VwGH 91/01/0212

VwGH91/01/021218.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in W,vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. September 1991, Zl. 4.311.338/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 10. Oktober 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen schriftlichen Antrag auf Asylgewährung. Darin führte der Beschwerdeführer aus, er sei als Kurde unterdrückt worden und habe infolge seiner Arbeitslosigkeit in Istanbul Arbeit gesucht und auch gefunden. Weil er Bestrebungen zur Gründung einer Gewerkschaft unterstützt habe, sei der Beschwerdeführer von seinem Arbeitgeber bei der Polizei angezeigt worden. Diese habe ihn in der Folge beobachtet, unterdrückt und auch gefoltert. Der Beschwerdeführer habe seine Arbeit verloren und infolge weiterer Belästigungen durch die Polizei "keine Ruhe mehr" gehabt. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde am 15. März 1991 gab der Beschwerdeführer ergänzend an, er sei als Alewite "geächtet"; die Alewiten würden von den Sunniten abgelehnt. Er sei bereits 1980 nach Instanbul übersiedelt, weil er in seinem Dorf nicht mehr sicher gewesen sei. Soldaten seien in das Dorf gekommen und hätten die Einwohner beschuldigt, die Freiheitskämpfer zu unterstützen. Der Beschwerdeführer fühle sich in der Türkei nicht verfolgt. Er sei "wegen der Unterdrückung als Kurde" und weil er keine Arbeit gefunden habe, nach Österreich gereist.

Mit Bescheid vom 20. März 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer auf seine bisherigen Angaben hin und beantragte seine neuerliche Einvernahme.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Seinem erstinstanzlichen Vorbringen seien Verfolgungshandlungen nicht zu entnehmen, vielmehr habe der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt, sich in seinem Heimatland nicht verfolgt zu fühlen, sondern nach Österreich gekommen zu sein, um hier zu arbeiten. Im Falle tatsächlich beabsichtigter Verfolgung wäre dem Beschwerdeführer die legale Ausreise nicht gestattet worden. Die Ablehnung des politischen Systems reiche für das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung ebensowenig aus wie der Umstand, daß der Beschwerdeführer Beeinträchtigungen ausgesetzt gewesen sei, die auf Grund des herrschenden Systems von allen Bewohnern hingenommen werden müßten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit seinem Vorbringen ausreichend auseinanderzusetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung

BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer vertritt zunächst die Auffassung, der angefochtene Bescheid leide deshalb an einem Verfahrensmangel, weil der erstinstanzliche Bescheid mit Begründungsmängeln behaftet gewesen sei, sodaß eine Auseinandersetzung mit den von der Behörde erster Instanz herangezogenen, zur Abweisung des Asylansuchens führenden Gründen nicht möglich gewesen sei. Demgegenüber ergibt sich, daß der Beschwerdeführer in keiner Weise gehindert war, alles, was seiner Meinung nach für die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft sprach, in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid geltend zu machen. Insbesondere können aber nur Mängel des Berufungsverfahrens zur Aufhebung eines Berufungsbescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 3, Wien 1987, S. 718, angeführte hg. Judikatur).

Soweit der Beschwerdeführer meint, seine Aussage, er fühle sich in der Türkei nicht verfolgt und er sei lediglich mangels eines Arbeitsplatzes ausgereist, lasse im Zusammenhang mit seinem in Widerspruch dazu stehenden Vorbringen über willkürliche Verhaftungen und Folterungen den Verdacht fehlerhafter oder willkürlicher Protokollierung durch die Behörde erster Instanz aufkommen, ist zunächst festzuhalten, daß die Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Sicherheitsbehörde unter Beiziehung eines Dolmetschers erfolgte. Der Beschwerdeführer hat die Niederschrift vom 15. März 1991 mit dem von ihm handschriftlich verfaßten Zusatz unterfertigt, daß er seine ihm in türkischer Sprache vorgelesenen Aussagen verstanden habe und diese bestätige. Bei diesem Sachverhalt ist der Vorwurf fehlerhafter oder willkürlicher Protokollierung nicht berechtigt.

Die belangte Behörde war auch nicht gehalten, weitere Ermittlungen etwa hinsichtlich der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten, aber nicht näher konkretisierten Diskriminierung auf Grund seiner Zugehörigkeit zur alewitischen Glaubensgemeinschaft anzustellen. Vielmehr muß im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden. Es obliegt hiebei dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen

(vgl. hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0299, vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332, und viele andere).

Soweit der Beschwerdeführer seine Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe und die Behandlung, die diese Volksgruppe allgemein in der Türkei erfährt, in den Vordergrund seiner Fluchtmotive gestellt hat, ist ihm die belangte Behörde zu Recht dahin entgegengetreten, daß die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit - somit auch zu der der Kurden - allein noch keinen Grund für die Anerkennung als Konventionsflüchtling darstellt (vgl. für viele andere das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1988, Zl. 88/01/0332).

Zur Rüge, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer Ermittlungsergebnisse hinsichtlich der Lage der Kurden in der Türkei in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen, ist festzuhalten, daß nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten dem Beschwerdeführer ein sechsseitiger Bericht über dieses Thema in türkischer Sprache vorgelesen wurde und er in einer dazu abgegebenen, von ihm unterfertigten Stellungnahme das Zutreffen der darin enthaltenen Angaben bestätigt hat.

Wenn auch der angefochtene Bescheid eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich Festnahmen und Folterungen durch die Polizei vermissen läßt, kann dieser Verfahrensmangel nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach sich ziehen. Hat es doch der Beschwerdeführer unterlassen, nähere Angaben über diese angeblichen Folterungen zu machen. Soweit sich die Behauptungen auf Vorfälle während der Zeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf beziehen, kommt ihnen auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes (1980) keine Relevanz für die Frage des Vorliegens begründeter Furcht vor Verfolgung zu. Hinsichtlich der Vorgänge im Zusammenhang mit dem Eintreten des Beschwerdeführers für eine Gewerkschaft ergibt sich aus seiner bei der Vernehmung am 15. März 1991 gegebenen Darstellung, daß er lediglich kurz verhört und dann wieder entlassen worden sei. Auch aus diesem Vorbringen ist das Vorliegen einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht ableitbar. Somit hätte die belangte Behörde auch bei Vermeidung des ihr unterlaufenen Begründungsmangels zu keinem anderen Bescheid gelangen können.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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