Zerstörung des Hauses betreffend sei nicht ersichtlich, daß es sich dabei um einen von staatlichen Stellen ausgehenden Angriff gehandelt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die belangte Behörde "interpretiere" nicht, ob eine Verfolgungshandlung vorliege, wenn der Beschwerdeführer häufig zur Polizei vorgeladen und sein Haus vernichtet werde.

Diese Darlegungen sind in mehrfacher Hinsicht nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die Flüchtlingseigenschaft die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, voraussetzt (vgl. § 1 Asylgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention).

Der Beschwerdeführer hat keinen Sachverhalt vorgebracht, der erkennen ließe, daß die behauptete Verfolgung mit einem der soeben genannten Gründe im Zusammenhang gestanden wäre; insbesondere kann nicht davon gesprochen werden, daß Vorladungen zur Polizei im Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der Securitate ohne weiteres eine Verfolgung aus einem der genannten Gründe darstellten. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers ist daher auch durch den Hinweis der Beschwerde nichts gewonnen, er habe sein Begehren nicht auf seine frühere Haftstrafe wegen eines "Fluchtversuches", sondern auf Verfolgung wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur Securitate gegründet.

Dazu kommt, daß (auch häufigen) Vorladungen zur Polizei nicht der Charakter von Eingriffen zukommt, die ihrer Intensität nach als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu qualifizieren sind (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0146).

Die vom Beschwerdeführer ebenfalls als Verfolgung angesehene "Vernichtung seines Hauses" kommt als solche schon deshalb nicht in Betracht, weil der vorgetragene Sachverhalt keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß es sich dabei um eine staatlichen Stellen zuzurechnende Maßnahme gehandelt hätte (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0102).

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren behauptet, er bekäme in Rumänien keine Arbeit; seine frühere Tätigkeit bei der Securitate werde ihm immer angelastet. Auch dieses Vorbringen ist in mehrfacher Hinsicht zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft nicht geeignet: Es bietet weder Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit Konventionsgründen noch dafür, daß die behaupteten Umstände die Folgen von Maßnahmen wären, die staatlichen Stellen zugerechnet werden könnten; im übrigen können derartige Nachteile nur dann als Fluchtgrund in Betracht kommen, wenn sie die Lebensgrundlagen des Asylwerbers massiv bedrohen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1992, Zlen. 91/01/0207, 0208), wofür im Beschwerdefall ebenfalls kein Anhaltspunkt vorliegt.

Die Beschwerde rügt weiters, die belangte Behörde habe nicht ermittelt bzw. festgestellt, daß "und warum" der Beschwerdeführer "in die Berge geflüchtet" sei, "wie massiv" der Druck auf den Beschwerdeführer dadurch gewesen sei, daß ihm Arbeit verweigert worden sei, und daß er von der örtlichen Polizei bedroht worden sei. Mit diesen und ihren weiteren Verfahrensrügen im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren verkennt die Beschwerde, daß es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1992, Zl. 91/01/0212); es ist nicht Aufgabe der Behörde, dem Asylwerber Unterweisungen dahin zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen habe, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden kann (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0236). Zu ergänzenden Ermittlungen (zur Beseitigung allfälliger Zweifel) sind die Behörden des Asylverfahrens nur dann verpflichtet, wenn das Vorbringen des Asylwerbers einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthält, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention in Betracht kommt (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1992, Zl. 91/01/0216, und vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0187); solche Hinweise können dem Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch, wie schon dargelegt wurde, nicht entnommen werden. Mit den oben wiedergegebenen, zum Teil unbeachtliche Neuerungen (vgl. § 41 VwGG) darstellenden Ausführungen zeigt die Beschwerde somit keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Auch der Vorwurf eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht ist nicht berechtigt. Abgesehen davon, daß ein anderes Verfahrensergebnis im Beschwerdefall schon mangels Behauptung eines asylbegründenden Sachverhaltes nicht in Betracht gekommen wäre, ist der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen, daß die belangte Behörde ihren (im einzelnen dargestellten) rechtlichen Erwägungen jenen Sachverhalt zugrundelegte, den der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet hatte. Mängel der Begründung, die den Beschwerdeführer an der Verfolgung seiner Rechte hätten hindern können, sind somit nicht ersichtlich.

Die Beschwerde macht weiters geltend, die belangte Behörde habe bei der Beweiswürdigung die Vorschrift des § 45 Abs. 2 AVG mißachtet. Worin der geltend gemachte Verstoß bestehen soll, legt die Beschwerde aber nicht dar; dem Akteninhalt sind bei der Beweiswürdigung unterlaufene Verfahrensmängel nicht zu entnehmen. Zum Nachteil des Beschwerdeführers bei der Beweiswürdigung unterlaufene Verfahrensmängel sind im Beschwerdefall im übrigen schon deshalb nicht anzunehmen, weil die belangte Behörde ihrer Beurteilung die als glaubwürdig erachteten Angaben des Beschwerdeführers zugrunde gelegt hat.

Daß die Ehegattin des Beschwerdeführers seit 1989 in Österreich lebt, Arbeit gefunden hat und ihr eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde, ist für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers ohne Bedeutung; die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde vermißten Feststellungen sind daher nicht wesentlich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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